Hans-Dieter Sill, 24.05.2022

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Analysen zu den Begriffen „Wort“, „Terminus“ und „Begriff“

Inhalt

  1. Vorbemerkungen
  2. Verwendungen der Begriffe in der Alltagssprache

2.1.       Wort

2.2.       Terminus

2.3.       Begriff

2.4.       Auswertungen

  1. Analysen zum Begriff „Terminus

3.1.       Zitate

3.2.       Auswertungen

  1. Analysen zum Begriff „Wort“

4.1.       Linguistische Literatur

4.1.1.         Zitate

4.1.2.         Auswertungen

4.2.       Philosophische Literatur

4.2.1.         Zitate

4.2.2.         Auswertungen.

4.3.       Psychologische Literatur

4.3.1.         Zitate

4.3.2.         Auswertungen

  1. Analysen zum Begriff „Begriff“

5.1.       Linguistische Literatur

5.1.1.         Zitate

5.1.2.         Auswertungen

5.2.       Philosophische Literatur

5.2.1.         Zitate

5.2.2.         Auswertungen

5.3.       Psychologische Literatur

5.3.1.         Zitate

5.3.2.         Auswertungen

  1. Weitere Probleme

6.1.       Verstehen und Produzieren von Wörtern und Sätzen, Sprache und Denken

6.2.       Bedeutung von Wörtern und Begriffen

6.3.       Zur Bildung von Begriffen i.m.S

6.4.       Arten von Begriffen i.m.S

6.5.       Strukturen von Begriffen i.m.S

  1. Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Vorschläge

7.1.       Zur Unterscheidung von mentalen und nichtmentalen Kategorien

7.2.       Zu „Wort“, „Terminus“ und „Begriff“

7.3.       Zum Definieren von Begriffen

7.4.       „Wort“, „Terminus“ und „Begriff“ bei Bezug auf dasselbe Lexem

7.5.       Weitere Probleme

Literaturverzeichnis

1.    Vorbemerkungen

Versuche zur Explikation der Begriffe „Wort“, „Begriff“ und „Terminus“ sind mit zahlreichen Problemen verbunden. Sie erfordern eine Beschäftigung mit Teilgebieten der Linguistik, Neurowissenschaften, Psychologie und Philosophie. Dabei stellt sich heraus, dass es teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen zu den drei Begriffen gibt, die diskutiert werden müssten. Eine solche umfassende Analyse kann hier nicht geleistet werden. Ich beschränke mich auf einige Aspekte, die mir für die Philosophie wesentlich erscheinen. Insbesondere geht es mir um die Unterschiede zwischen den drei Begriffen, die nach meinen Erfahrungen in der Mathematik, der Mathematikdidaktik und der Philosophie nicht immer beachtet werden.

Ein weiteres Anliegen ist es, die von mir entwickelten Gedanken zu einer Unterscheidung von Mentalem und äußerten Mentalem anzuwenden (vgl. „Das entäußerte Mentale“). Wenn aus dem Wort selbst (z. B. Gedanke, Meinung), dem Sachverhalt oder einem Adjektivattribut (z. B. mentales Lexikon) nicht hervorgeht, welche Bedeutung jeweils gemeint ist, wird dies durch den Zusatz i.m.S. (im mentalen Sinne) bzw. i.e.S. (im entäußerten Sinne) deutlich gemacht.

In Weiterentwicklung meiner bisherigen Auffassungen (Sill 2019, S. 85–94) halte ich die Verwendung des Begriffs „Terminus“ für sinnvoll, das ich zwischen „Wort i.e.S.“ und „Begriff i.e.S.“ einordne. Ein Grund dafür ist, dass das Wort „Begriff i.e.S.“ in einem sehr umfassenden Sinne verwendet werden sollte, der viele Momente des „spekulativen Begriffs“ nach Hegel enthält.

Zu Ermittlung der Bedeutungen der drei Wörter im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS). Um einen Eindruck von der Häufigkeit der Verwendung der Lexeme im Alltag zu bekommen wird für die Jahre 2016-2020 die Häufigkeit pro 1 Million Token (Frequenz) im DWDS- Zeitungskorpus angegeben. Weiterhin werden Kollokationen mit anderen Lexemen angeben. Als Assoziationsmaß wird logDice verwendet. Es werden die Kollokationen mit den fünf höchsten logDice-Werten und ihre Frequenzen (in Klammern) genannt.

Es werden weiterhin Aussagen zu den Wörtern in der Linguistik untersucht. Dazu werden die folgenden Fachpublikationen herangezogen.

  • Glück und Rödel (2016): Metzler Lexikon Sprache, 793 S. (MLS)
  • Meibauer u. a. (2015): Einführung in die germanistische Linguistik, 359 S. (EgL)

Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie zu analysieren, werden die folgenden Nachschlagewerke verwendet.

  • Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 8.572 S. (HWPh)
  • Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie, 705 S. (MLPh)
  • Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie, 3209 S. (EPh)

Weiterhin sollen Erkenntnisse der psychologischen und neurowissenschaftlichen Forschung zu den mentalen Momenten der Betrachtungsgegenstände zusammengestellt werden. Dazu werden folgende Fachbücher ausgewertet:

  1. Becker-Carus und Wendt (2017): Allgemeine Psychologie (BW)
  2. Müsseler und Rieger (2017): Allgemeine Psychologie (MR)
  3. Kiesel und Spada (2018): Allgemeine Psychologie (KS)
  4. Hoffmann und Engelkamp (2017): Lern- und Gedächtnispsychologie (HE)

In den Zitaten aus den Fachbüchern sind die Angaben zu den Fachbegriffen in anderen Sprachen, die Hinweise auf Abbildungen und Tabellen sowie die Literaturverweise nicht enthalten.

Mit den jeweiligen Suchfunktionen wird in den elektronisch vorliegenden Texten im Volltext nach den betreffenden Lexemen gesucht und es wird die Anzahl der jeweiligen Ergebnisse absolut und pro 100 Seiten (in Klammern) angegeben.

Weitere Informationen zum Vorgehen bei den Wortanalysen und Auswahlkriterien sind auf der Seite „Zur Bestimmung grundlegender Termini“ enthalten.

2.    Verwendungen der Begriffe in der Alltagssprache

2.1.  Wort

Frequenz: 221,12

Kollokationen:

Überblick: melden (8.6, 12804), letzt (8.2, 16084), Sinn (8.1, 9322), zitieren (7.4, 4579), ergreifen (7.2, 3779)

in Koordination mit: Tat (11.1, 1910), Bild (10.3, 2525), Satz (10.1, 834), Geste (9.8, 702), Schrift (9.8, 722)

Bedeutungen

  1. einsilbige oder mehrsilbige selbstständige sprachliche Einheit mit einem bestimmten Bedeutungsgehalt, Bsp.: kurzes, zusammengesetztes, neues, mehrdeutiges, umgangssprachliches, fachsprachliches, fremdes, unbekanntes, schwieriges, derbes Wort
  2. mündlich oder schriftlich formulierte, sinnvolle Äußerung, Bemerkung, Bsp.: kluge, geistreiche, erklärende, richtungweisende Worte; mit einem Wort; kein einziges Wort
  3. mündliche Darlegung, Äußerung von Gedanken zu einem bestimmten Thema vor einem bestimmten Publikum, Bsp.: sich zu Wort melden
  4. Zitat, Bsp.: ein geflügeltes Wort
  5. (mündliches) Versprechen, (mündliche) Zusage, Ehrenwort, Bsp.: Wort geben

2.2.  Terminus

Frequenz: 1,10

Kollokationen:

Überblick: gebräuchlich (6.4, 22), singulär (6.0, 12), einbürgern (5.5, 11), psychoanalytisch (5.4, 10), grammatisch (5.4, 7)

Bedeutungen: Fachausdruck, festgelegte Bezeichnung, Bsp.: medizinischer, philosophischer Terminus

2.3.  Begriff

Frequenz: 53,04

Kollokationen:

Überblick: verwenden (7.3, 2040), prägen (7.3, 1735), definieren (6.9, 1056), abstrakt (6.5, 628), Definition (6.5, 638)

in Koordination mit: Wort (8.8, 364), Vorstellung (8.8, 168), Anschauung (8.7, 88), Begriff (8.4, 118), Kategorie (8.1, 52)

Bedeutungen

  1. wesentliche Merkmale einer Sache oder einer Gruppe von Erscheinungen, die zu einer gedanklichen Einheit zusammengefasst sind, Bsp.: der Begriff der Pflicht, Ehre
  2. a) Vorstellung, Bsp.: das gibt einen ungefähren Begriff davon
  3. b) Auffassung, Meinung, Bsp.: einen hohen Begriff von etw. haben
  4. [umgangssprachlich, abwertend] Bsp.: schwer, langsam von Begriff sein
  5. ⟨im Begriff sein, stehen⟩ Bsp.: er ist im Begriff abzureisen

2.4.  Auswertungen

„Wort“ kommt im Alltag sehr häufig vor. Die signifikanten Kollokationen zeigen, dass im Alltag „Wort“ vor allem in der dritten der im DWDS angegebenen Bedeutungen als mündliche Darlegung, Äußerung von Gedanken verwendet wird.

Das Wort „Terminus“ wird in der Alltagssprache sehr selten verwendet.

In der Alltagssprache wird „Wort“ etwa viermal so häufig wie „Begriff“ verwendet.

Alle angegebenen Bedeutungen zu den Begriffen „Wort“ und „Terminus“ beziehen sich auf die nichtmentalen Momente der Begriffe wie sprachliche Formen, mündliche oder schriftliche Äußerungen oder festgelegte Bezeichnung.

Im Gegensatz dazu beziehen sich die erste und zweite angegebene Bedeutung zum Begriff „Begriff“ wie „gedankliche Einheit“, „Vorstellung“ oder „Auffassung/Meinung“ auf Mentales. Auch die engen Kollokationen mit „Vorstellung“ und „Anschauung“ entsprechen diesem Moment.

Andererseits zeigen die Kollokationen in der grammatischen Funktion „in Koordination mit“ eine große Nähe zwischen den Begriffen „Wort“ und „Begriff“.

Auch die Verbindung von „Begriff“ mit „definieren“ und „Definition“ als Bestandteile des entäußerten Mentalen ist sehr eng. Dies zeigt, dass in der Alltagssprache auch das nichtmentale Moment von „Begriff“ eine Rolle spielt.

3.    Analysen zum Begriff „Terminus

3.1.  Zitate

MLS

237 (29,9) Ergebnisse

  • Fachausdruck einer Einzelwissenschaft, der in einer theoriegeleiteten Terminologie exakt definiert ist. Ein Terminus muss innerhalb dieser Terminologie systematisch auf andere Termini beziehbar sein (Glück und Rödel 2016, S. 706).

EgL

9 (2,7) Ergebnisse, keine Erklärung

HWPh

3419 (39,9) Ergebnisse

Aus dem Stichwort „Terminismus“, Autor: Stephan Meier-Oeser

  • Abweichend von diesem Verständnis wird der Terminus aber auch in jenem Sinn verwendet, in dem er durchgängig in den philosophischen Lexika erscheint, nämlich als Wechselbegriff zu ‹Nominalismus› oder ‹Konzeptualismus› zur Kennzeichnung der Gegenposition zum universalientheoretischen Realismus (Bd. 10, S. 1005).
  • Die beiden Verwendungsweisen sind eng verbunden mit der Kontroverse zwischen der «via antiqua» und der «via moderna» sowie ihrer Deutung durch die historische Forschung; ihr Verhältnis markiert das vieldiskutierte Problem der Beziehung zwischen Nominalismus und Wegestreit, d.h. die Frage, inwieweit die spätmittelalterlichen Vertreter der «via moderna» (d.h. die Terministen im ersten Sinn) Nominalisten (d.h. Terministen im zweiten Sinn) gewesen sind. […] Als logische Methode verhält sich der Terminus neutral gegenüber seiner ontologischen Interpretation, und es war gerade die terministische Logik, die das Programm einer ‘reinenʼ, d.h. metaphysikfreien Logik nahelegte, indem sie das theoretische und begriffliche Instrumentarium bereitstellte, metaphysische Fragestellungen, wie etwa die der Universalien, in semantische Fragestellungen, wie die der Suppositionsweise der Termini, zu übersetzen (Bd. 10, S. 1005-1006).

Aus dem Stichwort „Terminus“, Autor: Eva Sietzen

  • Die terministische Logik wirkt noch bis ins 18. Jh. hinein. Der Sache nach wird der Begriff Terminus z.B. bei J. LOCKE ersetzt durch Gedanke oder Idee bzw. ‚Name oder ‚Wort. Der Begriff Terminus verliert jedoch seine herausragende Stellung, er dient entweder allgemein als Synonym für den definitorisch festgelegten ‚Kunstausdruck oder ‚Fachausdruck (daher «terminus technicus» … oder aber als logisches Äquivalent dessen, was von seiten der Grammatik als Redeteil … oder Wort bezeichnet wird …. Der Begriff, der in der Logik und Erkenntnistheorie eine zentrale Rolle gespielt hat, verflacht im 18. Jh. zunehmend und steht ganz allgemein für ’sprachlicher Ausdruck‘ (Bd. 10, S. 1018-1019).

MLPh

220 (31,2) Ergebnisse, kein Stichwort „Terminus“

EPh

468 (14,6) Ergebnisse, kein Stichwort „Terminus“

3.2.  Auswertungen

Obwohl das Wort „Terminus“ in der Alltagssprache sehr selten auftritt, wird es in den philosophischen Lexika häufig verwendet. In einem der beiden sprachwissenschaftlichen Fachbücher (MLS) tritt es ebenfalls sehr häufig auf, während es in dem anderen Fachbuch der Linguistik (EgL) kaum verwendet wird. Die Häufigkeitsanalyse zu „Wort“ zeigt ein umgekehrtes Verhältnis der Häufigkeiten in diesen Fachbüchern. Dies spricht dafür, dass sowohl „Terminus“ als auch „Wort“ vor allem als allgemeine Bezeichnungen für Fachbegriffe und Wörter dienen.

Das Wort „Terminus“ wird also vor allem als sprachliches Mittel verwendet und ist selbst kein Gegenstand sprachwissenschaftlicher oder philosophischer Betrachtung. Nur im Lexikon Sprache und dem Historischen Wörterbuch der Philosophie findet man knappe Erklärungen zur aktuellen Bedeutung von „Terminus“ in Sinne von Fachausdruck bzw. Fachbegriff. Im historischen Wörterbuch wird darüber hinaus ausführlich auf seine Rolle in der terministischen Logik im Mittelalter eingegangen, die aber in der heutigen Logik keine Fortsetzung gefunden hat.

In der Bedeutung als Fachbegriff oder Fachausdruck bezieht sich „Terminus“ auf ein entäußerstes Mentales.

Das Wort „Terminus“ kommt zwar in der Alltagssprache selten vor und muss auch als Fremdwort eingeordnet werden, dürfte aber auf wenige Verständnisschwierigkeiten stoßen. Damit ist „Terminus“ als grundlegender philosophischer Begriff geeignet.

4.    Analysen zum Begriff „Wort“

4.1.  Linguistische Literatur

4.1.1.      Zitate

MLS

432 (54,5) Ergebnisse

  • Blockierung Bez. für das Phänomen, dass eine Person in ihrem Gedächtnis ein Wort sucht, aber allenfalls ein anderes, ähnl. klingendes findet, z. B. beim Erinnern von Eigennamen (S. 108).
  • Mentales Lexikon […] Psych. Repräsentation lexikal. Informationen, Sammelname für die mentale Organisation des Wortvorrates. Gegenstand der psycholing. Modellierung des mentalen Lexikons sind vor allem: dessen interne Organisationsprinzipien, Anlage und Aktivierung von Worteinträgen, Zugang zu Wortrepräsentationen im Sprechen und Verstehen, deren Weiterverarbeitung, Verhältnis des mentalen Lexikons zum Sach- und Weltwissen und zur mentalen Grammatik, Repräsentation des gesprochenen vs. des geschriebenen Wortes. […] Da das Wort die Schnittstelle aller sprachl. Strukturebenen (Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik) ist, gibt es auf allen Ebenen der Analyse wortbezogene Effekte. Schon aus diesem Grund gibt es kaum ein psycholing. Problem, das nicht auch das mentale Lexikon berührte. (S. 424).

Aus dem Stichwort „Wort“, Autor: Karin Pittner

  • Intuitiv gut erfassbare, doch theoretisch schwer zu definierende Grundeinheit des Wortschatzes. Die wichtigsten bisher vorgeschlagenen Definitionskriterien sind: (a) orthographische Kriterien: Als Wort gilt eine Buchstabensequenz, die zwischen zwei Leerzeichen auftritt und selbst kein Leerzeichen enthält. … (b) Morphologische Kriterien: Wort ist eine minimale freie Form, d. h. eine kleinste Einheit, die selbständig anstelle eines Satzes auftreten kann … (c) Semantische Kriterien: Worte sind die kleinsten Einheiten, denen eine Bedeutung zugeordnet werden kann. Dieses Kriterium erfasst jedoch nicht Worte, sondern Morpheme, genauer gesagt: freie Morpheme als kleinste selbständige bedeutungstragende sprachliche Einheiten. (d) Syntaktische Kriterien: Worte sind die kleinsten sprachlichen Einheiten, die innerhalb eines Satzes verschiebbar sind (S. 769/770).

EgL

289 (80,5) Ergebnisse

  • Ein Wort ist jede Folge von Buchstaben, die von Leerzeichen umgeben ist, aber selbst kein Leerzeichen enthält (S. 17).
  • […] man benötigt aber einen Wortbegriff, der sich auch in Bezug auf die gesprochene Sprache bewährt. Dies könnte man dadurch erreichen, dass man Grenzsignale wie Wortakzent oder Sprechpausen zwischen zwei Wörtern in die Definition einbezieht. Man kann dann vom phonologischen Wort sprechen (S. 17).
  • Ein Wort ist ein frei auftretendes Morphem oder eine frei auftretende Morphemkonstruktion. Man könnte hier von dem morphologischen Wort sprechen. Unter Morphemen versteht man die kleinsten bedeutungstragenden Baueinheiten von Wörtern (S. 17).
  • Unter dem syntaktischen Aspekt kann man unter Wörtern die kleinsten Einheiten verstehen, die verschiebbar und ersetzbar sind (S. 18).
  • Unter dem semantischen Aspekt sind Wörter selbstständige Bedeutungsträger (S. 18).
  • Der Begriff des mentalen Lexikons beschreibt ein aktives mentales Modul, in dem sprachliche Informationen nicht nur abgelegt, sondern verarbeitet und fortlaufend überarbeitet werden. Der Inhalt des Lexikons ist der Wortschatz. Zu jedem Wort werden eine Reihe von Informationen gespeichert, die in ihrer Gesamtheit als Lexikoneintrag bezeichnet werden. Zu den Informationen, die mit einem Wort gelernt und gespeichert werden müssen, gehören die phonetisch-phonologische Form, Informationen zur Wortstruktur und Flexionsklasse, zur Wortart und vor allem die Bedeutung (267-268).
  • Wort, Im Lexikon aufgeführte Einheit, die hinsichtlich ihrer Kategorie (Wortart) gekennzeichnet ist und auf die unter anderem phonologische (bzw. orthographische), morphologische, syntaktische und semantische Regeln Bezug nehmen (S. 359).

4.1.2.      Auswertungen

In den Fachbüchern der Linguistik kommt „Wort“ mit 55 bzw. 80 Ergebnissen pro 100 Seiten in verständlicher Weise sehr häufig vor.

Es treten beide Momente des Wortbegriffs auf.

Wort i.m.S. wird bei folgenden Formulierungen verwendet:

  • „dass eine Person in ihrem Gedächtnis ein Wort sucht“ (Glück und Rödel 2016, S. 108),
  • Mentales Lexikon […] Sammelname für die mentale Organisation des Wortvorrates. (Glück und Rödel 2016, S. 424)
  • „Der Begriff des mentalen Lexikons beschreibt ein aktives mentales Modul, in dem sprachliche Informationen nicht nur abgelegt, sondern verarbeitet und fortlaufend überarbeitet werden. Der Inhalt des Lexikons [gemeint ist offensichtlich das mentale Lexikon, HDS] ist der Wortschatz“ (Meibauer et al. 2015, S. 267).

Die Bedeutung von Wort i.e.S. ist bei folgenden Formulierungen erkennbar:

  • „Als Wort gilt eine Buchstabensequenz, die zwischen zwei Leerzeichen auftritt und selbst kein Leerzeichen enthält“ (Glück und Rödel 2016, S. 769).
  • „Worte sind die kleinsten sprachlichen Einheiten, die innerhalb eines Satzes verschiebbar sind“ (Glück und Rödel 2016, S. 770).
  • „Unter dem syntaktischen Aspekt kann man unter Wörtern die kleinsten Einheiten verstehen, die verschiebbar und ersetzbar sind“ (Meibauer et al. 2015, S. 18).
  • Wort: Im Lexikon aufgeführte Einheit, die hinsichtlich ihrer Kategorie (Wortart) gekennzeichnet ist und auf die unter anderem phonologische (bzw. orthographische), morphologische, syntaktische und semantische Regeln Bezug nehmen“ (Meibauer et al. 2015, S. 359)

In den Publikationen wird anstelle von „Wort“ oft der Terminus „Lexem“ verwendet. Lexem ist ein Begriff im Nichtmentalen und lässt sich eindeutig beschreiben als Basiseinheit des (nichtmentalen) Lexikons. Ein Lexem repräsentiert die die Menge der Wortformen eines Wortes i.e.S. (Glück und Rödel 2016, S. 399).

Eine Unterscheidung der beiden Momente des Wortbegriffs wird in den Fachbüchern nicht diskutiert.

4.2.  Philosophische Literatur

4.2.1.      Zitate

HWPh

6315 (73,7) Ergebnisse

  • Das damit für die Ausdrücke ‹Satz›, ‹Aussage›, ‹Tatsache› Gesagte gilt entsprechend für das Verhältnis von ‹Wort›, ‹Begriff› und ‹Sache›: ‹Wort› ist der Name irgendeines etwas benennenden, ausdrückenden oder bezeichnenden Zeichens; ‹Begriff› der Name für das, was ein Wortzeichen ausdrückt, das seinen Sinn oder seine Bedeutung ausmacht; ‹Sache› oder ‹Ding› die Bezeichnung für ein Element einer nicht-sprachlichen Wirklichkeit, auf das man sich mit einem Wort bezieht. 1, S. 253
  • Seit man das Wort als Einheit von Lautung und Inhalt begreifen gelernt hat und weiß, daß der Inhalt, also das, was bislang mit dem vieldeutigen Ausdruck Bedeutung mehr verdeckt als freigelegt wurde, integrierender Bestandteil eines sprachlichen Systems ist, der prinzipiell von der außersprachlichen Sache durch eine Kluft getrennt bleibt, ist die Bedeutungslehre in die Lage versetzt, dem Wesen der sprachlichen Bedeutung näherzukommen. Bd. 1, S. 761
  • Dabei spielt eine bedeutsame Rolle die von ARISTOTELES in De interpretatione geäußerte Theorie, daß das geschriebene Wort Zeichen des gesprochenen sei; dieses aber bezeichne Gedanken bzw. Vorgänge in der Seele. Die Gedanken wiederum seien Abbilder der Dinge. Bd. 1, S. 781
  • Bei den Philosophen, die sich ausführlicher mit der Sprache auseinandergesetzt haben, wird bis ins 19. Jh. hinein nicht immer zwischen Namen und Wort im allgemeinen unterschieden. So sind für J. LOCKE sowohl Eigennamen als auch Substantive als auch beliebige andere Ausdrücke, die Ideen bezeichnen, Namen (Bd. 6, S. 384).
  • Die Sprachtheorie im Sinne der Sprachwissenschaft postuliert, der Ausdruck Namen solle den Namen im engeren Sinne, also den Eigen-Namen (Vor-Namen, Familien-Namen, Götter-Namen, Orts-Namen usw.) vorbehalten bleiben. Das ’nomen proprium ist also zu trennen vom ’nomen appellativum, dem normalen Wort. […] Der Namen ist infolgedessen vom Wort dadurch unterschieden, daß er nichts zu bedeuten braucht, daß er also in der Regel keinen sprachsystembedingten Inhalt hat wie ein bedeutungstragendes Wort, sondern gleichsam als Lautetikett seinem Träger direkt zugeordnet ist, ohne etwas über ihn aussagen zu müssen (Bd. 6, S. 387).
  • Schon Boethius erwähnt und teilt die peripatetische Auffassung, es gebe drei Arten von Sätzen: geschriebene, gesprochene und gedankliche Sätze [4]. Diese peripatetische Dreiteilung vermischt sich allmählich mit der augustinischen, nach welcher es ein «verbum cordis» (inneres Wort) gibt, das ein reiner Gedanke ist und keiner besonderen Sprache angehört, und daneben ein innerlich lautlos formuliertes Wort und ein außen erklingendes, gesprochenes Wort. Das Zusammenkommen dieser beiden Linien führt schließlich zu der vor allem im 14. Jh. geläufigen Lehre, es gebe vier Arten von Aussagesätzen: der geschriebene Satz («p. scripta»), der gesprochene Satz («p. vocalis»), der aus psychischen Bildern geschriebener oder gesprochener Worte zusammengesetzte Satz («p. mentalis improprie dicta») und der rein gedankliche, aus Begriffen zusammengesetzte Satz («p. mentalis proprie dicta») (Bd. 7, S. 1510).
  • Nach F. MAX MÜLLER war jedes Wort «ursprünglich ein Prädikat» und stellte einen Satz dar: Was wir heute Satz nennen, ist «die Verbindung zweier ursprünglich selbständiger Sätze, in welcher ein Ausdruck von einem andern Ausdruck entweder bejaht oder verneint wurde. (Bd. 8, S. 1187).

