Hans-Dieter Sill, 18.02.2024
Analysen zu den Begriffen „Merkmal“ und „Eigenschaft“
Inhalt
Auswertungen Fachbücher zur Beschreibende Statistik
Vorbemerkungen
Zu Ermittlung der Bedeutungen der Wörter im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS). Um einen Eindruck von der Häufigkeit der Verwendung des Wortes im Alltag zu bekommen wird für die Jahre 2015-2019 bzw. 2016-2020 die Häufigkeit pro 1 Million Token (Frequenz) im DWDS- Zeitungskorpus sowie Kollokationen mit anderen Wörtern angegeben. Als Assoziationsmaß wird logDice verwendet. Es werden die Kollokationen mit den 5 höchsten logDice-Werten und ihre Frequenzen (in Klammern) angeführt. Als weitere Quelle wird die Internetenzyklopädie Wiktionary herangezogen (https://de.wiktionary.org/wiki/Wiktionary:Hauptseite) (Wiktionary).
Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie genauer zu analysieren, werden die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist.
- Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWPh)
- Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie (MLPh)
- Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie (EPh)
Weiterhin sollen die Bedeutungen der Wörter in der Psychologie analysiert werden. Dazu werden folgende Fachbücher und elektronische Lexika ausgewertet:
- Becker-Carus und Wendt (2017): Allgemeine Psychologie (BW)
- Müsseler und Rieger (2017): Allgemeine Psychologie (MR)
- Kiesel und Spada (2018): Allgemeine Psychologie (KS)
- Wirtz (2021): Dorsch – Lexikon der Psychologie (DLP)
Weiterhin werden folgende theologische Wörterbücher verwendet, um die Bedeutungen der Wörter in der Theologie zu ermitteln.
- Kasper (1993-2001): Lexikon für Theologie und Kirche (LTK)
- Betz u. a. (2007): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, (RGG4)
Die Auffassungen von Frege und Aristoteles wurden in zwei gesonderten Texten analysiert: Zitate und Gedanken zu Schriften von Gottlob Frege; Momente des Begriffs „Eigenschaft“ in Schriften von Aristoteles.
Neben den Lexika und Fachbüchern werden auch Werke von Hegel (1970) einbezogen: Hegel Werke in zwanzig Bänden (TWA), insbesondere: Phänomenologie des Geistes (PhG), Wissenschaft der Logik I und II (WL I, WL II), Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, II, III (Enz I, Enz II, Enz III).
Da der Begriff „Merkmal“ ein Grundbegriff der Beschreibenden Statistik ist, werden auch entsprechende Fachbücher analysiert.
Wenn der Volltext der Quelle elektronisch vorliegt, wird mit den jeweiligen Suchfunktionen nach den betreffenden Termini gesucht und es wird die Anzahl der jeweiligen Ergebnisse absolut und pro 100 Seiten (in Klammern) angegeben.
In den Zitaten aus den Fachbüchern sind die Angaben zu den Fachbegriffen in anderen Sprachen, die Hinweise auf Abbildungen und Tabellen sowie die Literaturverweise nicht enthalten.
Da die Begriffe „Merkmal“ und „Eigenschaft“ oft in enger Beziehung verwendet werden, erfolgt jeweils eine gemeinsame Auswertung der Analyseergebnisse.
Literaturanalysen
Alltagssprache
Merkmal
DWDS
Frequenz: 5,5
Kollokationen: charakteristisch (9.8, 2328), hervorstechend (9.0, 844), typisch (8.8, 2490), morphologisch (8.8. 798), biometrisch (8.8, 768)
Bedeutungen:
charakteristisches Zeichen, das eine Person oder Sache von anderen unterscheidet, Kennzeichen
Wiktionary
Bedeutungen:
[1] typische Eigenschaft, an der man erkennt, wodurch sich etwas von Ähnlichem unterscheidet
[2] Linguistik: Eigenschaft, die einem linguistischen Gegenstand (Phonem, Lexem,…) zugeschrieben wird
[3] Statistik: logisches Prädikat einer statistischen Einheit (= eines Merkmalsträgers), beispielsweise „Zahlungsbereitschaft“ zur statistischen Einheit „Kunde“
Eigenschaft
DWDS
Frequenz: 10,6
Kollokationen: physikalisch (9.2, 1707), Teamfähigkeit (8.9, 21), mechanisch (8.1, 868), hervorstechend (8.0, 528), Verhaltensweise (7.7, 12)
Bedeutungen:
- wesentliches und dauerndes Merkmal
- papierdeutsch: in der Eigenschaft als
Wiktionary
Bedeutungen:
Merkmal einer Sache, eines Wesens; das, was für jemanden oder etwas typisch oder kennzeichnend ist
Auswertungen Alltagssprache
Das Wort „Merkmal“ wird im Alltag eher selten verwendet. So kommen etwa die Wörter materiell (5,9), mental (8,1) oder Erscheinung (9,8) häufiger vor. Das Wort „Eigenschaft“ wird etwa doppelt so häufig verwendet wie „Merkmal“, aber seltener etwa als Bewusstsein (14,4), Wesen (17,0) oder Gegenstand (22,7).
Bei den angegebenen Bedeutungen wird teilweise „Merkmal“ mit „Eigenschaft“ und umgekehrt „Eigenschaft“ mit „Merkmal“ erklärt. Aus den Kollokationen ist ebenfalls erkennbar, dass beide Wörter im Alltag in etwa der gleichen Bedeutung verwendet werden.
Als eine hauptsächliche Bedeutung wird bei beiden Wörtern angegeben, dass damit bei Personen oder Sachen etwas Typisches gekennzeichnet wird, womit Unterscheidungen möglich werden.
Die Bedeutung des Wortes „Merkmal“ in der Linguistik und der Statistik wird von der Bedeutung im Alltag unterschieden.
Philosophie
Merkmal
HWPh
965 (11,3) Ergebnisse
Stichwort „Merkmal“, Autor I.: Gottfried Gabriel
- Der Ausdruck ‹Merkmal› kommt in drei Verwendungen vor:
- Merkmal = Kennzeichen (im Sinne von ‘Markeʼ oder ‘Markierungʼ), mit dem man ein Einzelding versieht, um es unter mehreren Dingen mit ansonsten gleichen Eigenschaften auszuzeichnen, z.B. zum Zwecke des Wiedererkennens.
- Merkmal = Eigenschaft (eines Gegenstandes). Beispiel: Das Merkmal (die Eigenschaft) des Sokrates, ein Mensch zu sein.
- Die häufigste Verwendung: Merkmal = Bestandteil eines Begriffes. Beispiel: Die Zusammensetzung des Begriffs ‘Menschʼ aus den Merkmalen ‘vernünftigʼ und ‘Lebewesenʼ. Bei dieser Auffassung bleibt die Unterscheidung von Oberbegriff und unterscheidendem Merkmal unberücksichtigt. Das logische Verhältnis eines Begriffs zu seinen Merkmalen ist das der Unterordnung (Subordination). Der Begriff ist Unterbegriff zu seinen Merkmalen als Oberbegriffen. Meistens versteht man unter den Merkmalen eines Begriffs nicht beliebige, sondern diejenigen Oberbegriffe, die zur Definition des Begriffs verwendet werden. Das Verhältnis von Begriffen zu ihren Merkmal läßt sich dann mit Hilfe von Prädikatorenregeln darstellen.
- Eine präzise Unterscheidung von ‹Eigenschaft› und ‹Merkmal› ist von G. FREGE herausgearbeitet worden. (Bd. 5, S. 1153)
Autor II.: Ute Neemann
- Nach KANT werden nur Begriffe, nicht aber Anschauungen mit Hilfe von Merkmalen auf Gegenstände bezogen, da Anschauungen sich im Gegensatz zu den Begriffen unmittelbar auf Gegenstände beziehen. Kant, der eine Unterscheidung zwischen Anschauungs- und Begriffsinhalten macht, will unter Merkmal also nur Bestandteile von Begriffen verstehen. «Ein Merkmal ist dasjenige an einem Dinge, was einen Theil der Erkenntnis desselben ausmacht; oder – welches dasselbe ist – eine Partialvorstellung, sofern sie als Erkenntnisgrund der ganzen Vorstellung betrachtet wird. – Alle unsere Begriffe sind demnach Merkmal und alles Denken ist nichts Anderes, als ein Vorstellen durch Merkmal». Bestandteile von Begriffen als Erkenntnisgründe der Dinge werden von Kant aber auch als Merkmal der Dinge selbst bezeichnet: «Die Gattungs- und Art-Begriffe sind nämlich allgemeine Merkmal aller Dinge, die unter diesen Begriffen stehen». Nach J. FR. FRIES heißen Begriffe ‹Merkmal›, wenn sie als Teilvorstellungen von Gegenständen zu Erkenntnisgründen von Gegenständen werden (Bd. 5, S. 1155).
