Analysen des Wortes „Differenz“

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Inhalt

Vorbemerkungen

Literaturanalysen

Alltagssprache

DWDS

DUW

Philosophie

HWPh

EPh

MLPh

Auswertungen

Alltagssprache

Philosophie

Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

Vorbemerkungen

Zu Ermittlung der Bedeutungen des Wortes „Differenz“ im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) verwendet (DWDS, Datum der Abrufung: 24.09.2024). Um einen Eindruck von der Häufigkeit der Verwendung der Lexeme im Alltag zu bekommen wird für die Jahre 2016-2020 die Häufigkeit pro 1 Million Token (normierte Häufigkeit) im DWDS- Zeitungskorpus angegeben. Weiterhin werden Kollokationen mit anderen Lexemen aufgeführt. Dabei wird als Assoziationsmaß logDice verwendet. Es werden die Kollokationen mit den fünf höchsten logDice-Werten und ihre Häufigkeiten (in Klammern) genannt.

Weiterhin wird das Deutsche Universalwörterbuch (Kunkel 2023) (DUW) herangezogen.

Um die Bedeutungen des Wortes in der Philosophie zu analysieren, werden die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist.

  1. Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWPh)
  2. Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie (EPh)
  3. Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie (MLPh)

Mit den jeweiligen Suchfunktionen wird im Volltext nach den betreffenden Termini gesucht und es wird die Anzahl der jeweiligen Ergebnisse absolut und (in Klammern) pro 100 Seiten angegeben.

Literaturanalysen

Alltagssprache

DWDS

Normierte Häufigkeit: 9,9

Kollokationen: unüberbrückbar (8.4, 1215), inhaltlich (7.6, 1409), ausräumen (7.4, 773), beilegen (7.2, 702), kulturell (6.9, 1482)

Bedeutungen:

  1. (messbarer) Unterschied zweier Größen; Bsp.: eine kleine, erhebliche Differenz;
  2. Ergebnis der Subtraktion, Rest; : (Mathematik) die Differenz zwischen fünf und zwei ist, beträgt drei; es ergab sich eine beträchtliche Differenz zwischen dem Einkaufs- und Verkaufspreis; eine Differenz in der Kasse entdecken, feststellen, errechnen (= einen Fehlbetrag in der Kasse entdecken, feststellen, errechnen)
  3. Meinungsverschiedenheit; : zunehmende, scharfe, persönliche, politische Differenzen; wir hatten eine kleine Differenz; es gibt, besteht eine Differenz zwischen ihnen, zwischen ihren Ansichten

Bedeutungsverwandte Ausdrücke:

Abweichung · Differenz · Unterschied · Verschiedenheit

DUW

Differenz, die; -, -en [lat. differentia = Verschiedenheit]: 1. a) (bildungsspr.) [in Zahlen ausdruckbarer, messbarer] Unterschied (zwischen bestimmten Werten, Maßen o. Ä.): eine unbedeutende D.; eine Differenz von 50 Cent, von 6 km; die Differenz zwischen Einnahme und Ausgabe ist gravierend, erheblich; b) (Math.) Ergebnis einer Subtraktion: die Differenz von, zwischen 10 und 8 beträgt, ist 2; c) (Kaufmannsspr.) falscher Betrag od. Fehlbetrag: die Differenz ist durch einen Buchungsfehler entstanden. 2. 〈meist Pl.〉 Meinungsverschiedenheit, Unstimmigkeit: persönliche Differenzen; eine kleine Differenz, Differenzen mit jmdm. haben.