Aus dem Stichwort „Wort“, Autor: Stephan Meier-Oeser (Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Erkenntnistheorie, Hermeneutik, Semiotik und Sprachphilosophie)

  • Tatsächlich findet sich nicht zufällig bei kaum einem Gegenstandsbereich ein solches Maß an terminologischer und begrifflicher Verworrenheit wie gerade hier, wo Sprache sich auf sich selbst bezieht. So gilt es in der gegenwärtigen Linguistik als weithin anerkannte Tatsache, daß «bis auf den heutigen Tag keine allgemein akzeptierte Definition des Wortbegriffs gelungen» ist; was in erster Linie damit zu tun hat, daß es einen solchen einheitlichen Begriff Wort angesichts der verschiedenen möglichen Perspektiven auf die Elemente sprachlicher Zeichensysteme gar nicht gibt. Für die Begriffsgeschichte ist daher alles andere als selbstverständlich, was Gegenstand der Geschichte ist, die sie unter diesem Lemma zu behandeln hat (Bd. 12, S. 1023).
  • Geht man aus von einem provisorischen, der Alltagssprache entlehnten Verständnis des Terminus Wort, das diesen funktional dadurch charakterisiert, daß er das durch ihn Bezeichnete abgrenzt gegenüber dem nichtsignifikativen Sprachlaut auf der einen und  anderen Seite und daß er als Gattungsname für sämtliche, jeweils mit anderen Termini bezeichnete Wortarten oder Redeteile (Nomen, Verb, Artikel, Präposition usw.) fungieren kann, so ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, dem so charakterisierten Wort-Begriff präzis entsprechende griechische und lateinische Termini zuzuordnen (Bd. 12, S. 1023-1024)
  • Die einschlägigen Wort-Definitionen des 17. und 18. Jh. rekurrieren auf die beiden seit der Antike dem Wort-Begriff traditionell zugewiesenen Momente der Artikuliertheit und Bedeutungshaltigkeit, so daß sie auf der Grundlage der damals vorherrschenden intensionalistischen Semantik die Wörter charakterisieren als stimmlich artikulierte Zeichen der Gedanken […] , der Ideen […], der Begriffe («Ein Wort ist ein Laut, der einen Begriff bezeichnet»), der Vorstellungen («Ein Wort, d.i. ein hörbarer Ausdruck einer Vorstellung») oder allgemein einer inneren Tätigkeit («Wort ist ein gegliederter oder articulierter Ton zur Bezeichnung irgend einer innern Thätigkeit) 12, S. 1026).
  • Mit Blick auf den Zusammenhang von Sprache und Denken kennzeichnet W. VON HUMBOLDT das «einfache Wort» als das «wahre Individuum in der Sprache. Denn es enthält vollständig die ganze Verstandeshandlung der Sprache, denn es ist … selbst die Form, in welcher der Geist das in seine Subjektivität verwandelte Object wieder, als solches, aus sich hinausstellt». Das so als untrennbare Einheit von Laut und Begriff verstandene Wort grenzt Humboldt terminologisch scharf von Zeichen und Symbol ab (Bd. 12, S. 1026).
  • Der Angriff auf die strikte Opposition von Rede oder Satz und Wort erfolgt, verbunden mit der These, daß in semantischer Rücksicht der Satz und nicht das Wort historische Priorität besitzt, zunächst aus sprachgenetischer Perspektive. So bemerkt schon J. BURNET (Lord Monboddo): «if by words are meant what are commonly called parts of speech, no words at all were first invented; but the first articulated sounds … denoted whole sentences». G. BERGMANN leitet, ähnlich wie J. N. MADVIG, daraus die These ab: «Die Sprache beginnt also nicht mit dem Wort, sondern mit dem Satz. Ein Wort für sich allein sagt nämlich gar nichts» (Bd. 12, S. 1027).
  • Daß nicht nur historisch, sondern prinzipiell eher der Satz als das Wort die primäre semantische Einheit darstellt, findet sich insbesondere in G. FREGES Kontextprinzip («Nur im Zusammenhange eines Satzes bedeuten die Wörter etwas» (Bd. 12, S. 1028).
  • Daß dem oben provisorisch vorausgesetzten, auf den ersten Blick als unproblematisch erscheinenden alltagssprachlichen Wort-Begriff ein erhebliches Maß an Vagheit und Unklarheit zukommt, wird bereits deutlich, wenn man diesen mit so einfachen Operationen wie dem Zählen von Wörtern konfrontiert: Dem Zählen der Wörter des Wortschatzes einer bestimmten Sprache und dem der Wörter auf einer bestimmten Buchseite liegen offenbar verschiedene Wortbegriffe zugrunde (Bd. 12, S. 1028).
  • Ohne auf den Terminus Wort ganz verzichten zu können, wird dessen sich hier abzeichnende Mehrdeutigkeit in der neueren Linguistik dadurch zu vermeiden versucht, daß zum einen unterschieden wird zwischen dem Wort als type und token und zum anderen differenziert wird zwischen 1) dem «syntaktischen Wort» als der spezifischen grammatischen Ausprägung (Flexionsform) eines lexikalischen W., 2) der «Wortform» als der signifikant-Seite eines syntaktischen Wortes und 3) dem «Lexem» (auch «Paradigma» oder «lexikalisches Wort») als der Menge verschiedener syntaktischer Wörter bzw. der Grundwortform in Unterscheidung von ihren Varianten in einem Flexionsparadigma (z.B. geh-en, geh-e, geh-st) (Bd. 12, S. 1028)

MLPh

282 (40,0) Ergebnisse, kein Stichwort „Wort“

  • Im Wort drückt sich immer nur die subjektive Art, in der der menschliche Geist bei der Zusammenfassung der einfachen Ideen verfährt, aus. S. 578

EPh

877 (27,3) Ergebnisse, kein Stichwort „Wort“

4.2.2.      Auswertungen

In den philosophischen Nachschlagewerken tritt „Wort“ mit einer Häufigkeit von 28 bis 74 Ergebnissen pro 100 Seiten und damit häufig bis sehr häufig auf. Diese häufige Verwendung erklärt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dadurch, dass „Wort“ zur Bezeichnung eines Terminus verwendet wird und in theologischen Zusammenhängen eine große Rolle spielt (das Wort Gottes). Reflexionen über diesen Begriff sind nur in seltenen Fällen zu finden.

Die mit dem Begriff „Wort“ verbundenen Probleme sind allein schon dadurch sichtbar, dass in zwei der drei philosophischen Lexika das Stichwort „Wort“ nicht enthalten ist.

Nur im Historische Wörterbuch der Philosophie wird in einem von zwei Artikeln zum Stichwort „Wort“ versucht, historische Entwicklung und aktuelle Auffassungen zusammenzustellen. Im zweiten Artikel zu dem Stichwort wird über seien Rolle in der analytischen und Sprachphilosophie reflektiert.

Bereits in der antiken Philosophie wurde der Zusammenhang von Wort im mentalen Sinne und Wort als entäußertes Mentales etwa wie folgt dargestellt: „Dabei spielt eine bedeutsame Rolle die von ARISTOTELES in De interpretatione geäußerte Theorie, daß das geschriebene Wort Zeichen des gesprochenen sei; dieses aber bezeichne Gedanken bzw. Vorgänge in der Seele“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 781). Auch die Auffassung in der mittelalterlichen Philosophie, „nach welcher es ein «verbum cordis» (inneres Wort) gibt, das ein reiner Gedanke ist und keiner besonderen Sprache angehört, und daneben ein innerlich lautlos formuliertes Wort und ein außen erklingendes, gesprochenes Wort“ (Ritter et al. 2007, Bd. 7, S. 1510), enthält wieder diese beiden Momente. Nach den „einschlägigen Wort-Definitionen des 17. und 18. Jh.“ Sind Wörter „stimmlich artikulierte Zeichen der Gedanken […] , der Ideen […], der Begriffe («Ein Wort ist ein Laut, der einen Begriff bezeichnet»), der Vorstellungen («Ein Wort, d.i. ein hörbarer Ausdruck einer Vorstellung») oder allgemein einer inneren Tätigkeit («Wort ist ein gegliederter oder articulierter Ton zur Bezeichnung irgend einer innern Thätigkeit)“  (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1026).

Auch Wilhelm von Humboldt sah das «einfache Wort» als das «wahre Individuum in der Sprache an. „Denn es enthält vollständig die ganze Verstandeshandlung der Sprache, denn es ist … selbst die Form, in welcher der Geist das in seine Subjektivität verwandelte Object wieder, als solches, aus sich hinausstellt». Das so als untrennbare Einheit von Laut und Begriff verstandene Wort grenzt Humboldt terminologisch scharf von Zeichen und Symbol ab“ (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1026).

Das Moment des Begriffs „Wort“ als entäußertes Mentales ist in diesen Auffassungen erkennbar.

Diese Gedanken sind in der aktuellen analytischen Sprachphilosophie nicht mehr zu finden. Der Begriff „Wort“ und andere Begriffe werden immer im entäußerten Sinne verwendet. Beispiele:

  • „‹Wort› ist der Name irgendeines etwas benennenden, ausdrückenden oder bezeichnenden Zeichens; ‹Begriff› der Name für das, was ein Wortzeichen ausdrückt, das seinen Sinn oder seine Bedeutung ausmacht“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 253).
  • „F. G. BERGMANN leitet, ähnlich wie J. N. MADVIG, daraus die These ab: «Die Sprache beginnt also nicht mit dem Wort, sondern mit dem Satz. Ein Wort für sich allein sagt nämlich gar nichts»“ (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1027).
  • „Daß nicht nur historisch, sondern prinzipiell eher der Satz als das Wort die primäre semantische Einheit darstellt, findet sich insbesondere in G. FREGES Kontextprinzip («Nur im Zusammenhange eines Satzes bedeuten die Wörter etwas»)“ (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1028)

Dass Wörter für sich nichts bedeuten, wird insbesondere auch in Bezug auf den Begriff „Namen“ ausgesagt: „Die Sprachtheorie im Sinne der Sprachwissenschaft postuliert, der Ausdruck Namen solle den Namen im engeren Sinne, also den Eigen-Namen (Vor-Namen, Familien-Namen, Götter-Namen, Orts-Namen usw.) vorbehalten bleiben. Das ’nomen proprium ist also zu trennen vom ’nomen appellativum, dem normalen Wort. […] Der Namen ist infolgedessen vom Wort dadurch unterschieden, daß er nichts zu bedeuten braucht“ (Ritter et al. 2007, Bd. 6, S. 287).

Diese einseitigen Sichtweisen der Sprachphilosophie ignorieren, dass jedes Wort im mentalen Sinne durchaus mit einer Vielzahl von Gedanken und Vorstellungen verbunden ist. Selbst Familiennamen wie „Müller“, lösen im Kopf zahlreiche Assoziationen aus, je nach den individuellen Erfahrungen mit Personen dieses Namens.

Vom Autor des Stichwortes „Wort“ Stephan Meier-Oeser, einem Vertreter der analytischen Sprachphilosophie, wird die Ansicht vertreten, dass es einen „einheitlichen Begriff Wort angesichts der verschiedenen möglichen Perspektiven auf die Elemente sprachlicher Zeichensysteme gar nicht gibt“ (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1023). Bei dieser Aussage bezieht sich der Autor lediglich auf Perspektiven von Elementen sprachlicher Zeichensysteme, also der rein formalistischen Sicht auf den Begriff „Wort i.e.S.“.

Ein Problem in Bezug auf den Begriff Wort sieht der Autor darin, dass im Zählen von Wörtern im Wortschatz und auf einer Buchseite verschiedene Wortbegriffe zu Grunde liegen (Ritter et al. 2007, Bd. 12, S. 1028). Dies ist aber ein rein formales Problem, da ein Lexem des Wortschatzes alle Wortformen des Lexems beinhaltet, die in Texten extra gezählt werden.

4.3.  Psychologische Literatur

4.3.1.      Zitate

BW

473 (78,7) Ergebnisse

  • Wörter, aber auch Wortteile wie Vorsilben (Präfixe) oder Nachsilben (Suffixe) sind Spracheinheiten, die eine Bedeutung tragen. Sie werden als Morpheme bezeichnet. Sie sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache (im Gegensatz zum nicht bedeutungstragenden Phonem). […] Weiter haben wir zu unterscheiden zwischen Wörtern und deren Bedeutung bzw. Konzept. Um deutlich zu machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Wort Hase und der damit bezeichneten Bedeutung „Hase“, lässt sich Ersteres gewissermaßen als Name eines Konzeptes auffassen. Das heißt, die Wortbedeutung ist das Konzept, das durch das Wort benannt wird (S. 423).
  • Ein Wort ist die (freie, überlieferte) Zuordnung einer Abfolge von Sprachlauten oder einer Buchstabenfolge zu einer Bedeutung oder einem Konzept (S. 426).
  • Aber Wörter sind nicht einfach einem Konzept gleichzusetzen, denn dieselbe Wortform kann auch mehreren Bedeutungen zugeordnet sein (z. B. Schloss), und umgekehrt kann eine Bedeutung durch mehrere verschiedene Wörter (oder Morpheme) versprachlicht sein, durch Synonyme oder gleichbedeutende Wörter verschiedener Sprachen (S. 426).
  • Als mentales Lexikon wird von Psycholinguisten eine Art zentraler Speichereinheit im Langzeitgedächtnis bezeichnet, in der unser gesamtes Wissen und alle verfügbaren Informationen über die Wörter unserer Sprache gespeichert sind. Dagegen finden sich die Informationen über die Phonologie (Regeln der Lautbildung), die Morphologie (Regeln der Wortbildung), die Syntax (Regeln der Satzbildung) sowie der Orthografie (Schreibweise) zwar ebenfalls im Langzeitgedächtnis, aber dort nicht im mentalen Lexikon. Von Psycholinguisten wird weiterhin angenommen, dass auch für jedes Wort eine Art Beschreibung der lautlichen Zusammensetzung existiert. Diese Beschreibungen, die als Wortform bezeichnet werden, spezifizieren die lautlichen Einheiten (phonetischen Eigenschaften, Phoneme) eines jeden Wortes (S. 428).
  • Lexikalisches Wissen: Das lexikalische Wissen umfasst die Regeln der Phonologie, Morphologie Syntax sowie der Orthografie. Unser Wissen über die Bedeutung von Wörtern wird dagegen nicht als Teil des sprachlichen mentalen Lexikons angesehen, sondern als konzeptuelles Gedächtnis verstanden, in welchem die Wortbedeutungen in Form von Konzepten und ihren Beziehungen untereinander im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Konzepte (Bedeutungen) sind im Prinzip unabhängig von der jeweiligen Sprache und werden als vorsprachliche Einheiten verstanden. Sie können aber in der Regel versprachlicht werden (S. 428).
  • Das konzeptuelle Gedächtnis (im Langzeitgedächtnis) beinhaltet unser semantisches Wissen. Dies umfasst Konzepte und Propositionen (S. 428).

MR

Anzahl der Ergebnisse nicht ermittelbar

  • So wie Buchstaben Zeichen für Sprachlaute sind, sind Wörter Zeichen für Bedeutungen, für Begriffe oder Konzepte. Konzepte sind Bausteine des deklarativen Langzeitgedächtnisses. Sie codieren, etwas vereinfacht ausgedrückt, unser Wissen über Objekte, Menschen, Geschehnisse, Zustände und Handlungen. Konzepte sind nichtsprachlich. Wir können mithilfe von Konzepten denken und Probleme lösen, ohne zu sprechen oder gar die dazugehörigen Wörter zu aktivieren. Beim Sprechen aber werden Konzepte durch einzelne Wörter oder Kombinationen von Wörtern versprachlicht (S. 438).
  • Festzuhalten ist, dass eine Definition von „Wort“ durchaus nicht einfach ist. Wörter sind nicht mit Konzepten gleichzusetzen, da eine einfache Korrespondenz nicht gegeben ist. Manchmal ist dieselbe Wortform das Zeichen für unterschiedliche Konzepte, manchmal wird ein Konzept mit mehreren Wörtern oder Morphemen versprachlicht (S. 439)
  • Unser gesamtes Wissen über die Wörter unserer Sprache, d. h. unser Wortschatz, ist im Langzeitgedächtnis Psycholinguisten sprechen vom mentalen Lexikon, das anders strukturiert ist als ein normales Wörterbuch. … Psycholinguisten nehmen an, dass für jedes Wort eine Beschreibung der lautlichen Zusammenstellung im mentalen Lexikon existiert. Diese Beschreibung nennen wir Wortform. Wortformen spezifizieren, wie Wörter sich anhören. Wortformen müssen jedenfalls genügend abstrakt und robust sein, um der Variabilität gesprochener Sprache gerecht zu werden. Möglicherweise ist bei jeder Wortform codiert, aus welchen Silben sie aufgebaut ist (S. 442)
  • In unserem mentalen Lexikon ist auch gespeichert, welche Funktion Wörter in der Struktur des Satzes einnehmen können. Die Wortklassenzugehörigkeit ist ein erstes strukturelles Merkmal, das für die Syntax des Satzes wichtig ist. Für jedes Wort ist codiert, ob es sich z. B. um ein Verb, ein Substantiv, ein Adjektiv/Adverb oder eine Präposition handelt. Auf dieser Ebene sind nicht einzelne Morpheme, sondern vollständige, komplexe Wörter wichtig. Wie oben erwähnt, ändert sich die Wortklasse bei der Derivation. Komplexe Wörter wie „fischig“ oder „unglücklich“ sind Adjektive, die darin enthaltenen Stammwörter „Fisch“ und „Glück“ aber Substantive. Außerdem sind das Genus (maskulin, feminin, neutrum) eines jeden Wortes sowie die sogenannte Subkategorisierungsinformation gespeichert. Letztere bestimmt den syntaktischen Rahmen, in dem Wörter eine bestimmte Rolle spielen (S. 443).
  • Sprachproduktionsmodelle bezeichnen mit Lemma die strukturell-syntaktischen Merkmale eines Wortes. Jedes Wort, ob morphologisch komplex oder einfach, entspricht einem Lemma, in dem also die Wortklasse, das Genus, der Subkategorisierungsrahmen usw. enthalten sind.
  • Wie bereits erwähnt, wird unser Wissen über die Bedeutung von Wörtern nicht als Teil des sprachlichen mentalen Lexikons angesehen. Das Wissen über Wortbedeutungen ist in Form von Konzepten und Beziehungen zwischen Konzepten im Langzeitgedächtnis gespeichert. Im Prinzip sind Konzepte unabhängig von der Sprache, wobei aber wichtig ist, dass die meisten Konzepte versprachlicht werden können. Gegenwärtig wird angenommen, dass konzeptuelles Wissen nicht nur in abstrakter Form vorliegt, sondern auch in Wahrnehmung und Handlung verortet ist. … Dass zur Bedeutung von Wörtern auch sensomotorische Informationen gehören, wird durch die Aktivierung von Hirnarealen, die Handlungs- und Wahrnehmungsaspekte codieren, belegt.
  • Hinsichtlich der Bedeutung von Wörtern hat sich die psycholinguistische Forschung zudem ausführlich mit dem Problem der Mehrdeutigkeit befasst. Wörter wie „Bank“ oder „Schloss“ sind mehrdeutig: Die gleiche Wortform ist mit zwei völlig unterschiedlichen Konzepten verbunden. Experimente haben gezeigt, dass beim Hören solcher Wörter kurzfristig beide Bedeutungen zur Verfügung stehen, sogar dann, wenn der Satz, in dem das Wort gehört wird, eindeutig auf eine der beiden Bedeutungen hinweist, wie in „Franz saß auf der Bank“ (S. 444).
  • Scheinbar hören wir Wörter, wenn wir gesprochene Sprache hören. Ähnlich wie Leerzeichen geschriebene Wörter trennen, scheinen gesprochene Wörter durch Pausen voneinander getrennt zu sein. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Es gibt keine systematischen Pausen, die anzeigen, wann ein Wort (oder Phonem) beginnt bzw. endet. Die Segmentierung gesprochener Sprache in einzelne Wörter ist ein automatischer, unbewusster Prozess (S. 445).
  • Es ist deutlich geworden, dass unsere Fähigkeit, aus variablem und verrauschtem Input Wörter zu verstehen, immer noch nicht vollständig verstanden ist. Es gibt unter Forschern keinen Konsens darüber, wie Sprachsignale segmentiert, kategorisiert und mit den Inhalten in unserem mentalen Lexikon in Verbindung gebracht werden. Genauso wenig ist man sich einig, wie die Repräsentationen, auf die das Signal abgebildet wird, strukturiert sind (S. 448/449).
  • Festzuhalten ist, dass beim Zugriff auf das mentale Lexikon mehrere Wortformen gleichzeitig aktiviert werden. Lexikaler Zugriff ist ein schneller Prozess, der schon aufgrund von Teilinformation aus dem Input gestartet wird und der, je nach Vorhersagewert des Kontexts, in dem Wörter gehört werden, sich nur auf erwartete Wortformen beschränken könnte.
  • Zusammenfassend scheint die eigentliche Worterkennung beim Lesen und Hören, trotz Unterschiede im Input, ähnlich zu verlaufen. In welchem Umfang und unter welchen Umständen der graphemische Input in eine phonologische Repräsentation überführt wird, oder orthografische und phonologische Wortformen aktiviert werden, ist noch nicht entschieden (S. 451)

KS

410 (66,7) Ergebnisse

  • Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache sind die Morpheme. Sie können vollständige Wörter sein … oder Wortteile bilden. Im Gegensatz dazu sind Wörter die kleinsten Einheiten der Grammatik, die für sich alleine stehen können (beim Schreiben durch Leerzeichen voneinander getrennt). Das können einzelne Morpheme sein wie „Bilch“ oder „heute“, aber auch Morphemkombinationen wie „Bilchartigkeit“. Die Frage, ob solche Morphemkombinationen als Ganzes im mentalen Lexikon abgespeichert sind oder aus ihren Komponenten generiert werden, wird in der Psycholinguistik kontrovers diskutiert. Es spricht aber manches dafür, dass vor allem die seltenen und die unregelmäßig gebildeten Morphemkombinationen (wie „Schornstein“ oder „musst“) eher als Einheit abgespeichert sind. Um einen vollständigen Gedanken auszudrücken, werden mehrere Wörter schließlich zu Sätzen zusammengefügt (S. 284)
  • Lexikalisches Wissen liegt als Wortschatz im mentalen Lexikon vor, grammatikalisches Wissen ist prozedural gespeichert, und pragmatisches Wissen wird benötigt, um entscheiden zu können, in welchem Kontext man sich wie ausdrückt. Außerdem werden auch Weltwissen und andere Formen deklarativen Wissens benötigt, damit man den Begriffen des Wortschatzes Bedeutungen zuweisen kann. Für den Sprachgebrauch von zentraler Bedeutung ist vor allem das mentale Lexikon. Da sowohl Sprachproduktion als auch Sprachverstehen in verschiedenen Phasen auf ein mentales Lexikon zugreifen müssen, um Wörter zu generieren oder ihre Bedeutung abrufen zu können, ist nicht auszuschließen, dass jedem dieser Prozesse ein jeweils eigenes Lexikon zur Verfügung steht (S. 305).

HE

684 (328,8) Ergebnisse

  • Die elementarste Kategorie sprachlicher Elemente ist wohl das Wort, die alle Wörter der Muttersprache (oder auch von vertrauten Fremdsprachen) zusammenfasst. Über den Wörtern werden wiederum Äquivalenzklassen gebildet, mit denen z. B. die Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien, Artikel usw. nach ihrer jeweiligen Funktion im Satz zusammengefasst werden. Wie die Wörter lassen sich auch Sätze klassifizieren. Hier können Aussagen, Fragen, Aufforderungen usw. unterschieden werden. … Alle diese linguistischen Kategorien, wie wir sie nennen wollen, beziehen sich auf formale Kriterien der jeweiligen Spracheinheiten, die nichts mit ihrer Bedeutung zu tun haben (S. 105).
  • „Konzepte“ und „Sprache“ sind zwar eng verbunden, aber unabhängig voneinander repräsentiert. Die getrennte Repräsentation von Konzepten und Wortmarken wird vor allem deutlich, wenn der Zugang zu einer der beiden Repräsentationen gestört ist. Wir kennen vermutlich alle den Zustand, in dem wir eine klare anschauliche Vorstellung von einem Objekt oder einer Person haben, uns sein Name aber partout nicht einfallen will. Auch umgekehrt kommt es vor, dass uns ein Wort (zumeist ein Fremdwort) vertraut ist und wir genau wissen, wie es ausgesprochen und geschrieben wird, uns aber seine Bedeutung nicht gegenwärtig ist (S. 106).
  • Modelle, die der Wortoberfläche (Lautgestalt und Schriftbild) und der Wortbedeutung Rechnung tragen, finden sich insbesondere in der Neuropsychologie und in der Sprachpsychologie, aber auch in der Gedächtnispsychologie. Gemeinsam ist den Modellen, dass sie die Analyse und Repräsentation der Wortoberfläche von der Aktivation der mit der Wortoberfläche assoziierten Bedeutung und beides von Sprechprogrammen für die Wörter unterscheiden. Dass man Repräsentationen von Wortoberflächen und Bedeutungen unterscheiden muss, haben nicht nur die in diesem Kapitel geschilderten Untersuchungen gezeigt, sondern dieser Sachverhalt wird auch unmittelbar einsichtig, wenn man Sprachen miteinander vergleicht. Während z. B. die Lautgestalten von „Baum“ und „tree“ völlig verschieden sind, verweisen beide Wörter doch auf dieselbe Bedeutung, nämlich auf die des Konzeptes Baum. Beides, Konzept und Wort, sollte in unseren Köpfen entsprechend getrennt repräsentiert sein (S. 128/129)

4.3.2.      Auswertungen

Auch in der psychologischen Literatur wird nicht immer klar zwischen dem Wort i.m.S. und Wort i.e.S. unterschieden. In folgenden Formulierungen ist der Begriff „Wort“ als entäußertes Mentales zu verstehen:

  • „Wörter, aber auch Wortteile wie Vorsilben (Präfixe) oder Nachsilben (Suffixe) sind Spracheinheiten, die eine Bedeutung tragen. Sie werden als Morpheme bezeichnet. Sie sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 423).
  • „Ein Wort ist die (freie, überlieferte) Zuordnung einer Abfolge von Sprachlauten oder einer Buchstabenfolge zu einer Bedeutung oder einem Konzept“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 426).
  • „So wie Buchstaben Zeichen für Sprachlaute sind, sind Wörter Zeichen für Bedeutungen, für Begriffe oder Konzepte“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 438).
  • „Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache sind die Morpheme. Sie können vollständige Wörter sein … oder Wortteile bilden. Im Gegensatz dazu sind Wörter die kleinsten Einheiten der Grammatik, die für sich alleine stehen können (beim Schreiben durch Leerzeichen voneinander getrennt)“ (Kiesel und Spada 2018, S. 284).
  • „Die elementarste Kategorie sprachlicher Elemente ist wohl das Wort, die alle Wörter der Muttersprache (oder auch von vertrauten Fremdsprachen) zusammenfasst. Über den Wörtern werden wiederum Äquivalenzklassen gebildet, mit denen z. B. die Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien, Artikel usw. nach ihrer jeweiligen Funktion im Satz zusammengefasst werden“ (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 105).

Alle Zitate enthalten die Feststellung, dass Wörter i.e.S. Bestandteil der Sprache sind. Sprache als Ergebnis einer Sprachhandlung (auch das lautlose Sprechen) ist eine Form der Darstellung des entäußerten Mentalen. Bevor ein Wort ausgesprochen wird, laufen mentale Prozesse ab, die teilweise als vorsprachlich bezeichnet werden (vgl. 3.3.2).