- Eine klare Unterscheidung zwischen Teilen und Beschaffenheiten von Gegenständen sowie zwischen diesen Beschaffenheiten und den Bestandteilen vom Begriff dieser Gegenstände findet sich erst bei B. BOLZANO. Weder die reale körperliche Struktur der Dinge in Raum und Zeit noch die Beziehung der Beschaffenheiten von Dingen müssen mit der begrifflichen Struktur von diesen Dingen übereinstimmen. Gegenstände können Beschaffenheiten haben, die begrifflich noch nicht erfaßt und damit noch nicht Bestandteil eines Begriffs geworden sind. Bolzano unterscheidet daher ausdrücklich zwischen Bestandteilen von Begriffen und Beschaffenheiten von Gegenständen. Merkmal aber sind solche einzelnen Beschaffenheiten, «die, wenn auch nicht für sich, doch in Verbindung mit andern tauglich sind, einen Gegenstand entweder schlechterdings unter allen, oder doch unter allen einer gewissen Art auszukennen, weil sie zusammen ihm allein zukommen». Die Unterscheidung von Merkmal und Bestandteil erlaubt nach Bolzano überhaupt erst die Behauptung wahrer synthetischer Sätze, in denen «das Prädicat … wohl allenfalls ein Merkmal des Subjectes, aber durchaus nicht ein Bestandtheil der Subjectvorstellung seyn darf» (Bd. 5, S. 1155).
- Nach J. G. HERDER heißt deutlich erkennen, mit einem Merkmal erkennen. Ein Merkmal ist aber nicht Eigenschaft eines Dinges oder Bestandteil eines Begriffs, sondern ein Kennzeichen als Erinnerungszeichen, ein Name, ein «gefaßtes Zeichen, bei welchem sich die Seele an eine Idee deutlich besann». Als gedankliches, sprachlich nicht geäußertes Zeichen ist ein Merkmal dann auch «ein innerliches Merkwort».
- Bei H. LOTZE und CHR. SIGWART sind Merkmal ganz allgemein die Teile eines zusammengesetzten Begriffsinhalts, während B. ERDMANN wieder Bezug auf die Beschaffenheiten der Gegenstände nimmt: «Die einzelnen in einer Vorstellung enthaltenen Bewußtseinsbestandteile, ihre Teilvorstellungen, werden, als Bestimmungen des Gegenstandes aufgefaßt, Merkmal genannt». (Bd. 5, S. 1155)
Autor III: Otto von Verschuer
- Mit Merkmal oder Phän wird in der Vererbungswissenschaft seit MENDEL jede Eigentümlichkeit im Erscheinungsbild eines Organismus bezeichnet, die nach der Mendelistischen Gesetzmäßigkeit übertragen wird (Bd. 5, S. 1156).
MLPh
133 (4,1) Ergebnisse
Stichwort „Merkmal“, Autor: Peter Prechtl
- Die traditionelle Lehre vom Begriff unterscheidet zwischen einem Seienden, von dem der Begriff aussagbar ist (d.i. dem Materialobjekt), und dem Inhalt (Formalobjekt), der in diesem Begriff erfasst ist. Als Inhalt gelten das Merkmal oder die Gesamtheit der in dem Begriff gedachten Merkmale. Dabei bezieht sich die Bezeichnung »Merkmal« sowohl auf die an einem Gegenstand selbst unterscheidbaren unselbständigen Teilinhalte wie auch auf die Teilinhalte des Begriffs. Dadurch fungiert das Merkmal zum einen i.S. von »Eigenschaft eines Gegenstandes «, zum anderen i.S. von »Kennzeichen« (differentia specifica), das es ermöglicht, ein Einzelding von anderen zu unterscheiden. – Frege hat eine Unterscheidung von »Eigenschaft« und »Merkmal« eingeführt. (S. 371)
EPh
471 (15,0) Ergebnisse
Kein Stichwort „Merkmal“
- Descartes konstituiert den modernen Bewusstseinsbegriff, indem er ihn vom Begriff des Gewissens loslöst und zum zentralen Merkmal des Menschen macht (S. 279b).
- Die logische Zwischenstellung der Eigenschaft in der Bezeichnung des Dings wird dann deutlich, wenn man sie als das Merkmal definiert, das alle Dinge einer Gattung im Unterschied zu den Dingen einer anderen Gattung oder alle Dinge einer Gattung und sie allein kennzeichnet (S. 428)
- Gleichheit bedeutet Übereinstimmung einer Mehrzahl von Gegenständen, Personen oder Sachverhalten in einem bestimmten Merkmal, bei Verschiedenheit in anderen Merkmalen.
- Die Methode der Übereinstimmung erlaubt den folgenden Schluss: Eine Anzahl von Phänomenen hat das Merkmal G als einzige Gemeinsamkeit, die potenziellen Ursachen von G stimmen genau in dem Merkmal F überein, also ist F die Ursache von G (S. 1597).
- Die Frage, ob es ein charakteristisches Merkmal des Mentalen gibt, das es erlaubt, mentale Phänomene eindeutig von physischen Phänomenen zu unterscheiden, ist in der Philosophie des Geistes immer wieder gestellt worden (S. 2004).
TWA
PHG: 6 (1,0) Ergebnisse; WL I: 1 (0,2) Ergebnis, WL II: 20 (3,6) Ergebnisse
- Was wesentliche Merkmale genannt werden, sind ruhende Bestimmtheiten, welche so, wie sie als einfache sich ausdrücken und aufgefaßt werden, nicht das, was ihre Natur ausmacht, verschwindende Momente der sich in sich zurücknehmenden Bewegung zu sein, darstellen (PHG, S. 191-192).
- Der deutliche Begriff soll ein solcher sein, von welchem man die Merkmale angeben könne. Sonach ist er eigentlich der bestimmte Begriff. Das Merkmal, wenn nämlich das, was darin Richtiges liegt, aufgefaßt wird, ist nichts anderes als die Bestimmtheit oder der einfache Inhalt des Begriffs, insofern er von der Form der Allgemeinheit unterschieden wird. Aber das Merkmal hat zunächst nicht gerade diese genauere Bedeutung, sondern ist überhaupt nur eine Bestimmung, wodurch ein Dritter sich einen Gegenstand oder den Begriff merkt; es kann daher ein sehr zufälliger Umstand sein (WL II, S. 290).
Enz I: 6 (1,6) Ergebnisse, Enz II: 5 (0,9) Ergebnisse, Enz III: 0 Ergebnisse
- Die gewöhnlichen Arten von klaren, deutlichen und adäquaten Begriffen gehören nicht dem Begriffe, sondern der Psychologie insofern an als unter klarem und deutlichem Begriffe Vorstellungen gemeint sind, unter jenem eine abstrakte, einfach bestimmte, unter diesem eine solche, an der aber noch ein Merkmal, d. i. irgendeine Bestimmtheit zum Zeichen für das subjektive Erkennen herausgehoben ist. Nichts ist so sehr selbst das Merkmal der Äußerlichkeit und des Verkommens der Logik als die beliebte Kategorie des Merkmals (Enz I, S. 315).
- Hat nun auch die empirische Naturbetrachtung diese Kategorie der Allgemeinheit mit der Naturphilosophie gemein, so schwankt sie doch zuweilen dazwischen, ob dies Allgemeine subjektiv oder objektiv sei; man kann oft sagen hören, diese Klassen und Ordnungen mache man nur zum Behufe des Erkennens. Dies Schwanken kommt noch weiter darin vor, daß man Merkmale aufsucht, nicht in der Meinung, daß sie die wesentlichen objektiven Bestimmungen der Dinge seien, sondern [daß sie] nur zu unserer Bequemlichkeit dienen, um uns die Dinge daran zu merken. Wenn’s weiter nichts wäre, so könnte man z. B. als Merkmal des Menschen das Ohrläppchen angeben, welches sonst kein Tier hat, da fühlt man aber sogleich, daß eine solche Bestimmung nicht hinreicht, das Wesentliche am Menschen zu erkennen (Enz II, S. 19).