Philosophie

HWPh

1077 (12,6) Ergebnisse, Stichwort „Differenz“, Autor: Otto Muck (2007)

  • Dennoch hat Differenz bei ARISTOTELES die weitere Bedeutung des Andersseins von Dingen, die jedoch etwas gemeinsam haben: „Verschieden nennt man alles, was ein anderes ist, während es in einer Beziehung dasselbe ist, nur nicht der Zahl nach, sondern der Art oder der Gattung oder der Analogie nach“ (Met. V 9, 1018a12ff).
  • In Auslegung dieser Stelle werden bei THOMAS VON AQUIN auseinandergehalten: 1. die differentia accidentalis communis als Unterschied verschiedener veränderlicher Zustände desselben Individuums (Sokrates als Kind und als Erwachsener); 2. die differentia numerica. Sie wird als differentia accidentalis propria angesprochen, wenn der Unterschied in Akzidentien besteht, die dauernd mit dem Individuum verbunden sind (Menschen verschiedener Hautfarbe); 3. die differentia specifica als Unterschied von Arten derselben Gattung. Diese wird als differentia propriissima bezeichnet oder auch als differentia essentialis, weil sie den Wesensgehalt der Artbegriffe betrifft; 4. Die diversitas, als Unterschied von Gattungen die nicht mehr in einem univoken Begriff übereinkommen, sondern nur in einem analogen (z.B. Quantität und Qualität).
  • Im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Idealismus erhielt das Wort Differenz die Bedeutung von «Nicht-Identität» und wird z.B. von E. CORETH verwendet teils im Sinn von Distinktion, vor allem aber auch im Sinn von Vielheit begründender Verschiedenheit. So dient der Ausdruck Identität und Differenz zur Neuformulierung des Problems des Einen und Vielen auf dem Boden des transzendentalphilosophischen Ansatzes. Bd. 2, S. 236
  • Bei M. HEIDEGGER erhält in Anschluß an E. Husserl und in Abhebung von ihm Differenz den Sinn des Unterschiedes zwischen Sein und dem in ihm ermöglichten Seienden.

Weitere Ergebnisse: 

  • Die Konzeption der symbolischen Aktivität versucht, die spezifische Differenz des menschlichen Verhaltens zu definieren. Bd. 1, S. 133
  • Die modale Differenz von Allgemeinem und Besonderen darf nicht lokalisiert werden. Bd. 1, S. 171
  • Die Terminologie befindet sich gegenüber dem Begriffssystem unvermeidlich in einem Rückstand. Im geschichtlichen Gang stellt sich eine Differenz zwischen Terminus und Begriff ein, weil die «Anpassung des Ausdrucks an den Begriff» eine gewisse Zeit erfordert. Treten beide Seiten in offenen Gegensatz, dann kann die Meinung aufkommen, die «sachlichen Irrungen» seien in «Mißständen der Sprache» gegründet. 1, S. 794
  • In der Phänomenologie des Geistes von 1807 unternimmt Hegel den Beweis, daß die Differenz von Begriff und Sache, prinzipiell genommen, eben dem widerspricht, was Begriff ist. Begriff ist nicht das reine Prinzip der Sonderung, das sich am Absoluten Vernichtende, das von der Anschauung prinzipiell zu Unterscheidende: Begriff ist vielmehr die Bewegung, in der Einheit und Differenz durcheinander vermittelt erscheinen. Bd. 2, S. 656
  • … die für wesentlich erachtete Differenz zwischen kapitalistischer und sozialistischer Gesellschaft zu verdecken, Bd. 3, S. 475
  • Während Kants zwölf Kategorien für alle mögliche Erfahrung gelten sollten, hängt der Charakter der Endlichkeit der Erkenntnis, der bei Kant u.a. noch an die Differenz von Sinnlichkeit und Verstand geknüpft war, …, Bd. 4, S. 746
  • KOSIK nimmt die schon 1937 von H. Marcuse hervorgehobene Differenz von Arbeit und Praxis auf. Bd. 5, S. 789
  • Demgegenüber ist die «Differenz der ontischen und ontologischen Wahrheit» [8] durch «Metaphysik des Daseins» hervorzuheben, denn der Mensch ist «das Seiende …, in dem die Wahrheit, in ihrer Differenz als ontische und ontologische, existiert» Bd. 6, S. 361
  • Auch in der Philosophie ist die Differenz zwischen Idee und Wirklichkeit Anlaß zu kritischer Negation. «Kritik, Bewußtsein der Differenz, war stets die Kraft des philosophischen Gedankens, der sich als das Wesen der Wirklichkeit und zugleich als deren Gegensatz erfährt, von der er handelt», Bd. 7, S. 767
  • Die Differenz zwischen der Souveränität des Volks und seiner Wahrnehmung durch einen verantwortlichen Repräsentanten wird dabei als Treuhandschaft («the representative trust») formuliert; sie ersetzt die im hierarchischen R.-Begriff liegende Differenz zwischen herrschendem und beherrschtem Teil. Bd. 8, S. 818
  • In mehreren psychologischen Handlungstheorien werden die handlungsantezedenten geistigen Vorgänge weiter zergliedert, insbesondere wird die für ein Handlungsvorhaben konstitutive Differenz zwischen Ausgangs- und Ziellage betont. Bd. 9, S. 932
  • Unter Nutzung der etablierten Differenz zwischen Begriffsumfang und Begriffsinhalt wird der spezifische Unterschied als jenes Merkmal begriffen, das dem Begriffsinhalt der Art, nicht aber dem der Gattung zuzurechnen ist. Bd. 11, S. 321
  • Freud wiederholt in Bezug auf Weiblichkeit und Männlichkeit das traditionelle Schema der Differenz. Die Frau ist durch das Fehlen dessen definiert, was der Mann hat: das männliche Geschlechtsorgan. Bd. 12, S. 365
  • Das in vielfältigen Versionen entwickelte Denken der Differenz, der Andersheit und der Vielheit läßt die Idee des Widerspruchs und die ihm innewohnende Stringenz und Dynamik im gleichen Maße zurücktreten, wie es sich von der metaphysischen Zentrierung auf das Eine und Identische ablöst. Bd. 12, S. 697

