Hans-Dieter Sill, 13.09.2021

Analyse des Terminus Gegensatz

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Vorbemerkungen

Zu Ermittlung der Bedeutungen der Wörter im Alltag und der Häufigkeit ihrer Verwendung wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS).

Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie zu analysieren, werden in allen Fällen die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist. Neben einer Bestimmung der Frequenz der einzelnen Wörter erfolgt aber im Wesentlichen eine Beschränkung auf den Inhalt der entsprechenden Stichwörter.

  1. Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 17.144 Sp. (8.572 S.) (HWPh)
  2. Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie, 705 S. (MLPh)
  3. Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie, 3.209 S. (EPh)

Weitere Informationen zu den Wortanalysen und Auswahlkriterien sind auf der Seite „Zu den Wortanalysen und Auswahlkriterien“ enthalten.

Literaturanalysen

Lexika

DWDS

Frequenz: 43,6

Kollokationen:  krass (8.4, 2076) Vorgänger (7.0, 988) unüberbrückbar (6.3, 455) scharf (6.2, 783) schroff (6.0, 38), Konkurrent (5.7, 525), Kollege (5.7, 841), Vorjahr (5.6, 473), ideologisch (5.5, 334), stehen (5.5, 6208)

Bedeutungen:

  1. äußerste Verschiedenheit entgegengesetzter Personen, Sachen

Beispiele:

  • der Gegensatz von ›schwarz‹ ist ›weiß‹, der Gegensatz von ›gut‹ ist ›böse‹
  • bildet einen diametralen, schroffen Gegensatz zu etw.
  • im Gegensatz zu seinem Bruder ist er klein, freundlich
  • der Kampf der Gegensätze
  1. Widerspruch

Beispiele:

  • steht in einem krassen, scharfen Gegensatz zu etw.
  • zwischen beiden Parteien besteht ein unüberbrückbarer, unversöhnlicher Gegensatz
  • soziale Gegensätze
  • durch ihre Haltung wurden die Gegensätze vertieft
  • Gegensätze überbrücken, beilegen, abschleifen

Wiktionary

  1. Entgegenstellung, Kontrast
  2. Komplement
  3. Dialektik, Dialogik, Philosophie: ein Widerspruch
  4. Musik:

Wiki (Stichwort „Gegensatz“, Version vom 17. August 2021)

  • Umgangssprachlich wird der Ausdruck allgemein verwendet
  • für den Sachverhalt, dass etwas (eine Aussage, eine Kraft etc.) etwas anderem entgegengesetzt ist,
  • oder für die Herbeiführung eines solchen Sachverhalts durch eine Handlung, die etwas anderem entgegensetzt oder -stellt (die Entgegensetzung, z. B. das Gegenvorbringen, die Antithese, der Widerstreit),
  • für das, was einem anderen entgegensteht (das Entgegengesetzte; z. B. die Wärme ist ein Gegensatz zur Kälte; das Wahre ein Gegensatz zum Falschen); oder
  • für das Verhältnis des Entgegenstehenden (das Gegensatzverhältnis, z. B. der Widerspruch, der Kontrast, das Gegenteil, die (In)Kompatibilität)
  • Ein Gegensatz im Sinne der (klassischen) Logik (logischer Gegensatz) liegt vor, wenn sich Aussagen (Urteile, Sätze) – abgeleitet auch Begriffe –, einander ausschließen (ausschließlicher Gegensatz).
  • Nichtausschließliche Gegensätze sind Gegensätze, die weder kontradiktorisch noch konträr sind. Es sind Verknüpfungen, „die in gewisser Weise entgegengesetzt, tatsächlich aber vereinbar sind“. In der Umgangssprache werden sie durch Konjunktionen wie „(zwar …) aber“, „jedoch“, „obwohl“ gebildet. Bsp.: „Er ist klein, aber dick.“ Sie sind Gegensätze nicht im logischen, sondern nur im subjektiven, psychologischen oder scheinbaren Sinn.
  • Die Einteilungen des logischen Gegensatzes:
    • Der kontradiktorische Gegensatz (auch: Kontradiktion, Widerspruch) ist der logische Gegensatz, der besteht, wenn eine Aussage die Negation der anderen ist.
    • Ein konträrer Gegensatz liegt vor, wenn – unter Umständen nur innerhalb eines bestimmten Bezugssystems – nicht beides zugleich der Fall (wahr) sein kann, jedoch beides nicht der Fall (falsch) sein kann.
    • Als subkonträren Gegensatz bezeichnet man in der klassischen Logik den logischen Gegensatz zwischen Aussagen, die nicht beide falsch, wohl aber zugleich wahr sein können, die Falschheit der einen daher die Wahrheit der anderen impliziert.
    • Der subalterne Gegensatz (Subalternation) „besagt, dass die Wahrheit einer allgemeinen Aussage eine partikuläre auch wahr macht. Ist eine partikuläre falsch, dann ist eine allgemeine falsch. Aus der Falschheit der allgemeinen folgt nicht die Falschheit der partikulären, aus der Wahrheit der partikulären nicht die Wahrheit der allgemeinen Aussage.“
    • Ein privativer Gegensatz ist ein konträrer Gegensatz, der auf der Beseitigung von etwas beruht. Beispiel: sehend – blind
    • Ein relativer Gegensatz ist ein konträrer Gegensatz auf Grund einer Beziehung. Beispiel: Vater – Sohn
    • Ein polarer Gegensatz (auch: polar-konträrer Gegensatz) liegt vor, „wenn die Begriffe als die beiden (relativen) Enden einer Skala aufgefasst werden können, die also auf eine Vergleichung, eine zweistellige Beziehung also, zurückgeht“. Beispiel: weiß – schwarz
  • Der reale Gegensatz ist der Gegensatz zwischen Gegenständen (im weitesten Sinn). Reale Gegensätze sind nichts Starres, Unbewegliches, sondern unterliegen wie alle Erscheinungen der objektiven Realität dem Werden und Vergehen (dynamische Gegensätze). Sie entwickeln sich aus Unterschieden, sind der Unterschied auf der höchsten Stufe seiner Entwicklung.
  • Das Prinzip von der Identität und der gegensätzlichen Durchdringung der Gegensätze bildet eines der wichtigsten Prinzipien in der idealistischen und materialistischen Dialektik. Der dialektische reale Gegensatz unterscheidet sich sowohl vom kontradiktorischen als auch vom konträren.
  • Während diese in der Realität nicht existieren, sondern nur als Widerspiegelungen der objektiven Gegebenheiten erscheinen, bestehen dialektische Gegensätze objektiv real. Sätze, die einen kontradiktorischen oder konträren Gegensatz zum Ausdruck bringen, können nicht zusammen wahr sein, während zwei Sätze, die einen dialektischen realen Gegensatz widerspiegeln beide wahr sein müssen.

Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1 (1904), S. 361-363

  • Gegensatz: 1) logischer (Opposition)das Verhältnis, in welchem zwei Begriffe oder zwei Urteile zueinander stehen, die einander ausschließen. Es gibt einen contradictorischen (s. d.) und einen conträren (subconträren) Gegensatz.
  • »Gegensatz« ist 2) ontologischer (realer) Gegensatz (»Repugnanz«), Widerstreit zweier Dinge, zweier Qualitäten, zweier Tätigkeiten, dynamische Entgegensetzung, Willens-Gegensatz, Gegensatz der Gefühle (physischer-psychischer Gegensatz, ethischer, socialer Gegensatz).
  • KANT betont den Unterschied zwischen logischer und realer Opposition. »Einander entgegengesetzt ist, wovon eines dasjenige aufhebt, was durch das andere gesetzt ist. Diese Entgegensetzung ist zweifach; entweder logisch durch den Widerspruch, oder real d. i. ohne Widerspruch«. Die »dialektische« Opposition ist von der auf dem Satze des Widerspruches fußenden »analytischen« zu unterscheiden (Krit. d. r. Vern. S. 410).
  • Nach J. G. FICHTE, besonders aber nach HEGEL schlägt jeder Begriff (im logischen Denken) in seinen Gegensatz um, um sich mit ihm in einem höheren Begriff zu vereinigen.
  • WUNDT sieht in dem psychologischen »Gesetz der Entwicklung in Gegensätzen« eine Anwendung des Gesetzes der Contrastverstärkung (s. d.) auf umfassendere Zusammenhänge. »Diese besitzen nämlich… die Eigenschaft, daß Gefühle und Triebe, die zunächst von geringer Intensität sind, durch den Contrast zu den während einer gewissen Zeit überwiegenden Gefühlen von entgegengesetzter Qualität allmählich stärker werden, um endlich die bisher vorherrschenden Motive zu überwältigen und nun selbst während einer kürzeren oder längeren Zeit die Herrschaft zu gewinnen.« Mehr als im individuellen tritt das Gesetz im geschichtlichen Leben, im Wechsel geistiger Strömungen hervor.

HWPh

3119 (36,4) Ergebnisse

Es gibt das Stichwort „Gegensatz“ (Autoren: Werner Beierwaltes, Albert Menne/Red., Bd. 3 S. 105-119), in dem u. a. folgende Gedanken enthalten sind.