- Es ist in der Zoologie, wie in den Naturwissenschaften überhaupt, mehr darum zu tun gewesen, für das subjektive Erkennen sichere und einfache Merkmale der Klassen, Ordnungen usf. aufzufinden (Enz II, S. 500).
Eigenschaft
HWPh
2000 (23,3) Ergebnisse
Stichwort „Eigenschaft“, Autoren: I. und II.: Hans-Jürgen Fuchs; III.: Carl Friedrich Graumann
- Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Eigenschaft als Besitz (Eigentum) wandelte sich zu Beschaffenheit oder Merkmal, das eine Person oder Sache hat. Im Unterschied zur Eigenheit, die die Vorstellung einer individuellen Besonderheit einschließt, kann Eigenschaft etwas sein, das vielen Individuen in gleicher oder ähnlicher Weise zukommt (Bd. 2, S. 334).
- In der deutschen und flämischen Mystik des 14./15. und 17./18. Jh. fungieren Eigenschaft und das häufig synonym mit ihm gebrauchte Eigenheit als Begriffe, deren Sinngehalt von den beiden üblichen Bedeutungen «Eigentum» und «Merkmal, Beschaffenheit» sowohl in der semantischen Weite als auch im Bedeutungskern erheblich abweicht. Beide Termini sind Lehnübersetzungen von lateinisch proprietas. Ein direkter Zusammenhang mit dem hellenistischem ἰδιóτης (Eigenart, Eigentümlichkeit) scheint nicht zu bestehen. Das mönchische Leben des Abendlands kennt seit seinen frühesten Anfängen das Gebot des commune und das Verbot des proprium als eines eigenen Besitzes (Bd. 2, S. 335).
- Schon im 12. Jh. beginnt der Prozeß, der die Sonderentwicklung von Eigenschaft am stärksten beeinflußt: proprium, das im theologischen Vokabular neben den oben genannten Verwendungen auch noch in vielen anderen Termini mit ethisch negativer Bewertung vorkommt …, wird zu einem abstrakten Oberbegriff, der alles umfaßt, was der Mensch für sich, d.h. ohne göttlichen Rückbezug, denkt, empfindet und besitzt (Bd. 2, S. 335).
- Dieser neue, höchst allgemeine und abstrakte Sinngehalt von proprietas, der sich in etwa mit «Selbstbezogenheit» wiedergeben ließe, zeigt sich voll ausgeprägt in der Ende des 13. Jh. vor allem in Italien und Deutschland entstehenden theozentrisch-dualistischen Mystik der Dominikaner. Das moralische Abstraktum proprietas ist damit zu einer ontologischen Größe erweitert worden: Das Böse besteht nicht mehr in einem Laster, dem sich eine Tugend zuordnen ließe, sondern in der Ichbefangenheit menschlicher Existenz an sich, solange diese noch nicht völlig «entselbstet» und damit der Göttlichkeit konform geworden ist. Die stärksten Hindernisse für die «Entwerdung» aber liegen weniger im Aufgeben des Äußerlichen als des Inneren, nämlich eigenen Fühlens und Denkens, vor allem im Hinblick auf das Selbstwerterleben der eigenen Person und der Ichhaftigkeit jeder Reflexion an sich (Bd. 2, S. 335.
- Als MEISTER ECKHART proprietas mit Eigenschaft verdeutscht, übernimmt er alle fünf in der bisherigen Begriffsgeschichte angetroffenen semantischen Hauptfunktionen und entwickelt vor allem die Radikalität und Absolutheit der ontologischen Bedeutung selbst weiter (Bd. 2, S. 336).
- Im anarchistischen Individualismus und Egoismus M. STIRNERS erfahren Eigenheit und Eigenschaft neben anderen ehemaligen Schlüsselbegriffen der Mystik wie Eigennutz, Eigenwillen, Ich, Mein, Mich ihre ironische Verkehrung ins Gegenteil der theologischen Bewertung (Bd. 2, S. 337)]
- Der allgemeine Eigenschaft-Begriff wird in der Psychologie außerhalb der Persönlichkeitstheorie fast durchweg unreflektiert verwendet. Die wichtigste Ausnahme bildet die Gestalttheorie, die eine in der Wahrnehmungslehre entwickelte Eigenschaft-Theorie anbietet. E. RAUSCH beschränkt den Eigenschaft-Begriff auf «ausgegliederte Gegenstände»; andere Attribute werden Qualitäten genannt. Kommt eine Eigenschaft einem Gegenstand unmittelbar zu, so heißt sie phänomenale Eigenschaft; ist sie nur zu ermitteln, konditional-genetische Eigenschaft. Für Ganze und Teile unterscheidet METZGER Struktur- oder Gefüge-Eigenschaft, die Ordnung und Aufbau kennzeichnen, Ganzqualitäten (für Stoffliches) und schließlich – als «tertiäre Qualitäten» – Wesens-Eigenschaft (physiognomische oder Ausdrucks-Eigenschaft). Speziell von der Struktur der übergeordneten, meist unanschaulichen Bezugssysteme abhängig sind die (phänomenal) absoluten Eigenschaften – Eine Auswirkung der «Gestalttheorie der Eigenschaft» auf die Eigenschaft-Problematik der Persönlichkeitspsychologie steht noch aus.
- Die Persönlichkeits-Eigenschaft (vereinzelt auch: Charakter-Eigenschaft) haben ungleich mehr theoretische Bemühung und Kontroverse auf sich gezogen. Als Gemeingut der meisten Persönlichkeitstheorien kennzeichnen sie immerhin einige Theorien als ausdrücklich eigenschaftszentriert.
- Während die meisten Eigenschaft-Definitionen das «relativ Überdauernde» unterstreichen, oft überhaupt nur Verhaltenskonsistenz formulieren, findet in jüngster Zeit auch die Variabilität von Eigenschaft Beachtung. (Bd. 2, S. 337-338)]
MLPh
410 (58,2) Ergebnisse
Stichwort „Eigenschaft“, Autor: Wulf Kellerwessel
- Eigenschaft, allgemein dasjenige, was Personen, Gegenständen oder auch Begriffen zu eigen ist; eine Beschaffenheit oder ein Merkmal. Bei Eigenschaft wird zwischen wesentlichen und unwesentlichen unterschieden. Als wesentliche oder substanzielle Eigenschaften gelten in der philosophischen Tradition solche, ohne die ein Gegenstand etc. nicht zu bestehen vermag bzw. nicht das ist, was er ist, unwesentliche, zufällige oder akzidentielle Eigenschaften sind solche, ohne die ein Gegenstand weiter bestehen kann. Zudem geht diese Einteilung mit der in primäre und sekundäre Qualitäten einher. Eigenschaften können Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede von Gegenständen etc. aufzeigen. Entsprechend lassen sie sich zur Klasseneinteilung verwenden. In der einfachen Prädikatenlogik geben Prädikate Eigenschaften bzw. Intensionen an, mit deren Hilfe dann Gegenstände usw. weiter in Klassen zusammengefasst werden können (S. 126).
