Hans-Dieter Sill, 28.03.2021
Zur Hegelforschung
Allgemeines
Nach dem Tode Hegels zerfiel die Schar seiner Anhänger in zwei getrennte Lager, die nach ihrer politischen Orientierung als Rechtshegelianer und Linkshegelianer bezeichnet wurden.
Nach 1945 gründeten sich auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland in historischer Kontinuität zwei Vereine mit dem Zweck der Hegelforschung, die Internationale Hegel-Vereinigung e. V. und die Internationale Hegel Gesellschaft. Beide richteten regelmäßige Tagungen aus und gaben verschiedene Reihen zu Hegelforschung heraus.
Der DDR gab es ebenfalls eine Gruppe von Philosophen, die sich mit der Erforschung der hegelschen Philosophie beschäftigten. (Überblick: https://hegel-institut.de/Diskussion/DDR/ddr.html) Einige dieser Philosophen konnten auch an den Tagungen der internationalen Hegel Vereinigung bzw. in der internationalen Hegel Gesellschaft teilnehmen.
Weiterhin gibt es eine Gruppe von marxistischen Philosophen, die eigene Gesellschaften gründeten und internationale Tagungen ausrichten.
Internationalen Hegel-Vereinigung e. V.
Aus der Webseite: https://hegelvereinigung.org/
Die Internationale Hegel-Vereinigung wurde 1962 von Hans-Georg Gadamer in Heidelberg gegründet. Ihre Aufgabe, das Studium der Hegelschen Philosophie zu fördern, bedeutet wenigstens zweierlei: zum einen, das philosophische Verständnis von Hegels System und seinen Teiltheoremen zu vertiefen und zum anderen, Hegels philosophischen Ansatz in Beziehung auf andere, teils historische, teils gegenwärtige philosophische Theorien zu erörtern. Diese beiden Aufgaben nimmt die Vereinigung dadurch wahr, dass sie einerseits in regelmäßigen Abständen kleinere Arbeitstagungen zu verschiedenen Themen der Hegelschen Philosophie veranstaltet, andererseits alle sechs Jahre Kongresse mit möglichst umfassender internationaler Beteiligung durchführt. Seit 1967 verleiht die Hegel-Vereinigung alle drei Jahre den Hegelpreis der Stadt Stuttgart an Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung der Geisteswissenschaften verdient gemacht haben.
Der Hegel-Vereinigung gehören als Mitglieder mehr als 250 Philosophinnen und Philosophen aus aller Welt an. Ihre Präsidentin ist seit Juni 2017 Professorin Dr. Dina Emundts (Berlin), die Geschäftsstelle ist am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg.
Internationale Hegel-Gesellschaft e.V.
Aus der Webseite: https://hegel-gesellschaft.org/
Die Internationale Hegel-Gesellschaft e.V. mit Sitz in Berlin ist die älteste Gesellschaft, die sich der Hegelschen Philosophie widmet. Sie entstand aus dem seit 1946 in Nürnberg tätigen Hegelianum und wurde 1953 unter Teilnahme von sechs DDR-Philosophen als Deutsche Hegel-Gesellschaft e.V. von Wilhelm Raimund Beyer (1902–1990) in Nürnberg gegründet. Auf dem 2. Internationalen Hegel-Kongress 1958 in Frankfurt/Main konstituierte sie sich als Internationale Hegel-Gesellschaft. Unter diesem Namen wird sie seit 1983 auch im Vereinsregister geführt. Der 8. Kongress dieser Gesellschaft zum 200. Geburtstag Hegels wurde 1970 in Berlin-Ost durchgeführt.[1]
Aufgabe des Vereins ist es, „das geistige Erbe Hegels zu pflegen, die Philosophie Hegels in ihrer geschichtlichen Entwicklung und in ihren Georg Wilhelm Friedrich Hegel vielfältigen Beziehungen zu vorhergehenden und nachfolgenden Theorien kritisch zu erforschen und darzustellen, die aktuelle Bedeutung Hegels und des Hegelschen Denkens herauszuarbeiten sowie insbesondere die mit dem Namen Hegels eng verknüpfte dialektische Methode in all ihren Erscheinungsformen und in ihrer Anwendung wissenschaftlich zu untersuchen und fortzubilden.“ (§ 1 der Satzung vom 17.2.1983)
Vereinszweck ist es, „allen Wissenschaftlern, die sich im Sinne dieser Aufgabenstellung auf Hegel beziehen, ein Forum zu bieten. Der Vereinszweck soll durch Kongresse, Veröffentlichungen, Vorträge, Diskussionen und Berichte sowie durch persönliche Kontakte zwischen den Mitgliedern gefördert werden.“ (§ 2)
Die Mitgliederversammlung der Internationalen Hegel-Gesellschaft e.V. am 18. Mai 2016 in Bochum hat Folgendes beschlossen: Präsidentin: Myriam Gerhard (Oldenburg) Neuer Ehrenpräsident: Andreas Arndt (Berlin). Der Gründer der Internationalen Hegel-Gesellschaft, Wilhelm Raimund Beyer, war bis 1982 Vorsitzender der Gesellschaft und bis zu seinem Tod 1990 Ehrenvorsitzender.