  • In der nachidealistischen Philosophie ist das Problem des Gegensatzes noch einmal explizit bestimmend geworden in der Lebensphilosophie und in der Ontologie N. Hartmanns.
  1. a) Die Lebensphilosophie hat intensive Impulse aufgenommen aus dem Denken Goethes, in dem Polarität und Kreislauf, Diastole und Systole, Geist und Körperliches miteinander streiten und zusammenwirken, dem dynamischen, antithetischen Lebens- und Organismusbegriff der deutschen Romantik, der zum Irrationalismus tendierenden Willensmetaphysik Schopenhauers und der Lebens-, Welt- und Geschichtsvorstellung Nietzsches, der als ‹Heraclitus redivivus› den «Kampf» von Gegensätzen als ein Konstituens von Welt und Geschichte vorstellte und in seinem in sich selbst gegensätzlichen Philosophieren die nicht zu erreichende und auch nicht erreichte Synthese der Gegensätze in der Konstruktion des „Übermenschen“ versuchte. 3, S. 116
  • Ausdrücklich und umfassend hat das Problem des Gegensatzes als «Kategorie des Lebens» R. GUARDINI thematisiert. Als Gegensatz versteht er dasjenige «Verhältnis, in dem jeweils zwei Momente einander ausschließen, und doch wieder verbunden sind und einander geradezu voraussetzen … [ein Verhältnis] …, das innerhalb der jeweiligen quantitativen, qualitativen und gestaltmäßigen Bestimmtheiten auftritt». Gegensatz ist ein «Urphänomen»: keine der Gegensatz-Seiten kann aus der anderen abgeleitet werden. Erfahren werden Gegensätze am individuellen Leben, am Konkret-Lebendigen: «lebend erfahren wir uns als in Gegensatz stehend und wirkend», sie sind die Weise, wie das Leben lebendig ist. Daher ist eine Analyse des Lebens wesentlich eine Analyse von Grundformen der Gegensätzlichkeit; sie tendiert auf die Erstellung eines «Systems» von Gegensätzen Umgekehrt: die Gegensatz-Philosophie ist «Strukturlehre des Lebens». Das «System» der Gegensatz versucht Guardini durch eine Gliederung in intraempirische, transempirische und transzendentale zu konstituieren. 3, S. 116-117
  • Außer durch die genannten beschreibt Guardini den Akt und die Erfahrung des Lebens durch die «enantiologischen Reihen»: Akt – Bau, Dynamik – Statik, Strömen – Dauer, Fülle – Form, Produktion – Disposition, Ursprünglichkeit – Regel, Immanenz (Selbstinnigkeit) und Transzendenz (Selbstjenseitigkeit) des Lebens. Bd. 3, S. 117
  • Im Sinne N. HARTMANNS gehören die Gegensätze zu den Fundamentalkategorien. Diese sind zu verstehen als gemeinsame Prinzipien aller Schichten des Realen; an ihnen wird die «Einheit im Aufbau der realen Welt strukturell greifbar». Hartmann nennt – «rhapsodisch» – eine Tafel der Elementar-Gegensätze, die als Elemente einer Relation nicht mehr weiter reduzierbar sind:
  1. Gruppe: Prinzip – Concretum; Struktur – Modus; Form – Materie; Inneres – Äußeres; Determination – Dependenz; Qualität – Quantität;
  2. Gruppe: Einheit – Mannigfaltigkeit; Einstimmigkeit – Widerstreit; Gegensatz – Dimension; Diskretion – Kontinuität; Substrat – Relation; Element – Gefüge.

Diese Gegensätze sind streng korrelativ, setzen sich gegenseitig voraus (das Prinzip z.B. setzt sein Concretum ebenso voraus, wie dieses das Prinzip; ohne einander sind beide nicht, was sie sind). Sie bilden, weil jedes Seiende durch sie bestimmend ist, «eine Art kategorialen Stellensystems»  des Realen, das je nach der Schicht des Seienden verschieden «gefüllt» ist (sich «abwandelt»). Bd. 3, S. 117

Weitere Zitate:

  • Zur Beschreibung «dialektischer» Phänomene benutzt Engels vier Kategoriengruppen: Zusammenhang (Verkettung, Wechselwirkung); Gegensatz (Widerstreit, Widerspruch); Bewegung (Prozeß, Geschichte, Umbildung, Entwicklung, Aufstieg vom Niederen zum Höheren, Fluß; Leben, Entstehen und Vergehen, fort- und rückschreitende Veränderung, Kreislauf); Dauer (ohne Ende, unaufhörlich, fortwährend, rastlos, stetig, ewig). Dialektik ist (objektiv) der Zusammenhang unaufhörlicher Bewegung aus/in Gegensätzen und (subjektiv) dessen Reflexion, Bd. 2, S. 206

248 (2,9) Ergebnisse zu „Gegensatz von“, darunter

  • Das Problem einer solchen Autonomie beherrscht die gesamte Geschichte der Biologie. Seine Erörterung führte in der Neuzeit zu dem Gegensatz von Vitalismus und Mechanismus als erklärende Theorien des Organismus. Bd. 1, S. 719
  • Auch in Kants praktischer Philosophie spielt der Gegensatz von Materie und Form eine Rolle. Bd. 2, S. 1023
  • Wesentlich ist außerdem der Gegensatz von allgemeinem und besonderem Interesse: die Durchsetzung besonderer Interessen geriert sich als Vertretung des allgemeinen Interesses. Bd. 4, S. 164
  • Insofern Hegel den in der bürgerlichen Gesellschaft auftretenden Gegensatz von extremer Armut und großem Reichtum als Problem thematisiert, ist der bei einem solchen Gegensatz auftretende Neid («innere Empörung gegen die Reichen» als Problem erkannt. Hegel sieht jedoch keine Möglichkeit, auf der Basis der klassischen Ökonomie (A. Smith, J. B. Say, D. Ricardo) – die er als nicht aufzugebende Errungenschaft ansieht – den Konflikt zu beseitigen. Er schlägt deshalb die Eindämmung des Problems durch Sozialhilfeorganisationen (Korporationen) und staatlich-interventionistisches Handeln vor. 6, S. 701
  • Der Gegensatz von Realismus und Nominalismus geht auf die mittelalterliche Unterscheidung zwischen ‚Realisten und ‚Nominalisten im Bereich der Logik zurück. Bd. 8, S. 149
  • Dieser so verstandenen Wirklichkeit als (Selbst-)Manifestation bzw. -offenbarung ordnet Hegel neben den kantischen Relationskategorien in allerdings unterschiedlicher Weise auch die Modalitätsbestimmungen («die eigentliche Wirklichkeit») zu. Innerhalb dieser wiederholt sich der Gegensatz von Innerem und Äußerem noch einmal, so daß «Möglichkeit» und «Zufälligkeit» als «Momente der Wirklichkeit» begreifbar werden: Jene als das «nur Innere der Wirklichkeit», diese als «die nur äußere Wirklichkeit». Aus ihrem wechselseitigen «Sichübersetzen» ineinander resultiert «die Notwendigkeit», d.h. die «entwickelte Wirklichkeit», als deren vollständige Explikation dann die Relationskategorie Wechselwirkung gelten darf. Bd. 12, S. 834

162 (1,9) Ergebnisse zu „Gegensatz zwischen“, darunter

  • Der letzte Grund aller Bewegung müsse in den Faktoren jener Synthesis selbst gesucht werden, der als Gegensatz zwischen ausdehnender und eingrenzender Kraft nur in einer unendlichen Synthesis und im endlichen Objekt nur momentan aufgehoben werden kann. Dieses Wiederentstehen und Wiederaufheben des Gegensatzes in jedem Moment müsse der letzte Grund aller Bewegung sein. Bd. 1, S. 876
  • Kierkegaard – der der Hegelschen Fassung des Begriffs als bloßer «Mediation» mißtraute – hebt als Dialektik den radikalen Gegensatz zwischen den verschiedenen Stadien der Existenz hervor, zwischen dem ästhetischen, ethischen und religiösen, zwischen denen es nur den Sprung als unbegründeten und unbegründbaren Entschluß gibt, in dem der Mensch seine Existenz ergreift. Bd. 2, S. 224
  • Ebenso entwickelt SPINOZA unter Voraussetzung der Freiheit aller Menschen im Naturzustand und im Ausgang von dem Gegensatz zwischen schwacher Vernunft und herrschenden Leidenschaften eine Theorie durch Vertrag begründeter, unbegrenzter politischer Herrschaft, die als Wirklichkeit der Vernunft in der Zurückdrängung der selbstsüchtigen Begierden und damit als Befreiung der Menschen aus der Knechtschaft durch ihre Affekte erscheint. Bd. 3, S. 1092
  • Der Gegensatz zwischen der realen Möglichkeit und Wirklichkeit (Dasein) folgt aus der Unterscheidung am Gegebenen in der Sinnesanschauung zwischen einem formalen und einem materialen Aspekt: den Raum-Zeit-Formen der Sinnesanschauung (im Subjekt) und dem vorgegebenen Material der Empfindungen (außerhalb des Subjekts). Bd. 6, S. 87
  • Der Gegensatz zwischen dem Realen und dem Idealen kann heute als evident und in der Philosophiegeschichte gewissermaßen allgemein anwendbar erscheinen. Bd. 8, S. 185
  • Der Gegensatz zwischen der künstlichen Gelehrtensprache und der historisch gewachsenen Sprache ist bestimmend für das humanistische Sprachbewußtsein. Bd. 9, S. 1465
  • Auch die neuere Phänomenologie [51] hat sich unter dem Einfluß von M. MERLEAU-PONTY der Strukturanalyse des Verhaltens zugewandt und wirkt so auf die moderne Psychologie zurück, die sich anschickt, den lange bestehenden Gegensatz zwischen erlebnis- und verhaltenszentrierter Forschung zu überwinden [52]. Bd. 11, S. 684

MLPh

266 (37,7) Ergebnisse

Es gibt das Stichwort „Gegensatz“ (Autor: Peter Prechtl, S. 197, 198), in dem u. a. folgende Gedanken enthalten sind.

  • In der Tradition der Philosophie hat der Gegensatz den Stellenwert eines Seinsprinzips. Bei Pythagoras findet sich der Grundgegensatz des Unbegrenzten und des Begrenzten, der in Anwendung auf die Zahlenlehre zur Unterscheidung von geraden und ungeraden Zahlen führt. Für Heraklit gilt neben der Annahme der Entgegensetzung alles Seienden auch die Annahme, dass das Gegensätzliche im Logos eine sinnvolle Einheit findet. Platon führt den Gegensatz zwischen Sein und Nicht-Sein als relativen oder komplementären Gegensatz an. Selbigkeit – Andersheit, Ständigkeit – Bewegung werden zu Grundbegriffen der Reflexion, um die Identität in der Differenz und die Einheit des Differenten zu begründen.
  • Die von Aristoteles vorgenommene logische und semantische Klärung des Gegensatzes führt zu den Gegensätzen innerhalb derselben Gattung und zu dem ontologisch-logischen Bezugssystem von Substanz-Akzidenz, Allgemeinem- Besonderem, Materie-Form, Möglichkeit-Wirklichkeit.
  • Eine herausragende Bedeutung hat Gegensatz in der Philosophie des Dt. Idealismus in verschiedenen, miteinander zusammenhängenden Problemperspektiven eingenommen. Hegels Logik zeigt durch eine ganze Reihe von Gegensatzpaaren hindurch: Sein-Nichts, Identität-Differenz, Ganzes-Teil, Freiheit-Notwendigkeit, Denken-Sein, Idee-Natur den Prozess des Logischen als dialektische Bewegung des Seins. Im Durchgang durch diese gegensätzlichen Bestimmungen erreicht die Vernunft den Punkt der absoluten Identität als reines Sich-selbst-Denken, in dem alles im Prozess erscheinende Gegensätzliche in sich aufgehoben ist. Der Prozess des Logischen wird mit Hilfe des Gegensatzes als einer Reflexionsbestimmung expliziert. Jede der in den Gegensätzen genannten Bestimmungen vollzieht eine Reflexion auf sich selbst, durch die sich aus der abstrakten Entgegensetzung ein konkreter Gegensatz entwickelt. Der Reflexionsprozess vollzieht sich jeweils in drei Schritten:
  1. Die Bestimmung der Identität ist zunächst eine Reflexion auf sich selbst, indem es sich von dem anderen (bspw. das Sein von dem Nichts, das Endliche von dem Unendlichen) abgrenzt. Es bestimmt sich selbst, insofern es negativ auf seinen Gegensatz, d.i. das Andere, bezogen ist.
  2. Aus der Sichtweise des Anderen gedacht, erscheint es selbst als ein anderes, ein Negatives zu diesem Anderen und für dieses Andere. Es erkennt, dass jedem das positive und das negierende Moment eigen ist.
  3. Aus dieser Erkenntnis heraus heben sich das Positive und das Negative als an sich selbständig Seiende bzw. als selbständig gewordene Seiten des Gegensatzes auf. In dieser Art der Selbständigkeit lösen sich die Bestimmungen auf (»gehen zugrunde«). Aus dem Gegensatz von Identität und Unterschied wird die Einheit von Identität und Verschiedenheit, d. h. die Identität beider, die darin gegeben ist, dass jeder sich selbst bestimmt, indem er auf das Andere seiner selbst bezogen ist.  
  • Wenn zwei Aussagen sich gegenseitig ausschließen, d. h., wenn mindestens eine der beiden Aussagen falsch ist, spricht man in der klassischen Logik von einem konträren Gegensatz, in der Aussagenlogik von Exklusion.