Der Begriff Morphem ist eine morphologische Kategorie, sie bezieht sich auf die äußere Form eines Wortes.

In folgenden Formulierungen, die sich auf das mentale Lexikon beziehen, ist der Begriff „Wort“ im mentalen Sinne zu verstehen:

  • „Als mentales Lexikon wird von Psycholinguisten eine Art zentraler Speichereinheit im Langzeitgedächtnis bezeichnet, in der unser gesamtes Wissen und alle verfügbaren Informationen über die Wörter unserer Sprache gespeichert sind. Dagegen finden sich die Informationen über die Phonologie (Regeln der Lautbildung), die Morphologie (Regeln der Wortbildung), die Syntax (Regeln der Satzbildung) sowie der Orthografie (Schreibweise) zwar ebenfalls im Langzeitgedächtnis, aber dort nicht im mentalen Lexikon. Von Psycholinguisten wird weiterhin angenommen, dass auch für jedes Wort eine Art Beschreibung der lautlichen Zusammensetzung existiert“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 428).
  • „In unserem mentalen Lexikon ist auch gespeichert, welche Funktion Wörter in der Struktur des Satzes einnehmen können. Die Wortklassenzugehörigkeit ist ein erstes strukturelles Merkmal, das für die Syntax des Satzes wichtig ist. Für jedes Wort ist codiert, ob es sich z. B. um ein Verb, ein Substantiv, ein Adjektiv/Adverb oder eine Präposition handelt. Auf dieser Ebene sind nicht einzelne Morpheme, sondern vollständige, komplexe Wörter wichtig. […] Außerdem sind das Genus (maskulin, feminin, neutrum) eines jeden Wortes sowie die sogenannte Subkategorisierungsinformation gespeichert“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 443).
  • „Festzuhalten ist, dass beim Zugriff auf das mentale Lexikon mehrere Wortformen gleichzeitig aktiviert werden. Lexikaler Zugriff ist ein schneller Prozess, der schon aufgrund von Teilinformation aus dem Input gestartet wird und der, je nach Vorhersagewert des Kontexts, in dem Wörter gehört werden, sich nur auf erwartete Wortformen beschränken könnte“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 451).
  • „‘Konzepte‘ und ‚Sprache‘ sind zwar eng verbunden, aber unabhängig voneinander repräsentiert. Die getrennte Repräsentation von Konzepten und Wortmarken wird vor allem deutlich, wenn der Zugang zu einer der beiden Repräsentationen gestört ist. Wir kennen vermutlich alle den Zustand, in dem wir eine klare anschauliche Vorstellung von einem Objekt oder einer Person haben, uns sein Name aber partout nicht einfallen will. Auch umgekehrt kommt es vor, dass uns ein Wort (zumeist ein Fremdwort) vertraut ist und wir genau wissen, wie es ausgesprochen und geschrieben wird, uns aber seine Bedeutung nicht gegenwärtig ist“ (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 106).

Für den Begriff „Wort“ im mentalen Sinne wird häufig der Terminus „Konzept“ verwendet:

  • „Unser Wissen über die Bedeutung von Wörtern wird dagegen nicht als Teil des sprachlichen mentalen Lexikons angesehen, sondern als konzeptuelles Gedächtnis verstanden, in welchem die Wortbedeutungen in Form von Konzepten und ihren Beziehungen untereinander im Langzeitgedächtnis gespeichert sind“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 428).
  • „So wie Buchstaben Zeichen für Sprachlaute sind, sind Wörter Zeichen für Bedeutungen, für Begriffe oder Konzepte. Konzepte sind Bausteine des deklarativen Langzeitgedächtnisses. Sie codieren, etwas vereinfacht ausgedrückt, unser Wissen über Objekte, Menschen, Geschehnisse, Zustände und Handlungen“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 438).
  • „Das Wissen über Wortbedeutungen ist in Form von Konzepten und Beziehungen zwischen Konzepten im Langzeitgedächtnis gespeichert. Im Prinzip sind Konzepte unabhängig von der Sprache, wobei aber wichtig ist, dass die meisten Konzepte versprachlicht werden können“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 444).

Es werden in der Literatur auch auf die beiden Bedeutungen des Begriffs „Wort“ gegenübergestellt:

  • „Weiter haben wir zu unterscheiden zwischen Wörtern und deren Bedeutung bzw. Konzept. Um deutlich zu machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Wort Hase und der damit bezeichneten Bedeutung „Hase“, lässt sich Ersteres gewissermaßen als Name eines Konzeptes auffassen. Das heißt, die Wortbedeutung ist das Konzept, das durch das Wort benannt wird“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 423).
  • „Modelle, die der Wortoberfläche (Lautgestalt und Schriftbild) und der Wortbedeutung Rechnung tragen, finden sich insbesondere in der Neuropsychologie und in der Sprachpsychologie, aber auch in der Gedächtnispsychologie. Gemeinsam ist den Modellen, dass sie die Analyse und Repräsentation der Wortoberfläche von der Aktivation der mit der Wortoberfläche assoziierten Bedeutung und beides von Sprechprogrammen für die Wörter unterscheiden“ (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 128).

Auf die Probleme, die mit dem Terminus „Konzept“ verbunden sind, wird in 5.3.2 eingegangen.

In allen Quellen werden mehr oder weniger deutlich folgende Erkenntnisse der psychologischen Forschung genannt:

  • Im Langzeitgedächtnis gibt es unterschiedliche mentale Repräsentationen, d. h. Arten von Speicherungen, für Wörter und ihre Bedeutungen.
  • Der Speicher für die formalen Momente von Wörtern, die auch als Wortoberfläche oder Wortform bezeichnet werden, wird mentales Lexikon genannt. Es enthält zu jeder Wortmarke Informationen zur Wortart, zu den Silben und zur Aussprache des Wortes.
  • Die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Bedeutungen von Wörtern, die als Konzepte oder Kategorien bezeichnet werden, sind nicht sprachlich, können aber versprachlicht werden. Mit ihnen kann man denken und Probleme lösen ohne zu sprechen bzw. die dazugehörigen Wörter zu aktivieren.
  • Bei Polysemen werden beim Hören des Wortes kurzfristig beide Bedeutungen aktiviert.
  • Das grammatikalische Wissen ist prozedural gespeichert (im impliziten, nichtdeklarativen Gedächtnis).

In den Lehrbüchern gibt es eine Reihe von Ungereimtheiten und widersprüchlichen Formulierungen.

  • Es werden Wörter und Morpheme gleichgesetzt (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 423). Morpheme sind aber die kleinsten Bestandteile eines Wortes, die eine Bedeutung haben.
  • In den Formulierungen „Weiter haben wir zu unterscheiden zwischen Wörtern und deren Bedeutung bzw. Konzept. … Das heißt, die Wortbedeutung ist das Konzept, das durch das Wort benannt wird.“ sowie „Wörter sind Zeichen für Bedeutungen, für Begriffe oder Konzepte.“ bewegen sich die Termini „Wort“, „Bedeutung“, „Konzept“ und „Begriff“ auf verschiedenen begrifflichen Ebenen.
  • Es wird gesagt, dass im mentalen Lexikon unser gesamtes Wissen und alle verfügbaren Informationen über die Wörter gespeichert sind. Bereits im nächsten Satz wird dann formuliert das eine Reihe von Informationen zu den Wörtern nicht im mentalen Lexikon enthalten sind.
  • Es wird zum Ausdruck gebracht, dass das gesamte Wissen über die Wörter, d. h. der Wortschatz im mentalen Lexikon enthalten ist, was nicht zutrifft.
  • Der Terminus „Wissen“ wird ohne Unterscheidung im mentalen und nichtmentalen Sinne verwendet. Mit dem lexikalischen Wissen sind mentale Objekte gemeint, die Informationen zu dem im Gehirn gespeicherten Wörtern enthalten. Andererseits wird Wissen in der Bedeutung einer nichtmentalen Kategorie als entäußertes Mentales verwendet.
  • Die Bedeutungen des Terminus „Wort“, die in der Linguistik unterschieden werden, werden nur sehr verkürzt angesprochen und nicht problematisiert. Es wird sogar fälschlicherweise gesagt, dass Wörter die kleinsten Einheiten der Grammatik sind.

5.    Analysen zum Begriff „Begriff“

5.1.  Linguistische Literatur

5.1.1.      Zitate

MLS

444 (56,0) Ergebnisse

Aus dem Stichwort „Begriff“, Autor: Helmut Rehbock

  • Aggregat kategorialer oder relationaler Merkmale, das die Gegenstände, Zustände, Prozesse etc., denen die Merkmale zukommen, zu einer Klasse zusammenfasst und das mit einem kommunizierbaren, i. d. R. verbalen Ausdruck verknüpft ist; wer eine Entität mit diesem Ausdruck benennt, ›begreift‹ sie als Instanz der durch das Merkmalsaggregat (die Intension) gekennzeichneten Klasse. … Eine holistische ›Vorstellung‹ ist noch kein Begriff; sie wird dazu in dem Maße, in dem sich die Spezifika ihrer ›Gestalt‹ ausdifferenzieren zu Merkmalsbegriffen, mit deren Hilfe der fragliche Begriff reflexiv geklärt und im Idealfall gegenüber konkurrierenden Begriffen zureichend abgegrenzt werden kann. Ein durch derartige Definition(en) konstituierter Begriff ist zugleich klar (= zureichend bestimmt) und deutlich (= vollständig analysiert) – eine bei komplexen Begriffen oft unabschließbare Aufgabe, … zeigt, dass Begriffe i. d. R. hierarchisch organisiert sind … Quer dazu jedoch steht jeder Begriff durch seine unterscheidenden Merkmale in vielfältigen Relationen zu anderen Begriffen …, so dass es angemessener erscheint, Begriffe als Knoten innerhalb vieldimensionaler ›Netze‹ zu bezeichnen, deren Kanten sich durch Vollständigkeit, Ökonomie, Stabilität und Wohlunterschiedenheit auszeichnen. …
  • Ein Begriffsnetz kann man auch als Terminologie bezeichnen; die Bedeutung eines in ihr präzise definierten Terminus besitzt – zumindest dem Anspruch nach – die Struktur eines klaren und deutlichen Begriffs, und zwar dieselbe im System und im (fachkommunikativen) Text.
  • Dagegen zeigt die zumeist beträchtliche Differenz zwischen System- und Äußerungsbedeutung in der Alltagssprache, dass diese begrifflich flexiblen Lexeme ihr Eigen nennen: Im Gegensatz zu Termini sind alltagssprachliche Lexeme durch Eigenschaften wie Polysemie, Vagheit, Prototypik und Emotionalität … angelegt auf situative Anpassung, kreative Modifikation und hintersinnige Andeutung. … Hinzu kommt, dass deren Repräsentationen im mentalen Lexikon der Sprachteilhaber selten das hohe Mas an begriffl. Transparenz der Bedeutung erreichen, wie es die Methodik der ling. Wortsemantik zuweilen suggeriert. Dennoch ist an dem Faktum ihrer analyt. Bedeutungsstruktur nicht zu rütteln; denn auch für alltagssprachliche Autosemantika gilt, dass sie Klassen designieren mithilfe eines intensionalen Aggregats konventionaler Merkmale, in die sich die mentalen Bedeutungen seit frühester Kindheit ausdifferenzieren als Folge zahlloser Akte gelingender Prädikation, relevanter Unterscheidung und verständlicher syntaktischer Verbindung der lexematische Einheiten… Lexembedeutungen tragen somit die Statur, nicht (immer) jedoch den ernsten Anspruch des (»wissenschaftlichen«) Begriffs;
  • Über den ontolog. Status des Begriffs herrscht von der griech. Antike bis zur Gegenwart keine Einigkeit. Strittig waren oder sind insbes. die folgenden Punkte: (a) Existieren Begriffe bzw. deren Äquivalente außermental als ideale Entitäten (Plato, ma. ›Realisten‹, Bolzano, Husserl), oder sind Begriffe »passiones animi« (Boethius), ›Gedanken‹ oder ›Vorstellungen‹, sei es als abstraktive mentale Konstruktionen (Nominalisten, Locke), sei es als psych. Abbilder der Dinge und ihrer Gemeinsamkeiten?
  • (e) Neuere kognitionswiss. Ansätze nehmen i. d. R. eine außersprachl. Repräsentationsebene an, sprechen dann aber seltener von ›Begriffen‹ als von ›Konzepten‹ und verstehen darunter kognitive Repräsentationen aller Art, soweit sie nur eine gewisse invariante Struktur aufweisen wie u. a. auch die sensomotor. Muster und »inneren Bilder« (Piaget) des vorsprachl. Kindes. Die dt. Sprache bietet hier die Möglichkeit der terminolog. Differenzierung: einerseits das ›Konzept‹ als nicht-sprachl., jedoch oft mit einem sprachl. Ausdruck verknüpfte, in der individuellen ›Psyche‹ existente Repräsentation; andererseits der überindividuelle Geltung beanspruchende ›Begriff‹ als definierbare Position in der Struktur eines elaborierten konzeptuellen Netzes, dessen stabile Relationen auf interaktiv ›ausgehandelten‹, sprachl. fixierten, ggf. zu einer Theorie verbundenen Urteilen beruhen. (Glück und Rödel 2016, 93/94).

EgL

59 (17,4) Ergebnisse, keine Erklärung

  • Was genau in einer Gesprächssituation an Information erforderlich ist und was nicht, ist wohl kaum präzise anzugeben, zumal verschiedene Leute in ein und derselben Gesprächssituation durchaus Unterschiedliches für erforderlich halten und respektable Gründe dafür ins Feld führen können: ›Erforderlich‹ ist ein vager Begriff, doch deswegen ganz und gar kein unnützer Begriff (S. 220).

5.1.2.      Auswertungen

Häufigkeiten

LexemDWDSMLSEgL
Wort221,154,580,5
Terminus1,129,92,7
Begriff53,056,017,4

Die Häufigkeitsverteilungen der Lexeme unterscheiden sich in den beiden Fachbüchern erheblich. Die Verteilung im Lehrbuch EgL entspricht der Verteilung in der Alltagssprache, während im Lexikon MLS die Lexeme „Wort“ und „Begriff“ etwa gleich häufig sind und „Terminus“ wesentlich häufiger als im MLS und im Alltag auftritt.

In Metzlers Lexikon Sprache wird ein Begriff als „Aggregat kategorialer oder relationaler Merkmale“ bezeichnet (Glück und Rödel 2016, S. 93). Der Oberbegriff Aggregat, der in dem Lexikon selbst nicht erklärt wird, ist nach Metzlers Lexikon Philosophie „ein zusammengesetztes Ganzes aus gleichartigen oder verschiedenartigen Teilen, deren Zusammensetzung entweder durch Anordnung oder zufällig entstanden sein kann. Das Aggregat zeichnet sich dadurch aus, dass es als Ganzes nicht mehr als die Summe seiner Teile ist, d.h. dass das Ganze durch die Teile konstituiert wird und nicht umgekehrt (wie bei System und Organismus)“ (Prechtl und Burkard 2008, S. 11). Indem Begriffe als Aggregate bezeichnet werden, bewegt man sich nicht im Mentalen. Dies zeigt sich dann auch deutlich in den anschließend angegebenen Merkmalen eines Begriffs (Glück und Rödel 2016, 93/94):

  • Ein Begriff liegt eine Klasse von Objekten fest.
  • Die Intention des Begriffs ist die Gesamtheit seiner Merkmale.
  • Begriffe können klar und deutlich definiert werden, was bei komplexen Begriffen allerdings als eine unabschließbare Aufgabe bezeichnet wird.
  • Begriffe sind hierarchisch organisiert.
  • Begriffe stehen in vielfältigen Relationen zu anderen Begriffen und deshalb ist es sinnvoll, sie als Knoten von vieldimensionalen Netzen zu bezeichnen.
  • Auch alltagssprachliche Lexeme bestimmen durch ihre Gesamtheit der in der Ontogenese verinnerlichten Merkmale Klassen von Objekten. Sie können unter dem Gesichtspunkt der Denkprozesse als umgangssprachliche Begriffe bezeichnet werden.

Allen Aussagen liegt das Wort „Begriff“ als entäußertes Mentales zu Grunde, nur im Merkmal (6) wird ein gewisser Bezug zu Denkprozessen hergestellt.

Auch die Aussagen, dass Begriffe durch Definitionen konstituiert werden, man ein Begriffsnetz als Terminologie bezeichnen kann, dass ein im Begriffsnetz präzise definierter Terminus die Struktur eines klaren und deutlichen Begriffs besitzt (Glück und Rödel 2016, S. 93), sprechen für die dominierende Sicht des Autors auf Begriffe als entäußertes Mentales.

Im MLS werden aber auch Betrachtungen zum ontologischen Status von Begriffen angestellt, bei denen auch das mentale Moment zur Sprache kommt. So stellt der Autor fest: „Neuere kognitionswissenschaftliche Ansätze nehmen i. d. R. eine außersprachliche Repräsentationsebene an, sprechen dann aber seltener von ›Begriffen‹ als von ›Konzepten‹ und verstehen darunter kognitive Repräsentationen aller Art.“ für die beiden gegensätzlichen Bedeutungen von „Begriff“ wird eine terminologische Differenzierung vorgeschlagen: „Die deutsche Sprache bietet hier die Möglichkeit der terminologische Differenzierung: einerseits das ›Konzept‹ als nicht-sprachlich, jedoch oft mit einem sprachlichen Ausdruck verknüpfte, in der individuellen ›Psyche‹ existente Repräsentation; andererseits der überindividuelle Geltung beanspruchende ›Begriff‹ als definierbare Position in der Struktur eines elaborierten konzeptuellen Netzes, dessen stabile Relationen auf interaktiv ›ausgehandelten‹, sprachlich fixierten, ggf. zu einer Theorie verbundenen Urteilen beruhen“ (Glück und Rödel 2016, S. 94). Damit hat der Autor das mentale und nicht mentale Moment von Begriff gut charakterisiert. Auf die Probleme des Vorschlags, das mentale Moment mit dem Wort „Konzept“ zu bezeichnen, wird unter 5.3.2 eingegangen.

Generell stellt der Autor fest, dass „über den ontologischen Status des Begriffs […] von der griechischen Antike bis zur Gegenwart keine Einigkeit“ herrscht (Glück und Rödel 2016, S. 94).

5.2.  Philosophische Literatur

5.2.1.      Zitate

HWPh

27497 (320,8) Ergebnisse

Aus dem Stichwort „Begriff“, Autor: Rudolf Haller, Bd. 1, S. 780-785

  • In der Ausführung dieser Theorie [von Locke und Ockham] wird der enge Zusammenhang von Begriff und Vorstellungen deutlich, der die psychologistisch fundierte Erkenntnistheorie der empiristischen Schulen kennzeichnet. Begriffe werden mit anschaulichen Vorstellungen, Bildern im Geiste, gleichgesetzt, was dann bei BERKELEY zur strikten Ablehnung allgemeiner abstrakter Begriff führt. Eine klare Differenzierung von Vorstellungen in Anschauungen und Begriff findet sich erst bei KANT. «Der Begriff ist der Anschauung entgegengesetzt, denn er ist eine allgemeine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist»; seine Materie ist der Gegenstand, seine Form eben die Allgemeinheit. An und für sich ist, nach Kant, jeder Begriff allgemein. Einteilungen in allgemeine, einzelne, abstrakte und konkrete Begriffe betreffen immer nur ihren «Gebrauch», weshalb jeder Begriff in Relation zu anderen in verschiedenen Graden abstrakt und konkret verwendet werden kann. Nur in Verbindung von Sinnlichkeit und Verstand beziehen sich Begriffe auf bestimmte Gegenstände, nur «wo den Begriffen Anschauung entspricht», ist Erkenntnis im Sinne objektiver Realität möglich. War etwa noch bei WOLFF unter Begriff «jede Vorstellung einer Sache in unseren Gedanken» verstanden worden, so setzt sich nach KANT die Unterscheidung von anschaulichen und begrifflichen Vorstellungen weitgehend durch. Durch ihn wird auch die Einteilung der Begriffe in empirische, d.h. Erfahrungs- Begriffe, und reine Verstandes- Begriffe (Kategorien) und Vernunft- Begriffe (Ideen) terminologisch fixiert. Begriff als «Prädikate möglicher Urteile» beruhen auf Funktionen, d.h. auf Regeln, die Einheit einer Handlung oder die Einheit eines Urteils herzustellen bzw. zu konstruieren. Damit wird der operationale Aspekt, unter dem Begriffe erklärt werden, eingeführt. Bd. 1, 783
  • Eine spekulative Begriffs-Lehre entwickeln die deutschen Idealisten, insbesondere HEGEL, bei dem eine dynamische Auffassung des Begriffs vorliegt, der zufolge Begriffe als wirklichkeitsstiftend gedacht werden, so daß die Behauptung möglich wird: «die Dinge sind das, was sie sind, durch die Tätigkeit des ihnen innewohnenden und in ihnen sich offenbarenden Begriffs». Freiheit, Totalität, Bestimmtheit, Wesen, Substanz, Wahrheit und Wirklichkeit zählen zu den Bestimmungen, die einen sich selbst entwickelnden Begriff charakterisieren. Bd. 1, 783
  • War die Auffassung von Begriffen als mentale Zeichen von Dingen oder von Formen von Gegenständen im Wesentlichen das Kernstück der Begriffs-Theorie von der Spätantike bis zum Ausgang des 18. Jh., so vollzieht sich im 19. Jh. insofern eine Wende, als in steigendem Maße einerseits die sprachliche Komponente in der Begriffs-Bildung thematisch wurde, andererseits die neuen logischen Theorien eine eigene Behandlung des Begriffs erfordern oder überflüssig machten (Bd. 1, S. 783-784).
  • Vornehmlich durch den Einfluß von ST. MILLS System of Logics (1843) wurde nämlich jener Teil der sogenannten klassischen Logik, der die Theorie des Begriffs behandelte, mehr und mehr durch eine Theorie der sprachlichen Zeichen (Namen) und ihrer Bedeutung bzw. Konnotation ersetzt und Begriff als Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken bestimmt. Gleichfalls wird von den erwähnten Philosophen eine Theorie vertreten, der zufolge Begriffe als «potentielle Urteile», als Urteils-(Aussage-)bestandteile aufzufassen sind. Dieses auf Aristoteles und die mittelalterliche Logik zurückgehende Lehrstück, daß Begriffe, die durch Termini in Sätzen vertreten werden, die konstitutiven Bestandteile des Urteils (der Aussage) sind, wird z.B. auch von KANT, SCHELLING, A. TRENDELENBURG und im 20. Jh. von E. LASK, H. RICKERT, M. SCHLICK u.a. vertreten. In besonderer Weise wird die «prädikative Natur des Begriffs » von G. FREGE betont, der vorschlägt, das Wort Begriff nur im logischen Sinne zu gebrauchen und Begriff als die «Bedeutung eines grammatischen Prädikates» zu bestimmen. Begriffe sind demnach Satzfunktionen, «deren Wert stets ein Wahrheitswert ist». Auch hier zeigt sich die Tendenz, die sich heute weitgehend durchgesetzt hat, Begriffe qua Bedeutungen als Regeln der Verwendung und Anwendung von sprachlichen Zeichen zu explizieren und damit ihre Abhängigkeit vom Kontext eines sprachlichen Systems, einer Theorie usw. zu berücksichtigen (Bd. 1, S. 784).

Aus dem Stichwort „Begriff“, Autor: Jürgen Mittelstrass, Bd. 1, S. 785-787

  • Begriffe werden nach P. LORENZEN aus einigen Wörtern, nämlich Prädikaten, durch die logische Operation der Abstraktion Im Unterschied von Wörtern wie ‹Leibniz›, ‹und› oder ‹dies› dienen Wörter wie ‹Tisch›, ‹tugendhaft› oder ‹über› dazu, Gegenständen zu- bzw. abgesprochen zu werden, wobei sich ihr erstes Zusprechen als Zukommen definieren läßt. Die Gegenstände, denen man diese Wörter, Prädikate genannt, zu- bzw. abspricht, werden im Satz durch Eigennamen (z.B. ‹Leibniz›) vertreten, wobei seit FREGE der durch einen Eigennamen vertretene Gegenstand als die Bedeutung des Eigennamens bezeichnet wird. Bd. 1, S. 785
  • Analog dazu treten dann Begriffe häufig als (intensionale) Bedeutungen der Prädikate auf. Der Gebrauch der Prädikate wird dabei nicht allein durch die Angabe von Beispielen (durch Zusprechen) und Gegenbeispielen (durch Absprechen), sondern auch durch terminologische Vereinbarung, d.h. Regeln, bestimmt (z.B. x ε Eiche ⇒ x ε Baum). 1, S. 785

MLPh

1694 (240,3) Ergebnisse

  • Allgemeinbegriff, (1) ein Begriff, unter den mehrere Einzeldinge fallen (z.B. der Begriff »Mensch«, der jedem einzelnen Individuum zugesprochen werden kann; der Begriff »Tier«, unter den verschiedene Arten fallen); (2) als logischer Allgemeinbegriff wird er hinsichtlich seiner Aussageweise unterschieden nach: (a) Gattung, (b) Art, (c) artbildender Unterschied, (d) Eigentümlichkeit, (e) zufällige Eigenschaft (S. 18).