EPh

390 (12,2) Ergebnisse, Stichwort „Differenz“, Autor: Hans-Dieter Gondek (2010)

  • ›Differenz‹ geht auf das lat. differentia sowie das griech. diaphora zurück und hat eine lange philosophische Geschichte, die zum einen eng mit dem Komplementärbegriff ›Identität‹ verkoppelt, zum anderen mit der Bildung von Gattungen und Arten mittels der spezifischen Differenz verbunden ist. ›Différance‹ ist ein von dem frz. Philosophen J. Derrida eigens gebildeter Terminus (Gondek 2010, S. 408).
  • Eine sich aus der logischen oder dialektischen Verkopplung mit der Bestimmung von Identität lösende Erörterung der Differenz erfolgt erstmals im französischen Strukturalismus und in der Dekonstruktion (Gondek 2010, S. 408).
  • de Saussures Entwurf einer synchronischen Wissenschaft der Sprache geht davon aus, dass es »in der Sprache nur Differenzen gibt ohne positive Einzelglieder«, so dass »ein Sprachfragment letztendlich niemals auf etwas anderem als seinem Nichtzusammenfallen mit dem Rest gegründet sein kann«. Sprache wird nicht mehr als »Substanz«, sondern allein als »Form« verstanden, bei der das rein »differentiell« bestimmte einzelne Element stets die virtuelle Mitanwesenheit einer potentiell unendlichen Kette von es betreffenden Elementen voraussetzt (Gondek 2010, S. 408).
  • Die Frage der differentiellen Organisation der Sprache hat die Saussure-Rezeption der 1950er und 1960er Jahre beschäftigt. Doch erst die Philosophen G. Deleuze und J. Derrida haben weitgehend unabhängig voneinander das Problem der Differenz neu gestellt (Gondek 2010, S. 408).
  • Das Hauptwerk von G. Deleuze – Différence et répétition – ist der Befreiung der Differenz vom »Primat der Identität« und der geschlossenen Welt der Repräsentation gewidmet. Gegen die begriffliche, der Genuslogik unterstehende Differenz ist eine von der Philosophie vernachlässigte »begriffslose Differenz« zu rehabilitieren. Dazu muss die »vierfache Fessel der Repräsentation« – »die Identität des Begriffs«, »der Gegensatz der Prädikate«, »die Analogie des Urteils«, »die Ähnlichkeit der Wahrnehmung« – zerbrochen werden. Deleuze findet seine Bastionen in D. Hume, G. W. Leibniz und F. Nietzsche, in einem »höheren Empirismus«, der gar »transzendental« wird und die »intensive Welt der Differenzen« befördert: »Immer sind es die Differenzen, die sich ähneln, die analog, entgegengesetzt oder identisch sind: Die Differenz steht hinter jedem Ding, hinter der Differenz aber gibt es nichts.« Seinen stärksten Verbündeten findet Deleuze im zeitgenössischen Strukturalismus und dessen »differentieller« Organisation der Struktur; er selbst differenziert zwischen der »Virtualität« der Struktur und ihren jeweiligen Aktualisierungen (Gondek 2010, S. 408b).
  • Deleuzes »Projekt der Philosophie der Differenz« hatte seine größten, vornehmlich außerakademischen Wirkungen durch die zusammen mit F. Guattari verfaßten zwei Bände Capitalisme et schizophrénie: L’Anti-Œdipe und Mille Plateaux, die beide einen Generalangriff auf das Denken der Repräsentation unternahmen und in ihren politischen Implikationen auf eine Befürwortung des ›Minoritären‹ und ›Nomadischen‹ hinausliefen (Gondek 2010, S. 408b)