EPh
1587 (50,6) Ergebnisse
Stichwort „Ding/Eigenschaft“, Autor: Angelica Nuzzo
- Ding und Eigenschaft sind korrelative Begriffe. Dies wird dadurch am klarsten dargetan, dass man ihr Verhältnis von der Seite der Eigenschaft statt des Dings liest. Denn während das Ding auch unabhängig von seiner Eigenschaft – zumindest dem Anschein nach – definiert bzw. thematisiert werden kann, bezieht sich die Eigenschaft schon immer und notwendigerweise auf das entsprechende Ding. Im gewöhnlichen Verständnis ist die Eigenschaft das zum Wesen eines Dings – oder einer Sache oder Person – gehörende Merkmal oder sein Charakter, seine Fähigkeit oder auch Funktion, seine charakteristische Beschaffenheit oder Eigentümlichkeit. Schon die lexikalische Definition der Eigenschaft schwebt jedoch zwischen der im etymologischen ›Eigen‹ (proprium) enthaltenen Bezeichnung eines spezifischen Charakters des Dings und der generelleren Bestimmung des allgemeinen Merkmals, das alle Dinge – oder eine schon definierte Klasse von Dingen – kennzeichnet. In diesem Sinne bezeichnet man in den Einzelwissenschaften die physischen, chemischen, vitalen Eigenschaften der Körper (in der Naturwissenschaft des 18. Jh. auch ›Materien‹, ›matières‹), die zugleich deren Wirkungsweise ausdrücken sollen. Die logische Zwischenstellung der Eigenschaft in der Bezeichnung des Dings wird dann deutlich, wenn man sie als das Merkmal definiert, das alle Dinge einer Gattung im Unterschied zu den Dingen einer anderen Gattung oder alle Dinge einer Gattung und sie allein (omni et soli) kennzeichnet (S. 428)
- Wenn ›Ding‹ die allgemeinste Bezeichnung eines nicht weiter definierten gegenständlichen Bereichs ist, bestimmt – von diesem her gesehen – umgekehrt das Ding das Verhältnis von Ding und Eigenschaft nach seiner allgemeinen Beschaffenheit und auch im Unterschied zu anderen Dingen; dabei bleibt die Frage offen, ob die Eigenschaft (bzw. mehrere/ alle Eigenschaft) das Wesen des Dings überhaupt ausdrücken kann. Die Eigenschaft ist das, was einem Ding im Modus des ›Habens‹ zusammen mit anderen Eigenschaften gehört: Ein Ding hat eine Mannigfaltigkeit von Eigenschaften, oder eine Eigenschaft wird unter anderen Eigenschaft als ›wesentliche‹ Eigenschaft bevorzugt (S. 428).
- Der Terminus ›Eigenschaft‹ gehört ursprünglich zu demselben rechtlichen Bereich wie der Ausdruck ›Ding‹. Er bezeichnete den ›Besitz‹ oder das Eigentum (proprietas), das jedem Individuum eigen (proprium) ist, und ging dann über in die Bedeutung der Beschaffenheit eines Dings oder einer Person. Im späten Mittelalter verbinden alle rom. Sprachen mit dem Wort ›proprium‹ die Bedeutung von ›selbst‹ – nämlich eine reflexive Beziehung zum Individuum. Im 16. Jh. wurde ›Eigenschaft‹ die Übersetzung von qualitas und ›zufällige Eigenschaft‹ die Wiedergabe des logischen accidens. Das Wort ›Eigenschaft‹ hat eine Tradition, durch die es an der Entwicklung der Mystik und der Theologie sowie ihrer Auseinandersetzung mit der Philosophie partizipiert: In der dt. und flämischen Mystik des 14. und 15. Jh. bedeutet Eigenschaft soviel wie ›Eigenheit (S. 428b).
- In der griech. Philosophie verweist das Ding/Eigenschaft-Verhältnis – als das Problem von idion und hypokeimenon – sowohl auf das Problem der logischen Prädikation als auch auf die Frage nach dem ontologischen Status der Eigenschaft (als Attribut oder accidens). Aristoteles – und nach ihm Porphyrios – analysiert in der Topica die verschiedenen Bedeutungen des idion als eines der Prädikabilien (S. 429).
Es folgen Ausführungen zu den Auffassungen von Aristoteles und Porphyrius, auf die anhand der Originalschriften in dem Text „Momente des Begriffs ‚Eigenschaft‘ in Schriften von Aristoteles“ eingegangen wird.
- In der dt. Schulmetaphysik wird Ch. Wolff die logische Notwendigkeit des Schlusses auf die Eigenschaft eines Dings (ontologisch: Ens) aus dessen Wesen dartun. Auch wenn die Eigenschaft kein Teil des Wesens sei, könne sie dennoch aus ihm erschlossen werden (S. 429).
- Kant verbindet das Problem des Ding-Eigenschaft-Verhältnisses sowohl mit der Unterscheidung zwischen logischer und realer Bestimmung als auch mit der Unterscheidung zwischen synthetischer und analytischer Prädikation und Urteilen. Er verknüpft darüber hinaus das Lockesche Problem der Bestimmung des Dings durch seine Eigenschaft mit der transzendentalen Unterscheidung zwischen ›Erscheinung‹ und ›Ding an sich‹. Für die Tradition des Empirismus sind alle »Qualitäten der Körper«, sowohl diejenigen, »die man primarias nennt, die Ausdehnung, den Ort, und überhaupt den Raum, mit allem was ihm anhängig« ist als auch die sekundären, nicht »Eigenschaften, die dem Objekt an sich selbst, sondern nur dem Sinn des Sehens als Modifikationen anhängen«. Nach Kant gehören »alle Eigenschaften, die die Anschauung eines Körpers ausmachen, bloß zu seiner Erscheinung«, d.h. zu seiner Bestimmung in der synthetischen Auffassung durch reine Anschauung und Verstandeskategorien. (S. 429b).
- Bolzano hebt den objektiven Charakter der Eigenschaft gegenüber der formalen Natur der begrifflichen Bestimmung des Gegenstandes hervor. Die Eigenschaft ist das, was zum Objekt führt, was ein Objekt hat. … Auf diese Weise erläutert Carnap den Terminus »property« und seinen Gebrauch: »This term will be used as synonymous with words like ›quality‹, ›character‹, ›characteristic‹, and the like in the ordinary use. It is to be understood in a very wide sense, including whatever can be said meaningfully, no matter whether truly or falsely, about any individual« [Dieser Begriff wird im allgemeinen Sprachgebrauch synonym mit Wörtern wie ›Qualität‹, ›Eigenschaft‹, ›Merkmal‹ und dergleichen verwendet. Es ist in einem sehr weiten Sinne zu verstehen und umfasst alles, was sinnvoll, egal ob wahr oder falsch, über eine Person gesagt werden kann]. ›Property‹ bezeichnet mithin sowohl qualitative als auch quantitative und relationale Eigenschaften. Andererseits steht sie nicht für sprachliche Ausdrücke, und nähert sich so Bolzanos objektivistischer Deutung an: »The properties of things are not meant as something mental, say images or sense- data, but as something physical that things have, a side or aspect or component or character of the things. If an observer sees that this table is red, then the table has the character Red and the observer has the corresponding character Red- Seeing. By the property Red we mean the first, not the second.« [Unter den Eigenschaften von Dingen versteht man nicht etwas Mentales, etwa Bilder oder Sinnesdaten, sondern etwas Physisches, das die Dinge haben, eine Seite oder einen Aspekt oder eine Komponente oder einen Charakter der Dinge. Sieht ein Beobachter, dass diesen Tisch rot ist, dann hat der Tisch die Eigenschaft Rot und der Beobachter die entsprechende Eigenschaft Rot-Sehend. Mit der Eigenschaft Rot meinen wir die erste, nicht die zweite.] (S. 429b).
Es folgen längere Ausführungen zu den Ansichten von Hegel, auf die im Folgenden anhand der Originalschriften eingegangen wird.
TWA
PHG: 88 (15,2)
- Dieser Gegenstand ist nun näher zu bestimmen und diese Bestimmung aus dem Resultate, das sich ergeben, kurz zu entwickeln; …. Da sein Prinzip, das Allgemeine, in seiner Einfachheit ein vermitteltes ist, so muß er dies als seine Natur an ihm ausdrücken; er zeigt sich dadurch als das Ding von vielen Eigenschaften (PHG, S. 93-94).
- Dies Salz ist einfaches Hier und zugleich vielfach; es ist weiß und auch scharf, auch kubisch gestaltet, auch von bestimmter Schwere usw. Alle diese vielen Eigenschaften sind in einem einfachen Hier, worin sie sich also durchdringen; keine hat ein anderes Hier als die andere, sondern jede ist allenthalten in demselben, worin die andere ist; und zugleich, ohne durch verschiedene Hier geschieden zu sein, affizieren sie sich in dieser Durchdringung nicht; das Weiße affiziert oder verändert das Kubische nicht, beide nicht das Scharfe usw., sondern da jede selbst einfaches Sichaufsichbeziehen ist, läßt sie die anderen ruhig und bezieht sich nur durch das gleichgültige Auch auf sie. … In diesem Verhältnisse, das sich ergeben hat, ist nur erst der Charakter der positiven Allgemeinheit beobachtet und entwickelt; es bietet sich aber noch eine Seite dar, welche auch hereingenommen werden muß. Nämlich wenn die vielen bestimmten Eigenschaften schlechterdings gleichgültig wären und sich durchaus nur auf sich selbst bezögen, so wären sie keine bestimmten; denn sie sind dies nur, insofern sie sich unterscheiden und sich auf andere als entgegengesetzte beziehen (PHG, S. 95).