Aus dem Stichwort „Allgemeinheit – Besonderheit – Einzelheit“, Autor: Michael Quante, S. 18

  • Allgemeinheit – Besonderheit – Einzelheit, die drei methodologischen und inhaltlichen Bestimmungen des »reinen Begriffs« in der spekulativen Logik Hegels. Der »reine Begriff« ist das hinreichende Prinzip der Entwicklung aller Kategorien des Denkens. […] Hegel zufolge, der hier Fichte und Schelling zustimmt, muss man den »reinen Begriff« – ausgehend von Kants Begriff der produktiven Einbildungskraft – als Einheit von formaler und inhaltlicher Bestimmung denken. Hegels Position verlangt somit, den »reinen Begriff« als tätiges Prinzip der sowohl logisch formellen wie inhaltlich anschaulichen Erzeugung aller Kategorien und damit als Selbstbestimmung und Selbstdifferenzierung zu denken. – Hegels Begriff der Allgemeinheit ist daher nicht der einer abstrakten Allgemeinheit, die das Gemeinsame einer Menge von Mannigfaltigem bezeichnet, sondern die Einheitsstruktur des »reinen Begriffs« selbst als Subjekt in der Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungsinhalte. Als diese Einheit in einem Mannigfaltigen ist der »reine Begriff« Totalität, oder wie Hegel auch sagt, »konkrete Allgemeinheit«. Die kategorienerzeugende Tätigkeit des »reinen Begriffs« hat die Struktur der Negation der Negation. Als selbstnegierendes Prinzip bringt der »reine Begriff« besondere Inhalte hervor, die als Negationen seiner eigenen Allgemeinheit Besonderungen und inhaltliche Bestimmungen sind. In dieser Hinsicht – als sich selbst bestimmendes, seine Allgemeinheit negierendes Prinzip – wird der »reine Begriff « als Besonderheit gedacht. Allgemeinheit und Besonderheit sind entgegengesetzte Bestimmungen des »reinen Begriffs«, die dieser qua sich selbst bestimmender und differenzierender Tätigkeit (»Negativität « bei Hegel) selbst erzeugt. Da nach Hegels Auffassung dieses Erzeugen und Entgegensetzen als die eigene Tätigkeit des »reinen Begriffs« gedacht werden muss, wird diese Selbstbegrenzung und inhaltliche Bestimmung (= Negation) in der Bewegung der Aufhebung in ihrem negativen Charakter ihrerseits negiert (= Negation der Negation). In dieser Aufhebungsbewegung, die die Produktivität der Negation der Negation voraussetzt, wird der »reine Begriff« als Einheit von Allgemeinheit und Besonderheit gedacht. Diese Einheit ist die Bedeutung von Einzelheit bei Hegel. Bezeichnet wird damit die immanente Negativität der Subjektivität qua Selbstbestimmung und -beschränkung aufhebender, integrierender Einheit eines Subjekts, das sich in einer selbstgesetzten Mannigfaltigkeit von Besonderheiten selbst als konkrete Allgemeinheit, d.h. als inhaltlich und formal autonomes Allgemeines manifestiert. Einzelheit ist damit keine dritte Bestimmung neben der Allgemeinheit und Besonderheit, sondern die spekulativ gedeutete Einheit der produktiven Tätigkeit des »reinen Begriffs«.

Aus dem Stichwort „Begriff“, Autor: Peter Prechtl

  • In erkenntnistheoretischer Hinsicht werden Begriffe als Allgemeinvorstellungen, unter die konkrete Anschauungen oder Einzelvorstellungen subsumiert sind, verstanden. In Abgrenzung zur konkreten Anschauung werden sie als Abstrakta aufgefasst, deren Status im Universalienstreit umstritten war: Ihr Allgemeinheitscharakter macht sie zu Universalien, die man entweder als reale Gegenstände (i.S. allgemeiner Wesenheiten) verstanden hat oder nur als mentale (oder psychische) Gegenstände oder nur als eine besondere Sorte von Zeichen (S. 65).
  • Bei Kant (KrV) gelten Begriffe als allgemeine Vorstellungen (im Gegensatz zu den singulären Anschauungen), wobei er zwischen empirischen Begriffen und reinen Verstandesbegriffen unterscheidet: Die Erfahrungsbegriffe entspringen der sinnlichen Anschauung bzw. sind Resultat eines kontinuierlichen Zusammenfügens (Synthesis) von Wahrnehmungen und Wahrnehmungsurteilen, die Verstandesbegriffe dagegen stellen Begriffe dar, die nicht aus der Erfahrung gewonnen sind, sondern diese erst ermöglichen sollen (S. 65).
  • Hegels spekulativer Begriff (Phänomenologie des Geistes; Logik II) verweist auf eine Totalität des Wissens bzw. auf den Begriff als Inbegriff des Wissens. Darunter versteht er zum einen die Methode und zum anderen die Bewegung des Reflektierens. Die Methode besteht in der Konstruktion der Vermittlungen, in der der Begriff als Einheit von Bestimmungen in Beziehung zu anderen aufgezeigt wird. Die Bewegung des Reflektierens erbringt als Resultat den Begriff: Das begreifende Denken entwirft in seinem Fortschreiten von der Sache einen allgemeinen Begriff, mit dem die Sache selbst in Übereinstimmung zu bringen ist (S. 66).
  • Im logischen Sinne werden als Begriff diejenigen Ausdrücke bezeichnet, die anders als die Eigennamen sich nicht auf einen eindeutig bestimmten Gegenstand beziehen, sondern sich in der Weise auf mehrere Gegenstände beziehen, dass sie Eigenschaften benennen, die solchen Gegenständen zugeschrieben werden. Diese in der modernen formalen Logik übliche Auffassung nimmt Bezug auf die elementare Aussage, in der ein Nominator einen Gegenstand und der Prädikator eine Eigenschaft vertritt. Alles, was von dem durch den Nominator vertretenen Gegenstand ausgesagt wird, ist sein Begriff (S. 66).

EPh

7928 (247,1) Ergebnisse

Aus dem Stichwort „Begriff“, Autor: Geo Siegwart

  • Die Synonymendichte, die breit gestreute und intensive Verwendung sowie die mannigfachen Bestimmungsversuche lassen mehrere Bedeutungen erwarten: (i) ›Begriff‹ meint schlicht ›Redeteil‹, ›Wort‹, ›Ausdruck‹. Genauer handelt es sich um (zufolge der je unterlegten Grammatik) atomare oder doch unterhalb der Aussagenebene angesiedelte Gebilde; Einteilungen von Ausdrücken stellen damit zugleich Sortierungen von B. dar. (ii) ›Begriff‹ zielt auf die Bedeutung, den Sinn, den Inhalt usf. eines atomaren Ausdrucks, auf das von einem Autor mit dem jeweiligen Redeteil Ausgedrückte, Gemeinte, Bezeichnete, Vorgestellte, Intendierte usf. oder auf das von einem Adressaten unter dem Ausdruck Verstandene, Aufgefasste, Begriffene etc. (iii) ›Begriff‹ ist gleichbedeutend mit ›Prädikat(or)‹, ›genereller Term‹, ›Allgemeinausdruck‹, ›universales Zeichen‹, ›Begriffswort‹ etc. (iv) ›Begriff‹ zielt auf die Bedeutung eines Prädikators.   232b
  • Trotz der Präsenz aller unterschiedenen Auffassungsarten in der philosophischen Rede sieht der folgende Charakterisierungsvorschlag die Auffassung von Begriff-als-Bedeutung-eines-Prädikators als Explikandum vor. … Die folgende Explikation der Begriffsrede beruht mithin auf einer bestimmten Sortierung von Redeteilen; diese hat sich als zweckmäßig für die Organisation des Folgerungsvollzugs und damit des diskursiven Handelns schlechthin herausgestellt (S 233-233b)

Aus dem Stichwort „Begriffsbildung/Definition“, Autor: Geo Siegwart

  • Der Ausdruck ­›Begriff‹ weist wenigstens vier im vorliegenden Kontext berücksichtigungspflichtige Bedeutungen auf: (1) (relativ auf die unterlegte Grammatik) atomarer Redeteil, (2) Bedeutung eines atomaren Redeteils, (3) Prädikator bzw. genereller Term, (4) Bedeutung eines Prädikators. […] Um beiden Tatsachen gerecht zu werden und zugleich den Zusammenhang zwischen Ausdruck und ­Bedeutung in die Betrachtung einzustellen, wird in der Folge von der Einführung von Ausdrücken resp. der Festlegung der Bedeutung von Ausdrücken gesprochen: Indem ein Ausdruck (= Begriff (1)) eingeführt wird, erfolgt die Festlegung seiner Bedeutung (= Begriff (2)). Fasst man dann nach (4) die Bedeutungen von Prädikatoren als Begriffe, dann werden diese durch die Einführung des zugehörigen Prädikators festgelegt bzw. gebildet. Einen atomaren Ausdruck μ (gleich welcher Kategorie) in eine Sprache S einführen, besagt: Spezifizieren, wie μ in S zu verwenden ist wie μ in S korrekt verwendet wird bzw. angeben, wie jeder beliebige S– Nutzer μ verwenden muss, um μ in S korrekt zu verwenden. Dieses Startverständnis von Ausdruckseinführung gewinnt mit der Entwicklung des unterlegten Sprach-, Wahrheits- und Bedeutungskonzepts Kontur (S. 236u).

Aus dem Stichwort „Begriffslogik/Begriffsgeschichte“, Autor Pirmin Stekeler- Weithofer

  • Im Zuge seiner kritischen Bestandsaufnahme der sokratischen Methode und seiner Rekonstruktion der Dialektik als Lehre vom rechten Argumentieren entwickelt Platon eine Art analogische oder modelltheoretische Semantik oder Begriffslogik, die unter dem Titel ›Ideenlehre‹ bekannt wurde. Das Urbild für Platon ist der Begriff der invarianten Form, des eidos, den er der Geometrie und den dort schon etablierten formentheoretischen Redeweisen entnimmt und in den Bereich der Reflexion auf die Bedeutung und den rechten Gebrauch der Wörter überträgt. Mit dieser Übertragung legt Platon nahe, daß unsere Rede über Bedeutungen in ähnlicher Weise wie in der Mathematik als ideale bzw. idealisierende Rede über invariante, d.h. gegenüber den besonderen Abweichungen in den einzelnen Realverwendungen in gewissen wichtigen Hinsichten gleich bleibende, beständige, insofern ›substantielle‹, Formen zu deuten sei. … Dabei unterscheidet schon Platon zwischen Begriffswort (onoma), dem Gesamtbegriff (eidos), der durch den Begriff bestimmten Eingrenzung oder Klassifikation (horismos), der Begriffsextension (horos), und schließlich dem je konkret durch den Begriff ausgegrenzten Teil (meros). … S. 250b
  • Für Frege sind Begriffe dann bekanntlich das, was Prädikatausdrücke ausdrücken. Sie sind damit, grob gesprochen, die impliziten, in der Praxis mehr oder minder gut beherrschten Gebrauchsformen von Prädikatoren. … 251
  • In einer bloß im Rahmen der Theorie der formalen Abstraktion erläuterten Funktionsweise des Wortes ›Begriff‹ im Sinne von ›Bedeutung eines Begriffswortes oder Prädikats‹ wird nun aber die in der Regel involvierte Idealisierung ausgeblendet, wie sie nötig (oder unterstellt) wird, wenn wir von der bloß faktischen oder üblichen Verwendung eines Prädikatausdrucks P(x) zur normativen Rede von der Bedeutung oder eben dem Begriff P übergehen. Im letzten Fall unterstellt man nämlich mehr oder minder ideale Kriterien des richtigen Gebrauchs von P(x). Wenn wir über den Begriff ›Pferd‹ etwas aussagen, meinen wir nämlich nicht den Realgebrauch des Wortes, seine bloß faktischen Verwendungen, die auch allerlei Irrtümer oder Homonymien enthalten mögen. Sondern wir unterstellen einen gewissen idealen Gebrauch von normativen Urteilskriterien dazu, was ›wirklich‹ als Pferd und nicht etwa bloß als pferdeähnliches Wesen oder Gerät anzusprechen ist. (S. 151b)
  • Erst recht ausgeblendet bleibt in einer bloß abstraktionstheoretischen Erläuterung des Ausdrucks ›der Begriff‹ die besondere Sprachform der reflektierenden Spekulation, die wir gebrauchen, wenn wir – immer grob, weil idealisierend – über Begriffe sprechen und ganze Themenbereiche meinen, die durch den Titel »der Begriff P« sprachlich mehr oder weniger lose zusammengehalten werden. Wenn wir z.B. über den Begriff der Gerechtigkeit sprechen, reden wir nicht einfach über die Bedeutung des Wortes ›gerecht‹ wie über einen abstrakten Gegenstand, den man im wesentlichen mit einer Klasse bedeutungsäquivalenter Ausdrücke ggf. in verschiedenen Sprachen identifizieren könnte. … S. 251b
  • Sätze und Aussagen auf diesen hohen Ebenen, die über die Bedeutung oder den Sinn eines Ausdrucks oder über ein Thema wie die Gerechtigkeit handeln, nennt Hegel ›spekulativ‹ und rechnet sie eben daher zum Thema seiner Begriffslogik. … Begriffslogik im Sinn Hegels ist reflektierende Analyse auf Form und Gebrauchsweise ›spekulativer‹ Ausdrucksweisen und Aussagen, also auf unser metastufiges Reden über Begriffe und Bedeutungen, Sprach- und Handlungsformen, über Wissenschaft, Wahrheiten und Ideen. … Die formale Logik gilt eben, wenn man sie wörtlich nimmt, wie Platon schon wußte, immer nur für ein Reich von mathematikartigen Ideen bzw. aus der Sicht eines Gottes, also nur auf spekulativer Ebene. In ähnlicher Weise sind dann auch Sätze der Art »aus Wissen folgt Wahrheit« oder »jedes Wissen muß begründet sein« spekulative Sätze. Sie besagen keineswegs, daß sich der vernünftige faktische Gebrauch wörtlich an ihnen auszurichten habe. Das verlangen gerade die transzendenten Platonisten und ihre Freunde, die überschwenglich skeptischen Relativisten, die den pragmatischen Status spekulativ-idealisierender Sätze dieser Art und ihren rechten Gebrauch nicht so recht begreifen. … In unserem Beispiel würden wir dann, wenn die praktisch sinnvollen Begründungsansprüche nicht erfüllt sind, einen Wissensanspruch entsprechend kritisieren und zu einer bloßen Gewißheit, einer bloßen Überzeugung, herunterstufen. Aber, und das ist hier nicht anders als in anderen Fällen der projektiven Anwendung von Ideationen, es ist immer vorher zu beurteilen, was eine sinnvolle Anspruchsmarge ist. Wer dieses zu beurteilt vergißt, geht mit spekulativen Redeformen sophistisch um. S. 253
  • Kein Begriff, kein Inhalt, steht allein für sich. Er kann weder rein individuell intendiert, gedacht oder artikuliert, noch rein individuell verstanden werden. Er gehört als Gebrauchsform immer schon in ein ganzes Begriffsnetz von Unterscheidungen und Beziehungen. Begriffsnetze sind dabei so verfaßt, daß es bestimmte zulässige oder empfohlene Folgerungsweisen gibt, die mit den Nennungen, Klassifikationen und Beziehungsaussagen verbunden sind und die am Ende bei rechter Verwendung zu praktisch guten (›vernünftigen‹, ›rationalen‹) Orientierungen im (gemeinsamen) Leben und in der (realen) Welt führen, also zu einer (guten) praxis im Sinne des Aristoteles. S. 254
  • Eine Begriffsgeschichte, die mehr als historische Sammlung faktischer Sprachverwendungen im historischen Berichtskontext sein will, ist außerhalb der Idee einer gemeinsamen Vernunftentwicklung (und damit auch der Idee eines möglichen Fortschritts) und außerhalb des Projektes der eigenen Orts- und Selbstbestimmung im Rahmen dessen, was Hegel ›philosophische Weltgeschichte‹ nennt, nicht möglich. Jede Entwicklungsgeschichte ist außerdem teleologisch verfasst, insofern sie die spekulativen Sätze der Bestimmung der Idee der entwickelten, ›gediegenen‹ Institution voraussetzt. Das heißt, sie ist ausgerichtet auf ein gemeinsames Projekt, dessen Zielvorstellungen immer schon, wenn auch noch so rudimentär, artikuliert sind. Als solche sind Ideen ›gegenwärtig‹ und leiten unser gemeinsames und individuelles Handeln – oft freilich mehr schlecht als recht. Eine bloß historische, berichtende Darstellung von Veränderungen im Sprachgebrauch oder in anderen Gebräuchen kennt dagegen weder Idee noch Begriff, noch deren Rolle im gemeinsamen Handeln. Die Weltgeschichte im Sinn einer Menschheitsgeschichte erscheint dann als bloße Ereignisgeschichte, als Fortsetzung der natürlichen, biologischen Evolution, spezialisiert auf die Spezies Mensch. S. 254b
  • Hegels Rede von einer Selbstbewegung des Begriffs erscheint dagegen aus der Sicht einer positivistischen, bloß faktenkritischen Historie als absoluter Idealismus, als mystifizierende Philotheologie. In der Tat finden Hegels eigenwillige Gebräuche der Wörter ›Begriff‹, ›Begriffslogik‹ und ›Begriffsgeschichte‹, auch wenn manche Familienähnlichkeiten mit dem uns bekannten Gebrauch deutlich sind, kaum Sympathisanten, von einem unmittelbaren Verstehen und Einverständnis ganz zu schweigen. Und doch könnte sich der Versuch lohnen, den Ausdruck ›der Begriff‹ bei Hegel als singulare tantum zu deuten nach dem Muster des entsprechenden Gebrauchs von ›der Mensch‹: Verwiesen würde dann auf ein Gesamtsystem begrifflicher Identifizierung und Unterscheidung und zwar ggf. unter Einschluss seiner Entwicklungen, die freilich von uns im gemeinsamen Handeln ›gemacht‹ und doch nicht einfach durch einzelne Personen intentional herbeiführbar sind. S. 254b

5.2.2.      Auswertungen

Häufigkeiten

LexemDWDSHWPhMLPhEPh
Wort221,173,740,027,3
Terminus1,139,931,214,6
Begriff53,0320,8240,3247,1

In den philosophischen Nachschlagewerken tritt das Lexem „Begriff“ sehr häufig auf, mehr als dreimal (HWPh) oder fast dreimal (MLPh, EPh) pro Seite. Dies ist das Vier-, Sechs- bzw. sogar Neunfache (EPh) der Häufigkeit des Lexems „Wort“. In der Alltagssprache ist es genau umgekehrt.

In folgenden Formulierungen wird „Begriff“ im mentalen Sinne verwendet:

  • „In der Ausführung dieser Theorie [von Locke und Ockham, HDS] wird der enge Zusammenhang von Begriff und Vorstellungen deutlich, der die psychologistisch fundierte Erkenntnistheorie der empiristischen Schulen kennzeichnet. Begriffe werden mit anschaulichen Vorstellungen, Bildern im Geiste, gleichgesetzt, was dann bei BERKELEY zur strikten Ablehnung allgemeiner abstrakter Begriff führt“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 783) .
  • Christian Wolff (1679-1754) versteht unter Begriff «jede Vorstellung einer Sache in unseren Gedanken» verstanden (zitiert nach Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 783).
  • Auf Kant geht die Unterscheidung von anschaulichen und begrifflichen Vorstellungen zurück und er unterteilt Begriffe in empirische, d.h. Erfahrungsbegriffe, und reine Verstandesbegriffe. Auch Kant verbindet bei seinen Überlegungen Begriffe mit mentalen Objekten. Seine Unterscheidung bezieht sich auf die Herausbildung von begrifflichen Vorstellungen. Zum einen können sie direkt in der Reflexion von nichtmentalen Objekten entstehen oder als Metabegriffe durch Abstraktion schon vorhandener mentaler Repräsentationen. Dieser Unterschied wird auch in Metzlers Lexikon Philosophie hervorgehoben.
  • „Allgemeinheit – Besonderheit – Einzelheit, die drei methodologischen und inhaltlichen Bestimmungen des »reinen Begriffs« in der spekulativen Logik Hegels. Der »reine Begriff« ist das hinreichende Prinzip der Entwicklung aller Kategorien des Denkens. […] Hegel zufolge […] muss man den »reinen Begriff« – ausgehend von Kants Begriff der produktiven Einbildungskraft – als Einheit von formaler und inhaltlicher Bestimmung denken. Hegels Position verlangt somit, den »reinen Begriff« als tätiges Prinzip der sowohl logisch formellen wie inhaltlich anschaulichen Erzeugung aller Kategorien und damit als Selbstbestimmung und Selbstdifferenzierung zu denken. – Hegels Begriff der Allgemeinheit ist daher nicht der einer abstrakten Allgemeinheit, die das Gemeinsame einer Menge von Mannigfaltigem bezeichnet, sondern die Einheitsstruktur des »reinen Begriffs« selbst als Subjekt in der Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungsinhalte“ (Michael Quante in Prechtl und Burkard 2008, S. 18).

In folgenden Formulierungen wird „Begriff“ als entäußertes Mentales verwendet:

  • „War die Auffassung von Begriffen als mentale Zeichen von Dingen oder von Formen von Gegenständen im Wesentlichen das Kernstück der Begriffs-Theorie von der Spätantike bis zum Ausgang des 18. Jh., so vollzieht sich im 19. Jh. insofern eine Wende, als in steigendem Maße einerseits die sprachliche Komponente in der Begriffs-Bildung thematisch wurde, andererseits die neuen logischen Theorien eine eigene Behandlung des Begriffs erfordern oder überflüssig machten“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 783-784).
  • „Vornehmlich durch den Einfluß von J. ST. MILLS System of Logics (1843) wurde nämlich jener Teil der sogenannten klassischen Logik, der die Theorie des Begriffs behandelte, mehr und mehr durch eine Theorie der sprachlichen Zeichen (Namen) und ihrer Bedeutung bzw. Konnotation ersetzt und Begriff als Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken bestimmt. Gleichfalls wird von den erwähnten Philosophen eine Theorie vertreten, der zufolge Begriffe als «potentielle Urteile», als Urteils-(Aussage-)bestandteile aufzufassen sind. […] In besonderer Weise wird die «prädikative Natur des Begriffs » von G. FREGE betont, der vorschlägt, das Wort Begriff nur im logischen Sinne zu gebrauchen und Begriff als die «Bedeutung eines grammatischen Prädikates» zu bestimmen. Begriffe sind demnach Satzfunktionen, «deren Wert stets ein Wahrheitswert ist». Auch hier zeigt sich die Tendenz, die sich heute weitgehend durchgesetzt hat, Begriffe qua Bedeutungen als Regeln der Verwendung und Anwendung von sprachlichen Zeichen zu explizieren und damit ihre Abhängigkeit vom Kontext eines sprachlichen Systems, einer Theorie usw. zu berücksichtigen“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 784).
  • „Im logischen Sinne werden als Begriff diejenigen Ausdrücke bezeichnet, die anders als die Eigennamen sich nicht auf einen eindeutig bestimmten Gegenstand beziehen, sondern sich in der Weise auf mehrere Gegenstände beziehen, dass sie Eigenschaften benennen, die solchen Gegenständen zugeschrieben werden. Diese in der modernen formalen Logik übliche Auffassung nimmt Bezug auf die elementare Aussage, in der ein Nominator einen Gegenstand und der Prädikator eine Eigenschaft vertritt. Alles, was von dem durch den Nominator vertretenen Gegenstand ausgesagt wird, ist sein Begriff“ (Peter Prechtl in Prechtl und Burkard 2008, S. 66).
  • Der Autor des Stichworts „Begriff“ in der Enzyklopädie Philosophie, Geo Siegwart, gibt mehrere Bedeutungen an, die sich alle bis auf die zweite auf nichtmentale Momente beziehen: „Die Synonymendichte, die breit gestreute und intensive Verwendung sowie die mannigfachen Bestimmungsversuche lassen mehrere Bedeutungen erwarten: (i) ›Begriff‹ meint schlicht ›Redeteil‹, ›Wort‹, ›Ausdruck‹. […] (ii) ›Begriff‹ zielt auf die Bedeutung, den Sinn, den Inhalt usf. eines atomaren Ausdrucks, auf das von einem Autor mit dem jeweiligen Redeteil Ausgedrückte, Gemeinte, Bezeichnete, Vorgestellte, Intendierte usf. oder auf das von einem Adressaten unter dem Ausdruck Verstandene, Aufgefasste, Begriffene etc. (iii) ›Begriff‹ ist gleichbedeutend mit ›Prädikat(or)‹, ›genereller Term‹, ›Allgemeinausdruck‹, ›universales Zeichen‹, ›Begriffswort‹ etc. (iv) ›Begriff‹ zielt auf die Bedeutung eines Prädikators“ (Sandkühler et al. 2010, S. 232b).
  • „Das Urbild für Platon ist der Begriff der invarianten Form, des eidos, den er der Geometrie und den dort schon etablierten formentheoretischen Redeweisen entnimmt und in den Bereich der Reflexion auf die Bedeutung und den rechten Gebrauch der Wörter überträgt. Mit dieser Übertragung legt Platon nahe, daß unsere Rede über Bedeutungen in ähnlicher Weise wie in der Mathematik als ideale bzw. idealisierende Rede über invariante, d.h. gegenüber den besonderen Abweichungen in den einzelnen Realverwendungen in gewissen wichtigen Hinsichten gleich bleibende, beständige, insofern ›substantielle‹, Formen zu deuten sei. … Dabei unterscheidet schon Platon zwischen Begriffswort (onoma), dem Gesamtbegriff (eidos), der durch den Begriff bestimmten Eingrenzung oder Klassifikation (horismos), der Begriffsextension (horos), und schließlich dem je konkret durch den Begriff ausgegrenzten Teil (meros). … „ (Pirmin Stekeler-Weithofer in Sandkühler et al. 2010, S. 250b).
  • „Wenn wir über den Begriff ›Pferd‹ etwas aussagen, meinen wir nämlich nicht den Realgebrauch des Wortes, seine bloß faktischen Verwendungen, die auch allerlei Irrtümer oder Homonymien enthalten mögen. Sondern wir unterstellen einen gewissen idealen Gebrauch von normativen Urteilskriterien dazu, was ›wirklich‹ als Pferd und nicht etwa bloß als pferdeähnliches Wesen oder Gerät anzusprechen ist“ (Pirmin Stekeler-Weithofer in (Sandkühler et al. 2010, S. 151b)).
  • „Begriffslogik im Sinn Hegels ist reflektierende Analyse auf Form und Gebrauchsweise ›spekulativer‹ Ausdrucksweisen und Aussagen, also auf unser metastufiges Reden über Begriffe und Bedeutungen, Sprach- und Handlungsformen, über Wissenschaft, Wahrheiten und Ideen“ (Pirmin Stekeler-Weithofer in (Sandkühler et al. 2010, S. 253)).

Teilweise werden mehrere Momente des Begriffs „Begriff“ bei seiner Erklärung angegeben: „In erkenntnistheoretischer Hinsicht werden Begriffe als Allgemeinvorstellungen, unter die konkrete Anschauungen oder Einzelvorstellungen subsumiert sind, verstanden. In Abgrenzung zur konkreten Anschauung werden sie als Abstrakta aufgefasst, deren Status im Universalienstreit umstritten war: Ihr Allgemeinheitscharakter macht sie zu Universalien, die man entweder als reale Gegenstände (i.S. allgemeiner Wesenheiten) verstanden hat oder nur als mentale (oder psychische) Gegenstände oder nur als eine besondere Sorte von Zeichen“ (Peter Prechtl in Prechtl und Burkard 2008, S. 65). In den Formulierungen „Begriffe als Allgemeinvorstellungen, unter die konkrete Anschauungen und Einzelvorstellungen subsumiert sind“ und „als mentale (oder psychische) Gegenstände“, wird „Begriff“ im mentalen Sinne verstanden. Bei Begriff als „eine besondere Sorte von Zeichen“ ist der Sinn des entäußerten Mentalen intendiert und wenn man Begriffe „als reale Gegenstände (i.S. allgemeiner Wesenheiten)“ versteht, sind Begriffe Bestandteil des Nichtmentalen.