Weitere Ergebnisse:

  • Die Regel fordert, dass Arten im Rückgriff auf die nächsthöhere Gattung und die artbildende Differenz definiert werden. 236b
  • Doch die Differenz zwischen Planen, Hoffen und Phantasieren ist nur dann eine qualitative Differenz, wenn der reale Prozess die Möglichkeit von prinzipiell Neuem zulässt. 1004
  • Als Vorbild an Klarheit gilt dabei die Sprache der Mathematik. In ihr kann es keine Differenz zwischen Syntax und Semantik geben, weshalb Frege seine Begriffsschrift als »eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache« entwickelt hatte. 2561

MLPh

98 (13,9) Ergebnisse, Stichwort „Differenz“, Autorin: Kerstin Gevatter (2008)

  • Differenz, wird in der Philosophie des Deutschen Idealismus vornehmlich mit den Begriffen Nicht-Identität, Unterschied, Verschiedenheit und Gegensatz dem Begriff der Identität entgegengesetzt. S. 114

Weitere Ergebnisse:

  • Die begriffliche (logische) Differenz von Akt und Potenz scheint somit sachlich fundiert. Man kann jedoch Zweifel hegen daran, ob die Differenz gerechtfertigt ist; denn wenn ein Akt seine Möglichkeit einschließt, liegt wohl ein logisch wechselseitiges, nicht notwendigerweise aber ein sachlich (ontisch) reziprokes Verhältnis der Termini vor. S. 14
  • Attraktion/Repulsion, in naturphilosophischen Theorien Bezeichnung für ein als notwendig angenommenes gegensätzliches Paar von Grundkräften: Anziehungs- und Abstoßungskräfte. Jedes materielle Sein dürfte demnach nur aus der spezifischen Differenz dieser Kräfte erklärbar sein. S. 49
  • Geschlechterdifferenz, auch sexuelle Differenz, ein zentraler Begriff der feministischen _ Philosophie. S. 210
  • Dazu gehört auch der in der Philosophie des 19. Jh. unternommene Versuch, den Unterschied von Geistes- und Naturwissenschaften durch eine Differenz der Methoden zu bestimmen, nämlich durch »Erklären« und »Verstehen«. S. 376

Auswertungen

Tab. Normierte Häufigkeiten

Lexem

DWDS

HWPh

EPh

MLPh

Differenz

9,9

12,6

12,2

13,9

Alltagssprache

„Differenz“ wird in der Alltagssprache selten verwendet.