- In diesen Momenten zusammen ist das Ding als das Wahre der Wahrnehmung vollendet, soweit es nötig ist, es hier zu entwickeln. Es ist α) die gleichgültige passive Allgemeinheit, das Auch der vielen Eigenschaften oder vielmehr Materien, β) die Negation ebenso als einfach, oder das Eins, das Ausschließen entgegengesetzter Eigenschaften, und γ) die vielen Eigenschaften selbst, die Beziehung der zwei ersten Momente, die Negation, wie sie sich auf das gleichgültige Element bezieht und sich darin als eine Menge von Unterschieden ausbreitet; der Punkt der Einzelheit in dem Medium des Bestehens in die Vielheit ausstrahlend. Nach der Seite, daß diese Unterschiede dem gleichgültigen Medium angehören, sind sie selbst allgemein, beziehen sich nur auf sich und affizieren sich nicht; nach der Seite aber, daß sie der negativen Einheit angehören, sind sie zugleich ausschließend, haben aber diese entgegengesetzte Beziehung notwendig an Eigenschaften, die aus ihrem Auch entfernt sind. Die sinnliche Allgemeinheit oder die unmittelbare Einheit des Seins und des Negativen ist erst so Eigenschaft, insofern das Eins und die reine Allgemeinheit aus ihr entwickelt und voneinander unterschieden sind und sie diese miteinander zusammenschließt; diese Beziehung derselben auf die reinen wesentlichen Momente vollendet erst das Ding (PHG, S. 96).
WL I: 7 (1,6) Ergebnisse; WL II: 127 (22,7) Ergebnisse
- Die Qualität ist erst in der Rücksicht vornehmlich Eigenschaft, als sie in einer äußerlichen Beziehung sich als immanente Bestimmung Unter Eigenschaften, z. B. von Kräutern, versteht man Bestimmungen, die einem Etwas nicht nur überhaupt eigen sind, sondern insofern es sich dadurch in der Beziehung auf andere auf eine eigentümliche Weise erhält, die fremden in ihm gesetzten Einwirkungen nicht in sich gewähren läßt, sondern seine eigenen Bestimmungen in dem Anderen – ob es dies zwar nicht von sich abhält – geltend macht. Die mehr ruhenden Bestimmtheiten, z. B. Figur, Gestalt, nennt man dagegen nicht wohl Eigenschaften, auch etwa nicht Qualitäten, insofern sie als veränderlich, mit dem Sein nicht identisch vorgestellt werden (WL I, S. 122).
- Diese Bestimmtheit des Dings-an-sich ist die Eigenschaft des Dings. … Die Qualität ist die unmittelbare Bestimmtheit des Etwas, das Negative selbst, wodurch das Sein Etwas ist. So ist die Eigenschaft des Dings die Negativität der Reflexion, wodurch die Existenz überhaupt ein Existierendes und, als einfache Identität mit sich, Ding-an-sich ist (WL II, S. 133).
- Ein Ding hat die Eigenschaft, dies oder jenes im Anderen zu bewirken und auf eine eigentümliche Weise sich in seiner Beziehung zu äußern. Es beweist diese Eigenschaft nur unter der Bedingung einer entsprechenden Beschaffenheit des anderen Dinges, aber sie ist ihm zugleich eigentümlich und seine mit sich identische Grundlage; – diese reflektierte Qualität heißt darum Eigenschaft (WL II, S. 134).
- Diese mehreren verschiedenen Dinge stehen in wesentlicher Wechselwirkung durch ihre Eigenschaften; die Eigenschaft ist diese Wechselbeziehung selbst, und das Ding ist nichts außer derselben … (WL II, S. 137).
- Der Übergang der Eigenschaft in eine Materie oder in einen selbständigen Stoff ist der bekannte Übergang, den an der sinnlichen Materie die Chemie macht, indem sie die Eigenschaften der Farbe, des Geruchs, des Geschmacks usf. als Lichtstoff, Färbestoff, Riechstoff, sauren, bittern usf. Stoff darzustellen sucht … (WL II, S. 139).
- Drittens aber sieht es mit den Definitionen konkreter Objekte der Natur sowohl als auch des Geistes ganz anders aus. Solche Gegenstände sind überhaupt für die Vorstellung Dinge von vielen Eigenschaften. Es kommt hier zunächst darauf an, aufzufassen, was ihre nächste Gattung, und dann, was ihre spezifische Differenz ist. Es ist daher zu bestimmen, welche der vielen Eigenschaften dem Gegenstande als Gattung und welche ihm als Art zukomme, ferner welche unter diesen Eigenschaften die wesentliche sei; und zu dem Letzteren gehört, zu erkennen, in welchem Zusammenhange sie miteinander stehen, ob die eine schon mit der anderen gesetzt sei. Dafür aber ist kein anderes Kriterium noch vorhanden als das Dasein – Die Wesentlichkeit der Eigenschaft ist für die Definition, worin sie als einfache, unentwickelte Bestimmtheit gesetzt sein soll, ihre Allgemeinheit. Diese aber ist im Dasein die bloß empirische Allgemeinheit in der Zeit – ob die Eigenschaft dauernd ist, während die anderen sich als vergänglich in dem Bestehen des Ganzen zeigen (WL II, S. 515)
Enz I: 30 (7,9) Ergebnisse, Enz II: 81 (15,3) Ergebnisse, Enz III: 14 (3,6) Ergebnisse
- Das Ding ist die Totalität als die in Einem gesetzte Entwicklung der Bestimmungen des Grundes und der Existenz. Es hat nach dem einen seiner Momente, der Reflexion-in-Anderes, die Unterschiede an ihm, wonach es ein bestimmtes und konkretes Ding ist. α) Diese Bestimmungen sind voneinander verschieden; an dem Dinge, nicht an ihnen selbst, haben sie ihre Reflexion-in-sich. Sie sind Eigenschaften des Dings, und ihre Beziehung auf dasselbe ist das Haben (Enz I, S. 256).
- Übrigens ist die Eigenschaft nicht mit der Qualität zu verwechseln. Man sagt zwar auch, etwas habe Qualitäten. Diese Bezeichnung ist indes insofern unpassend, als das Haben eine Selbständigkeit andeutet, die dem mit seiner Qualität unmittelbar identischen Etwas noch nicht zukommt. Etwas ist das, was es ist, nur durch seine Qualität, wohingegen das Ding zwar gleichfalls nur existiert, insofern es Eigenschaften hat, jedoch nicht an diese oder jene bestimmte Eigenschaft gebunden ist und somit auch dieselbe verlieren kann, ohne daß es deshalb aufhört, das zu sein, was es ist (Enz I, S. 256-257).
- Am größten ist diese Zufälligkeit im Reiche der konkreten Gebilde, die aber als Naturdinge zugleich nur unmittelbar konkret sind. Das unmittelbar Konkrete nämlich ist eine Menge von Eigenschaften, die außereinander und mehr oder weniger gleichgültig gegeneinander sind, gegen die eben darum die einfache für sich seiende Subjektivität ebenfalls gleichgültig ist und sie äußerlicher, somit zufälliger Bestimmung überläßt. Es ist die Ohnmacht der Natur, die Begriffsbestimmungen nur abstrakt zu erhalten und die Ausführung des Besonderen äußerer Bestimmbarkeit auszusetzen (Enz II, S. 34).
- Diese Eigenschaften des individuellen Körpers, Farbe, Geruch, Geschmack existieren nicht selbständig für sich, sondern kommen einem Substrate zu. Da sie nur erst in der unmittelbaren Individualität gehalten sind, so sind sie auch gegeneinander gleichgültig; was also Eigenschaft ist, ist auch Materie, z. B. das Farbenpigment. Es ist noch die unkräftige Individualität, daß die Eigenschaften auch frei werden; die zusammenhaltende Kraft des Lebens ist hier noch nicht, wie im Organischen, vorhanden (Enz II, S. 223).