Die Internationale Hegel-Gesellschaft e.V. veranstaltet alle zwei Jahre einen Internationalen Hegel-Kongress. Die Kongresse sind offen, d.h. jede(r), die (der) sich beteiligen möchte, kann einen Sektionsvortrag zum Thema des Kongresses anmelden und/oder an den Verhandlungen des Kongresses teilnehmen. Die Mitgliedschaft in der Internationalen Hegel-Gesellschaft e.V. ist hierfür nicht Voraussetzung. Die Kongressbeiträge werden im Hegel-Jahrbuch publiziert.
Seit 1994 erscheint zudem die Reihe Hegel-Forschungen (seit 2013 weitergeführt als „Hegel-Jahrbuch Sonderband“) mit Monographien, Sammelbänden und Editionen zur Hegelschen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte.
Gesellschaft für dialektische Philosophie e.V.
Aus der Webseite: https://www.dialektische-philosophie.org/
Unter den marxistischen Philosophen nach Marx und Engels, nach Lenin, Gramsci, Lukács, Bloch und vielen anderen ist einer besonders hervorzuheben: Hans Heinz Holz. Mit dem 2011 Verstorbenen ist der Gedanke des Weltentwurfs in der marxistischen Theorie wieder stark geworden. Die Gesellschaft für dialektische Philosophie ist seinem Werk maßgeblich verpflichtet.
Die Gesellschaft für dialektische Philosophie ist dennoch keine Hans-Heinz-Holz-Gesellschaft. Ihr Gegenstand ist die gesamte dialektische Philosophie in allen Kulturkreisen. Ihre Aufgabe ist es, wissenschaftliches Interesse für dialektisches Denken zu wecken sowie dessen Geschichte in all ihren Facetten zu erforschen und es weiterzuentwickeln.
Aus dem Statut, beschlossen auf der Generalversammlung am 22. März 2015 in Salzburg: „§ 2 Vereinszweck: … 4. Die Gesellschaft hat die Aneignung und kritische Reflexion der Philosophie von Hans Heinz Holz zum Ziel. 5. Die Gesellschaft zielt auf die Ideologiekritik antidialektischer und vulgärmaterialistischer Erscheinungen der zeitgenössischen Philosophie.“
Am 28. Februar 2021, hat die Generalversammlung der Gesellschaft für dialektische Philosophie Prof. Dr. Jörg Zimmer als neuen Vorsitzenden gewählt.
[1] Der Spiegel schrieb damals mit Blick auf die getrennten Feierlichkeiten der Stuttgarter „Internationalen Hegel-Vereinigung“ einerseits und der „Internationalen Hegel-Gesellschaft“ andererseits: „Den Denker des Widerspruchs, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, feiert Deutschlands Philosophie in diesem Sommer zu seinem 200. Geburtstag auf angemessene Weise – gespalten. … Als gelte es, die Vorstellung vom gespalteten Hegel recht glaubwürdig zu machen, ließen es die Hegelinaer der „Vereinigung“ und die Hegelianer der „Gesellschaft“ … nicht an gegenseitigen Kränkungen fehlen.“ Der Spiegel, Nr. 35/ 1970, S. 122.