Übereinstimmend werden im DWDS und DUW folgende Bedeutungen angegeben.

  1. [in Zahlen ausdruckbarer, messbarer] Unterschied (zwischen bestimmten Werten, Maßen o. Ä.); : eine kleine, erhebliche Differenz; eine Differenz von 50 Cent, von 6 km; die Differenz zwischen Einnahme und Ausgabe ist gravierend
  2. (Math.) Ergebnis der Subtraktion, Rest; : die Differenz zwischen fünf und zwei ist, beträgt drei
  3. (Kaufmannsspr.) falscher Betrag od. Fehlbetrag, : die Differenz ist durch einen Buchungsfehler entstanden; eine Differenz in der Kasse entdecken, feststellen, errechnen
  4. 〈meist Pl.〉 Meinungsverschiedenheit, Unstimmigkeit; : zunehmende, scharfe, persönliche, politische Differenzen; eine kleine Differenz, Differenzen mit jmdm. haben;

Die Kollokationen mit unüberbrückbar (8.4, 1215), inhaltlich (7.6, 1409), ausräumen (7.4, 773), beilegen (7.2, 702), kulturell (6.9, 1482) beziehen sich alle auf die Bedeutung 4.

„Meinungsverschiedenheit, Unstimmigkeit“ sind auch eine alltagssprachliche Bedeutung des Wortes „Gegensatz“. Während „Gegensatz“ mit „unüberbrückbar“ eng verbunden ist, hat das Wort „Differenz“ auch signifikante Kollokationen mit „ausräumen“ und „beilegen“.

Philosophie

Das Wort „Differenz“ wird in allen drei philosophischen Nachschlagewerken mit etwa der gleichen mittleren Häufigkeit verwendet.

Nach Gevatter wird Differenz „in der Philosophie des Deutschen Idealismus vornehmlich mit den Begriffen Nicht-Identität, Unterschied, Verschiedenheit und Gegensatz dem Begriff der Identität entgegengesetzt“ (Gevatter 2008, S. 114).

Der Begriff „Differenz“ hat in einigen Theorien eine zentrale Bedeutung zur Unterscheidung von Theorien, die das einzelne Ding, die einzelne Repräsentation in den Mittelpunkt stellen. So geht Ferdinand de Saussures in seinem Entwurf einer synchronischen Wissenschaft der Sprache davon aus, dass es »in der Sprache nur Differenzen gibt ohne positive Einzelglieder«, so dass »ein Sprachfragment letztendlich niemals auf etwas anderem als seinem Nichtzusammenfallen mit dem Rest gegründet sein kann«. Sprache wird nicht mehr als »Substanz«, sondern allein als »Form« verstanden, bei der das rein »differentiell« bestimmte einzelne Element stets die virtuelle Mitanwesenheit einer potentiell unendlichen Kette von es betreffenden Elementen voraussetzt (nach Gondek 2010, S. 408).

Dies Grundidee wurde von den französischen Philosophen Gilles Deleuze und Jacques Derrida weitgehend unabhängig voneinander auf die Philosophie übertragen. Das Hauptwerk von Deleuze – Différence et répétition – ist der Befreiung der Differenz vom »Primat der Identität« und der geschlossenen Welt der Repräsentation gewidmet. »Immer sind es die Differenzen, die sich ähneln, die analog, entgegengesetzt oder identisch sind: Die Differenz steht hinter jedem Ding, hinter der Differenz aber gibt es nichts.« (nach Gondek 2010, S. 408b). Derrida schuf zur Unterscheidung der unterschiedlichen Auffassungen zum Begriff Differenz den Begriff „Différance“, den er allerdings in späteren Werken nur noch trivialen Sinne von ›Aufschub‹ verwandt oder durch stärker performativ akzentuierte Vorgänge wie die ›Gabe‹ ersetzt (Gondek 2010, S. 409).