- Als Eigenschaft setzt die Farbe nun ein Subjekt voraus, und daß sie in dieser Subjektivität gehalten ist; sie ist aber auch als ein Besonderes, für Andere, – wie jede Eigenschaft als solche nur für den Sinn eines Lebendigen. Dieses Andere sind wir, die Empfindenden; unsere Empfindung des Gesichts wird durch die Farben bestimmt. … Der Sinn läßt die Eigenschaft, wie sie ist; sie ist zwar für ihn, er reißt sie aber nicht an sich. Da die Eigenschaft aber der Natur angehört, so muß diese Beziehung auch physisch sein, nicht rein theoretisch, wie zum Sinn eines Lebendigen; wie also die Eigenschaft einmal dem Dinge angehört, so muß sie dann auch auf ein Anderes innerhalb der Sphäre des Unorganischen selbst bezogen werden. (Enz II, S. 268.
- Sie verfahren in diesem Felde wie in dem physischen die Physiker, welche gleichfalls wohl wissen, daß sie mannigfaltige sinnliche Eigenschaften und Stoffe – oder gewöhnlich nur Stoffe (denn die Eigenschaften verwandeln sich ihnen gleichfalls in Stoffe) – vor sich haben und daß diese Stoffe auch in Beziehung aufeinander stehen (Enz III, S. 390).
Auswertungen Philosophie
Häufigkeiten in philosophischen Quellen
Wort | HWPh | MLPh | EPh | PHG | WL | Enz |
Merkmal | 11,3 | 4,1 | 15,0 | 1,0 | 2,1 | 0,8 |
Eigenschaft | 23,3 | 58,2 | 50,6 | 15,2 | 13,4 | 9,6 |
Das Wort „Merkmal“ wird in vier der analysierten Publikationen (MLPh, PHG, WL, Enz) selten und in den anderen zwei etwas häufiger verwendet. Das Wort „Eigenschaft“ gehört in den aktuellen philosophischen Lexika, insbesondere in MLPh und EPh, zu den an den häufigsten verwendeten Worten. Hegel benutzt es seltener.
Im Vergleich zur Alltagssprache spielen die beiden Wörter in der Philosophie eine weit größere Rolle, vor allem das Wort „Eigenschaft“. Dies lässt erwarten, dass die Momente beider Begriffe in der Philosophie umfassend exploriert werden. Diese Erwartung wird aber nur teilweise erfüllt, wie im Folgenden dargelegt werden soll.
Es werden zunächst nur die Aussagen in den drei aktuellen philosophischen Lexika ausgewertet. Die Auffassungen von Hegel werden danach gesondert diskutiert.
Zum Begriff „Merkmal“ in den philosophischen Lexika
Die Ausführungen zum Stichwort „Merkmal“ in den Lexika HWPh (Autoren: Gottfried Gabriel, Ute Neemann und Otto von Verschuer) und MLPh (Autor: Peter Prechtl) sind angesichts der Bedeutung dieses Terminus vom Umfang und Inhalt her nicht angemessen. In der EPh kommt das Stichwort gar nicht vor. Im HWPh wird auf die Begriffsgeschichte im Unterschied zu den meisten anderen Begriffen nicht eingegangen. Es werden lediglich die Verwendungen bei wenigen Philosophen von Kant bis Sigwart (1904) genannt. Eine Analyse aktueller Literatur oder der Bedeutungen des Begriffs in der Statistik oder der Psychologie wird nicht vorgenommen. Es wird lediglich der Merkmalsbegriff bei Mendel erwähnt.
Im HWPh werden von Gottfried Gabriel die folgenden drei Verwendungen des Ausdrucks „Merkmal“ genannt: „1. Merkmal = Kennzeichen (im Sinne von ‘Markeʼ oder ‘Markierungʼ), mit dem man ein Einzelding versieht, um es unter mehreren Dingen mit ansonsten gleichen Eigenschaften auszuzeichnen … . 2. Merkmal = Eigenschaft (eines Gegenstandes). … 3. Die häufigste Verwendung: Merkmal = Bestandteil eines Begriffes.“ (HWPh, Bd. 2, S. 1153). Diese drei Verwendungen lassen sich dann auch in den zitierten Auffassungen von Philosophen in allen drei Lexika nachweisen. Im HWPh wird als ein Leitgedanke das Verhältnis der Verwendungen von Merkmal als Eigenschaft eines Gegenstandes und Merkmal als Bestandteil eines Begriffs betrachtet.
So will Kant unter Merkmal nur Bestandteile von Begriffen verstehen (HWPh, Bd. 5, S. 1155). Bolzano unterscheidet zwischen Beschaffenheiten eines Gegenstandes, die er als Merkmal bezeichnet, und den Bestandteilen eines Begriffs, da, wie er zutreffend feststellt, „Gegenstände Beschaffenheiten haben können, die begrifflich noch nicht erfaßt und damit noch nicht Bestandteil eines Begriffs geworden sind“ (HWPh, Bd. 5 S. 1155). Während Herder und Mendel „Merkmal“ nur in seiner ersten Bedeutung (nach dem HWPh) verwenden, verstehen LOTZE und SIGWART unter „Merkmal“ ganz allgemein die Teile eines zusammengesetzten Begriffsinhalts (HWPh Bd. 5, S. 1155).
Nach dem Autor des Stichwortes „Merkmal“ im MLPh, Peter Prechtl, bezieht sich die Bezeichnung »Merkmal« sowohl auf die an einem Gegenstand selbst unterscheidbaren unselbständigen Teilinhalte wie auch auf die Teilinhalte des Begriffs (MLPh, S. 371).
In der EPh wird in den zufällig ausgewählten Zitaten „Merkmal“ im Sinne eines Kennzeichens oder einer Eigenschaft eines Gegenstandes verwendet. So wird festgestellt, dass Descartes den modernen Bewusstseinsbegriff zum zentralen Merkmal des Menschen macht (EPh, S. 279b). Mit der Formulierung, dass „die logische Zwischenstellung der Eigenschaft in der Bezeichnung des Dings deutlich wird, wenn man sie als das Merkmal definiert, das alle Dinge einer Gattung im Unterschied zu den Dingen einer anderen Gattung … kennzeichnet“ (EPh, S. 428), wird der übergreifende Charakter eines Merkmals zur Unterscheidung von Gattungen zum Ausdruck gebracht.
Zum Begriff „Eigenschaft“ in den philosophischen Lexika
Der Begriff „Eigenschaft“ wird in den Lexika oft unter Verwendung des Begriffs „Merkmal“ definiert. So erklärt Hans-Jürgen Fuchs im HWPh Eigenschaft als „Beschaffenheit oder Merkmal, das eine Person oder Sache hat“ (Bd. 2, S. 234) und Wulf Kellerwessel schreibt im MLPh: Eigenschaft ist „allgemein dasjenige, was Personen, Gegenständen oder auch Begriffen zu eigen ist; eine Beschaffenheit oder ein Merkmal“ (MLPh, S. 126). Nach Angelica Nuzzo „ist die Eigenschaft das zum Wesen eines Ding – oder einer Sache oder Person – gehörende Merkmal oder sein Charakter, seine Fähigkeit oder auch Funktion, seine charakteristische Beschaffenheit oder Eigentümlichkeit“ (EPh S. 428).
In den drei Lexika wurde aber der Begriff „Merkmal“, wenn überhaupt, unter Verwendung des Wortes „Eigenschaft“ erklärt, sodass es sich um eine Art der Zirkeldefinition handelt.
In der EPh wird zudem der Begriff „Eigenschaft“ auf die wesentlichen Eigenschaften eingeschränkt.
Der Begriff „Eigenschaft“ wird vom Begriff „Eigenheit“ unterschieden: „Im Unterschied zur Eigenheit, die die Vorstellung einer individuellen Besonderheit einschließt, kann Eigenschaft etwas sein, das vielen Individuen in gleicher oder ähnlicher Weise zukommt“ (Bd. 2, S. 234). Das erscheint wenig sinnvoll, da eine Eigenschaft auch eine individuelle Besonderheit sein kann.