Weitere Zitate:

18 (2,6) Ergebnisse zu „Gegensatz von“, darunter

  • Geist und Natur
  • Determinismus und Freiheit
  • Rationalismus und Empirismus
  • erklären und verstehen
  • kausaler und teleologische Handlungserklärung
  • Natur und Geisteswissenschaften
  • Autonomie und Heteronomie
  • Kapital und Arbeit
  • lebendigen Organismen und Maschinen
  • Natur und Kultur
  • Meinung und Wahrheit
  • Subjekt und Objekt

15 (2,1) Ergebnisse zu „Gegensatz zwischen“, darunter

  • höheren und niederen Bedürfnissen
  • sinnlicher Lust und geistigem Interesse
  • Deduktivismus und Induktivismus
  • begrifflichem Denken und äußerer Wirklichkeit
  • Realismus und Antirealismus
  • ideellem Sein und materiell gesellschaftlichem Sein

EPh

565 (17,6) Ergebnisse

Es gibt das Stichwort „Gegensatz/Widerspruch“ (Autor Detlev Pätzold, S. 767u-777b), in dem u. a. folgende Gedanken enthalten sind.

  • Die Lehre von den Gegensätzen hat einen formallogischen, begriffslogischen und ontologischen Aspekt. Sie bezieht sich entweder auf Aussagen oder auf Begriffe, die für ›reale‹ (materiale) Gegensätze supponieren. S. 767u
  • Indessen ist sowohl die alltägliche Vorstellungswelt als auch die wissenschaftliche und philosophische Terminologie in ihrer für reale Sachverhalte supponierenden Begriffsbildung seit ihren Ursprüngen stark durch verschiedenerlei Formen dualer Entgegensetzung geprägt (z.B. gut/ schlecht, krank/ gesund, arm/ reich, ruhend/ bewegt, Eines/ Vieles, Natur/ Geist, Materie/ Form, etc.). Dieses Phänomen scheint unabhängig von Sprach- und Kulturformen zu sein, was darauf hindeutet, dass es sich um eine universelle Form der Strukturierung von Sachverhalten zu handeln scheint. 767b
  • Die Bildung von nichtkontradiktorischen Gegensätzen auf der Ebene der Begriffe basiert auf der Einteilung des Seienden – z.B. in Gattungen/ Arten – und kann daher auch eine ontologische Dimension annehmen. Deshalb ist es sinnvoll, zwischen logischen und ontologischen (›realen‹) Gegensatz zu differenzieren. 767b
  • Es ist daher weiterhin sinnvoll, den Terminus ›Gegensatz‹ nur für reale Entgegensetzungen und die sie repräsentierenden Begriffsbestimmungen zu verwenden, den Terminus ›Widerspruch‹ dagegen nur für die logische Kontradiktion. 767b
  • Es lassen sich folgende Formen realer Gegensätze und entsprechende logisch-ontologische Interpretationen angeben:
    1. Der sog. privative Gegensatz steht der logischen Kontradiktion zwar am nächsten, ist aber insofern ein realer Gegensatz, als er auf das Haben (hexis, habitus) oder Fehlen (steresis, privatio) einer natürlichen akzidentiellen Eigenschaft an einem Zugrundeliegenden verweist; z.B. sehend/ blind: Diese Bestimmungen können jedoch nicht zugleich, aber zu verschiedenen Zeiten von einem in Frage kommenden Subjekt ausgesagt werden, z.B. von einem Menschen; dass ›blind‹ und ›nicht sehend‹ nicht äquivalent sind zeigt sich, wenn man z.B. die Privation ›blind‹ von einem Stein aussagen wollte; ›blind‹ ist die bestimmte Negation zu ›sehend‹.
    2. Der sog. relative Gegensatz (pros ti, opposita relativa) tritt bei quantitativen Bestimmungen auf und ist das Verhältnis einer asymmetrischen zweistelligen Relation zu ihrer Konversen (z.B. doppelt/ halb).
    3. Der konträre Gegensatz, der ein Mittleres zulässt (z.B. schwarz/ weiß, die beide zugleich von einem Zugrundeliegenden negiert werden können, weil es ein Mittleres wie ›grau‹ gibt).
    4. Der dialektische und der wechselseitig polarische Gegensatz, die kein Mittleres zulassen. Hierbei handelt es sich nicht um gegensätzliche Bestimmungen, die einem identischen, in sich homogenen Zugrundeliegenden zukommen oder nicht zukommen, sondern die einen Sachverhalt oder eine Sache als eine in einem bestimmten Strukturzusammenhang sich differenzierende erst konstituieren. Dabei lassen sich (a) dynamische von (b) statischen Entgegensetzungen unterscheiden: wie z.B. bei der Ware und der Dynamik ihres Gebrauchswert- und Tauschwertaspekts; oder z.B. beim Menschen, der als Naturwesen determiniert und als Vernunftwesen frei ist. S. 768
  • Sofern wir den Berichten über die altpythagoreischen Lehren vertrauen können, werden erstmals in der europäischen antiken Philosophie bei Pythagoras und seinen unmittelbaren Schülern explizit Gegensätze als Seinsprinzipien angenommen. Als Grundgegensatz gilt der des ›Unbegrenzten‹ und des ›Begrenzten‹, der auf die Zahlenlehre angewandt den Gegensatz von ›geraden‹ und ›ungeraden‹ (natürlichen, ganzen) Zahlen nach sich zieht. Aber u.a. sollen auch Gegensatz wie ›Licht/ Finsternis‹ angenommen worden sein. 768
  • Unabhängig von diesem Problem und der Frage nach der Entstehung der Eins, wird im Pythagoreismus der Aspekt der Entgegensetzung alles Seienden durch den Gedanken der Harmonie als des Strukturzusammenhangs alles Seienden ergänzt. Wie Aristoteles berichtet, wird dabei Harmonie als ›Mischung und Zusammensetzung von Entgegengesetzten‹ definiert. 768b
  • Heraklit nennt auch anders gelagerte Beispiele unter dem nicht weiter differenzierten Grundgedanken der Einheit der Gegensätze und zwar zum einen den (nicht nur allmählichen, sondern offensichtlich plötzlichen) Umschlag des einen Zustands in seinen entgegengesetzten: »Dasselbe ist: lebendig und tot und wach und schlafend und jung und alt. Denn dieses ist umschlagend in jenes und jenes umschlagend in dieses.« Weiterhin aber auch Fälle, wo etwas Zugrundeliegendes unter gegensätzlichen Hinsichten stehend betrachtet werden kann: »Meer: das sauberste und zugleich das verfaulteste Wasser, für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen nicht trinkbar und tödlich« oder: »Der Weg hinauf und hinab (oder: hin und her) ist ein und derselbe.« 768b
  • … durch den Ansatz eines obersten Gegensatzes, nämlich dem von ›Eins‹ und ›unbestimmter Zweiheit‹ (hen/ ahoristos dyas) folgerichtig weitergedacht, bzw. auf den pythagoreischen Grundgedanken zurückgeführt. Dieser allgemeinste Gegensatz liegt anderen polar konträren Bestimmungen des Seienden, wie beständig/werdend, unteilbar/teilbar, ruhend/bewegt etc. zu Grunde. 769b
  • »Es hebt hier auch eins dasjenige auf, was durch das andere gesetzt ist; allein die Folge ist Etwas (cogitabile). Bewegkraft eines Körpers nach einer Gegend und eine gleiche Bestrebung eben desselben in entgegengesetzter Richtung widersprechen einander nicht und sind als Prädikate in einem Körper zugleich möglich. Die Folge davon ist die Ruhe, welche Etwas (repraesentabile) ist. Es ist dies gleichwohl eine wahre Entgegensetzung« (Kant 1912, S. 171) Diese Form der realen Opposition, die eine ontologische Interpretation einer Variante von Kontrarität im Sinne der bestimmten Negation darstellt, ist für Kant in den verschiedensten Gebieten nachweisbar: in der Mathematik (positive und negative Zahlen), in der Physik (Attraktion und Repulsion) und auch in der Ethik (Tugend und Laster). 773
  • Für Hegel ist Gegensätzlichkeit das Signum alles endlich Seienden. Unter dieser Voraussetzung entwickelt er erstmals eine dynamische Gegensatztheorie, die die Formen der Entgegensetzung als einen ontologischen Entwicklungsprozess auffasst, dergestalt, dass der Prozess der Bestimmung zugleich als der Prozess des Sichbestimmens von etwas erscheint. S. 773b
  • Der Gegensatz ist dann der dritte unter dem Titel ›Unterschied‹ auftretende Begriff und erst auf dieser Ebene findet für Hegel die eigentliche Bestimmung von Etwas statt. Der Gegensatz hat dabei drei Momente oder drei Entwicklungsphasen, die er durchläuft. Den Ausgangspunkt bildet zunächst die Entgegensetzung zweier selbst positiver Entitäten, aber ihre weitere Analyse zeigt, dass es sich scheinbar um ein »an sich Positives« und ein »an sich Negatives« handelt, die, wenn sie aufeinander bezogen werden, jedoch letztlich offenbaren, dass jede der beiden Bestimmungen nicht nur die jeweils andere von sich ausschließt, sondern diese zugleich in sich enthält: »Sie ist so der Widerspruch« Der Widerspruch ist also nach Hegels Interpretation ein notwendiges Resultat des Gegensatzes, zumindest dann, wenn man den Übergang von der zweiten zur dritten Gegensatzstufe im Hegelschen Sinne akzeptiert. S. 774
  • Marx knüpft mit seiner Theorie des »wechselseitig polarischen« Gegensatzes, die er in Das Kapital paradigmatisch in seiner Analyse der Warenform in ihrer Entwicklung von der »einfachen Wertform« bis zur »blendenden Geldform« durchführt, bewusst an Hegels dynamischer Gegensatzauffassung an und erklärt sich in dieser Frage explizit zu einem »Schüler jenes großen Denkers.« S. 774b
  • Die Struktur des wechselseitig polarischen Gegensatz und seiner Entwicklungslinie, die darin gipfelt, dass eine der beiden Bestimmungen dominant gegenüber der anderen wird, hat Marx nicht nur im Kontext seiner ökonomischen Theorie expliziert, sondern schon in seinen frühen Schriften ansatzweise in verallgemeinerter Form thematisiert. Diese Gegensätze sind dort für Marx ebenso immer nur innerhalb ihres jeweiligen Strukturzusammenhangs oder, wie es heißt, »eines Wesens« aufeinander bezogen und vermittelbar. S. 775b
  • »Wirkliche Extreme können nicht miteinander vermittelt werden, eben weil sie wirkliche Extreme sind. Aber sie bedürfen auch keiner Vermittlung, denn sie sind entgegengesetzten Wesens.« (Marx 1956, S. 292) Der konträre, wechselseitig polarische Gegensatz eines Wesens wird dagegen als der Unterschied innerhalb eines sich selbst differenzierenden Wesens gefasst: »so sind Nordpol und Südpol beide Pol; ihr Wesen ist identisch; ebenso sind weibliches und männliches Geschlecht beide eine Gattung, ein Wesen, menschliches Wesen. Nord und Süd sind entgegengesetzte Bestimmungen eines Wesens; der Unterschied eines Wesens auf seiner höchsten Entwicklung. Sie sind das differenzierte Wesen. Sie sind, was sie sind, nur als eine unterschiedene Bestimmung, und zwar als diese unterschiedene Bestimmung des Wesens. Wahre wirkliche Extreme wären Pol und Nichtpol, menschliches und unmenschliches Geschlecht. Der Unterschied ist hier ein Unterschied der Existenz, dort ein Unterschied der Wesen, zweier Wesen.« (Marx 1956, S. 293) 775b
  • Insgesamt lässt sich konstatieren, dass Marx’ Gegensatztheorie auf keiner Ebene mit dem Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs kollidiert. Er verwendet daher auch zur Charakterisierung realer Entgegensetzung zumeist nicht den Begriff ›Widerspruch‹, sondern spricht zuweilen von »scheinbaren Widerspruch«, ist aber in seiner Terminologie nicht immer konsequent. In jedem Falle finden alle real entgegengesetzten Bestimmungen stets eine Form, worin sie sich bewegen können. S. 776
  • Die ontologische Dimension der Gegensatzproblematik findet in der Philosophie des 20. Jh. nur noch wenig Beachtung. S. 776
  • Auch in der modernen ­Logik spielt infolge der Entkoppelung von grammatischer und logischer Form seit Frege die Gegensatzproblematik, insofern es um die Entgegensetzung von Begriffen geht, keine Rolle mehr. S. 776b
  • Aber sowohl in philosophisch- theoretischer oder auch philosophisch- praktischer Hinsicht bleibt das Problem oberster dualer Gegensätze (z.B. Geist/ Natur, Ideelles/ Materielles, Freiheit/ Notwendigkeit, Individuum/ Gesellschaft) virulent, als auch in fachwissenschaftlichen Disziplinen wie der Physik (Korpuskel/ Welle) oder den ­Kognitionswissenschaften (mind/|body). S. 776b