Während von der Spätantike bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts das Wort „Begriff“ vor allem im mentalen Sinne als Vorstellungen oder mentales Zeichen für Gegenstände aufgefasst wurde, setzt sich mit der Entwicklung der Sprachphilosophie die Auffassung durch, Begriffe als „Regeln der Verwendung und Anwendung von sprachlichen Zeichen zu explizieren und damit ihre Abhängigkeit vom Kontext eines sprachlichen Systems, einer Theorie usw. zu berücksichtigen“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 785). Nach Frege sind Begriffe Satzfunktionen, «deren Wert stets ein Wahrheitswert ist».

Mit dieser sehr eingeschränkten Sicht, die vom Autor des Stichworts „Begriff“, Geo Siegwart in der Enzyklopädie der Philosophie dargelegt wird, setzt sich der Autor des Stichwortes „Begriffslogik/Begriffsgeschichte“ Stekeler-Weithofer in derselben Publikation auseinander. Er stellt dabei u. a. fest, dass „in einer bloß im Rahmen der Theorie der formalen Abstraktion erläuterten Funktionsweise des Wortes ›Begriff‹ im Sinne von ›Bedeutung eines Begriffswortes oder Prädikats‹ … die in der Regel involvierte Idealisierung ausgeblendet [wird]“ (Stekeler-Weithofer 2010, 251b). Am Beispiel des Begriffs der Gerechtigkeit weist er weiterhin daraufhin, dass „in einer bloß abstraktionstheoretischen Erläuterung des Ausdrucks ›der Begriff‹ die besondere Sprachform der reflektierenden Spekulation erst recht ausgeblendet bleibt, die wir gebrauchen, wenn wir … über Begriffe sprechen und ganze Themenbereiche meinen“ (Stekeler-Weithofer 2010, 251b).  Er weist weiterhin darauf hin, dass Begriffe nicht für sich stehen, sondern sind immer Bestandteil eines Begriffsnetzes sind. In diesen Begriffsnetzen sind auch „bestimmte zulässige oder empfohlene Folgerungsweisen“ enthalten, die mit „den Nennungen, Klassifikationen und Beziehungsaussagen verbunden sind und die am Ende bei rechter Verwendung zu praktisch guten … Orientierungen im … Leben und in der (realen) Welt führen, also zu einer (guten) praxis im Sinne des Aristoteles“ (Stekeler-Weithofer 2010, 254).

Kritisch setzt er sich weiterhin mit einer Art der Begriffsgeschichte auseinander, die nur eine „historische Sammlung faktischer Sprachverwendungen im historischen Berichtskontext“ ist. Eine Begriffsgeschichte ist immer auch teleologisch verfasst, das heißt, „sie ist ausgerichtet auf ein gemeinsames Projekt, dessen Zielvorstellungen immer schon, wenn auch noch so rudimentär, artikuliert sind“ (Stekeler-Weithofer 2010, 254b).

Nach Stekeler-Weithofer ist Begriffslogik im Sinn Hegels eine „reflektierende Analyse auf Form und Gebrauchsweise ›spekulativer‹ Ausdrucksweisen und Aussagen, also auf unser metastufiges Reden über Begriffe und Bedeutungen, Sprach- und Handlungsformen, über Wissenschaft, Wahrheiten und Ideen“ (Stekeler-Weithofer 2010, 253).

Nach Stekeler-Weithofer finden Hegels „eigenwillige Gebräuche der Wörter ›Begriff‹, ›Begriffslogik‹ und ›Begriffsgeschichte‹, auch wenn manche Familienähnlichkeiten mit dem uns bekannten Gebrauch deutlich sind, kaum Sympathisanten, von einem unmittelbaren Verstehen und Einverständnis ganz zu schweigen. Er unterbreitet den Vorschlag, „den Ausdruck ›der Begriff‹ bei Hegel als singulare tantum zu deuten nach dem Muster des entsprechenden Gebrauchs von ›der Mensch‹“ (Stekeler-Weithofer 2010, 254b).

In dieser Interpretation von Hegel verwendet Stekeler-Weithofer das Wort „Begriff“ immer als Element der Sprache, also als entäußertes Mentales. In den Ausführungen von Michael Quante zu den Auffassungen von Hegel zum Verhältnis von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit wird aber deutlich, dass Hegel den »reinen Begriffs« in seiner spekulativen Logik als Prinzip der Entwicklung aller Kategorien des Denkens versteht. „Hegels Begriff der Allgemeinheit ist daher nicht der einer abstrakten Allgemeinheit, die das Gemeinsame einer Menge von Mannigfaltigem bezeichnet, sondern die Einheitsstruktur des »reinen Begriffs« selbst als Subjekt in der Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungsinhalte“ (Michael Quante in (Prechtl und Burkard 2008, S. 18)). Die auch von Stekeler-Weithofer genannten Probleme im Verständnis des Hegelschen Gebrauchs des Wortes „Begriff“ könnten mit einer grundlegenden Fehlinterpretation der Hegelschen Denkweise verbunden sein. Hegel bewegt sich in der Phänomenologie des Geistes aus meiner Sicht vor allem auf der mentalen Ebene.

5.3.  Psychologische Literatur

5.3.1.      Zitate

BW

Begriff: 139 (23,1) Ergebnisse

Konzept: 212 (35,2) Ergebnisse

Kategorie: 34 (5,6) Ergebnisse

  • Statt mit der ursprünglichen Wahrnehmung agieren wir im Denken vornehmlich mit Konzepten. Nehmen wir unsere bereits bekannten Beispiele für eine Proposition, „Bäume haben Blätter“, „Der Tee kommt aus China“, so können wir erkennen, dass diese Gedankeneinheiten aus Konzepten bestehen, wie „Bäume“, „Blätter“, die miteinander in bestimmter Weise verbunden sind. Konzepte sind, wie Oberbegriffe, gedankliche Abstraktionen. Ein Konzept repräsentiert dabei eine ganze Klasse von zum Beispiel Objekten oder Merkmalen. Unser Konzept von „Bäumen“ umfasst unter anderem, dass ein solches Objekt einen Stamm, Wurzeln und eine Krone hat, dass der Stamm aus Holz ist und dass er von Jahr zu Jahr wächst und Jahresringe bildet. (S. 453)
  • Dieser Prozess des Zuordnens eines Objektes zu einem bestimmten Konzept wird als Kategorisierung bezeichnet. Wenn wir ein Objekt kategorisieren (als Apfel oder als Ball), behandeln wir es so, als besitze es auch die wesentlichen (oder gar alle) Eigenschaften, die unser Konzept umfasst, auch solche, die wir nicht direkt wahrgenommen haben. … Wenngleich wir den Begriff und die Funktionen des Konzepts an konkreten Objekten erläutert haben, sind natürlich Konzepte nicht allein auf diese beschränkt. So haben wir auch Konzepte für Immaterielles oder Abstraktes, zum Beispiel für Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit. Auch die Begriffe „gleich“, „ungleich“, „stark“, „jung sein“, eine Farbe oder eine Zahl bezeichnen Konzepte. (S. 453)
  • Konzepte – oder auch Begriffe – sind kognitive Repräsentationen von Arten von Dingen. Sie umfassen die Eigenheiten oder Relationen, die einer Klasse von Objekten oder Ideen gemeinsam sind. Konzepte resultieren aus unserer Fähigkeit, individuelle Erfahrungen zu kategorisieren, ihnen ein gemeinsames Etikett zu geben und sie gleichartig zu behandeln. Die so gebildeten Kategorien werden Konzepte oder auch Begriffe genannt, wenngleich es gewisse Unterschiede gibt: Ein Begriff wird, im Unterschied zu einem Konzept, auch als ein Zeichen oder symbolhaftes Wort verstanden, welches eine Kategorie von Ereignissen oder Objekten mit gemeinsamen Beziehungen oder Merkmalen kennzeichnet. Konzeptbildung wurde bei verschiedenen höheren Säugern nachgewiesen und wird als grundlegende Fähigkeit der meisten höheren Organismen betrachtet. (S. 453)

MR

Ermittlung der Anzahl der Ergebnisse nicht möglich

  • Wir benutzen Kategorien, um Gruppen von Objekten oder Ereignissen wie Hunde, Vögel, Junggesellen, Autos, Computer, Geburtstage oder Kriege aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten zusammenzufassen. Kategorien können konkrete Objekte wie etwa Pflanzen bezeichnen, sie können sich aber auch auf abstrakte Gebilde wie Demokratie beziehen. Wir können auch Kategorien kombinieren, um so zu einer schier endlosen Zahl neuer Kategorien zu kommen, z. B. „Tennisbälle“, „Autoreparaturen“, „Haustiere“ oder „Internetkaufhäuser“. (S. 358)
  • In manchen Texten wird zwischen Kategorien, die sich auf Klassen in der Welt beziehen, und Konzepten, die die mentale Repräsentation dieser Klassen bezeichnen, unterschieden. In diesem Kapitel wird hingegen zwischen diesen beiden Begriffen nicht differenziert, da sich zunehmend die Sicht durchsetzt, dass Kategorien Produkte der Interaktion von Strukturen in der Welt und informationsverarbeitenden Systemen sind. (S. 359)
  • Kategorien fassen Objekte aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten zusammen. Auf diese Weise können wir Wissen, das wir über eine Kategorie erworben haben, auf neue Erfahrungen anwenden. (S. 391)

KS

Begriff: 145 (23,6) Ergebnisse

Konzept: 287 (46,7) Ergebnisse

Kategorie: 50 (8,1) Ergebnisse

  • Begriffe (oder Konzepte) sind die Bausteine des (konzeptuellen) Wissens. Begriffe können definiert werden als mentale Repräsentationen von Kategorien. Kategorien sind Klassen von Gegenständen (d. h. Objekten, Ereignissen, Personen etc.), die in irgendeiner Hinsicht gleichartig sind. Als ein wissenschaftliches Ideal gilt vielen der ordentlich definierte Begriff. Ein solcher Begriff ist durch eine begrenzte Menge definierender Eigenschaften gekennzeichnet, die zugleich eine Regel für die Zugehörigkeit eines wahrgenommenen Gegenstands zu dem Begriff bilden: Hat ein Gegenstand alle definierenden Eigenschaften, so fällt er unter den Begriff; fehlt ihm eine, so fällt er nicht darunter. Zweifellos sind einige Begriffe in unserem semantischen Gedächtnis von dieser Art – die meisten Menschen mit höherem Schulabschluss können beispielsweise ein Dreieck etwa in dieser Weise definieren: „Eine Figur, die durch die Verbindung von drei Punkten in einer Ebene gebildet wird, die nicht auf einer Geraden liegen“. Die meisten Begriffe, einschließlich vieler wissenschaftlicher Begriffe, sind aber nicht von dieser Art. Sie haben unscharfe Ränder, und der Versuch, sie in wenigen Sätzen zu definieren, ist unbefriedigend. Sehen Sie beispielsweise zurück zu unserer einleitenden Definition des Begriffs „Begriff“. Die Definition charakterisiert nur sehr unscharf, was ein Begriff ist (und Sie werden in anderen Texten andere Definitionen finden). Es ist auch gar nicht klar, wo die Definition aufhört und die Theorie anfängt. Alles, was über einen Begriff ausgesagt werden kann, trägt auch zur Bedeutung des Begriffs, also zu seiner Eingrenzung („Definition“) bei. Begriffe sind also nicht nur die Bausteine des Wissens, sie werden selbst durch das Wissen, in das sie eingehen, geformt. (S. 179)

HE

Begriff: 19 (9,1) Ergebnisse

Konzept: 271 (130,3) Ergebnisse

Kategorie: 54 (26,0) Ergebnisse

  • Warum kommt es aber zur kategorialen Zusammenfassung von Erscheinungen, zur Bildung von Begriffen bzw. von Konzepten, wie wir sie im Folgenden nennen wollen? (S. 79)
  • Konzepte sind nach dieser Überlegung Zusammenfassungen von einander ähnlichen Objekten bzw. Erscheinungen nach gemeinsamen Merkmalen. Sie werden gebildet, indem die gemeinsamen von der Vielfalt der unterschiedlichen Merkmale abstrahiert und als Einheit gespeichert werden. (S. 80)
  • Wir werden uns im Folgenden genauer mit den Strukturen befassen, die sich im Handeln und unter dem Einfluss des Spracherwerbs im Gedächtnis herausbilden. Die Strukturen beziehen sich auf Konzepte, mit denen Entitäten, deren Zustände und Zustandsänderungen [also die Realität] repräsentiert werden, und auf die zwischen diesen Konzepten bestehenden Verbindungen, die wir Assoziationen Die Gesamtheit aller Konzepte und der zwischen ihnen bestehenden Assoziationen bilden die Struktur des semantischen Gedächtnisses, gewissermaßen die Struktur unseres Wissens. (S. 98)
  • Konzepte sind mentale Repräsentationen in individuellen Gedächtnissen. Um etwas über Konzepte und über die zwischen ihnen bestehenden Assoziationen zu erfahren, müssen Konzepte aktiviert werden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Konzepte können erstens durch konkrete Erscheinungen (Objekte, Szenen, Bilder usw.) und zweitens durch Wörter aktiviert werden. Die beiden Zugänge sind keineswegs identisch, … Hier soll zunächst nur ausgesagt sein, dass Wörter einen direkten und (zumeist) eindeutigen Zugang zu den Konzepten haben, die sie bezeichnen, eben weil sie Bezeichnungen von Konzepten sind. Ein Wort kann durchaus mehrere Konzepte bezeichnen wie etwa die Wörter „Bank“, „Schloss“, „Flügel“ oder „Zug“ (Homonyme). Welche der möglichen Bedeutungen jeweils gemeint ist, wird zumeist durch den Kontext eindeutig bestimmt und stellt für das Verständnis in aller Regel kein Problem dar.
  • Im Gegensatz dazu können Erscheinungen grundsätzlich unterschiedlichen Konzepten zugeordnet werden. Es ist deshalb kaum erstaunlich, dass allein schon wegen der besseren Kontrollierbarkeit des konzeptuellen Zugangs Untersuchungen zur Struktur konzeptueller Repräsentationen vor allem mit Wörtern durchgeführt wurden. Übersehen wird dabei leicht, dass Wörter neben den von ihnen bezeichneten Konzepten auch die ihnen entsprechenden „Wortmarken“ (Repräsentationen der visuellen und auditiven Worterscheinung) aktivieren und damit auch Strukturen angesprochen werden, die lediglich zwischen Wörtern bestehen. Wenn z. B. zu „Tisch“ „Fisch“ assoziiert wird, dann hat diese Assoziation nichts mit der Bedeutung des Wortes „Tisch“ zu tun und verweist deshalb keineswegs auf eine Beziehung zwischen den Konzepten Fisch und Tisch. (S. 99/100)

5.3.2.      Auswertungen

Da in der psychologischen Literatur die Begriffe „Konzept“ und „Kategorie“ häufig anstelle von „Begriff“ verwendet werden, sollen zunächst ihre Verwendungen in der Alltagssprache und in der philosophischen Literatur untersucht werden.

Konzept und Kategorie in der Alltagssprache

DWDS

Konzept

Frequenz: 82,1

Kollokationen: pädagogisch (9.5, 3803), entwickeln (9.2, 10872), vorlegen (8.9, 8365), schlüssig (8.8, 1863), erarbeiten (8.7, 5891)

Bedeutungen:

  1. erste Niederschrift, Entwurf eines Schriftstückes
  2. ⟨ aus dem Konzept bringen⟩ jmdn. in seinem dargelegten Gedankengang verwirren
  3. Plan, Programm

Kategorie

Frequenz: 28,0

Kollokationen: gehoben (8.2, 427), ästhetisch (7.9. 535), letztere (7.9, 303), Kausalität (7.8, 47), Stammbegriff (7.6, 6), gehören (7.6, 5311)

Bedeutungen:

  1. Philosophie: nach Aristoteles eine der zehn möglichen Arten von Aussagen über einen realen Gegenstand
  2. Philosophie: eines der Prädikamente der scholastischen Logik und Ontologie
  3. Philosophie: einer der zwölf reinen Verstandesbegriffe Kants, die die Erkenntnis und die Erfassung von Wahrnehmungsinhalten durch das Denken erst ermöglichen
  4. Gruppe, in die jmd. oder etw. eingeordnet wird; Klasse, Gattung

Auswertungen

Das Wort „Konzept“ wird nach dem DWDS in der Alltagssprache häufig vor allem im Sinne von Plan bzw. Programm verstanden, wie aus den Kollokationen ersichtlich ist, die sich alle auf diese Bedeutung beziehen.

Aus den Kollokationen zum Wort „Kategorie“ ist erkennbar, dass im Alltag die ersten drei angegebenen Bedeutungen aus der Philosophie keine Rolle spielen, Kategorie wird im Sinne von Gruppe, Klasse, Gattung verwendet, in die etwas eingeordnet wird.

Konzept und Kategorie in philosophischer und linguistischer Literatur

HWPh

Konzept: 1111 (13,0) Ergebnisse

Kategorie: 1895 (22,1) Ergebnisse

  • ‹Konzept› wird in der Psychologie vor allem im Zusammenhang mit der Begriffsbildung (concept-formation) und dem Begriffslernen (concept-learning) als Terminus verwendet, mit dem man Begriffe bezeichnet, die unter experimentellen Bedingungen gebildet wurden. Der Gebrauch ist aber nicht eindeutig festgelegt, so daß ‹Konzept› gelegentlich auch als Synonym für ‹Begriff› (im allgemeinen) oder- spezieller – für ‹theoretisches Konstrukt› verwendet wird ( 4, S. 1086).
  • Die Geschichte des Kategorie-Begriffs besitzt ihre Schwerpunkte in den Traditionslinien von zwei differenten philosophischen Grundkonzeptionen, der logisch-ontologischen Philosophie des Aristoteles und der transzendental-logischen Theorie Kants.
  • Ansätze dazu finden sich sowohl in den linguistisch orientierten sprachanalytischen Theoremen wie auch in den durch den Idealismus hindurchgegangenen neuen Konzeptionen, sei es semiotisch, sei es ontologisch transformierter Transzendentalphilosophie. Für diese Ansätze ist die Auffassung der Kategorie als Elementen des Denkens und Sprechens über «Dinge» charakteristisch, deren Funktion nicht einer direkten Hinwendung auf Gegenstände, sondern allein einer philosophischen Reflexion auf Sprache und Denken und deren Grundstrukturen zugänglich ist. Ebendeshalb ist der gegenwärtige Stand der Diskussion immer noch durch die Theoreme von Aristoteles und Kant gleichsam wie durch noch nicht vollständig ausgelotete Vorgaben bestimmt. (Bd. 4, S. 775-776)
MLPh

Konzept: 85 (12,1) Ergebnisse

Kategorie: 193 (27,4) Ergebnisse

Kein Stichwort „Konzept“

  • Ontologische Kategorien sind Klassen, denen Entitäten aufgrund allgemeinster Einteilungsprinzipien zugehören. Aristoteles kennt zehn Kategorien, die logisch als Prädikatstypen, ontologisch als die allgemeinsten Seinsbereiche verstanden werden … Bei Kant sind Kategorien reine Verstandesbegriffe. Sie sind die apriorischen Formen möglicher Erkenntnis und zugleich gegenstandsbestimmend. Ihre Ableitung erfolgt aus den möglichen Arten von Urteilen. So gelangt Kant zu zwölf Kategorien, die zu vier Gruppen gehören (S. 287)
EPh

Konzept: 601 (18,7) Ergebnisse

Kategorie: 497 (15,5) Ergebnisse

Kein Stichwort „Konzept“

  • Die Bestimmung des Kategorienbegriffes ist abhängig von der philosophischen Position. Grundsätzlich gilt jedoch, daß Kategorien Formen der Vermittlung von Denken und Sein darstellen. Werden die Kategorien hauptsächlich als Formen des Denkens aufgefaßt, so findet ihre Erörterung in der Logik statt. Gelten sie vor allem als Konstitutionsformen des Seins, so fällt ihre Bestimmung in den Bereich der Metaphysik. (S. 672b)
  • Die Kontroversen konzentrieren sich vor allem um die Frage nach der Natur und der Funktion der Kategorien. In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Frage stehen die Probleme der Vollständigkeit, der Ableitbarkeit, der Normativität und des konstitutiven Charakters der Kategorien. Betrachtet man die vorgebrachten Theorien, so ergibt sich ein breites Spektrum, das sich zwischen zwei extremen Positionen erstreckt. Für die einen sind die Kategorien lediglich sprachliche und sprachlogische Bestimmungen, mit oder ohne systematischen Zusammenhang, die angewandt werden, um sinnvolles Sprechen zu ermöglichen. Für die anderen sind die Kategorien Konstitutionsprinzipien der Wirklichkeit, die sich im Denken explizieren lassen. (S. 673)
MLS

Konzept: 175 (22,1) Ergebnisse

Kategorie: 424 (53,5) Ergebnisse

  • Der ursprünglich rein philosophische Terminus (›Begriffs-,Denk-, Anschauungsform‹) wird seit dem 19. Jh. auch im Sinne von ›Klasse, Gattung‹ gebraucht. „In diesem Sinne findet er Verwendung in der Sprachwissenschaft, allerdings auf völlig unterschiedlichen Abstraktionsebenen. Kategorien ergeben sich aus (a) der Klassifikation von Lexemen (Wortarten), (b) der den Lexemen zukommenden bedeutungsrelevanten Eigenschaften (wie z. B. Tempus, Aspekt, Modus, Numerus) oder (c) der Klassifikation komplexerer Ausdrücke (dazu zählt die Phrase bis hin zum Satz)“ (Glück und Rödel 2016, S. 327).
  • Konzept In der kognitiven Linguistik, insbesondere der Semantik, mentale Informationseinheit im Langzeitgedächtnis, in der bzw. über die Menschen ihr Wissen über die Welt abspeichern, organisieren und kategorisieren, und damit ein elementarer Baustein der Kognition. Die reale Welt wird in mental repräsentierte Konzepte übersetzt, indem von individuellen Objektmerkmalen abstrahiert wird und gemeinsame Merkmale von Objekten ausgefiltert werden; diese Konzepte spiegeln die Welt annähernd bis sehr gut wider. […] Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks, z. B. eines einzelnen Lexems, ist an dieses über ein Konzept geknüpft, wobei Wortbedeutungen und Konzept sich nicht immer komplett decken. Die Fähigkeit, in Auseinandersetzung mit Umwelterfahrung durch mentale Operationen Konzepte zu bilden, ist eine pränatale Disposition des Menschen. Insbesondere unter dem Einfluss der Prototypentheorie wird heute die These vertreten, dass Konzepte (und mit ihnen Kategorien) nicht objektiv und unveränderlich in der Welt vorhanden sind, sondern durch die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, Motorik und Vorstellungskraft determiniert sind (Glück und Rödel 2016, S. 369).
EgL

Konzept: 19 (5,6) Ergebnisse

Kategorie: 114 (33,6) Ergebnisse

  • Wenn wir einen bestimmten Ausdruck äußern, dann aktivieren wir automatisch die damit verbundenen Konzepte. Wenn wir Satz (16) verstehen, dann haben wir eine entsprechende mentale Repräsentation erzeugt. Welche Form mentale Repräsentationen haben und wie Konzepte repräsentiert werden, ist allerdings alles andere als einfach zu beantworten […] Für die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist das kategoriale Wissen relevant, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist, wobei allerdings nicht genau klar ist, welche Aspekte unseres teilweisen sehr umfangreichen kategorialen Wissens die Bedeutung eines Ausdrucks ausmachen. […] Semantische Theorien gehen deshalb davon aus, dass nur bestimmte sehr allgemeine und kontextunabhängige Konzepte Teil der Bedeutung eines Ausdrucks sind. Dies bedeutet, dass ein sprachlicher Ausdruck oft nur mit einem Teil des entsprechenden Konzepts verknüpft ist, so dass seine Bedeutung auch nur ein Teil des Konzepts direkt abdeckt. Dieser Teil eines Konzepts wird die wörtliche oder lexikalische Bedeutung oder auch die Kernbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks genannt (Meibauer et al. 2015, S. 174).
  • Unser konzeptuelles Wissen stellt uns nun verschiedene allgemeine Konzepte zur Verfügung, die nicht nur für Schulen gelten. Dazu gehören die Konzepte INSTITUTION, PERSON oder GEBÄUDE. Dies entspricht unserem Wissen über die Welt, dass es für bestimmte Zwecke spezielle Institutionen, Personen oder Gebäude gibt. Mit diesen Konzepten können wir unterspezifizierte Ausdrücke wie Schule, Kirche oder Oper je nach Kontext weiter spezifizieren (Meibauer et al. 2015, S. 194).
  • Lexikalische Kategorie: Eine Menge oder Klasse von Wörtern, die bestimmte charakteristische Eigenschaften teilen, auch Wortart genannt. Diese Eigenschaften können morphologischer Art sein (Flexion), syntaktischer Art mögliche Satzpositionen, Kombinierbarkeit mit anderen Kategorien) oder auch semantischer Art (Meibauer et al. 2015, S. 355).

Auswertungen zu „Konzept“ und „Kategorie“ in der philosophischen und linguistischen Literatur

 PhilosophieLinguistikPsychologie
LexemHWPhMLPhEPhMLSEgLBWKSHE
Konzept13,012,118,722,15,635,246,7130,3
Kategorie22,127,415,553,533,65,68,126,0
Begriff320,8240,3247,156,017,423,123,69,1

Das Lexem „Konzept“ wird in der philosophischen Literatur selten und wie Durchsichten ergaben, in der Regel im alltagssprachlichen Sinne (in der dritten Bedeutung) verwendet. Bereits der große Unterschied zur Häufigkeit des Lexems „Begriff“ zeigt, dass keine Bezüge zwischen beiden Lexemen hergestellt werden.

Es gibt nur einen kurzen Eintrag in einem Wörterbuch, der zudem noch problematisch ist: „‹Konzept› wird in der Psychologie vor allem im Zusammenhang mit der Begriffsbildung (concept-formation) und dem Begriffslernen (concept-learning) als Terminus verwendet, mit dem man Begriffe bezeichnet, die unter experimentellen Bedingungen gebildet wurden. Der Gebrauch ist aber nicht eindeutig festgelegt, so daß ‹Konzept› gelegentlich auch als Synonym für ‹Begriff› (im allgemeinen) oder- spezieller – für ‹theoretisches Konstrukt› verwendet wird“ (Ritter et al. 2007, Bd. 4, S. 1086). Der Bezug zum Begriffslernen ist zwar zutreffend, aber die Aussagen, dass damit Begriffe bezeichnet werden, die unter experimentellen Bedingungen gebildet worden und dass Begriff und Konzept Synonyme sind, lassen sich in dieser Allgemeinheit nicht bestätigen.