Im HWPh und in der EPh wird auf Begriffsgeschichte von „Eigenschaft“ eingegangen. Während im HWPh ausführlich der Bedeutungswandel im Mittelalter beschrieben werden, fehlen Ausführungen zu den Auffassungen von Aristoteles und auch von Kant und Hegel. Diese werden nur in dem umfassenden Beitrag von Angelica Nuzzo in der EPh dargestellt.
Die heutigen Bedeutungen von „Eigenschaft“ haben sich aus den Bedeutungen der Wörter „proprium“ und „proprietas“ entwickelt, die von Beginn an negativ konnotiert waren. Das mönchische Leben des Abendlands kennt seit seinen frühesten Anfängen das Verbot des proprium als eines eigenen Besitzes (HWPh, Bd. 2, S. 335). Im 12. Jh. hat sich diese Bedeutung weiter ausgeprägt: „… proprium, das im theologischen Vokabular … auch noch in vielen anderen Termini mit ethisch negativer Bewertung vorkommt …, wird zu einem abstrakten Oberbegriff, der alles umfaßt, was der Mensch für sich, d.h. ohne göttlichen Rückbezug, denkt, empfindet und besitzt …“ (HWPh Bd. 2, S. 335). In dieser Bedeutung wird auch proprietas verwendet, das sich in etwa mit «Selbstbezogenheit» wiedergeben ließe (HWPh, Bd. 2, S. 335) und zu einer ontologischen Kategorie wird: „Das Böse besteht nicht mehr in einem Laster, dem sich eine Tugend zuordnen ließe, sondern in der Ichbefangenheit menschlicher Existenz an sich, solange diese noch nicht völlig «entselbstet» und damit der Göttlichkeit konform geworden ist (HWPh, Bd. 2, S. 336). MEISTER ECKHART verdeutscht proprietas mit „Eigenschaft“ und übernimmt dabei alle in der bisherigen Begriffsgeschichte vorkommenden Bedeutungen, wobei er vor allem die „Radikalität und Absolutheit der ontologischen Bedeutung selbst weiterentwickelt. «Diz eigen suln wir dâ mite erarnen, daz wir hie sîn âne eigenschaft unser selbes» (Dies Eigene sollen wir damit erwerben, daß wir hier (in dieser Welt) ohne jede Eigenschaft in Bezug auf uns selbst leben)“ (HWPh Bd. 2, S. 336). In wieweit diese Bedeutungen im theologischen Sprachgebrauch heute noch vorhanden sind, ist aus den theologischen Lexika nicht zu entnehmen. In der Alltagssprache und auch im aktuellen Sprachgebrauch der Philosophie sind sie offensichtlich vollständig überwunden. Auf diesen Bedeutungswandel wird allerdings im HWPh nicht eingegangen
Kant und Bolzano diskutieren den objektiven Charakter von Eigenschaften. Nach Kant gehören »alle Eigenschaften, die die Anschauung eines Körpers ausmachen, bloß zu seiner Erscheinung«, d.h. zu seiner Bestimmung in der synthetischen Auffassung durch reine Anschauung und Verstandeskategorien. Bolzano hebt den objektiven Charakter der Eigenschaft gegenüber der formalen Natur der begrifflichen Bestimmung des Gegenstandes hervor. Die Eigenschaft ist das, was zum Objekt führt, was ein Objekt hat (EPh, S. 429b).
Das diskutierte Problem führt auf die Frage nach der Reflexion objektiv vorhandener Eigenschaften eines Objektes. Eigenschaften sind einem Objekt inhärent, unabhängig davon, ob es Gegenstand einer Reflexion ist, die dann zu entsprechenden begrifflichen Bestimmungen führt. Die Überlegungen von Kant könnten damit zusammenhängen, dass durch reine Anschauung die tatsächlichen Eigenschaften eines Objektes nicht oder fehlerhaft erfasst werden können.
Auf aktuelle Verwendungen des Begriffs „Eigenschaft“ in den Fachwissenschaften wird in keinem der Lexika eingegangen. Lediglich im HWPh wird die Verwendung des Begriffs in der Psychologie und speziell der Gestalttheorie erläutert. Der Autor Carl Friedrich Graumann schätzt ein, dass „der allgemeine Eigenschaft-Begriff … in der Psychologie außerhalb der Persönlichkeitstheorie fast durchweg unreflektiert verwendet“ wird (HWPh Bd. 2, S. 337).
In der EPh findet man die Darlegung zum Begriff Eigenschaft in dem Stichwort „Ding/Eigenschaft“. Für die Autorin Angelica Nuzzo sind Ding und Eigenschaft „korrelative Begriffe“, womit sie den engen Zusammenhang beider Begriffe ausdrücken will. Dieser Gedanke durchzieht ihre gesamten ausführlichen Darlegungen zu dem Stichwort, wobei sie nun unter „Ding“ in eingeschränkter Weise ein Objekt aus einem gegenständlichen Bereich versteht. Ihrem Grundgedanken, den ich so in keiner anderen Publikationen gefunden habe, stimme ich zu: Ein Reden über Objekte ist ohne die Einbeziehung ihrer Eigenschaften kaum möglich und umgekehrt existieren Eigenschaften nicht für sich, sondern immer gebunden an Objekte. Diese Bindung des Begriffs Eigenschaft an Objekte findet sich in fast allen Bedeutungen des Wortes und seiner Vorläufer, die in den Lexika dargestellt werden.
Zu den Begriffen Merkmal und Eigenschaft bei Hegel
Hegel verwendet das Wort „Merkmal“ äußerst selten, meist verbunden mit negativen Bemerkungen. Für ihn ist ein Merkmal offensichtlich lediglich ein Erkennungszeichen, dass man zum einfachen Merken des Objektes verwendet, was aber nicht seine wesentlichen Eigenschaften enthält. So stellt er fest: „Aber das Merkmal … ist überhaupt nur eine Bestimmung, wodurch ein Dritter sich einen Gegenstand oder den Begriff merkt; es kann daher ein sehr zufälliger Umstand sein“ (WL II, S. 290). Ein Merkmal wäre „irgendeine Bestimmtheit zum Zeichen für das subjektive Erkennen …“ Nichts ist nach seinen Worten „so sehr selbst das Merkmal der Äußerlichkeit und des Verkommens der Logik als die beliebte Kategorie des Merkmals“ (Enz I, S. 315). Merkmale dienen nur „zu unserer Bequemlichkeit …, um uns die Dinge daran zu merken. Wenn’s weiter nichts wäre, so könnte man z. B. als Merkmal des Menschen das Ohrläppchen angeben, welches sonst kein Tier hat, da fühlt man aber sogleich, daß eine solche Bestimmung nicht hinreicht, das Wesentliche am Menschen zu erkennen (Enz II, S. 19).
Beziehungen zwischen den Begriffen „Merkmal“ und „Eigenschaft“ stellt er nicht her.
Das Wort „Eigenschaft“ verwendet er sehr häufig, oft in Verbindung mit seinen Darlegungen zum Ding bzw. Ding-an-sich. In den analysierten drei Werken (PHG, WL und Enz) spielt es erstmalig in der Phänomenologie in dem Kapitel „Die Wahrnehmung oder das Ding und die Täuschung“ eine Rolle. Im Vorgang der Wahrnehmung zeigt sich der untersuchte Gegenstand als „das Ding von vielen Eigenschaften“ (PHG, S. 94), die zum einen „gleichgültig“ zueinander sind, als „das Auch der vielen Eigenschaften“. Dies ist aber nur ein Moment, um „das Ding als das Wahre der Wahrnehmung“ zu vollenden. Die Eigenschaften sind nur dadurch bestimmt, dass „sie sich unterscheiden und sich auf andere als entgegengesetzte beziehen“ (PHG, S. 95). Es geht dabei um „das Ausschließen entgegengesetzter Eigenschaften (PHG, S. 96).