Weitere Zitate:

30 (0,9) Ergebnisse zu „Gegensatz von“, darunter

  • Aber der aus der Religion stammende kontradiktorische Gegensatz von gut und böse blieb erhalten und wird scheinbar frei jeder religiösen Konnotation weiterhin auf verschiedene Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens bezogen. S. 305
  • Marx wirft Hegel vor, dass ihm die Entfremdung bzw. die Vergegenständlichung nur als Mittel, als Substrat der Abstraktion gilt, d.h. dass er den Gegensatz von abstraktem Denken und sinnlicher Wirklichkeit des Menschen zum Gegenstand des abstrakten Gedankens selber macht und damit die Gegenständlichkeit als solche ins Bewusstsein zurücknimmt. S. 533
  • Die Begriffe ›Naturgeschichte‹ und ›Naturdialektik‹ setzen die Naturentwicklung zur menschlichen Entwicklung als Geschichte in ein verallgemeinertes Verhältnis, das gegenwärtig als Gegensatz von Ökonomie und Ökologie reflektiert wird. S. 544b
  • Von Anfang an ging es hier um den für die Biologie kennzeichnenden Gegensatz von Reduktionismus und Holismus. Die Grundidee ist, dass das Studium der Teile eines Organismus in Isolation nichts über ihre Funktion im Interaktionszusammenhang aussagen kann, da die Teile hier neue Eigenschaften annehmen. S. 1010b

31 (1,0) Ergebnisse zu „Gegensatz zwischen“, darunter

  • Dieser Konzeption gemäß stellte sich die Geschichte als ein Prozess der »Fortschritte des menschlichen Geistes« (Condorcet), der »Beförderung der Humanität« (Herder) oder der Vereinigung zu einem »allgemeinen weltbürgerlichen Zustand« (Kant) dar, der im Ergebnis den Sieg der Vernunft bringen würde. Um diesem Ziel in der Theorie zuzuarbeiten, musste der Gegensatz zwischen dem Egoismus der individuellen Interessen und den allgemeinen, den natürlichen und vernünftigen Interessen der Menschen ›aufgehoben‹ werden. S. 177
  • Doch die Frage, wie äußere und innere Erfahrung in Beziehung zu setzen sind, übergreift alle Detailerörterungen: »denn der ungeheure Gegensatz, der in wechselnder Ausdrucksweise das Denken von Jh. und Jahrtausenden unterscheidet, der Gegensatz zwischen Sensualismus und Rationalismus läuft ja doch wohl auf die Frage hinaus, ob wir der äußern oder internen Erfahrung mehr vertrauen dürfen. S. 565
  • Die bürgerliche Gesellschaft hat die alten, vielgestaltigen Klassengegensätze zum Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat vereinfacht. S. 872
  • Hinsichtlich des zeitweilig wohl eher übertrieben aufgebauschten Konflikts zwischen der traditionell aufgefassten ›induktivistischen‹ und der von Popper und seinen Anhängern propagierten ›deduktivistischen‹ Theorie der Bestätigung hat W. Stegmüller rückblickend die Auffassung vertreten, dass der Gegensatz zwischen dem ›Induktivismus‹ Carnaps und dem ›Deduktivismus‹ Poppers zu weiten Teilen auf einem gegenseitigen Missverständnis beruht habe. Während die ›Deduktivisten‹ um Popper nach seiner Auffassung den Bereich der ›theoretischen Vernunft‹ bearbeiteten, hätten die ›Induktivisten‹ um Carnap den Bereich der ›praktischen Vernunft‹ zum Thema gehabt. Deshalb bestünden zwischen den Theorien Poppers und Carnaps im Grunde überhaupt keine Berührungspunkte. S. 1332b
  • Hier finden sich Versuche, den Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozialismus zu überwinden. S. 1417b
  • Damit versucht Hegel philosophiehistorisch gesehen den Gegensatz zwischen Spinozas Monismus (der Substanz) und Leibniz Pluralismus (der individuellen Substanzen oder Monaden) zu überwinden. S. 2287
  • In romantischen und auch in anderen technikkritischen Strömungen wird gerne ein wesentlicher Gegensatz zwischen organischem Leben und mechanischer Technik gesehen. S. 2699b

Romano Guardini und Nicolai Hartmann

Nach dem historischen Wörterbuch der Philosophie hat der katholische Philosoph und Theologe Romano Guardini „ausdrücklich und umfassend … das Problem des Gegensatzes … thematisiert“ (Beierwaltes und Menne 2007, 116). Dabei nähert er sich diesem Gegenstand aus der Sicht der Lebensphilosophie. Wie der Untertitel der 1955 noch zu Lebzeiten des Autors ohne Veränderungen wieder veröffentlichten Schrift von 1925 verdeutlicht, geht es um den Versuch einer Philosophie des Lebendig-Konkreten. Guardini hielt sein Leben langhartnäckig daran fest, dass dieses Büchlein [Der Gegensatz] beanspruchte, eine philosophische Programmschrift zu sein“ (Greisch 2018).

Für Guardini „decken sich die Begriffe des Gegensatzes und der Polarität.“ Er „ziehe den ersteren vor, da er noch weniger zerredet ist“ (Guardini 1998, S. 24). In seinen weiteren Ausführungen zum Terminus „Gegensatz“ zeigen sich dann aber Unterschiede zur Verwendung von „Polarität“ im üblichen Sinne. Die Pole stellt sich Guardini offensichtlich als feste Punkte und nicht als Enden einer Skala vor. Greisch verweist zur Illustration der Vorstellungen von Guardini zur Polarität auf Schleiermacher, der seinen Freund Friedrich Jacobi, der sich darüber beklagte, dass er seinen Glauben nicht mit den Ansprüchen der kritischen Vernunft vereinbaren konnte, mit dem Hinweis tröstete, „dass die Oszillation die allgemeine Form jedes endlichen Daseins sei, dass aber die beiden Pole der Ellipse, zwischen denen sein Leben und sein Denken sich hin- und her bewegte, ein schwebendes Gleichgewicht erzeugten, das den Reichtum seines Lebens ausmacht“ (Greisch 2018). Dieses Schwanken eines gläubigen Menschen zwischen dem Glauben und der kritischen Vernunft ist sicher eine der Quellen der Überlegungen von Guardini. Dabei geht es ihm nicht um einen Ausgleich oder eine Vermischung der Gegensätze, sondern um ein harmonisches Miteinander. Es ist diese unterschwellige, unter dem Spiel der Gegensätze verborgene Harmonie des Lebens, die Guardini vor Augen schwebte, als er den seines Erachtens missverständlich gewordenen und abgenutzten Terminus „Polarität“ durch den weniger gebräuchlichen und neutralen Terminus „Gegensatz“ ersetzte. Sein ausgeprägtes Harmonie- und Symmetrie-Bedürfnis erklärt, warum sein Gegensatz-Denken wenig Platz für die Begriffe „Konflikt“, „Paradoxon“ und „Widerspruch“ hat (Greisch 2018). Nach Greisch ist es „ferner auffällig, dass in der Gegensatzschrift das Kreuz, das große Zeichen des Widerspruchs, ein Stein des Anstoßes für das „jüdische“ Verlangen nach Zeichen und Wundern, und ein Ärgernis für die „griechischen“ Weisheitssucher, nicht erwähnt wird.“ Guardini will „verhindern, dass der Gegensatz in einen Widerspruch umschlägt, was nicht nur eine Denkunmöglichkeit wäre, sondern auch das Leben unerträglich machen würde“ (Greisch 2018).