Der Begriff Kategorie hat in der Philosophie eine lange Geschichte und ist Träger unterschiedlicher Bedeutungen. Kategorien können als Formen des Denkens oder als Konstitutionsformen des Seins aufgefasst werden. Allen Auffassungen ist aber gemeinsam, dass Kategorien Klassen von Objekten sind. Ein Bezug zu Begriffen ist nicht erkennbar.

Auch in der linguistischen Literatur wird „Konzept“ selten bzw. mit mittlerer Häufigkeit verwendet, wobei auch hier alltagssprachliche Bedeutungen dominieren. Es gibt aber auch einige Formulierungen, in denen „Konzept“ als mentales Objekt verstanden wird. So versteht man in der kognitiven Linguistik, unter Konzept eine „mentale Informationseinheit im Langzeitgedächtnis, in der bzw. über die Menschen ihr Wissen über die Welt abspeichern, organisieren und kategorisieren“ (Glück und Rödel 2016, S. 369). Und auch im Zusammenhang mit sprachlichen Äußerungen wird Konzept im mentalen Sinne verwendet: „Wenn wir einen bestimmten Ausdruck äußern, dann aktivieren wir automatisch die damit verbundenen Konzepte“ (Meibauer et al. 2015, S. 174).

In der Sprachwissenschaft wird „Kategorie“ im Sinne von Klasse/Gattung gebraucht, wie etwa der Terminus „lexikalische Kategorie“.

Auswertungen zu Begriff, Konzept und Kategorie in der psychologischen Literatur

In der gesichteten psychologischen Literatur wird das Lexem „Konzept“ häufig und teilweise (EgL) sogar sehr häufig verwendet, in allen drei Fällen viel häufiger als das Lexem „Begriff“, das wesentlich seltener als in der philosophischen Literatur und zum Teil auch in der linguistischen Literatur auftritt.

Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass für Begriff im mentalen Sinne das Wort „Konzept“ verwendet wird, wobei auch das Wort „Kategorie“ und teilweise sogar „Begriff“ auftritt. Möglicherweise ist diese Bezeichnung in Anlehnung an das englische Wort „concept” für Begriff entstanden, wie die enge Bindung beider Termini im Lehrbuch von Becker-Carus und Wendt (2017) zeigt.

In allen Werken tritt mehr oder weniger deutlich das grundlegende Problem auf, dass nicht zwischen der Bedeutung von „Kategorie“, „Konzept“ oder „Begriff“ als mentale Objekte und ihrer Bedeutung als entäußertes Mentales unterschieden wird. In Müsseler und Rieger (2017) wird sogar explizit mit einer nicht verständlichen Begründung darauf hingewiesen, dass nicht unterschieden wird „zwischen Kategorien, die sich auf Klassen in der Welt beziehen, und Konzepten, die die mentale Repräsentation dieser Klassen bezeichnen“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 359).

Einerseits werden mit „Kategorie“ bzw. „Konzept“ eindeutig mentale Objekte bezeichnet, wie folgende Zitate zeigen:

  • „Statt mit der ursprünglichen Wahrnehmung agieren wir im Denken vornehmlich mit Konzepten. … Ein Konzept repräsentiert dabei eine ganze Klasse von zum Beispiel Objekten oder Merkmalen“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 453).
  • „Begriffe (oder Konzepte) sind die Bausteine des (konzeptuellen) Wissens. Begriffe können definiert werden als mentale Repräsentationen von Kategorien“ (Kiesel und Spada 2018, S. 179).
  • „Wir werden uns im Folgenden genauer mit den Strukturen befassen, die sich im Handeln und unter dem Einfluss des Spracherwerbs im Gedächtnis herausbilden. Die Strukturen beziehen sich auf Konzepte, mit denen Entitäten, deren Zustände und Zustandsänderungen [also die Realität] repräsentiert werden, und auf die zwischen diesen Konzepten bestehenden Verbindungen, die wir Assoziationen Die Gesamtheit aller Konzepte und der zwischen ihnen bestehenden Assoziationen bilden die Struktur des semantischen Gedächtnisses, gewissermaßen die Struktur unseres Wissens.“ (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 98).

Andererseits werden mit den Termini Klassen nichtmentaler Objekte bezeichnet, wie aus folgenden Formulierungen erkennbar ist:

  • „Kategorien fassen Objekte aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten zusammen. Auf diese Weise können wir Wissen, das wir über eine Kategorie erworben haben, auf neue Erfahrungen anwenden“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 391).
  • „Konzepte resultieren aus unserer Fähigkeit, individuelle Erfahrungen zu kategorisieren, ihnen ein gemeinsames Etikett zu geben und sie gleichartig zu behandeln. Die so gebildeten Kategorien werden Konzepte oder auch Begriffe genannt, …“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 453).
  • „Konzepte sind nach dieser Überlegung Zusammenfassungen von einander ähnlichen Objekten bzw. Erscheinungen nach gemeinsamen Merkmalen. Sie werden gebildet, indem die gemeinsamen von der Vielfalt der unterschiedlichen Merkmale abstrahiert und als Einheit gespeichert werden“ (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 80).
  • „Als ein wissenschaftliches Ideal gilt vielen der ordentlich definierte Begriff. Ein solcher Begriff ist durch eine begrenzte Menge definierender Eigenschaften gekennzeichnet, die zugleich eine Regel für die Zugehörigkeit eines wahrgenommenen Gegenstands zu dem Begriff bilden: Hat ein Gegenstand alle definierenden Eigenschaften, so fällt er unter den Begriff; fehlt ihm eine, so fällt er nicht darunter“ (Kiesel und Spada 2018, S. 179).

Im letzten Zitat ist ein enger Bezug zwischen den Termini „Konzept“, „Begriff“ und „Definition“ zu erkennen. Zum einen sind „Begriff“ und „Definition“ verschiedene theoretische Konzepte. Zum anderen wird nicht unterschieden zwischen der Fähigkeit eines Menschen aufgrund seines Wissens eine Definition anzugeben und den mentalen Objekten, die im Kopf des betreffenden Menschen zum betreffenden Wort enthalten sind.

Teilweise findet man ein Durcheinander von Bedeutungen:

  • „Konzepte – oder auch Begriffe – sind kognitive Repräsentationen von Arten von Dingen. […] Die so gebildeten Kategorien werden Konzepte oder auch Begriffe genannt, wenngleich es gewisse Unterschiede gibt: Ein Begriff wird, im Unterschied zu einem Konzept, auch als ein Zeichen oder symbolhaftes Wort verstanden, welches eine Kategorie von Ereignissen oder Objekten mit gemeinsamen Beziehungen oder Merkmalen kennzeichnet. Konzeptbildung wurde bei verschiedenen höheren Säugern nachgewiesen und wird als grundlegende Fähigkeit der meisten höheren Organismen betrachtet“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 453).
  • „Begriffe (oder Konzepte) sind die Bausteine des (konzeptuellen) Wissens. Begriffe können definiert werden als mentale Repräsentationen von Kategorien. [..] Als ein wissenschaftliches Ideal gilt vielen der ordentlich definierte Begriff. Ein solcher Begriff ist durch eine begrenzte Menge definierender Eigenschaften gekennzeichnet, die zugleich eine Regel für die Zugehörigkeit eines wahrgenommenen Gegenstands zu dem Begriff bilden“ (Kiesel und Spada 2018, S. 179).

Die Bedeutung von „Konzept“ in der psychologischen Literatur hat keine gemeinsamen Seme mit seiner alltagssprachlichen Bedeutung. Ein Konzept im alltagssprachlichen Sinne als Plan oder Gerüst ist ein von Subjekten bewusst und zielgerichtet geschaffenes Konstrukt im Sinne eines entäußerten Mentalen. Möglicherweise hat sich in der Psychologie die Erkenntnis herausgebildet, dass man zwischen Begriff mentalen und entäußertem Sinne unterscheiden muss. Bei der Suche nach einem geeigneten Wort für die mentalen Zustände ist man dann auf das Wort „Konzept“ gekommen.

Insgesamt ergibt sich über alle drei Wissenschaften hinweg ein ziemlich chaotisches Bild der Verwendung der grundlegenden Begriffe „Begriff“, „Konzept“ und „Kategorie“. In der Philosophie, als der eigentlich zuständigen Disziplin wird über die Bezeichnungen in der Psychologie nicht reflektiert. In der psychologischen Literatur wird zwischen den drei Begriffen oft nicht unterschieden.

Auf weitere Konsequenzen aus diesem Begriffswirrwarr und Vorschläge zu seiner Behebung wird im Kapitel 7 eingegangen.

6.    Weitere Probleme

6.1.  Verstehen und Produzieren von Wörtern und Sätzen, Sprache und Denken

Zitate

BW

In der Sprache sind die einzelnen Wörter gewöhnlich zu Sätzen oder Satzteilen (Phrasen) zusammengefügt. Mithilfe der Syntax (Satzlehre) einer Sprache, welche die Wortreihenfolge festlegt, führen sie zu Bedeutungseinheiten oder Aussagen, den Propositionen. In der Linguistik wird die kleinste Wissenseinheit, die eine unabhängige Aussage, also einen Bedeutungsinhalt, darstellen kann, als Proposition bezeichnet.

Proposition: Eine Proposition ist eine (abstrakte) Bedeutungseinheit, die eine Beziehung zwischen Konzepten, Gegenständen oder Ereignissen ausdrückt. Sie wird auch als kleinste Wissenseinheit bezeichnet. Aufgrund verschiedener experimenteller Untersuchungsergebnisse wird angenommen, dass Propositionen in unserem Gehirn in einer nichtsprachlichen, nonlinguistischen Form repräsentiert sind, denn die gleichen Propositionen – semantischer Inhalt – können, wie im oben genannten Beispiel, durch unterschiedliche konkrete Sätze ausgedrückt werden (S. 424)

Im Gedächtnis scheinen die Bedeutungen in semantischen oder propositionalen Netzwerken repräsentiert zu sein, die aus Konzepten beziehungsweise Propositionen und Verbindungen zwischen diesen Konzepten oder Propositionsknoten bestehen (S. 425).

Einerseits erleben wir in uns einen Gedankenstrom, den wir gewissermaßen im Geiste „hören“ können und der sprachliche Ähnlichkeit zeigt. Dieses Denken wird als propositionales (bedeutungsbezogenes) Denken bezeichnet. Andererseits erleben wir einen eher bildhaft ablaufenden Gedankenstrom, der mit Vorstellungen verbunden ist, die wir im Geiste „sehen“ können. Er wird als bildhaftes Denken bezeichnet. Daneben lässt sich eine weitere Gedankenart festmachen, die eher mit mentalen Bewegungsabläufen korrespondiert. Dies wird als motorisches Denken bezeichnet. Weiter unterschieden werden kann zwischen diskursivem (zergliederndem, logisch schließendem) und intuitivem (gefühlsartigem, einfallsproduzierendem) Denken. Produktives Denken bezeichnet das Denken, das völlig neue Ergebnisse hervorbringt, wie es bei schöpferischen Menschen zu beobachten ist.

In der neueren kognitiven Psychologie werden die oben angesprochenen Funktionen des Denkens dagegen unter dem Label der Wissensrepräsentation abgehandelt. Hier wird unterschieden zwischen bedeutungsbezogener Wissensrepräsentation, zu der das propositionale Denken zählt, und der wahrnehmungsbezogenen Wissensrepräsentation, zu der das bildhafte Denken zählt. Man geht hier im Wesentlichen von zwei Arten der mentalen Repräsentation aus, wie dies von den Vertretern der Theorie der dualen Codierung, insbesondere von Paivio, postuliert wurde, und unterscheidet:

  1. Verbales Denken oder propositionales (bedeutungshaftes) Denken. Diese Repräsentationsart entspricht dem, was wir in unserem Innern gewissermaßen gesprochen „hören“ können.
  2. Bildhaftes Denken: oder analoges Denken. Diese Repräsentationsart erleben wir eher als bildhafte, meistens visuelle, innerliche, sichtbare Vorstellungen. (S. 452)

… wobei unter Repräsentation allgemein zunächst jedwede Notation verstanden wird, die ein Objekt, eine Eigenschaft oder eine Beziehung repräsentiert, auch wenn diese nicht selbst anwesend ist, so wie zum Beispiel das gesprochene, geschriebene oder gedruckte Wort „Buch“ das reale Buch repräsentiert (S. 452)

MR

Sprache ermöglicht es Menschen, ihr Wissen untereinander zu kommunizieren. Die enge Verbindung von Wörtern und Konzepten hat viele Psychologen beschäftigt. Sind Wörter einfach sprachliche Benennungen von sprachunabhängigen Konzepten und Kategorien oder hängen unsere Konzepte und Kategorien davon ab, welche Sprache wir sprechen? Die radikalste Sichtweise, die heutzutage niemand mehr vertritt, besagt, dass Denken ohne Sprache nicht möglich sei. Diese Sicht würde die wenig plausible Implikation haben, dass man Tieren, Babys oder Aphasikern Denkfähigkeit absprechen müsste. Eine demgegenüber abgemilderte Sicht wurde u. a. von Whorf (1956) formuliert. Er hat die Doktrin des linguistischen Determinismus entwickelt, dem zufolge Sprache unser Denken determiniert. Er ging zwar davon aus, dass es vorsprachliches Denken gibt, war aber der Meinung, dass dieses Denken so lange unstrukturiert und chaotisch sei, bis es durch die Muttersprache strukturiert wird. Auch Whorfs Sicht wurde mittlerweile weitgehend aufgegeben (S. 386)

Wie kann man sich also das Wechselspiel von Sprache und Kategorien nach derzeitigem Erkenntnisstand vorstellen? Eine gemäßigtere Sicht, die in den letzten Jahren zunehmend empirisch gestützt wird, geht von einer wechselseitigen, wenngleich grundsätzlich reversiblen Beeinflussung zwischen Sprache und Denken aus. So wird vermutet, dass die linguistischen Kategorien der Muttersprache bestimmte Erfahrungsdimensionen zugunsten anderer hervorheben und damit das Denken in subtiler Weise beeinflussen (S. 387)

In den Modellen der Sprachproduktion, an die wir uns bei der Beschreibung der Prozesse der Wortproduktion anlehnen, werden drei globale Funktionen unterschieden: Konzeptualisieren, Formulieren (syntaktisches und phonologisches Codieren) und Artikulieren (S. 452)

Das Konzeptualisieren ist ein nichtsprachlicher Prozess, in dem Konzepte vom Langzeitgedächtnis in das Kurzzeitgedächtnis überführt und bearbeitet werden. Formulieren und Artikulieren hingegen sind sprachliche Prozesse. Konzeptualisieren bezeichnet die Erstellung einer vorsprachlichen Botschaft. Die Einheiten der vorsprachlichen Botschaft sind sogenannte lexikale Konzepte, für die es – auf der sprachlichen Ebene – Wörter gibt. Beim Konzeptualisieren werden diese lexikalen Konzepte in eine Reihenfolge gebracht, die die Abfolge der Wörter in der syntaktischen Struktur der Äußerung mitbestimmt (Linearisierung). Die Funktion des Formulators ist es, diese syntaktische Struktur zu erstellen (S. 454)

Spätestens wenn die Konkurrenz zwischen aktivierten Lemmata abgeschlossen und das richtige Lemma ausgewählt ist, kann die lautliche Form erstellt werden. Dazu aktiviert ein Lemma Einträge auf der Wortformebene. Die vom Lemma angesprochene Wortform (oder Wortformen) entsprechen den Morphemen, aus denen das zum Lemma gehörige Wort aufgebaut ist. Für die korrekte Codierung der Deklinations- und Konjugationssuffixe werden von der konzeptuellen Ebene diakritische Parameter der Lemmas aktiviert. Die vorsprachliche Botschaft diktiert, ob die Äußerung sich auf Vergangenes oder Gegenwärtiges, auf eine oder auf mehrere Instanzen eines lexikalen Konzepts bezieht. Diakritische Parameter sind z. B. [Plural] oder [Gegenwart]; sie verweisen auf die benötigten Suffixe, die als Wortform gespeichert sind und mit denen Wortstämme regelhaft kombiniert werden können (S. 455).

KS

Sowohl propositionale als auch analoge Repräsentationen gehören zur Klasse der relationalen Repräsentationen … Sie unterscheiden sich darin, welche Relationen sie verwenden und welche Elemente sie damit in Beziehung zueinander setzen. Propositionale Repräsentationen sind bedeutungsbezogen. Sie beruhen auf einer hypothetischen „language of thought“. Ihre Einheiten sind Symbole, die nach einem Regelsystem, einer mentalen Syntax, zu Propositionen kombiniert werden können. Unter einer Proposition versteht man eine Aussage, die einen Wahrheitswert hat (das heißt, sie kann wahr oder falsch sein). Propositionen können als Strukturen aus einem Prädikat und mehreren Argumenten geschrieben werden; das Prädikat wird in natürlicher Sprache meist durch das Verb ausgedrückt, die Argumente durch die übrigen Komponenten eines Satzes. Der Satz „Der Blitz verursachte einen Waldbrand“ kann beispielsweise als Proposition geschrieben werden: CAUSE (Blitz, Waldbrand, Vergangenheit), wobei „CAUSE“ für das Prädikat „Verursachung“ steht, dem zwei obligatorische Argumente (die Ursache und die Folge) sowie ein optionales Argument (die Zeit) in einer festgelegten Reihenfolge zugeordnet werden. Man kann Propositionen auch als Graphen (das sind Strukturen aus Knoten und Kanten) darstellen. Propositionen können miteinander verknüpft werden, indem eine Proposition als Argument in eine andere eingeht, beispielsweise in DENKEN (Julia, CAUSE (Blitz, Waldbrand, Vergangenheit)) („Julia denkt, dass der Blitz einen Waldbrand verursacht hat“) … (S. 184).

HE

Sprachliche Kommunikation dient letztlich der Synchronisation von mentalen Zuständen: Ein Sprecher (oder Schreiber) will, dass der Hörer (oder Leser) versteht, was er ihm mitteilen will, was nichts anderes heißt, als das der Hörer/Leser in etwa gleiche konzeptuelle Strukturen in seinem Gedächtnis aktivieren soll, wie die, die seiner Mitteilung zugrunde lagen. Gleichzeitig besteht das Bemühen um das Verstehen der Mitteilung, was wiederum nichts anderes heißt, als das Bemühen, dem Gehörten oder Gelesenen eigene mentale Zustände zuzuordnen, die denen des Anderen möglichst entsprechen. Durch diese ständige interindividuelle Synchronisation mentaler Zustände werden nicht nur das Repertoire der verwendeten Sprache, sondern auch die repräsentierten konzeptuellen Strukturen fortlaufend differenziert und erweitert. In der Konsequenz wird unser Wissen über die Welt auf wenigstens zweierlei Weise erworben: auf der einen Seite durch Abstraktionen über Handlungserfahrungen in der aktiven Auseinandersetzung mit der gegenständlichen Welt und auf der anderen Seite durch Abstraktionen über sprachlichen Aussagen in der sozialen Kommunikation. Der Wissenserwerb schöpft aus beiden Quellen: Wir lernen, die im Handeln entstehenden konzeptuellen Strukturen zu kommunizieren, und wir ordnen unser konzeptuelles Wissen nach den Strukturen sprachlicher Kommunikation (S. 98).

Handlungsschemata sind auch eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Verstehen von Sätzen. Einfache Sätze wie z. B. „Der Arzt untersucht den Patienten in der Klinik“, „Der Lehrer gibt seinen Schülern Hausaufgaben auf “ oder „Der Kommissar fragt den Verdächtigen nach seinem Alibi“ werden vermutlich unmittelbar beim Hören oder Lesen entsprechenden Schemata zugeordnet und kontinuierlich mit den dort gespeicherten Informationen ergänzt (S. 102).

Konzepte und ihre Verknüpfungen in Handlungsschemata, Frames oder Skripts abstrahieren aus dem steten Strom der im gegenstandsbezogenen Handeln beachteten Sinneseindrücke das Invariante, Häufige und/oder Typische. Gleiches geschieht im sprachlichen Handeln. Invariante, häufige und/oder typische Aussagen führen ebenfalls zu entsprechenden konzeptuellen Abstraktionen. Die in der Folge untereinander verbundenen konzeptuellen Strukturen repräsentieren in ihrer Gesamtheit unser Wissen über die Welt, ergänzt durch linguistisches Wissen über Eigenschaften der Sprache (S. 107).

Neben den begrifflichen Kategorien beeinflussen auch andere semantische Wissensstrukturen das Enkodieren und Abrufen. Solche Strukturen sind Repräsentationen von Objekten, Personen, Ereignissen und Handlungen (Propositionen) sowie typische Abfolgen von Ereignissen und Handlungen (Skripts) und typische räumliche Beziehungen zwischen Objekten (Frames) (S. 145).

Auswertungen

Einige Psychologen räumen dem linguistischen Terminus „Proposition“ eine zentrale Stellung in ihren Überlegungen und Forschungen zur Sprache ein. Er ist Bestandteil der linguistischen Semantik und geht auf Frege, einem Begründer der Semiotik zurück. Mit Propositionen sind sehr formalistische Betrachtung verbunden. Der Terminus ist sowohl in der Linguistik als auch in der Philosophie höchst umstritten. Es gibt „eine verwirrende Fülle von Definitionen von Propositionen“ (Sandkühler et al. 2010, 189b). In Semantik und Sprachphilosophie werden verschiedene Auffassungen zur näheren Bestimmung von Propositionen vertreten (Wiki).

Dies führt dann auch zu unterschiedlichen Erklärungen und Verwendungen dieses Terminus in der psychologischen Literatur. So wird eine Proposition bezeichnet als „eine (abstrakte) Bedeutungseinheit, die eine Beziehung zwischen Konzepten, Gegenständen oder Ereignissen ausdrückt“ oder als „kleinste Wissenseinheit“. Angeblich wird „in der Linguistik … die kleinste Wissenseinheit, die eine unabhängige Aussage, also einen Bedeutungsinhalt, darstellen kann, als Proposition bezeichnet“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 424). Es dabei unklar, um was für eine Beziehung es sich handeln soll oder wie man Wissenseinheiten erklärt und der Größe nach geordnet. In der linguistischen Semantik wird zudem die kleinste Bedeutungseinheit eines Wortes nicht als Proposition, sondern als Sem oder semantisches Merkmal bezeichnet (Glück und Rödel 2016, S. 603).

Die Probleme im Umgang mit Proposition und zeigen sich auch darin, dass nicht zwischen Propositionen als linguistische Termini und ihren mentalen Repräsentationen unterschieden wird. So findet man etwa die Formulierungen: „Propositionale Repräsentationen sind bedeutungsbezogen. Sie beruhen auf einer hypothetischen „language of thought“. Ihre Einheiten sind Symbole, die nach einem Regelsystem, einer mentalen Syntax, zu Propositionen kombiniert werden können. … Unter einer Proposition versteht man eine Aussage, die einen Wahrheitswert hat (das heißt, sie kann wahr oder falsch sein). Propositionen können als Strukturen aus einem Prädikat und mehreren Argumenten geschrieben werden; … Man kann Propositionen auch als Graphen (das sind Strukturen aus Knoten und Kanten) darstellen“ (Kiesel und Spada 2018, S. 184). Es ist schwer vorstellbar, dass solche formalen Strukturen wie DENKEN (Julia, CAUSE (Blitz, Waldbrand, Vergangenheit)) als mentale Objekte gespeichert sind.

Erstaunlich ist, dass im Ergebnis von Forschungen ein Modell begründet werden kann, nach dem Propositionen im Gedächtnis eine mentale Entsprechung haben sollen und sogar ein propositionales Netzwerk mit „Propositionsknoten“ bilden.

Eher nachvollziehbar sind die Positionen von Hoffmann und Engelkamp (2017), die als Modell zur Produktion und Rezeption von Sätzen Handlungsschemata, die sich auf bestimmte Geschehenstypen beziehen, benutzen. In ihren Überlegungen zum Wissenserwerb (Hoffmann und Engelkamp 2017, S. 98) haben sie eine wesentliche Quelle der Bildung neuer mentaler Zustände nicht genannt, nämlich die Herstellung von neuen Assoziationen und die Bildung neuer Konzepte durch eigenes Denken. Dieser Prozess findet rein im Mentalen statt. Erst wenn die neuen Gedanken entäußert werden in Form von gesprochenen Wörtern und Texten, entstehen nichtmentale Objekte, die dann Gegenstand weiterer Kommunikation sein können.

6.2.  Bedeutung von Wörtern und Begriffen

Nach Helmut Gipper, Autor der Stichworte „Bedeutung“ und „Bedeutungslehre“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie, ist der Begriff der Bedeutung in Bezug auf Elemente der Sprache mit zahlreichen Problemen verbunden (Ritter et al. 2007, Bd. 1, S. 757 ff.).

Nach Ludwig Wittgenstein haften Bedeutungen nicht an Wörtern, sie bekommen ihren Wert auch nicht in Relation zu anderen Wörtern, sondern sie sind Regeln im Gebrauch von Wörtern. „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ (Wittgenstein und Schulte 2001, § 43). Ausgehend von Wittgenstein und Frege hat sich „Heute […] sowohl in der Linguistik als auch in der Begriffsgeschichtstheorie ein Verständnis von „Bedeutung“ durchgesetzt, dass vom Gebrauch, also von der Praxis ausgeht. Bedeutungen haben weder psychische noch physikalische Eigenschaften, sondern es sind im Gebrauch von Zeichen sich manifestierende Regelmäßigkeiten“ (Müller und Schmieder 2020, S. 69–70). Auch nach Adi Ophir ist der Begriff keine mentale, semantische oder logische Einheit, sondern ein Prinzip der diskursiven und performativen Tätigkeit (Ophir 2012, S. 5). Ein bedeutender Vertreter der historischen Semantik und Begriffsgeschichte, Reinhart Koselleck, „war […] der Auffassung, dass es sich bei den von ihm untersuchten Begriffen bzw. Grundbegriffen nicht um kognitive Einheiten handelt, sondern um eine bestimmte Klasse von Wörtern, und zwar Wörtern von besonderer Bedeutung in historischer und pragmatischer Hinsicht“ (Müller und Schmieder 2020, S. 73).

Eine eigenartige Auffassung zum Begriff „Bedeutung“ vertritt Frege. Bei ihm wird mit „Bedeutung“ „der Referent eines Begriffs, also dasjenige bezeichnet, worauf er sich in der Realität zieht“ (Müller und Schmieder 2020, S. 68).