Die Überlegungen von Saussures, Deleuze und Derrida sprechen für eine stärkere Berücksichtigung der Rolle von Unterschieden und Gegensätzen in der Philosophie und anderen Wissenschaften. Wie die Analysen zu diesen Begriffen zeigen, weise sie damit auf ein Desiderat der Philosophie hin.

Martin Heidegger schuf im Anschluss an Edmund Husserl und in Abhebung von ihm den Begriff der ontologischen Differenz, um den Unterschied zwischen Sein und dem in ihm ermöglichten Seienden zu erfassen (Muck 2007, S. 236).

Die synonymen Verwendungen des Wortes „Differenz“ mit den Termini Nicht-Identität, Unterschied, Verschiedenheit und Gegensatz sowie sein Auftreten in den genannten Theorien sind sicher eine Ursache für die häufige Verwendung dieses Wortes in den philosophischen Nachschlagewerken.

Dies zeigt auch eine Analyse der angegebenen Zitate aus den Lexika.

Das Wort Differenz wird dort verwendet für

  • Unterschiedlichkeit allgemein, z. B.
  • Differenz des menschlichen Verhaltens
  • sexuelle Differenz
  • Differenz der Methoden
  • Gegensätze, z. B.
  • Allgemeines und Besonderes
  • Begriff und Sache
  • Sinnlichkeit und Verstand
  • Idee und Wirklichkeit
  • Ausgangs- und Ziellage
  • Begriffsumfang und Begriffsinhalt
  • Akt und Potenz
  • Anziehungs- und Abstoßungskräfte
  • Syntax und Semantik
  • Unterschiede zwischen Objekten mit Gemeinsamkeiten, z. B. zwischen
  • Terminus und Begriff
  • kapitalistischer und sozialistischer Gesellschaft
  • Arbeit und Praxis
  • etwas Fehlendes, z. B.
  • das traditionelle Schema der Differenz bei Freud: Die Frau ist durch das Fehlen dessen definiert, was der Mann hat.

Schlussfolgerungen

Das Wort „Differenz“ ist aus folgenden Gründen als allgemeiner philosophischer Terminus nicht geeignet. Alle seine Verwendungen in der Philosophie unterscheiden sich von dem alltagssprachlichen Gebrauch des Wortes. In der Philosophie kann es bis auf die speziellen Verwendungen in den genannten Theorien problemlos durch die Wörter Unterschied, Unterschiedlichkeit, Nichtübereinstimmung, Verschiedenheit oder Gegensatz ersetzt werden.

Literaturverzeichnis

Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): DWDS. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart. Online verfügbar unter https://www.dwds.de/, zuletzt geprüft am 14.09.2024.

Gevatter, Kerstin (2008): Differenz. In: Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard (Hg.): Metzler Lexikon Philosophie. Begriffe und Definitionen. 3., erw. und aktualisierte Aufl. Stuttgart: Metzler, S. 114–115.

Gondek, Hans-Dieter (2010): Differenz/Différance. In: Hans Jörg Sandkühler, Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer (Hg.): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. 3 Bände. Hamburg: Meiner, S. 408-409b.

Kunkel, Melanie (Hg.) (2023): Duden Deutsches Universalwörterbuch. 10., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Bibliographisches Institut. 10., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Dudenverlag.

Muck, Otto (2007): Differenz. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2. 13 Bände. Basel: Schwabe, S. 235–236.

Prechtl, Peter; Burkard, Franz-Peter (Hg.) (2008): Metzler Lexikon Philosophie. Begriffe und Definitionen. 3., erw. und aktualisierte Aufl. Stuttgart: Metzler.

Ritter, Joachim; Gründer, Karlfried; Gabriel, Gottfried (Hg.) (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 13 Bände. Basel: Schwabe.

Sandkühler, Hans Jörg; Borchers, Dagmar; Regenbogen, Arnim; Schürmann, Volker; Stekeler-Weithofer, Pirmin (Hg.) (2010): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. 3 Bände. Hamburg: Meiner.