Guardini erklärt den Terminus Gegensatz als „ein eigentümliches Verhältnis, in dem jeweils zwei Momente einander ausschließen, und doch wieder verbunden sind, ja, … einander geradezu voraussetzen; …“ (Guardini 1998, S. 28). Jedes der beiden Momente steht „unableitbar, unüberfühlbar, unvermischbar in sich,“ sie sind „unablöslich miteinander verbunden“ (Guardini 1998, S. 41).

Angesichts der Fülle der auftretenden Gegenstände im Alltag und in den Wissenschaften stellt er sich die Frage, ob sich diese vielen „Erscheinungen auf angebbare Grundformen der Gegensätzlichkeit überhaupt zurückführen lassen“. Im Laufe vieler Jahre habe er im Ergebnis von Einzelbeobachtungen und Überlegungen aus seiner Sicht diese letzten Gegensätze gefunden (Guardini 1998, S. 29). Diese beschreibt er in blumiger Weise mit einer Vielzahl von Wortpaaren und erläutert sie ausführlich, wortreich, oft redundant mit lebensphilosophischen Betrachtungen. Die von ihm verwendeten Worte sind bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Akt) in der Regel keine philosophischen Termini, was das Verständnis seiner Ausführungen erschwert. Die Quellen seiner Überlegungen liegen in der griechischen Philosophie, insbesondere bei Aristoteles, von dem er auch den heute nicht mehr gebräuchlichen Begriff „enantiologisch“ übernimmt, ohne freilich dessen Bedeutung zu präzisieren (Greisch 2018). Im Folgenden werden Zitate zu sechs seiner Gegensätze angegeben, die er noch in zwei Gruppen gegliedert hatte, worauf nicht weiter eingegangen wird.

  1. Dynamik und Statik, Akt und Bau, Strömen und Dauer, Wandel und Stand
    Wir finden uns im steten Akt und Geschehen begriffen. Was uns im inneren Bereich begegnet, ist Tun und Vorgang. Unseren Lebensbestand erfahren wie als eine Gesamtheit von Akten und Vorgängen. … Wir erfahren unseren Lebensbestand als im fortwährenden Wandel begriffen. … Wir erfahren das Leben als Strom. Die Form des Strömens gehört zur Erlebnisweise unseres Daseins. … Es gibt kein reines Strömen. Damit Ströme sein könne, muss wenigstens etwas Bleibendes in ihm sein; zum mindestens Identität des Strömenden und Selbigkeit der Richtung. … Unser Sein und Bewusstsein enthält unverrückbar die Tatsache der gebaute, der festen Gestalt, der widerstandsfähigen, sich behauptenden Struktur. … So erfahren wir uns als etwas Dauerndes: als ruhende Selbigkeit im Wandel; als beharrende Stetigkeit im Ablauf; als bleibende Grundgestalt in aller Veränderung. Gerade das ist Lebenskraft und Lebensbewährung, sich nicht zu behandeln, die Vergänglichkeit zu bezwingen; sich zu behaupten im Strom; sich gleich zu bleiben im Wechsel (S. 34-40).
  2. Fülle und Form
    Das Leben erfährt sich als quellend, strömend, als Fülle plastischer und dynamischer Möglichkeiten. … Soll lebendige Fülle sein, dann muss ein Mindestmaß von Form und Ordnung in ihr hervortreten; sie muss Inhalt und Blut von Form sein. So sucht denn das Leben die Form, strebt aus dem Chaos zur Ordnung, zur Durchbildung, Gestaltung, Regelung, Verständlichmachung. Im Maße aber Form wächst, mindert sich, relativ gesehen, die Fülle. Das Leben gelangt aus der ersten in die zweite Polsphäre; wo es sich als Form erfährt und will; als Zucht, Gestalt und Gesetz; als plastisch-struktive und dynamisch-aktive Genauigkeit (S. 44).
  3. Integrierende und differenzierende Tendenz; Richtung auf das Ganze und auf das Einzelne, auf das Allgemeine und das Besondere (S. 49)
    Das Leben erfährt sich nach Akt und Bau in der Sinnrichtung der Ganzheit stehend: das Einzelne darin dem Allgemeinen untergeordnet, die Phase dem Akt, das Glied dem Gesamtleib. Der Ton liegt auf dem Ganzen. … Soll lebendige Totalität sein, dann muss innerhalb dieses Polbereiches der andere auftauchen: die Richtung auf das Besondere. Auch diese wird vom Leben als wirklich erfahren. Leben ist ins Einzelne, ins Eigenartige strebende Richtung. Hier wird das Allgemeine zu Umgebung des Besonderen; das Ganze Ausgangspunkt ins Einzelne. Der Ton liegt auf dem Individuellen … (S. 48/49).
  4. Produktion und Disposition; Schaffen und Verfügen
    Was heißt ‚Schaffen‘ nach dem besonderen Sinn des Wortes? Gedanken, Bilder, Taten, Werke entstehen so, dass der Urheber weiß, sie steigen aus einem Inneren empor. Kein Ordnen vorhandenen Materials also, sondern ein Hervorbringen von Neuem. Schaffendes Denken wird nicht als Verarbeiten von Gegebenem erlebt, sondern als inneres Herausheben, Emporsteigen; schöpferische Tat als etwas, was aus dem Innern entspringt; geschaffenes Werk als neu hingestellt.“ … Den Akt reinen Schaffens gibt es nicht. Der ist im endlichen ein bloßer Begriff, und nicht einmal das, denn er kann selbst nicht gedacht werden. Lebendiges Schaffen enthält immer auch ein Gegebenes: aufgenommene Stoffe, empfangene Anregungen, tragende Umgebung. … Leben heißt hier: Gegebenes bewältigen, in neue Ordnung bringen, unter die Gewalt neuer Zwecke, Pläne, Strukturen. Die Wesensrichtung des Schaffens geht auf Offenbarung, die ihren Sinn in sich selbst trug; die Wesensrichtung des Ordnens und Verfügens auf Zweck, und auf die notwendigen Mittel ihn zu erreichen. In solcher Haltung schafft das Leben nicht neu, sondern bewältigt Vorhandenes. Es bringt nicht hervor, sondern bezwingt. Leben heißt hier Ordnen, Verarbeiten, Bauen, Meistern und herrschen.
  5. Ursprünglichkeit und Regel
    Alles Schaffen, sei es Tat, oder Gestalt, oder was immer, kommt, wann es will…. Der schöpferische Vorgang untersteht nicht einer Regel, … Das Leben spürt, sein Sinn liegt nicht in der Verwirklichung eines von außen herantretendem Zweck, sondern in ihm selbst. … Jeden Tag erfahren wir, wie das Lebendige kommt und geht: erfüllendes Erlebnis, aufschließen der Einsicht, lösendes Wort, schaffende Kraft – es kommt, ohne dass wir es zwingen, und geht, ohne dass wir es halten können. … Eine besondere Fülle und Gewalt liegt darin. Und als umso lebendiger erfährt das Leben sich, je freier aus sich selbst heraus es entspringt; je mehr es Wagnis ist und Abenteuer; je voller es auf dem steht, was stets neu wird und nie vorausgesehen werden kann, der Regel ledig und des Schemas. … Gerade damit wirkliche Ursprünglichkeit sein könne, will sagen Eigengehörigkeit; damit der schaffende Akt aus dem Leben entspringe, nicht aber bloß an ihm sich zutrage, muss er in einer Bio-Logik des Zusammenhangs, der Vorhersehbarkeit und Erwartbarkeit verankert sein. Damit steht aber im schöpferischen Bereich des Lebens sein Gegenpol auf. Denn das Leben erfährt sich als einen Vorgang, der nach Vernunft geordnet ist. Leben weiß sich in angebbaren Zusammenhang eingeordnet. Weiß, dass Regel und Gesetz besteht, dem es gehorcht, Maß und Gestalt. Für das, was herauskommt, wie für den Akt des Herausbringens selbst. Leben ist Rhythmus: Wiederkehr im Wechsel, Dauer im Wandel, Stetigkeit von Zweck, Gestalt und Verhältnis aller Veränderung. … Wesensgemäß ist also das Leben Regel. (S. 61-65)
  6. Innewohnen und Darüberstehen, Selbst-Innigkeit und Selbst-Jenseitigkeit, Immanenz und Transzendenz des Lebens sich selbst gegenüber, genauer: des lebendigen Innenpunktes dem Erfahrungsbestande gegenüber
    In der Innerlichkeitshaltung durchwohnt das Leben seinen eigenen Bau – und Wirklichkeitsbestand; besitzt sich von innen her. Es hat innere Tiefe; solche Tiefe tut sich unter jedem Akt, unter jedem Element des Baus, unter jedem Stück des Seins auf. … Die andere Funktion, dass Darüberstehen, muss im Innensein auftauchen, soll lebendige, freie Innerlichkeit sein. In solcher Selbstüberschreitung steht das Leben über der Gegenwart, in dem es sich an die Zukunft heranholt und die Vergangenheit festhält; steht über dem geschlossenen Bezirk des räumlichen Seins, in dem es den eigenen Gesamtbestand und die Umgebung übergreift (S. 70/71).

Guardini betont, dass alle sechs Gegensätze und noch zwei weitere hier nicht genannte in Beziehung zueinanderstehen. Diese Beziehungen erläutert er im Hauptteil seines Buches und versucht sie auch in einem Koordinatensystem darzustellen.

Entsprechend dem Anliegen von Guardini betreffen die von ihm ermittelten Gegensätze das Leben eines Menschen. Ihre Anwendbarkeit auf andere Bereiche des Existierenden wie Natur, Gesellschaft und Technik streift er nur am Rande und sollen auch hier nicht weiter diskutiert werden.