Die Ursache für diese Hinwendung zur Bestimmung der Bedeutung von Wörtern und Begriffe durch Analyse ihres Gebrauchs an der Sprache liegt nach Müller und Schmieder (2020) daran, “dass, in der Vorstellung situierte Bedeutungen sich der Beobachtung entziehen würden.“ Der Begriff „Bedeutung“ wäre deshalb „ein notorisch unklarer Begriff“ (Müller und Schmieder 2020, S. 69).

In der analytischen Sprachphilosophie wird von der Festlegung der Bedeutung von Ausdrücken durch Einführung der Ausdrücke gesprochen. „Um beiden Tatsachen gerecht zu werden und zugleich den Zusammenhang zwischen Ausdruck und ­Bedeutung in die Betrachtung einzustellen, wird in der Folge von der Einführung von Ausdrücken resp. der Festlegung der Bedeutung von Ausdrücken gesprochen: Indem ein Ausdruck (= Begriff (1)) eingeführt wird, erfolgt die Festlegung seiner Bedeutung (= Begriff (2)). Fasst man dann nach (4) die Bedeutungen von Prädikatoren als Begriffe, dann werden diese durch die Einführung des zugehörigen Prädikators festgelegt bzw. gebildet“ (Sandkühler et al. 2010, S.236u). Bedeutung ist hiermit eine Kategorie des entäußerten Mentalen und wird in sehr eingeschränkter Weise erklärt.

Manchmal wird anstelle von Bedeutung eines Wortes auch vom Inhalt des Wortes gesprochen, wobei der Begriff Inhalt ebenso unklar wie Bedeutung bleibt. „Seit man das Wort als Einheit von Lautung und Inhalt begreifen gelernt hat und weiß, daß der Inhalt, also das, was bislang mit dem vieldeutigen Ausdruck Bedeutung mehr verdeckt als freigelegt wurde, integrierender Bestandteil eines sprachlichen Systems ist, der prinzipiell von der außersprachlichen Sache durch eine Kluft getrennt bleibt, ist die Bedeutungslehre in die Lage versetzt, dem Wesen der sprachlichen Bedeutung näherzukommen“ (Ritter et al. 2007, Bd. 1, 761).

In der Psychologie dagegen werden Bedeutung von Wörtern und Begriffen oft auch als mentale Kategorien aufgefasst und teilweise mit Konzept als mentale Kategorie gleichgesetzt, wie die folgenden Zitate belegen:

  • „Weiter haben wir zu unterscheiden zwischen Wörtern und deren Bedeutung bzw. Konzept. […] Das heißt, die Wortbedeutung ist das Konzept, das durch das Wort benannt wird“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 423).
  • „Unser Wissen über die Bedeutung von Wörtern wird dagegen nicht als Teil des sprachlichen mentalen Lexikons angesehen, sondern als konzeptuelles Gedächtnis verstanden, in welchem die Wortbedeutungen in Form von Konzepten und ihren Beziehungen untereinander im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Konzepte (Bedeutungen) sind im Prinzip unabhängig von der jeweiligen Sprache und werden als vorsprachliche Einheiten verstanden“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 428).
  • „… Dass zur Bedeutung von Wörtern auch sensomotorische Informationen gehören, wird durch die Aktivierung von Hirnarealen, die Handlungs- und Wahrnehmungsaspekte codieren, belegt“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 444).
  • „Im Gedächtnis scheinen die Bedeutungen in semantischen oder propositionalen Netzwerken repräsentiert zu sein, die aus Konzepten beziehungsweise Propositionen und Verbindungen zwischen diesen Konzepten oder Propositionsknoten bestehen“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 425).

Der Begriff „Bedeutung“ kann sowohl im mentalen Sinne als auch als entäußertes Mentales verstanden werden. Wenn durch mündliche oder schriftliche Äußerungen etwa in einem Wörterbuch erklärt wird, was mit dem Wort oder Begriff gemeint ist, so handelt es bei der Darstellung um Bedeutung i.e.S.

Bedeutung i.m.S. eines Wortes bzw. Begriffs ist mit dem Wort i.m.S. bzw. dem Begriff i.m.S. identisch. Dies entspricht der Auffassung in der Psychologie, in der allerdings Wort i.m.S. bzw. Begriff i.m.S. als Konzepte bezeichnet werden.

In der Alltagssprache wird „Bedeutung“ auch als Bedeutsamkeit, Wichtigkeit, Sinnhaftigkeit, Geltung verstanden (DWDS), was sich nicht auf „Bedeutungen eines Wortes“ im mentalen Sinne übertragen lässt.

6.3.  Zur Bildung von Begriffen i.m.S.

Zitate

BW

Wie aber unterscheiden wir nun im Einzelfall, ob etwas Gesehenes oder Gehörtes ein zugehöriges Beispiel eines Konzeptes ist? … Vergleichen wir dabei im Gedächtnis verschiedene einzelne Merkmale, die laut einer Definition vorhanden oder nicht vorhanden sein müssen? Entscheiden wir also aufgrund kritischer Merkmale, im Sinne der kritischen Merkmalstheorie? Oder haben wir ein Cluster von Merkmalen, die typischerweise, also mit hoher Wahrscheinlichkeit, vorhanden sein sollten, wobei prototypische Beispiele des Konzeptes eine größere Menge dieser Merkmale aufweisen als vielleicht weniger typische, also im Sinne der Prototypentheorie? Oder aber haben wir eine Liste aller bisher erlebten Beispiele oder Exemplare eines Konzeptes im Kopf und entscheiden danach im Sinne einer exemplarbasierten Theorie? Für alle drei Erklärungsansätze gibt es sowohl Vertreter und Evidenzen als auch Gegenevidenzen (S. 453/454).

MR

Das zahlenmäßig dominierende Forschungsfeld im Bereich der Kategorisierungsforschung beschäftigt sich mit der Frage, wie Kategorien kognitiv repräsentiert sind und wie neue Objekte bereits vorhandenen Kategorien zugeordnet werden (S. 359).

Ähnlichkeitsbasierte Ansätze: Wir fassen diejenigen Objekte oder Ereignisse zu einer Kategorie zusammen, die sich ähnlich sind. Dieses Verfahren erzeugt Klassen, bei denen die Ähnlichkeit innerhalb der Kategoriengrenzen maximiert und die Ähnlichkeit zwischen Kategorien minimiert wird.

  • Die klassische Sicht: die bis in die 1960er Jahre dominierte, geht davon aus, dass Konzepte durch definierende Merkmale ausgezeichnet sind, die die notwendigen und hinreichenden Bedingungen der Kategorienzugehörigkeit spezifizieren (S. 359).
  • Die Prototypensicht: Eine Alternative zur klassischen Sicht bieten Theorien, die von Smith und Medin (1981) unter dem Oberbegriff „probabilistische Sicht“ oder Prototypensicht zusammengefasst wurden. Gemäß dieser Sicht werden Kategorien als Bündel von Merkmalen repräsentiert, die typisch oder charakteristisch für die Kategorie sind, aber nicht unbedingt notwendig oder hinreichend (S. 361).
  • Die Exemplarsicht: Exemplartheorien verkörpern einen gegenüber der Prototypensicht radikal unterschiedlichen Ansatz, denn sie gehen nicht davon aus, dass beim Lernen eine abstrakte Repräsentation des Prototyps aufgebaut wird. Vielmehr wird angenommen, dass wir uns beim Lernen einer Kategorie die einzelnen Exemplare zusammen mit der Kategorienbezeichnung einprägen. Ein neues Exemplar wird nun dadurch kategorisiert, dass es uns an diese früher gesehenen Exemplare mehr oder weniger erinnert und dass wir annehmen, es gehöre vermutlich der gleichen Kategorie an wie diejenigen Exemplare, denen es insgesamt am ähnlichsten ist (S. 363).
  • Theorie der Entscheidungsgrenzen: Die Grundannahme der Theorie der Entscheidungsgrenzen ist, dass die perzeptuelle Information über einen Stimulus mit einer gewissen Variabilität behaftet ist. Diese Annahme hat zur Folge, dass die perzeptuelle Identifikation eines bestimmten Stimulus ähnliche Prozesse erfordert wie die Kategorisierung von Stimuli. In beiden Aufgaben müssen variable Stimuli auf einzelne Reaktionen (z. B. Namen von Einzelobjekten oder Kategorienbezeichnungen) abgebildet werden (S. 364).
  • Theorien multipler Systeme: In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Theorien vorgeschlagen, die von multiplen Kategorisierungssystemen ausgehen. Zunehmend mehr Ansätze postulieren, dass verschiedene Systeme, beispielsweise ein regel- und ein exemplarbasiertes System, bei einer Kategorisierungsaufgabe zusammenarbeiten oder dass es interindividuelle oder auch übungsabhängige intraindividuelle Unterschiede bei der Nutzung der einzelnen Systeme gibt (S. 367).

Die Theoriensicht: Die Probleme ähnlichkeitsbasierter Theorien haben eine Reihe von Kognitions- und auch kognitiven Entwicklungspsychologen zu einer alternativen Sichtweise gebracht, die davon ausgeht, dass Konzepte wissensbasiert sind und von intuitiven Theorien über die Welt beeinflusst werden. … Die Merkmale „kann fliegen“ und „hat Flügel“ beim Konzept „Rotkehlchen“ stehen in einer relationalen Beziehung, die einen Teil unseres Konzeptwissens ausmacht (S. 372). Dieses Beispiel belegt erneut, dass Merkmale nicht objektiv vorfindliche Eigenschaften der Daten sind, sondern eine Konstruktion, die aus der Interaktion von Theorie (top-down) und Daten (bottom-up) resultiert (S. 373).

Im Mittelpunkt der Kategorisierungsforschung steht von jeher die Frage, wie Kategorien gebildet werden und welche Eigenschaften sie haben. Dieser Forschungsstrategie liegt die Annahme zugrunde, dass Kategorien unabhängig von ihren Nutzungskontexten stabil und invariant sind. Begründet wurde diese Position häufig mit dem Argument von Rosch und Mervis (1975), dass unsere Konzepte mentale Repräsentationen von Merkmalskorrelationen sind, die sich objektiv in unserer Umwelt finden lassen. Diese naive Widerspiegelungstheorie wurde in den letzten Jahren zunehmend infrage gestellt. So hat man begonnen zu untersuchen, welche Funktionen Kategorien erfüllen können. Dabei hat sich herausgestellt, dass es häufig eine Wechselwirkung zwischen den Kontexten der Kategoriennutzung und der Kategorienstruktur gibt, die die traditionelle Strategie der Untersuchung von Kategorien infrage stellt. Auch ethnologische und anthropologische Untersuchungen über Kategorien in anderen Kulturen haben das Augenmerk zunehmend auf kontextuelle Einflussfaktoren gerichtet. Dabei wurde deutlich, dass Kategorisierung ein wesentlich komplexerer Prozess ist, als es frühere Theorien vermuten ließen (S. 384/385)

Der Einfluss von Zielen und pragmatischen Kontexten: Barsalou war einer der Ersten, der gezeigt hat, dass Kategorien ad hoc im Hinblick auf aktuelle Ziele gebildet werden können. Typische Beispiele solcher Ad-hoc-Kategorien sind etwa „Dinge, die man auf einen Campingtrip mitnimmt“ oder „Dinge, die man aus einem brennenden Haus trägt“.

Konzeptuelle Kombination: Konzepte können auch kombiniert werden. So ist es uns möglich, die Konzepte „Erdbeere“ und „Allergie“ zu dem Konzept „Erdbeerallergie“ zusammenzufügen und damit einen Sachverhalt ausdrücken, der durch die Elemente allein nicht bezeichnet wird. Diese Möglichkeit der Kombination ermöglicht ein hohes Maß an Produktivität bei der Nutzung kategorialen Wissens. Bislang gibt es keine Theorie der konzeptuellen Kombination, die allen Phänomenen gerecht wird (S. 386).

Kategorien und Induktion: … haben ein einflussreiches Modell der kategorienbasierten Induktion entwickelt. Die Hauptidee ist, dass die Ähnlichkeit zwischen Exemplaren und Kategorien den Induktionsprozess steuert (S. 388).

Auswertungen

Anstelle von Begriffen im mentalen Sinne wird in der angegebenen Literatur von Kategorien gesprochen. Auf die Probleme des Begriffs „Kategorie“, der sowohl im mentalen als auch im entäußerten Sinne verwendet werden kann, wurde bereits in 5.3.2 eingegangen. In den Zitaten aus dem Lehrbuch MR wird bei folgender Formulierung der Begriff „Kategorie“ im entäußerten Sinne verwendet: „Wir fassen diejenigen Objekte oder Ereignisse zu einer Kategorie zusammen, die sich ähnlich sind. Dieses Verfahren erzeugt Klassen, bei denen die Ähnlichkeit innerhalb der Kategoriengrenzen maximiert und die Ähnlichkeit zwischen Kategorien minimiert wird“ (Müsseler und Rieger 2017, S. 359). Im restlichen Text wird dann bei der Angabe von Resultaten aus der Kategorisierung von der Begriff Kategorie immer im mentalen Sinne benutzt.

Zu Ergebnissen der psychologischen Forschungen im mentalen Bereich lassen sich Parallelen zu Theorien i.e.S. herstellen.

  • Dies betrifft etwa die Prototypensicht oder die Exemplarsicht. Man kann Erkenntnisse eben auch durch Prototypen oder Aufzählung von Beispielen charakterisieren.
  • Die Ergebnisse zur Theoriesicht korrespondieren mit der Interpretation statistischer Daten die erst durch Verknüpfung mit eigenen Vorstellungen, Konzepten oder Theorien interpretiert werden.

Interessant für philosophische Betrachtungen sind auch die psychologischen Ergebnisse zur Widerspiegelungstheorie, nach der mentale Kategorien Repräsentationen von Merkmalstrukturen der Realität sind. Die Forschungen haben gezeigt, dass auf die Bildung von Kategorien auch Faktoren Einfluss haben, die sich aus dem Kontext ihrer Bildung ergeben, wie etwa aktuelle Erfordernisse, die Kombination von bereits gebildeten Kategorien oder der Einfluss der Sprache. Bezogen auf wissenschaftliche Begriffe und Theorien heißt dies, dass sie nicht nur als Reflexionen realer Zusammenhänge konstituiert werden, sondern dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa mit der Theorie verfolgte Ziele oder auch sprachliche Faktoren. Die Überlegungen zur Auswahl von Termini, in die Besonderheiten ihrer sprachlichen Verwendung eingehen, sind ein Beispiel dafür.

6.4.  Arten von Begriffen i.m.S.

Zitate

MR

Ein auffälliges Merkmal ähnlichkeitsbasierter Theorien ist, dass sie in der Regel nicht zwischen unterschiedlichen Typen von Kategorien unterscheiden. Im Rahmen der Theoriensicht hingegen wurde zunehmend Interesse daran entwickelt, sich unterschiedliche Kategorien, die wir in unserem Alltag verwenden, genauer anzusehen, um die Frage zu untersuchen, ob verschiedene Inhaltsbereiche auch einhergehen mit Unterschieden in der Struktur und der Verarbeitung von Kategorien (S. 374).

  1. Natürliche Arten vs. Artefakte: Eine wichtige Unterscheidung, die im Rahmen der Theoriensicht gemacht wurde, ist die zwischen natürlichen Arten (natural kinds), die sich auf in der Natur vorfindliche Objekte wie Tiere, Mineralien, Pflanzen, Flüssigkeiten usw. beziehen, und Artefakten, die Objekte bezeichnen, die von Menschen geschaffen wurden (z. B. Auto, Regenschirm, Vase).
    1. Natürliche Arten: Viele Untersuchungen zu natürlichen Arten wurden von der Position des psychologischen Essenzialismus inspiriert, die davon ausgeht, dass Menschen sich so verhalten, als hätten die Dinge, die sie umgeben, eine tiefer liegende Essenz, die sie zu den Dingen macht, die sie sind.
    2. Artefakte: Im Gegensatz zu natürlichen Arten werden Artefakte nicht mit einer inneren Essenz in Verbindung gebracht, sondern primär mit funktionalen Merkmalen
  2. Kausale Kategorien: Eine andere Möglichkeit, die Unterschiede zwischen verschiedenen Kategorien wie natürlichen Arten und Artefakten zu begründen, besteht darin, dass man von Unterschieden in der zugrunde liegenden kausalen Struktur ausgeht. So hat Ahn (1998) die Hypothese formuliert, dass die Zentralität von Kategorienmerkmalen von ihrem kausalen Status abhängt. Ahn geht davon aus, dass generell Merkmale, die Ursachen bezeichnen, eine größere Bedeutung haben als Merkmale, die Effekte bezeichnen (S. 375)
  3. Andere Arten von Kategorien: Die Kategorienforschung hat viele Jahre so getan, als seien Objektkategorien, die sich durch Nomen benennen lassen, die einzige Art von Kategorien. In den letzten Jahren kommen aber zunehmend auch andere Kategorientypen in den Blick, die andere Theorien erfordern. So haben Gentner und Mitarbeiter ihr Augenmerk auf die Unterscheidung zwischen Nomen und Verben gelegt. Während Nomen eher Cluster von korrelierten Merkmalen bezeichnen, die zu perzeptuellen Chunks führen, beziehen sich Verbkategorien eher auf zeitlich ausgedehnte Ereignisse, die kausale Relationen zwischen Objekten, Aktivität oder Veränderungen codieren. Ereignisbezogene Relationen wurden auch in der Arbeitsgruppe von Klix und van der Meer untersucht. In diesen Studien wurde gezeigt, dass zwischenbegriffliche Relationen häufig als „Geschehenstypen“ in Form ereignisbezogener Netzwerke repräsentiert werden. Der Geschehenstyp Schule wird etwa als Netzwerk konzeptualisiert, in denen die Konzepte „Lehrer“, „Schüler“, „Unterricht“, „Wissen“, „Pause“ usw. durch ereignisbezogene Relationen verknüpft sind (S. 377).
    Ein weiterer Bereich, der bisher kaum untersucht ist, sind abstrakte Kategorien wie „Gerechtigkeit“ oder „Zeit“. Hierzu gibt es wenig Forschung. Ein Ansatz postuliert, dass solche Begriffe in Analogie zu konkreten, perzeptiven Kategorien verstanden werden. So gibt es Belege dafür, dass wir in vielen Fällen das Konzept der „Zeit“ mit Rückgriff auf räumliche Beziehungen verstehen.
    Eine wichtige aktuelle Debatte betrifft die Frage, ob Kategorien nach Inhaltsbereichen differenziert werden müssen. … Auch neuropsychologische Untersuchungen liegen zur Frage der Domänenspezifität kategorialen Wissens vor
HE

Jede Handlung hat einen Akteur, der die Handlung ausführt, und findet an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit statt. Die Handlung bezieht sich oftmals auf ein Objekt oder einen Rezipienten, sie wird gegebenenfalls mit einem Instrument ausgeführt und verfolgt ein bestimmtes Ziel usw. Alle diese Beziehungen entfalten eine Struktur mit festen Rollen. Wenn für die einzelnen Rollen immer wieder gleiche Besetzungen häufig genug erlebt (bzw. geschildert) werden, wird eine typische Besetzungskonfiguration als Handlungsschema abstrahiert. Handlungsschemata sind damit Repräsentationsstrukturen, in denen für jeweilige Handlungen das Wissen über typische Akteure, Objekte, Orte, Instrumente, Ziele usw. im Gedächtnis gespeichert wird (S. 101)

Frames: Repräsentationen räumlicher Beziehungen: Wir haben bereits besprochen, dass anschauliche Objektkonzepte bevorzugt durch eine globale Gestalt repräsentiert werden, die die typische räumliche Anordnung ihrer konstituierenden Teile repräsentiert. S. 103

Skripts: Repräsentationen zeitlicher Beziehungen: So, wie die Dinge oftmals auf typische Weise im Raum verteilt sind, folgen viele Ereignisse und Handlungen oftmals in einer typischen Weise aufeinander. S. 104

Auswertungen

Aus den empirisch ermittelten Arten von mentalen Kategorien können Schlussfolgerungen für Arten von Begriffen als Elemente von Theorien i.e.S. abgeleitet werden. Die bisherigen Klassifizierungen von Begriffsarten haben sich aus der theoretischen Analyse vorhandener Begriffe ergeben. Die psychologischen Untersuchungen legen es nahe, eventuell auch Begriffe zu unterscheiden, die sich auf in der Natur vorfindliche Objekte wie Tiere, Mineralien, Pflanzen, Flüssigkeiten usw. beziehen, und Artefakten, die Objekte bezeichnen, die von Menschen geschaffen wurden. Weiterhin könnten Begriffe, die kausale Zusammenhänge ein Geschehen erfassen, unterschieden werden.

Es gibt es Einflüsse der Philosophie auf die psychologische Forschung wie das Beispiel des Essenzialismus zeigt, der bei der Untersuchung natürlicher Arten von Kategorien eine Grundlage war.

Anders als in den anderen drei psychologischen Lehrbüchern wird bei Hoffmann und Engelkamp (2017) die Handlung als ein wesentliches Element der Gedächtnispsychologie angesehen. Damit hängen auch ihre Modelle Frames und Skripts zusammen. Als eine mentale Kategorie verwenden Sie den Begriff Handlungsschema.

6.5.  Strukturen von Begriffen i.m.S.

Zitate

BW

Man geht heute davon aus, dass unser konzeptuelles Wissen in unserem semantischen Langzeitgedächtnis wesentlich in Form sogenannter semantischer Netzwerke sowie propositionaler Netzwerke gespeichert wird. Dabei wird angenommen, dass innerhalb einer Sprach- und Kulturgemeinschaft durch den Sprachgebrauch sich gleichartige konzeptionelle Verbindungen und Abstraktionen entwickeln, über die wir alle verfügen. Diese Art semantischer Netzwerke ist … hierarchisch geordnet, sodass übergeordnete Sachverhalte auch für untergeordnete Kategorien gültig sind und diese somit aus ersteren abgeleitet werden können (S. 376).

MR

Taxonomien: Häufig sind Kategorien taxonomisch auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen angeordnet. Auf jeder Ebene gehört ein Exemplar zu einer aus einer Reihe alternativer, wechselseitig sich ausschließender Kategorien. So kann ein Pudel als Hund, Säugetier und Lebewesen kategorisiert werden. Ein Beispiel für eine frühe, einflussreiche Theorie zur Repräsentation taxonomischen Wissens stammt von Collins und Quillian. Diese Theorie geht davon aus, dass taxonomisches Wissen als hierarchisches Netzwerk von Knoten repräsentiert wird. Auf der obersten Ebene befinden sich Knoten, die übergeordnete Kategorien bezeichnen. Eine Ebene darunter sind dann die Knoten für die Kategorien, die den diesen untergeordneten Kategorien zugeordnet sind. Eine wichtige Beobachtung ist, dass es eine psychologisch privilegierte Ebene der Taxonomien gibt, bei der uns eine Reihe von Aufgaben am leichtesten fällt. Diese Ebene ist die mittlere Beschreibungsebene, die als Ebene der Basiskategorien bezeichnet wurde. Sehen wir beispielsweise ein bestimmtes vierbeiniges Tier, dann tendieren wir dazu, es primär als Hund und nicht als Tier oder als Pudel zu bezeichnen. „Hund“ ist eine Kategorie auf der Ebene der Basiskategorien, während „Tier“ eine übergeordnete und „Pudel“ eine untergeordnete Kategorie ist (S. 378).

Nichthierarchische Kategorienstrukturen: Viele Kategorien, die wir benutzen, lassen sich nicht in eine taxonomische Hierarchie bringen. Dies gilt vor allem für soziale Kategorien. So kann eine Person als „Frau“, „Liberale“, „Psychologin“ und „Tennisspielerin“ gleichzeitig kategorisiert werden, ohne dass es eine Über- oder Unterordnung gibt. Ein solches Nebeneinander möglicher Kategorien nennt man auch Kreuzklassifikationen (S. 381)

KS

Wie sehen die Wissensstrukturen aus, durch die Begriffe miteinander verknüpft werden? Eine der ältesten Ideen dazu ist die eines hierarchischen semantischen Netzwerks. In einem semantischen Netzwerk bilden die Begriffe so genannte Knoten, und die Verbindungen zwischen ihnen werden Kanten genannt. Das Rückgrat der Struktur nach Collins und Quillian bilden die Beziehungen zwischen Oberbegriffen und ihren Unterbegriffen. … Die Unterbegriffe erben die Merkmale der Oberbegriffe. So kann Wissen in einem Netzwerk ökonomisch repräsentiert werden. Das kognitive System kann aus dem Netzwerk ablesen, dass ein Kanarienvogel fliegen kann oder atmet, indem es die Kanten vom Unterbegriff „Kanarienvogel“ zum Begriff „Vogel“ und Oberbegriff „Tier“ verfolgt und die damit assoziierten Merkmale auf den Unterbegriff „Kanarienvogel“ anwendet (S. 180).

Die generelle Idee semantischer Netzwerke ist bis heute aktuell geblieben, auch wenn die meisten Theorien keine spezifischen Annahmen über die Struktur dieser Netzwerke mehr machen. Was von den frühen Netzwerktheorien bis heute aktuell bleibt, ist vor allem die Annahme der Aktivierungsausbreitung. Jeder Knoten in einem semantischen Netzwerk hat zu jedem Zeitpunkt einen Grad an Aktivierung. Je größer die Aktivierung, desto größer ist die Chance, dass dieser Knoten aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden kann. Aktivierung wird entlang der Kanten von einem Knoten zum anderen weitergeleitet. Je stärker eine Kante ist, desto mehr Aktivierung eines Knotens wird zum damit assoziierten Knoten geleitet (S. 182).

Auswertungen

Alle Ausführung in den Zitaten beziehen sich auf mentale Strukturen.

Das Modell der semantischen Netzwerke, mit dem die Struktur mentaler Repräsentationen von Begriffen i.m.S. im Gehirn beschrieben wird, ist auch für Begriffe i.e.S. von Interesse. Begriffe i.e.S. können als ein strukturiertes System von entäußerten Gedanken über Unterscheidungsmerkmale und Zusammenhänge charakterisiert werden.

Die in der psychologischen Forschung aufgestellten und verifizierten semantischen Netzwerke haben einen Doppelcharakter. Sie können bei der Begriffsexplikation zur Strukturierung des Wissens i.e.S. verwendet werden, das dann eine Grundlage für Lernprozesse ist. Auf der mentalen Ebene dienen die Netzwerke als Konstrukte für die tatsächlichen mentalen Strukturen.