Die Gegensätze beziehen sich auf das individuelle Leben eines Menschen ohne soziale Verhältnisse oder andere gesellschaftliche Bedingungen zu berücksichtigen. Es wird das Tätigsein allgemein betrachtet, ohne einzelne Bereiche der Tätigkeit, wie insbesondere die Arbeitstätigkeit zu spezifizieren.

Die Gegensätze in der von Guardini vorgenommenen Explikation haben einen primär deskriptiven Charakter. Es werden Pole beschrieben, um die das Leben kreist, die von Greisch angegebene Metapher einer Ellipse hat hier durchaus ihre Berechtigung. Die gegenseitigen Beziehungen der Pole innerhalb eines Gegensatzes werden von Guardini nicht weiter diskutiert.

Bis auf die Gegensätze C und F handelt es sich um Vorgänge in der ontogenetischen Entwicklung eines Menschen.

So ist der von Guardini in A genannte Gegensatz von Statik und Dynamik, von Stand und Wandel in der Entwicklung eines Menschen eine reine Beschreibung. Jede Veränderung vollzieht sich immer in einer bestimmten Struktur. Interessant wird es erst, wenn man fragt, wie die vorhandene Struktur die Weiterentwicklung beeinflusst. Jedes Ergebnis einer Entwicklung ist zugleich Ausgangspunkt der weiteren. Bei periodischen Vorgängen wie dem ständigen Entstehen und Befriedigung von Bedürfnissen ist diese Frage von besonderer Bedeutung.

Der Gegensatz B beschreibt die Beziehungen der Fülle der Möglichkeiten eines Menschen und der Notwendigkeit, diese in eine bestimmte Form zu bringen. Das diese Form auch durch die gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt ist, wird von Guardini nicht weiter analysiert.

C beschreibt die Beziehung von Einzelnem, Besonderen und Allgemeinen in den Eigenschaften eines Menschen. Es handelt sich also um eine Zustandsbetrachtung, in der die individuellen Besonderheiten eines Menschen und sein Ganzes in Bezug gesetzt werden.

Bei D geht es um die Beziehung von produktivem Schaffen und den dazu vorhandenen Dispositionen eines Menschen bzw. auch ihre Aneignung, die Guardini im Zusammenhang mit dem Wort „verfügen“ beschreibt. Dieser Gegensatz umfasst damit alle Prozesse des Lernens und des produktiven Tätigseins auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit. Beide Seiten des Gegensatzes stehen in einer wechselseitigen Beziehung, jede Ausbildung von Dispositionen schafft neue Möglichkeiten für produktive Schaffen und zusammen mit dem produktiven Schaffen entwickeln sich auch die Dispositionen des Menschen weiter, er lernt in seiner Tätigkeit.

Der Gegensatz D beschreibt die Beziehung von ursprünglichem, spontanen Verhalten, das aus sich selbst entspringt und sich in Wagnis und Drang nach Abenteuern äußert sowie den gegebenen Regeln und Gesetzen, denen sich das Leben unterzuordnen hat. Dies ist ein Spannungsverhältnis, das in seiner Gegensätzlichkeit durchaus eine wesentliche Quelle für Entwicklungen ist.

Bei F geht es um die reflektierenden Zustände der inneren Besinnung und dem Denken an künftige Entwicklungen. Beides steht in einer wechselseitigen Beziehung, ein Denken an die Zukunft ist ohne die Besinnung auf das aktuelle Dasein nicht möglich. Umgekehrt führt eine innere Reflexion auch zu Gedanken über künftige Entwicklungen.

Insgesamt werden mit den von Guardini beschriebenen Gegensätzen Momente im Leben eines Menschen erfasst. Er bleibt aber meist bei einer Beschreibung der Gegensätze stehen und kommt nicht zu darüber hinaus gehenden Überlegungen. Wie angedeutet, lassen sich bei vielen der Gegensätze wechselseitige Beziehungen feststellen, die Quelle für Entwicklungen des Menschen sind.

Neben diesen Gegensätzen gibt es aber noch weitere, die für das Leben bestimmend sind. Dazu gehören unter anderem:

  • der Gegensatz zwischen den elementaren Trieben eines Menschen und ihrer Beherrschung als Merkmal seines kulturellen Entwicklungsstandes,
  • der Gegensatz zwischen der Eigenmotivation und der Fremdmotivation für den Antrieb bei Handlungen,
  • der Gegensatz zwischen den zyklischen Prozessen der Entstehung eines Bedürfnisses und dem Prozess seiner Befriedigung (z. T. in A enthalten),
  • der Gegensatz zwischen den eigenen Interessen und den Interessen einer sozialen Gemeinschaft,
  • der Gegensatz zwischen dem Verhältnis zur eigenen Kultur und dem Verhältnis zu anderen Kulturen.

Gegensätze gehören zu den Fundamentalkategorien in der Kategorienlehre Nicolai Hartmanns, mit der er den Aufbau der realen Welt beschreiben will (Beierwaltes und Menne 2007, Bd. 3, S. 117). Hartmann bewegt sich in seinem umfassenden, 616 Seiten starken Werk fast ausschließlich auf allgemeinen begrifflichen Ebenen. Er gibt folgende Gegensatzpaare als Fundamentalkategorien an (Hartmann 1949, 230, 231).

  1. Prinzip – Concretum
  2. Struktur – Modus
  3. Form – Materie
  4. Inneres – Äußeres
  5. Determination – Dependenz
  6. Qualität – Quantität
  7. Einheit – Mannigfaltigkeit
  8. Einstimmigkeit – Widerstreit
  9. Gegensatz – Dimension
  10. Diskretion – Kontinuität
  11. Substrat – Relation
  12. Element – Gefüge

Zu den verwendeten Termini stellt er fest, „dass die eingeführten Bezeichnungen alle nur teilweise passen; sie mussten dem geschichtlich gewordenen Sprachgebrauch der Philosophie entnommen werden, und dieser reicht an die kategorialen Unterschiede nicht heran. Man muss ihre neue Bedeutung also erst aus den innerkategorialen Verhältnissen gewinnen“ (Hartmann 1949, 231/232). In seinen umfangreichen Erläuterungen dieser Verhältnisse werden aber die neuen Bedeutungen nicht klar herausgearbeitet. Ein Grund ist, dass er, wie im gesamten Werk, sehr selten konkrete Beispiele zur Erläuterung seiner allgemeinen Gedanken heranzieht. Deshalb soll auf die Gegensätze nicht weiter eingegangen werden, von denen der 3., 4., 6., 7. und 10. in dieser Diktion Bestandteil üblicher philosophischer Erörterungen sind.

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung des Terminus

„Gegensatz“ in den Internet-Enzyklopädien

In der Alltagssprache wird das Wort „Gegensatz“ häufig gebraucht. Nach dem DWDS beschreibt es eine äußerste Verschiedenheit zwischen Personen und Sachen. Dies wird durch die engen und häufigen Kollokationen mit krass, unüberbrückbar, scharf, schroff sowie das Auftreten von vier Personenbezeichnungen unter den zehn Kollokationen mit dem höchsten logDice unterstrichen.

Auf den Gegensatz zwischen Personen wird in den anderen beiden Internet-Enzyklopädien bei der Erklärung des Wortes nicht eingegangen.

In allen drei Internet-Enzyklopädien taucht in den Erklärungen das Wort „Widerspruch“ auf, das als eine Bedeutung des Wortes Gegensatz bezeichnet wird.

„Gegensatz“ in den philosophischen Lexika

„Gegensatz“ in der Geschichte der Philosophie

Auch in den drei analysierten elektronischen philosophischen Lexika tritt das Wort „Gegensatz“ häufig auf, allerdings in der Enzyklopädie Philosophie nur etwa halb so häufig wie in den anderen beiden Lexika. Interessant ist ein Vergleich mit den Häufigkeiten des Wortes „Gegenteil“, das in der Alltagssprache noch häufiger als „Gegensatz“ in den philosophischen Lexika aber sehr selten auftritt.

In allen Lexika wird auf die Quellen der Gegensatzproblematik in der antiken griechischen Philosophie sowie auf die Stellung des Terminus „Gegensatz“ im deutschen Idealismus, insbesondere bei Hegel, eingegangen. Dabei werden unter anderem etwa folgende Feststellungen getroffen:

  • Erstmalig werden in der europäischen antiken Philosophie bei Pythagoras und seinen Schülern explizit Gegensätze als Seinsprinzipien angenommen. Dabei wird der Aspekt der Entgegensetzung alles Seienden durch den Gedanken der Harmonie ergänzt, wobei nach Aristoteles Harmonie als Mischung und Zusammensetzung von Entgegengesetzten definiert wird. Heraklit formuliert den nicht weiter differenzierten Grundgedanken der Einheit der Gegensätze (Pätzold 2010, 768)
  • In allen Lexika und bei Wikipedia wird zwischen logischen Gegensätzen und realen (bei Eisler 2004 ontologischen) Gegensätzen unterschieden. Nach Beierwaltes und Menne (2007, 361) beschreibt Kant den Unterschied zwischen logischen und realen Gegensätzen in folgender Weise. »Einander entgegengesetzt ist, wovon eines dasjenige aufhebt, was durch das andere gesetzt ist. Diese Entgegensetzung ist zweifach; entweder logisch durch den Widerspruch, oder real d. i. ohne Widerspruch«. Die »dialektische« Opposition ist von der auf dem Satze des Widerspruches fußenden »analytischen« zu unterscheiden (Kritik der reinen Vernunft, S. 410).
  • Es werden folgende Arten logischer Gegensätze zwischen zwei Aussagen bzw. Begriffen angegeben, die auf Aristoteles und die Syllogistik zurückgehen. Zur Erläuterung verwende ich Termini der Aussagenlogik.
    • Kontradiktorischer Gegensatz (logischer Widerspruch): eine Aussage ist die Negation der anderen
    • Konträrer Gegensatz: Exklusion von zwei Aussagen
    • Subkonträrer Gegensatz: Adjunktion (Alternative) zweier Aussagen
    • Subalterner Gegensatz: logische Beziehungen zwischen einer allgemeinen Aussage und einer partikulären Aussage
  • Pätzold (2010, 768) gibt folgende Formen realer Gegensätze und ihrer entsprechenden logisch-ontologische Interpretationen an:
    • Der sog. privative Gegensatz verweist auf das Haben oder Fehlen einer natürlichen akzidentiellen Eigenschaft an einem Zugrundeliegenden, z.B. sehend/blind
    • Der sog. relative Gegensatz tritt bei quantitativen Bestimmungen auf und ist das Verhältnis einer asymmetrischen zweistelligen Relation zu ihrer Konversen (z.B. doppelt/ halb).
    • Der konträre Gegensatz, der ein Mittleres zulässt (z.B. schwarz/weiß)
    • Der dialektische und der wechselseitig polarische Gegensatz, die kein Mittleres zulassen. Hierbei handelt es sich nicht um gegensätzliche Bestimmungen, die einem identischen, in sich homogenen Zugrundeliegenden zukommen oder nicht zukommen, sondern die einen Sachverhalt oder eine Sache als eine in einem bestimmten Strukturzusammenhang sich differenzierende erst konstituieren. Dabei lassen sich (a) dynamische von (b) statischen Entgegensetzungen unterscheiden.
  • Für Hegel ist Gegensätzlichkeit das Signum alles endlich Seienden. Unter dieser Voraussetzung entwickelte er erstmals eine dynamische Gegensatztheorie, die die Formen der Entgegensetzung als einen ontologischen Entwicklungsprozess auffasst, dergestalt, dass der Prozess der Bestimmung zugleich als der Prozess des Sichbestimmens von etwas erscheint (Pätzold 2010, 773b). Dieser Reflexionsprozess vollzieht sich nach Prechtl (2008, S. 198) in folgenden drei Schritten.
  1. Die Bestimmung der Identität ist zunächst eine Reflexion auf sich selbst, indem es sich von dem anderen (bspw. das Sein von dem Nichts, das Endliche von dem Unendlichen) abgrenzt. Es bestimmt sich selbst, insofern es negativ auf seinen Gegensatz, d.i. das Andere, bezogen ist.
  2. Aus der Sichtweise des Anderen gedacht, erscheint es selbst als ein anderes, ein Negatives zu diesem Anderen und für dieses Andere. Es erkennt, dass jedem das positive und das negierende Moment eigen ist.
  3. Aus dieser Erkenntnis heraus heben sich das Positive und das Negative als an sich selbständig Seiende bzw. als selbständig gewordene Seiten des Gegensatzes auf. In dieser Art der Selbständigkeit lösen sich die Bestimmungen auf (»gehen zugrunde«). Aus dem Gegensatz von Identität und Unterschied wird die Einheit von Identität und Verschiedenheit, d. h. die Identität beider, die darin gegeben ist, dass jeder sich selbst bestimmt, indem er auf das Andere seiner selbst bezogen ist.  
  • Jede der beiden Bestimmungen schließt nicht nur jeweils die andere von sich aus, sondern enthält diese in sich zugleich. Dies bezeichnet Hegel als Widerspruch, der also ein notwendiges Resultat des Reflexionsprozesses ist (Pätzold 2010, 774).
  • In der Enzyklopädie Philosophie wird auch auf die Auffassungen von Marx eingegangen, der mit seiner Theorie des „wechselseitig polarischen Gegensatzes“ bewusst an Hegels dynamische Gegensatz Auffassung anknüpft und in seiner Analyse der Warenform in ihrer Entwicklung von der »einfachen Wertform« bis zur »blendenden Geldform« anwendet (Pätzold 2010, S. 774b).

Probleme mit dem Adjektiv „polar“

Die schon bei der Analyse des Wortes „Polarität“ diskutierten Probleme seiner Verwendung wirken sich auch bei der Bezeichnung von Gegensätzen als polar aus. So können etwa die von Marx genannten Gegensätze Wertform und Geldform nicht als Enden einer Skala aufgefasst werden. Pätzold gibt in seiner Strukturierung der Gegensätze als vierte Form an: „der dialektische und der wechselseitig polarische Gegensatz, die kein Mittleres zulassen“ (Pätzold 2010, 768). Bei einer Polarität als einer speziellen Kontrarität gibt es durchaus etwas Mittleres.

Gegensatz und Widerspruch

Zu den Beziehungen der Termini Gegensatz und Widerspruch gibt es in den Lexika folgende Aussagen.

  • Im DWDS wird als zweite Bedeutung von „Gegensatz“ das Wort „Widerspruch“ angegeben, obwohl dann in den genannten Beispielen dieses Wort nicht auftritt.
  • Bei Wiktionary wird angegeben, dass „Gegensatz“ in der Philosophie die Bedeutung „Widerspruch“ hat, wobei auch hier bei den Beispielen dieses Wort nicht auftritt.
  • Bei Wikipedia wird der kontradiktorische Gegensatz auch als Widerspruch bezeichnet.
  • Nach Kant gibt es zwei Arten der Entgegensetzung „entweder logisch durch den Widerspruch, oder real d. i. ohne Widerspruch. Die ‚dialektische‘ Opposition ist von der auf dem Satze des Widerspruches fußenden ‚analytischen‘ zu unterscheiden“ (Kritik der reinen Vernunft, S. 410).
  • Pätzold hält es für sinnvoll „den Terminus ›Gegensatz‹ nur für reale Entgegensetzungen und die sie repräsentierenden Begriffsbestimmungen zu verwenden, den Terminus ›Widerspruch‹ dagegen nur für die logische Kontradiktion“ (Pätzold 2010, 767b).
  • Der Gegensatz hat dabei drei Momente oder drei Entwicklungsphasen, die er durchläuft. Den Ausgangspunkt bildet zunächst die Entgegensetzung zweier selbst positiver Entitäten, aber ihre weitere Analyse zeigt, dass es sich scheinbar um ein »an sich Positives« und ein »an sich Negatives« handelt, die, wenn sie aufeinander bezogen werden, jedoch letztlich offenbaren, dass jede der beiden Bestimmungen nicht nur die jeweils andere von sich ausschließt, sondern diese zugleich in sich enthält: »Sie ist so der Widerspruch« Der Widerspruch ist also nach Hegels Interpretation ein notwendiges Resultat des Gegensatzes, zumindest dann, wenn man den Übergang von der zweiten zur dritten Gegensatzstufe im Hegelschen Sinne akzeptiert (Pätzold 2010, 774).
  • In Bezug auf die Verwendung der Termini Gegensatz und Widerspruch bei Marx stellt Petzold fest: „Insgesamt lässt sich konstatieren, dass Marx’ Gegensatztheorie auf keiner Ebene mit dem Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs kollidiert. Er verwendet daher auch zur Charakterisierung realer Entgegensetzung zumeist nicht den Begriff ›Widerspruch‹, sondern spricht zuweilen von ‚scheinbaren Widerspruch‘, ist aber in seiner Terminologie nicht immer konsequent“ (Pätzold 2010, 776).

Einheit der Gegensätze

An mehreren Stellen wird in der gesichteten Literatur auf das Problem der Einheit der Gegensätze eingegangen.

  • Im dritten Schritt des Reflexionsprozesses nach Hegel „heben sich das Positive und das Negative als an sich selbständig Seiende bzw. als selbständig gewordene Seiten des Gegensatzes auf. In dieser Art der Selbständigkeit lösen sich die Bestimmungen auf …. Aus dem Gegensatz von Identität und Unterschied wird die Einheit von Identität und Verschiedenheit, d. h. die Identität beider, die darin gegeben ist, dass jeder sich selbst bestimmt, indem er auf das Andere seiner selbst bezogen ist“ (Prechtl 2008, S. 198).
  • Nach Pätzold handelt es sich bei einem dialektischen bzw. der wechselseitig polarischen Gegensatz „nicht um gegensätzliche Bestimmungen, die einem identischen, in sich homogenen Zugrundeliegenden zukommen oder nicht zukommen, sondern die einen Sachverhalt oder eine Sache als eine in einem bestimmten Strukturzusammenhang sich differenzierende erst konstituieren“ (Pätzold 2010, 768).
  • Nach Kant sind bei einer realen Opposition sind Prädikate in einem Körper zugleich möglich (Kant 1912, S. 171)
  • Nach Marx wird „der konträre, wechselseitig polarische Gegensatz eines Wesens … als der Unterschied innerhalb eines sich selbst differenzierenden Wesens gefasst“ (Pätzold 2010, 775b). Er stellt weiterhin fest, dass „in jedem Fall … alle real entgegengesetzten Bestimmungen stets eine Form [finden], worin sie sich bewegen können“ (Pätzold 2010, 776).

Weitere Gedanken

  • An einigen Stellen wird die Formulierung „dialektischer Gegensatz“ bzw. „dialektische Opposition“ verwendet. So heißt es bei Wikipedia: „Der dialektische reale Gegensatz unterscheidet sich sowohl vom kontradiktorischen als auch vom konträren. Während diese in der Realität nicht existieren, sondern nur als Widerspiegelung der objektiven Gegebenheiten erscheinen, bestehen dialektische Gegensätze objektiv real.“ Im Wörterbuch der philosophischen Begriffe heißt es mit Berufung auf Kant, dass die dialektische Opposition von der auf dem Satz des Widerspruches fußenden analytischen zu unterscheiden ist (Eisler 1904, S. 361). Engels verwendet den Begriff des Gegensatzes zur Beschreibung dialektische Phänomene. Pätzold gibt als eine Form des Gegensatzes den dialektischen Gegensatz an (2010, 768).
  • Einige Autoren sprechen davon, dass eine Seite eines Gegensatzes dominant gegenüber der anderen sein kann und dass sich diese Dominanz im Ergebnis bestimmte Entwicklungen ändern kann (z. B. Gesetz der Kontrastverstärkung nach Wundt 1886, nach Eisler 1904, S. 363). Nach Marx gipfelt die „Struktur des wechselseitig polarischen Gegensatz und seiner Entwicklungslinie, … darin …, dass eine der beiden Bestimmungen dominant gegenüber der anderen wird“ (Pätzold 2010, S. 775b).
  • Neben der Veränderung der Dominanz wird teilweise auch vom Umschlagen des einen Zustands in sein entgegengesetzten gesprochen, so schon bei Heraklit: „Dasselbe ist: lebendig und tot und wach und schlafend und jung und alt. Denn dieses ist Umschlagen in jenes und jenes Umschlagen in dieses“ (Pätzold 2010, S. 768b). (Pätzold 2008)

Zusammenstellung von Gegensatzpaaren in der Literatur

Es gibt in der gesichteten Literatur eine Vielzahl von Gegensätzen. In der folgenden Übersicht werden alle auftretenden Gegensätze zusammengestellt, die in den ausgewählten Zitaten enthalten sind. Die Klassifizierung ist als vorläufig anzusehen, da eine genaue Charakterisierung eines Gegensatzes erst im Ergebnis eine Analyse der verwendeten Wörter und ihrer Zusammenhänge möglich ist.