7.    Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Vorschläge

Die Analysen in den ausgewählten Quellen aus der philosophischen, linguistischen und psychologischen Literatur haben ergeben, dass bisher in allen Wissenschaftsdisziplinen unzureichend zwischen dem Mentalen und dem entäußerten Mentalen unterschieden wird. Dies zeigt sich insbesondere in der Verwendung der Begriffe „Wort“, „Begriff“, „Konzept“, „Kategorie“ und „Bedeutung“, die jeweils im zweifachen Sinne verwendet werden können. Weiterhin werden Beziehungen zwischen diesen beiden Bedeutungen selten untersucht.

Während in der Linguistik mit Ausnahme der linguistischen Semantik verständlicherweise entsprechend ihres Gegenstandes der Schwerpunkt der Betrachtungen auf Wörtern, Begriffen und Sätzen als entäußertes Mentales liegt, beschäftigen sich die psychologischen Quellen, die der Allgemeinen Psychologie zugeordnet werden können, primär mit mentalen Zuständen, Strukturen und Prozessen. In beiden Wissenschaften wird aber das jeweils andere Moment oft nur verkürzt und sogar widersprüchlich eingeordnet. In der Philosophie, die die Aufgabe hat, die grundlegenden Begriffe beider Wissenschaften zu thematisieren, findet unverständlicherweise eine Beschränkung auf die Welt des entäußerten Mentalen statt. Eine Ausnahme ist nach meiner Einschätzung Hegel, der sich auch in der Welt des Mentalen bewegt.

7.1.  Zur Unterscheidung von mentalen und nichtmentalen Kategorien

Zum verständigen Formulieren von Texten ist eine Unterscheidung von mentalen und nichtmentalen Kategorien durch einen geeigneten Sprachgebrauch erforderlich. Gegenwärtig werden in allen Quellen die oben genannten fünf Begriffe und auch weitere ohne sprachliche Unterscheidung in beiden Bedeutungen verwendet. Zur Lösung des Problems gibt es einmal die Möglichkeit, die unterschiedliche Verwendung durch entsprechende Zusätze kenntlich zu machen oder für eine der Bedeutungen ein anderes Wort oder eine Wortkombination zu verwenden.

Zur Unterscheidung der Begriffe durch Attribute oder andere Zusätze

Wie in dem Text „Das entäußerte Mentale“ vorgeschlagen und in diesem Text mehrfach angewendet wurde, können die beiden Momente durch die Zusätze im mentalen Sinne (i.m.S.) bzw. im entäußerten Sinne (i.e.S.) unterschieden werden. Wenn aus dem Kontext hervorgeht, dass sich die Darlegungen auf das entäußerte Mentalen beziehen, kann auf den Zusatz i.e.S. verzichtet werden. Dies ist etwa bei linguistischen und den meisten philosophischen Arbeiten möglich.

Bei Begriffen, die mentale Zustände bezeichnen, wie Gedanke, Vorstellung oder Idee, kann im entäußerten Sinne von geäußerten Gedanken, Vorstellungen oder Ideen gesprochen werden.

Zur Unterscheidung durch gesonderte Bezeichnungen oder spezielle Formulierungen

Es wird vielfach von „mentalen Repräsentationen von Wörtern oder Begriffen“ gesprochen, wenn mentale Zustände gemeint sind, die einem entäußerten Wort oder Begriff entsprechen. Das Problem dieser Formulierung besteht allerdings darin, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass es Wörter und Begriffe nur als entäußertes Mentales gibt. Man kann dann nicht mehr davon sprechen, dass ein mentales Lexikon Wörter i.m.S. enthält und man in Begriffen i.m.S. denken kann. Es bleibt weiterhin unklar, was eine Repräsentation im Gehirn konkret bedeuten soll.

Wie dargestellt, hat es sich in der Psychologie eingebürgert von Konzepten oder Kategorien zu sprechen, wenn man Begriffe oder Wörter im mentalen Sinne meint. Die Wörter „Konzept“ und insbesondere „Kategorie“ haben aber sowohl in der Alltagssprache als auch in anderen Wissenschaften Bedeutungen, die mit ihrer Bedeutung als Begriff oder Wort im mentalen Sinne keine Gemeinsamkeiten haben. So besagt etwa die Formulierung „ein Konzept im Kopf zu haben“, dass die betreffende Person sich einen Plan für ein Ereignis oder ein Vorgehen gemacht hat, den sie dann auch etwa in schriftlicher Form darlegen kann. Aus diesen Gründen halte ich diese in der Psychologie praktizierte Variante der Unterscheidung der beiden Bedeutungen nicht für sinnvoll.

Hintergrund für die Vermeidung des Wortes „Begriff“ zu Bezeichnung mentaler Zustände in der Psychologie scheint mir die Tatsache zu sein, dass bei „Begriff“ vorrangig an die Welt des entäußerten Mentalen gedacht wird. Eine weitere Ursache dafür ist sicher auch, dass in der Philosophie keine entsprechenden begrifflichen Grundlagen geschaffen wurden.

Piaget hat in seinen Schriften zur Bezeichnung mentaler Zustände und Strukturen das Wort „Schema“ verwendet. Ein Schema „bezieht sich nicht nur auf organisierte Verhaltensmuster, sondern auch auf internalisierte Denkmuster“ (Mönks und Knoers 1996, S. 151). Als Ergebnis seiner entwicklungspsychologischen Untersuchungen stellt er fest: „Ab etwa dem 2. Lebensjahr verfügt das Kind neben sensomotorischen auch über kognitiv/operationale Schemata. Diese Schemata kann man als die Grundstrukturen des Denkprozesses bezeichnen“ (Mönks und Knoers 1996, S. 151). Wie die Literaturanalysen zeigen, hat sich diese Bezeichnung aber offensichtlich nicht durchgesetzt. Auch bei „Schema“ müsste zwischen Schema i.e.S. und Schema i.m.S. unterschieden werden.

In einigen psychologischen Arbeiten (Klix 1984, Hoffmann 1986) werden zur Unterscheidung der beiden Momente Begriffe und Wörter als mentale Zustände mit großen Buchstaben geschrieben. „Was die Organisation des menschlichen Gedächtnisses betrifft, so kann Klarheit darüber bestehen, dass die Begriffe als Festpunkte des Wissensbesitzes fungieren. [..] Ebenso klar ist, dass begriffliches Wissen nicht isoliert im Gedächtnis existiert. Wie ungezählte Assoziationsexperimente erkennen lassen, gibt es von einem Begriff aus bevorzugte Verbindungen zu anderen, darunter starke (wie z. B. VOGEL und NEST) oder schwächere (wie HUND und ZIEHEN) oder auch ausgeschlossene (wie HOBEL und JAGEN)“ (Klix 1984, S. 10). Aus dem Zitat ist erkennbar, dass „Begriff“ ohne weitere Zusätze im Sinne des nichtentäußerten Mentalen verwendet wird. Diese durchaus mögliche Unterscheidung durch das Schriftbild hat sich aber nach den referierten Literaturrecherchen offensichtlich nicht durchgesetzt.

Um Extrabezeichnungen oder spezielle Notationen zu vermeiden, kann man aber auch Wortkombinationen mit Begriffen, die nur im Sinne des Mentalen gebraucht werden, verwenden. Dies ist als Ersatz für Wort, Terminus und Begriff i.m.S. möglich, indem von strukturierten Gesamtheiten von Gedanken und Vorstellungen gesprochen wird, da Gedanken und Vorstellungen mentale Objekte sind.

Den Vorschlag von Stekeler-Weithofer (2010), das Wort „Begriff“ als Singularetantum zu verwenden, also als ein Wort, das nur im Singular gebraucht wird, scheint mir keine Lösung zu sein, man kann auf den Plural auch in der Wissenschaft nicht verzichten.

Insgesamt halte ich es aber für wichtiger, die beiden Bedeutungen klar zu unterscheiden und ihre Beziehungen zu thematisieren als über die Fragen geeigneter Bezeichnungen zu diskutieren.

7.2.  Zu „Wort“, „Terminus“ und „Begriff“

In der Welt des entäußerten Mentalen lassen sich Wort, Terminus und Begriff deutlich unterscheiden. Goethe hat dies im Faust I für Wort und Begriff mit folgenden Zeilen treffend zum Ausdruck gebracht[1]:

Denn eben wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Mit Worten läßt sich trefflich streiten,

Mit Worten ein System bereiten.

An Worte läßt sich trefflich glauben,

Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

Mit der Formulierung „wo Begriffe fehlen“ kann Goethe allerdings zwei verschiedene Dinge gemeint haben, dass objektive Fehlen von Begriffen i.e.S. oder das subjektive Fehlen von Begriffen i.m.S. bei den beteiligten Redepartnern. Subjektives Fehlen kann wiederum bedeuten, dass zu dem Begriff im semantischen Netz nichts vorhanden ist, oder dass es gerade nicht abrufbar ist.

Ein Wort i.e.S. ist Bestandteil einer als isoliert angesehenen sprachliche Einheit, die auf der sprachlichen Ebene nicht unbedingt mit einer Erklärung seiner Bedeutung(en) verbunden ist. In den Sprachwissenschaften wird mit Ausnahme der linguistischen Semantik von den Bedeutungen sogar oft abgesehen und von einem Lexem gesprochen, das alle Wortformen umfasst. Bei einem Terminus i.e.S. und Begriff i.e.S. wird in der Regel erwartet, dass sie expliziert oder sogar definiert werden können. Worte i.e.S. sind vor allem Gegenstand der Sprach- und Literaturwissenschaft, Termini i.e.S. und Begriffe i.e.S. sind Bestandteile wissenschaftlicher Theorien i.e.S.

Im Mentalen sind die Unterschiede zwischen Wort i.m.S., Terminus i.m.S. und Begriff i.m.S. weitaus geringer. Zunächst ist jedes Wort i.m.S. im mentalen Lexikon gespeichert. Dazu gehören auch die Worte, die als Namen für Termini oder Begriffe bezeichnet werden. Über Unterschiede in der Speicherung ist mir nichts bekannt. Die Speicherinhalte des mentalen Lexikons entsprechen dem linguistischen Begriff „Lexem“. Die Regeln der Lautbildung, Wortbildung, Satzbildung und Schreibweise sind nicht im mentalen Lexikon, sondern in einem besonderen Bereich im Langzeitgedächtnis gespeichert. Auch hier gibt es offensichtlich keine Unterschiede zwischen Worten i.m.S., Termini i.m.S. und Begriffen i.m.S.

Die Bedeutungen der Wörter, Termini und Begriffe sind ebenfalls nicht im mentalen Lexikon, sondern im deklarativen Langzeitgedächtnis enthalten. Diese Bedeutungen i.m.S. als Elemente des Langzeitgedächtnisses sind vernetzt und beinhalten eine Hierarchie. Dafür wird in der Psychologie auch die Bezeichnung „semantisches Netz“ (Klix 1984) verwendet (vgl. auch 6.6.5). Neben diesen semantischen Elementen werden zu den Wörtern, Termini und Begriffen im mentalen Sinne auch Informationen gespeichert, die sich aus sinnlichen Wahrnehmungen wie Sehen, Riechen, Tasten oder Schmecken ergeben. Die Gesamtheit der gespeicherten Informationen zu einem Wort i. m. S., Terminus i.m.S. und einem Begriff i. m. S. unterscheidet sich durch ihren Umfang, ihre Komplexität und ihre Verfügbarkeit.

So gibt es z. B. zu „Pudel i.m.S.“ weniger Gedächtnisinhalte als bei „Tier i.m.S.“, wobei die Verfügbarkeit unterschiedlich ist. Bei dem Wort i.e.S. „Pudel“ werden einem Menschen eine Reihe von Gedächtnisinhalten bewusst, die bei Pudelliebhabern oder Pudelbesitzern sowie Tierärzten natürlich weitaus umfassender und komplexer sind. Beim Nennen des Wortes „Tier“ gelangen auch unmittelbar eine Reihe von Gedächtnisinhalten in das Bewusstsein, deren Umfang aber nicht unbedingt größer und komplexer als beim Nennen von „Pudel“ sein muss. Erst bei weiteren geistigen Aktivitäten ergibt sich dann, das zu „Tier“ im Mentalen ein weitaus größeres semantisches Netz als zu „Pudel“ existiert. Man kann deshalb vom Begriff des Tieres sprechen, während „Pudel i.e.S.“ eher nicht als Begriff, sondern als Wort bezeichnet wird.

Man kann auch allgemein ohne sprachliche Differenzierung durch Zusätze vom Begriff „Tier“ oder dem Wort „Pudel“ sprechen, wenn festgelegt wird, dass mit „Begriff“ und „Wort“ stets beide Momente gemeint sind. Dabei muss dann allerdings der unterschiedliche ontologische Status der Momente beachtet werden.

Mit „Terminus i.e.S.“ als Fachbegriff ist der Gedanke einer genauen Festlegung seiner Bedeutung verbunden. Diese Festlegung kann durch eine Definition oder durch die Angabe eines Systems wesentlicher Merkmale erfolgen. Der entsprechende Begriff i.e.S. (mit dem gleichen Wort) umfasst im Unterschied zum Terminus die Gesamtheit aller Merkmale. Um diesen Unterschied sprachlich zum Ausdruck zu bringen, könnte man von Terminus und wissenschaftlichem Begriff sprechen. Der Terminus wäre dann ein Bestandteil des entsprechenden wissenschaftlichen Begriffs. Mit dieser Unterscheidung sind allerdings folgende Probleme in der wissenschaftlichen Kommunikation verbunden.

  • Die Bezeichnungen „Fachbegriff“ und „wissenschaftlicher Begriff“ bzw. nur „Begriff“ sind semantisch eng verwandt. Eine Differenzierung im vorgeschlagenen Sinne ist sprachlich schwer zu vermitteln. Ein Ausweg könnte sein, vorrangig die Bezeichnung „Terminus“ oder auch „Fachterminus“ zu verwenden.
  • Weiterhin ist es, zumindest in der Wissenschaft Mathematik heute nicht üblich, von Termini zu sprechen, es wird für die fachwissenschaftlichen Termini generell das Wort „Begriff“ verwendet. Ein Ausweg könnte sein, zwischen Begriff im engeren Sinne, einem Terminus, und Begriff im weiteren Sinne, einem wissenschaftlichen Begriff, zu unterscheiden.
  • Es liegt in der Natur der Sache, dass sich viele Aspekte wissenschaftlicher Begriffe nicht formalisierten lassen. Dies kann dazu führen, dass solche Aspekte in den Wissenschaften ignoriert und als unwissenschaftlich bezeichnet werden, was zumindest für die Wissenschaft Mathematik der Fall ist.

7.3.  Zum Definieren von Begriffen

In den Literaturanalysen ist an vielen Stellen ersichtlich, dass Begriff und Definition in einem engen Zusammenhang gesehen werden. Auch in der Alltagssprache gibt es enge Kollokationen zwischen „definieren“ und „Begriff“. In der Mathematik ist diese Beziehung sehr eng, oft wird „Begriff“ mit der Definition des Begriffs gleichgesetzt, wie etwa das folgende Zitat zeigt: „Eine beliebige mathematische Theorie ist vollständig umrissen, wenn man in einer geeigneten formalen Sprache ℒ ihre sämtlichen Axiome aufgeschrieben hat. In diesen Axiomen wird beschrieben, in welchen Beziehungen die fraglichen Objekte untereinander stehen und wie mit den Zeichen, die diese Objekte bezeichnen sollen, umgegangen werden kann. […] Beim Aufbau einer mathematischen Theorie muß also gar nichts über die Natur der Objekte, mit denen die Theorie zu tun hat, gesagt werden.“ (Felgner 2020, S. 284).

„Definieren“ ist eine mentale Handlung. Es ist möglich, in einer Definition die Merkmale des Begriffs zu formulieren, die seinen Umfang mehr oder weniger genau festlegen.

Im Mentalen ist die Definition eines Begriffs in der Regel kein besonderes Strukturelement. Zum Begriff Quadrat i.m.S. sind z. B. im semantischen Netz als Merkmale gespeichert, dass es eine Figur in der Ebene mit vier gleich langen Seiten und vier rechten Winkeln ist. Dazu kommen bildliche Vorstellungen zu einem gezeichneten Quadrat, das auch ausgefüllt sein kann, und zu verschiedenen quadratförmigen Flächen wie Notizzettel oder Tischflächen. Für die Definition eines Quadrats als mathematische Figur ist es hinreichend nur zu fordern, dass es eine ebene Figur mit vier gleichen Seiten und einem rechten Winkel ist. Bei bestimmten Lernprozessen kann es sich durchaus ergeben, dass dieses Merkmalssystem unter „Definition eines Quadrats“ mental gespeichert ist. Bei Mathematikern sind die Definitionen der mathematischen Begriffe sicher auch als spezielle Struktur in ihrem semantischen Netz zu dem Begriff enthalten.

Etwas anderes ist es, wenn vom Können im Definieren von Begriffen gesprochen wird. „Können“ ist ein Konstrukt zur Bezeichnung eines Systems mentaler Zustände, zu denen in diesem Fall Kenntnisse zur Art von Definitionen, bestimmte geistige Fähigkeiten und andere gehören, und die das Subjekt zum selbstständigen Formulieren einer Definition befähigen.

7.4.  „Wort“, „Terminus“ und „Begriff“ bei Bezug auf dasselbe Lexem

Die Probleme, die sich beim Bezug auf dasselbe Lexem ergeben, sollen am Beispiel von „Bruch“ exemplarisch verdeutlicht werden, wobei aus Umfangsgründe nicht alle Beziehungen diskutiert werden können.

In Erweiterung bisheriger Betrachtungen soll von realen Objekten, Zusammenhängen und Fragestellungen ausgegangen werden, deren Reflexionen mit Bruch i.m.S. verbunden sind. Dazu gehören:

  1. ein gebrochener Knochen
  2. das Herausbrechen von Steinen aus einem Felsen
  3. ein zerbrochenes Glas
  4. das Verlieren des Vertrauens in eine Person
  5. das Verteilen einer bestimmten Menge von Waren oder Geld auf eine bestimmte Anzahl von Personen
  6. das Aufteilen der Einheit einer Größe (z. B. 1 l Wasser) in eine bestimmte Anzahl gleicher Teile

Diese Objekte und Problemstellungen gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Sie wurden von den Menschen zunächst als mentale Objekte, etwa bildhafte Vorstellungen, gespeichert. Im Zuge der Sprachentwicklung entstanden in den Sprachen Wörter, die wiederum eine Entsprechung im mentalen Lexikon haben und mit dem System der Gedanken und Vorstellungen zu dem betreffenden Objekt oder Problem im deklarativen Gedächtnis verbunden sind. In der heutigen deutschen Sprache sind dies zum Beispiel die Lexeme „Knochenbruch“, „Steinbruch“, „Glasbruch“, „Vertrauensbruch“, „ein halb“ oder „drei viertel“. Die realen Probleme des Aufteilens und Verteilens (E und F) haben dann schrittweise durch ihre Analyse und Verallgemeinerung in der Mathematik zur Festlegung einer Schreibweise für die Angabe der Lösung der Probleme und zur Herausbildung einer Bezeichnung für die Objekte geführt. Die heutige, international verbreitete Schreibweise besteht darin, zwei natürliche Zahlen durch einen waagerechten oder schrägen Strich zu trennen (z. B. ¾). Im Deutschen heißt ein solches Objekt „Bruch“, d.h. es wird ein bereits vorhandenes Lexem verwendet.

Nach der Skizzierung der Entwicklung des mathematischen Bruchbegriffs in der Phylogenese soll jetzt kurz auf die ontogenetische Entwicklung eingegangen werden. Im Alter bis zu zehn Jahren treten die oben genannten Objekte und Vorgänge im Leben der Mehrzahl der Kinder auf, es werden von Erwachsenen die betreffenden Lexeme genannt und im Mentalen der Kinder bilden sich Worte und damit verbundene Vorstellungen heraus. Das Wort „Bruch i.m.S.“ ist bereits mit einer Vielzahl von Bedeutungen i.m.S., bildhaften Vorstellungen, Emotionen und Episoden im episodischen Gedächtnis verbunden, die in bestimmten Situationen zu sprachlichen Äußerungen des Kindes führen, bei dem es das Wort Bruch i.e.S. oder in Wortverbindungen damit verwendet. Im Alter von 11-13 Jahren lernen die Kinder dann im Mathematikunterricht die Bedeutung von „Bruch“ im mathematischen Sinne kennen. Am Anfang steht meist die Aussage: „Ein Bruch besteht aus einem Zähler, einem Bruchstrich und einem Nenner.“ Als prototypisches Beispiel wird meist der Bruch  angegeben. Mit der angegebenen Erklärung ist „Bruch“ als mathematischer Terminus i.e.S. festgelegt und es ist sind neue Elemente in der vorhandenen semantischen Struktur zu Bruch i.m.S. entstanden, die dem Terminus i. m. S. entsprechen.

Im gegenwärtigen Mathematikunterricht wird leider oft nicht über diesen Stand der ontogenetischen Entwicklung hinausgegangen. Daraus ergeben sich dann viele Probleme der Beherrschung und insbesondere Anwendung des Bruchbegriffs bei Schülern und Erwachsenen. Zur vollständigen Ausbildung des Bruchbegriffs gehört weit mehr. Im Ergebnis einer wissenschaftlichen Analyse realer quantitativer Beziehungen und Möglichkeiten ihrer mathematischen Modellierung können weitere Momente des mathematischen Begriffs „Bruch i.e.S.“ in folgender Weise angegeben werden (vgl. Sill 2019, S. 238):

  • innermathematische Momente:
    • Ein Bruch ist Ergebnis einer Divisionsaufgabe. Bsp.: 2 : 7 =
    • Brüche geben Bruchteile von Größen an. Bsp.: von 75 €
  • außermathematische Momente:
    • Brüche geben Teile eines Ganzen an. Bsp.: einer Pizza
    • Brüche geben Teile mehrerer Ganzer an. Bsp.: von 3 Pizzen
    • Brüche geben Teile einer Anzahl an. Bsp.: von 24 Schülern
    • Brüche sind Zahlenwerte bei Größenangaben. Bsp.: m

Auf die Bestimmung der Momente des Bruchbegriffs haben, wie bei jeder Theorie i.e.S., die subjektiven mentalen Zustände und Prozesse beim Forscher Einfluss, in diesem Fall also die meiner eigenen Person.

Für den Lernprozess eines Schülers stellen die angegebenen Momente das Ziel des Lernens dar. Beim Schüler müssen also im Laufe des Lernprozesses neben den schon vorhandenen Elementen seines deklarativen Gedächtnisses zum Wort „Bruch“ neue Elemente integriert werden. Im Ergebnis ergibt sich dann ein individuell teilweise unterschiedliches System von Gedanken und Vorstellungen, die den Begriff „Bruch i.m.S.“ bilden. Die individuelle Ausprägung dieses Systems kann durch empirische Untersuchungen analysiert werden.

In Verallgemeinerung dieses Beispiels kann zu den Beziehungen von Wort, Terminus und Begriff im mentalen Sinne in Bezug auf dasselbe Lexem festgestellt werden:

  • Die mentalen Strukturen von Wort und einem Begriff zu demselben Wort sind unterschiedlich, es gibt aber gemeinsame Bestandteile.
  • Die mentale Struktur des Terminus ist Bestandteil der mentalen Struktur des entsprechenden Begriffs.

Für den Bereich des entäußerten Mentalen sind folgende Feststellungen möglich:

  • Terminus und Begriff beziehen sich auf dasselbe Wort.
  • Die Erklärung bzw. Definition des Terminus ist Bestandteil der Aussagen zur Explikation des Begriffs, etwas salopp: ein Terminus ist ein Torso des Begriffs.
  • Es gibt Worte ohne Begriff, d.h. es gibt keine mentale Struktur, die dem Begriff i.m.S. entspricht.
  • Es gibt Begriffe ohne Worte, d.h. es gibt eine mentale Struktur, die dem Begriff i. m. S. entspricht, ohne dass dazu bereits ein Wort im mentalen Lexikon vorhanden ist.

7.5.  Weitere Probleme

Mentale Momente von Begriffen

Die Analyse mentaler Systeme ist weitaus anspruchsvoller als das Bestimmen von Momenten der Begriffe i.e.S. Pippig (1985) hat für das mentale System zu einem mathematischen Begriff folgende zu beachtende Momente angegeben (Pippig 1985, S. 14 ff.).

  • Grad der Übereinstimmung mit dem Wissen [gemeint ist der Begriff i.e.S. als Lernziel]
    • Objektivität
    • Allgemeinheit
    • Systemhaftigkeit
    • Anschaulichkeit
  • Beziehungen zu
    • Geistigen Fähigkeiten: Disponobilität
    • Einstellungen: Sinnhaftigkeit
  • Grad der Verfestigung im Gedächtnis
    • Dauerhaftigkeit (Abrufbarkeit)
    • Widerstandsfähigkeit

Verhältnis inhaltlicher und formaler Momente mathematischer Begriffe

Ein grundlegendes Problem der Herausbildung mathematischer Begriffe ist das Verhältnis von formalen und inhaltlichen Momenten. (Sill 2019, S. 93) Der Prozess der Herausbildung mathematischer Begriffe ist durch das Wechselverhältnis inhaltlicher und formaler Aspekte gekennzeichnet. In den einzelnen Entwicklungsstufen dominiert jeweils ein Aspekt (Sill 2019, S. 94). Die formalen Momente beziehen sich auf die Bedeutung des Begriffs als Fachterminus. Inhaltliche Aspekte sind Verbindungen zu alltäglichen Vorstellungen, zu nicht formalen mathematischen Vorgehensweisen, zu anderen Wissenschaften u. a. Inhaltliche und formale Momente bilden eine Einheit, die erst den ganzen Begriff ausmacht. Im gegenwärtigen Schulunterricht und vor allem in der universitären Lehre werden die inhaltlichen Momente oft zu wenig beachtet.

Begriff als subjektive und objektive Kategorie

Ein Begriff im mentalen Sinne ist eine subjektive Kategorie, da bei jedem Subjekt das entsprechende mentale Netz zumindest in gewissen Beziehungen anders ausgeprägt ist. Ein Begriff im entäußerten Sinne hat einen Bezug zu der Person, die ihre Gedanken äußert, also damit auch einen subjektiven Charakter. Gerade bei philosophischen Begriffen spielt dieser subjektive Charakter oft eine große Rolle. Die von einem Philosophen entäußerten Gedanken sollten immer im Zusammenhang mit den individuellen Besonderheiten und den wissenschaftlichen oder religiösen Auffassungen des Philosophen gesehen werden.

Ansonsten ist es Ziel der gesellschaftlichen Kommunikation und insbesondere wissenschaftlicher Arbeiten, eine intersubjektive Übereinstimmung der entäußerten Momente zu erreichen, sodass eine Beschreibung oder sogar Definition des Begriffs i.e.S. in einem Lexikon oder Lehrbuch möglich ist.

Literaturverzeichnis

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