Gegensätze, deren philosophische Analyse kaum zu neuen Erkenntnissen oder Forschungsfragen führt

  • schwarz und weiss
  • Tag und Nacht
  • sehend und blind
  • doppelt und halb
  • gerade und ungerade Zahlen
  • Licht und Finsternis
  • lachend und schlafend
  • jung und alt
  • lebendig und tot
  • Nordpol und Südpol
  • weiblich und männlich

Gegensätze zwischen Theorien und Forschungsrichtungen

  • Rationalismus und Empirismus
  • Natur- und Geisteswissenschaften
  • Deduktivismus und Induktivismus
  • Realismus und Antirealismus
  • Vitalismus und Mechanismus
  • Realismus und Nominalismus
  • erlebnis- und verhaltenszentrierte Forschung
  • Reduktionismus und Holismus
  • Liberalismus und Sozialismus

Gegensätze zwischen Tätigkeiten

  • erklären und verstehen

Gegensätze zwischen mentalen und nichtmentalen Objekten

  • begrifflichem Denken und äußerer Wirklichkeit
  • ideellem Sein und materiell gesellschaftlichem Sein

Gegensätze zwischen zwei mentalen Objekten

  • höheren und niederen Bedürfnissen
  • sinnlicher Lust und geistigem Interesse
  • schwacher Vernunft und herrschende Leidenschaften
  • Gelehrtensprache und historisch gewachsene Sprache

Gegensätze zwischen philosophischen Termini

  • Determinismus und Freiheit
  • kausaler und teleologische Handlungserklärung
  • Autonomie und Heteronomie
  • Meinung und Wahrheit
  • Subjekt und Objekt
  • Form und Materie
  • Inneres und Äußeres
  • Qualität und Quantität
  • Einheit und Mannigfaltigkeit
  • Diskretion und Kontinuität
  • Element und System
  • Möglichkeit und Wirklichkeit
  • Realem und Idealem
  • Substanz und Akzidenz
  • Allgemeines und Besonderes
  • Sein und Nichts
  • Identität und Differenz
  • Ganzes und Teil
  • Freiheit und Notwendigkeit
  • Denken und Sein
  • Idee und Natur
  • Geist und Natur
  • Naturwesen und Vernunftwesen
  • Ideelles und Materielles
  • Individuum und Gesellschaft
  • Endliches und Unendliches

Gegensätze zwischen ökonomischen Termini

  • Kapital und Arbeit
  • extreme Armut und großer Reichtum
  • Ökonomie und Ökologie
  • Bourgeoisie und Proletariat
  • Gebrauchswert und Tauschwert einer Ware

Gegensätze zwischen organischen und anorganischen Objekten

  • lebendigen Organismen und Maschinen
  • organisches Leben und mechanische Technik

Gegensätze zwischen ethischen Kategorien

  • gut und böse
  • gut und schlecht
  • Tugend und Laster

Gegensätze zwischen Bereichen des natürlichen und gesellschaftlichen Lebens

  • Natur und Kultur

Gegensätze zwischen Individuum und Gesellschaft

  • Allgemeine, besondere und individuelle Interessen
  • Egoismus der individuellen Interessen und allgemeine natürliche und vernünftige Interessen der Menschen

Gegensätze in Naturwissenschaften

  • ausdehnende und eingrenzende Kraft
  • ruhend und bewegt
  • Korpuskel und Welle

Schlussfolgerungen

Das Wort „Gegensatz“ wird in der Alltagssprache häufig verwendet und ist im Sinne einer äußersten Verschiedenheit zwischen Personen und Sachen intuitiv verständlich.

In der Geschichte der Philosophie hat der Terminus „Gegensatz“ insbesondere in der antiken griechischen Philosophie und im deutschen Idealismus eine zentrale Rolle gespielt. Obwohl er in den philosophischen Lexika immer noch häufig auftritt, wird seine Rolle in der heutigen Philosophie als gering eingeschätzt, wie folgende Zitate belegen:

  • „Die ontologische Dimension der Gegensatzproblematik findet in der Philosophie des 20. Jahrhunderts nur noch wenig Beachtung“ (Pätzold 2010, 776).
  • „Auch wenn kurz nach Guardinis Tod der Tsunami des Strukturalismus vom spiritualistischen Humanismus, den er verkörperte, nur Schutt übrig zu lassen schien, …“ (Greisch 2018).
  • „Auch in der modernen Logik spielt infolge der Entkoppelung von grammatischer und logischer Form seit Frege die Gegensatzproblematik, insofern es um die Entgegensetzung von Begriffen geht, keine Rolle mehr“ (Pätzold 2010, S. 776b).

Besondere Bedeutung haben Gegensätze, die nicht nur einen beschreibenden Charakter haben, sondern aus den sich tiefe Einsichten in den betreffenden Sachverhalt und weiterführende Forschungsfragen ableiten lassen. Ein Beispiel aus der Psychologie sind die Überlegungen von Wilhelm Wundt, der schreibt: „Das Gesetz der Entwicklung in Gegensätzen ist eine Anwendung des Prinzips der Kontrastverstärkung auf umfassendere, in Entwicklungsreihen sich ordnende Zusammenhänge. Diese besitzen nämlich infolge jenes fundamentalen Prinzips die Eigenschaft, daß Gefühle und Triebe, die zunächst von geringer Intensität sind, durch den Kontrast zu den während einer gewissen Zeit überwiegenden Gefühlen von entgegengesetzter Qualität allmählich stärker werden, um endlich die bisher vorherrschenden Motive zu überwältigen und nun selbst während einer kürzeren oder längeren Zeit die Herrschaft zu gewinnen. … Mehr als im individuellen tritt jedoch die Entwicklung in Gegensätzen im sozialen und geschichtlichen Leben, in dem Wechsel der geistigen Strömungen und ihren Rückwirkungen auf Kultur und Sitte, auf soziale und politische Entwicklungen hervor“ (Wundt 1886, S. 410).

Wie die Zusammenstellung der Gegensatzpaare zeigt, gibt es in der Literatur eine große Fülle von Gegensätzen unterschiedlichster Art. Um diese näher charakterisieren und bewerten zu können, müssen sie eingehend analysiert werden, was Gegenstand weiterer Texte sein soll. In Zusammenfassung der verschiedenen Aspekte, die bei der Analyse der Texte zum Terminus Gegensatz zusammengestellt wurden, können dazu folgende Fragestellungen verwendet werden.

  1. Sind die Objekte eindeutig bestimmbar? Zu welcher der drei ontologischen Grundkategorien (Mentales, Nichtmentales, entäußertes Nichtmentales) können die Objekte zugeordnet werden?
  2. Können beide Objekte gleichzeitig nebeneinander bestehen, kann ein Objekt ohne das andere existieren?
  3. Schließen sich beide Objekte gegenseitig aus?
  4. Ist ein Objekt die Negation des anderen?
  5. Gibt es eine Skala, deren Endpunkte die beiden Objekte sind?
  6. Gibt es eine Ursache-Wirkung-Beziehung?
  7. Gibt es gegenseitige Abhängigkeiten?
  8. Gibt es ein Prozess, der ein Objekt in das andere überführt?
  9. Dominiert ein Objekt gegenüber dem anderen und gibt es einen Prozess, der die Dominanz ändert?
  10. Handelt es sich um Merkmale eines Objektes?
  11. Sind beide Objekte Bestandteil einer überordneten Einheit, bzw. bilden sie diese?
  12. Hat die Analyse des Gegensatzes eine Bedeutung für den betreffenden Sachverhalt?

Mit dem Terminus Objekt werden dabei alle Formen des Existierenden erfasst, also auch mentale Objekte wie die Termini der Mathematik und der Logik, sodass alle Arten von Gegensätzen einbezogen sind.

Wie an mehreren Stellen deutlich wurde, scheint es nicht sinnvoll zu sein, das Wort Widerspruch bei realen Gegensätzen zu verwenden. Allerdings zeigen die Überlegungen von Hegel, dass es bei der Entwicklung von Begriffen notwendig zueinander widersprechenden Bestimmungen kommt, die in einer übergreifenden Einheit aufgehoben werden. Nach Hegel ist damit der Widerspruch Bestandteil eines jeden Begriffs und auch des Gegenstandes seiner Reflexion. Diese Probleme werden im Text zum Terminus „Widerspruch“ genauer analysiert.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass das Wort „Gegensatz“ ein geeigneter Terminus für die Neue Philosophie ist und eine zentrale Rolle spielt.

Da die Adjektive kontradiktorisch, konträr, subkonträr, subaltern und privativ nicht Bestandteil der Alltagssprache und intuitiv nicht verständlich sind, sollte auf diese verzichtet werden, was bei einer entsprechenden Charakterisierung des konkreten realen Gegensatzes ohne Probleme möglich ist.

Auf die Bezeichnung relativer Gegensatz kann aufgrund der geringen und wenig verständlichen Bedeutung verzichtet werden. Ebenso sollte das Adjektiv „polar“ aufgrund der damit verbundenen Probleme nicht verwendet werden.

Literaturverzeichnis

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Greisch, Jean (2018): Wer denkt konkret? In: weiter denken. Journal für Philosophie (2). Online verfügbar unter https://weiter-denken-journal.de/herbst_2018_lebendig_und_konkret/Wer_denkt_konkret.php#_ftnref14, zuletzt geprüft am 06.09.2021.

Guardini, Romano (1998): Der Gegensatz. Versuche zu einer Philosophie des Lebendig-Konkreten. 4. Aufl. Paderborn, Mainz: Verlag F.Schöningh; Matthias-Grünewald Verlag (Werke. Sachbereich Anthropologie und Kulturkritik / Romano Guardini).

Hartmann, Nicolai (1949): Der Aufbau der realen Welt. Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre. Meisenheim am Glan: Westkulturverl. Hain.

Kant, Immanuel (1912): Gesammelte Schriften. Abt. 1, Kant’s Werke, Bd. 2, Vorkritische Schriften. Berlin: Reimer.

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Pätzold, Detlev (2010): Gegensatz/Widerspruch. In: Hans Jörg Sandkühler, Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer (Hg.): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. Hamburg: Meiner, 767u-777b.

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Ritter, Joachim; Gründer, Karlfried; Gabriel, Gottfried (Hg.) (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 13 Bände ; 1971 – 2007. Basel: Schwabe.

Sandkühler, Hans Jörg; Borchers, Dagmar; Regenbogen, Arnim; Schürmann, Volker; Stekeler-Weithofer, Pirmin (Hg.) (2010): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. Hamburg: Meiner.

Wundt, Wilhelm (1886): Grundriss der Psychologie. Leipzig: Engelmann.

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