Dieser eher beiläufig geäußerte Gedanke, tritt in den weiteren Werken nicht mehr so explizit auf. Als eines der wenigen Beispiele in der Phänomenologie überhaupt gibt Hegel als „Ding von vielen Eigenschaften“ das Salz an, das „weiß und auch scharf, auch kubisch gestaltet, auch von bestimmter Schwere usw.“ ist (PHG, S. 95). Das zweite Moment der Eigenschaft erläutert er leider nicht an einem Beispiel, wobei dies durchaus in folgender Weise am Beispiel des Salzes möglich ist. Es können in folgender Weise die entgegengesetzten zu den vier genannten Eigenschaften in sinnvoller Weise betrachtet werden, bei einer Einschränkung auf die Menge der Gewürze:
- Es ist nicht weiß. Es könnte verunreinigtes Salz, ein Salz mit einem Zusatz oder ein anderes Gewürz sein.
- Es ist nicht scharf. Andere Gewürze haben eine andere Wirkung, sie können einen schärferen oder weniger scharfen Geschmack erzeugen.
- Es ist nicht kubisch, womit Hegel sicher den kristallinen Aufbau meint. Dies schließt alle anderen Gewürze aus, die einen solchen Aufbau nicht haben.
- Es hat nicht die konkrete Masse der betrachteten Menge Salz, die zum Würzen einer Speise verwendet wird. Es könnte mehr oder weniger Salz sein, wodurch dann die Speisen entweder versalzen oder zu fade werden.
Diesen Gedanken der Betrachtung entgegengesetzter Eigenschaften sind für einen Koch durchaus von Bedeutung, sie gehören zu seinen notwendigen Kenntnissen beim Würzen von Speisen.
Der Gedanke von Hegel stellt aus meiner Sicht ein wesentliches Moment des Begriffs „Eigenschaft“ dar.
Der Begriff „Eigenschaft“ ist für Hegel keine Kategorie. An mehreren Stellen findet sich eine gewisse Erklärung, die aber insgesamt kein geschlossenes Bild seiner Auffassungen von diesem Begriff ergibt.
Dabei scheint ihm ein Moment besonders wichtig zu sein, eine Eigenschaft ist nicht nur für sich sondern zeigt sich in Beziehungen zu etwas Anderem. „Die Qualität ist erst in der Rücksicht vornehmlich Eigenschaft, als sie in einer äußerlichen Beziehung sich als immanente Bestimmung zeigt. Unter Eigenschaften, z. B. von Kräutern, versteht man Bestimmungen, die einem Etwas nicht nur überhaupt eigen sind, sondern insofern es sich dadurch in der Beziehung auf andere auf eine eigentümliche Weise erhält, die fremden in ihm gesetzten Einwirkungen nicht in sich gewähren läßt, sondern seine eigenen Bestimmungen in dem Anderen.“ (WL I, S. 122). Diesen Gedanken erläutert er an der Wirkung, die eine Farbe auf unsere Sinne hat. „Als Eigenschaft setzt die Farbe nun ein Subjekt voraus, und daß sie in dieser Subjektivität gehalten ist; sie ist aber auch als ein Besonderes, für Andere, – wie jede Eigenschaft als solche nur für den Sinn eines Lebendigen. Dieses Andere sind wir, die Empfindenden; unsere Empfindung des Gesichts wird durch die Farben bestimmt. … Der Sinn läßt die Eigenschaft, wie sie ist; sie ist zwar für ihn, er reißt sie aber nicht an sich“ (Enz II, S. 268). Er bringt die Wechselwirkung von Dingen zueinander in Zusammenhang mit ihren Eigenschaften. „Diese mehreren verschiedenen Dinge stehen in wesentlicher Wechselwirkung durch ihre Eigenschaften; die Eigenschaft ist diese Wechselbeziehung selbst, und das Ding ist nichts außer derselben … (WL II, S. 137).
In diesen Darlegungen von Hegel sind Gedanken enthalten, die teilweise naheliegend sind aber oft nicht verallgemeinert werden können. Es ist naheliegend, dass Eigenschaften immer in äußerlichen Beziehungen stehen wie die Gegenstände, denen sie eigen sind. Wenn Dinge in Wechselwirkung treten, so geschieht dies über ihre Eigenschaften, weil ein Ding an sich keine Wirkungen ausüben kann. So beschreiben etwa funktionale Beziehungen in der Physik Zusammenhänge zwischen Eigenschaften von Körpern. Dass Eigenschaften über unsere Sinne wirken, trifft vor allem für gegenständliche Objekte zu. Eigenschaften von Gedanken lassen sich zum Beispiel nicht sinnlich wahrnehmen.
Hegel unterscheidet zwischen wesentlichen Eigenschaften, die dauernd sind, „während die anderen sich als vergänglich in dem Bestehen des Ganzen zeigen (WL II, S. 515). Diesen Gedanken der Veränderlichkeit von Eigenschaften diskutiert er auch im Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen Eigenschaften und Qualität. „Etwas ist das, was es ist, nur durch seine Qualität, wohingegen das Ding zwar gleichfalls nur existiert, insofern es Eigenschaften hat, jedoch nicht an diese oder jene bestimmte Eigenschaft gebunden ist und somit auch dieselbe verlieren kann, ohne daß es deshalb aufhört, das zu sein, was es ist“ (Enz I, S. 256-257).
Hegel betrachtet weiterhin den „Übergang von Eigenschaft in eine Materie oder in einen selbstständigen Stoff“ (WL II, S. 139) und bezieht sich dabei auf die Chemie, „indem sie die Eigenschaften der Farbe, des Geruchs, des Geschmacks usf. als Lichtstoff, Färbestoff, Riechstoff, sauren, bittern usf. Stoff darzustellen sucht … (WL II, S. 139). Dieser Gedanke der stofflichen Repräsentanz von Eigenschaften trifft nur eingeschränkt zu und ist zudem problematisch. So ist ein Farbstoff nicht die stoffliche Repräsentanz einer Farbe als Eigenschaft eines Körpers, sondern dient dazu eine Farbe zu erzeugen.
Generell bindet aber Hegel im Begriff der Eigenschaft immer an ein konkretes Objekt. „Diese Eigenschaften des individuellen Körpers, Farbe, Geruch, Geschmack existieren nicht selbständig für sich, sondern kommen einem Substrate zu. Da sie nur erst in der unmittelbaren Individualität gehalten sind, so sind sie auch gegeneinander gleichgültig; was also Eigenschaft ist, ist auch Materie, z. B. das Farbenpigment“ (Enz II. S. 223).
Theologie
Merkmal
LTK
kein Stichwort „Merkmal“
RGG4
kein Stichwort „Merkmal“
Eigenschaft
LTK
Stichwort „Eigenschaft“, Autor: Theodor G. Bucher
- Eigenschaft verbindet Gegenstände mit anderen Gegenständen oder hebt sie von Ihnen ab. Die Eigenschaften werden den Gegenständen selber zugeordnet, die als farbig, rund, jung, geizig usw. gelten. Früher sprach man Eigenschaften der Gattung, Art oder dem Individuum zu, nach heutiger Betrachtung bestimmt die Eigenschaft, was eine Klasse ist. Jeder Gegenstand gehört mehreren Klassen an. … Aristoteles hat aus der Systematisierung dieser Zusammenhänge die Prädikatenlogik erster Stufe entwickelt. Die Vertiefung dieses Logikzweiges zwang zur Präzisierung zwischen Eigenschaft und Klasse. Eigenschaften sind Klassen mit einem Zusatz. Klassen haben ein genaues Individuationskriterium: sie sind identisch, wenn sie dieselben Elemente haben. Für Eigenschaften fehlt dieses Kriterium. Da es dieselben Lebewesen sind, die Herz und Nieren haben, gibt es nur eine Klasse. Hingegen gelten die Eigenschaften „Herz haben“ und „Nieren haben“ als verschieden (S. 528).
RGG4
kein Stichwort
Auswertungen Theologie
Der Begriff Merkmal wird in keinem der beiden Lexika erläutert, der Begriff „Eigenschaft“ nur im LTK. Eigenschaften werden „den Gegenständen selber zugeordnet“ und bestimmen „was eine ein Klasse ist“; sie sind „Klassen mit einem Zusatz“ (LTK, S. 528). Mit einer Eigenschaft wird zwar eine Klasse von Objekten bestimmt, die alle mindestens diese Eigenschaft haben, aber eine Eigenschaft selbst, die nach der Erklärung ein Attribut ist, kann keine Klasse sein. Worin der Zusatz bestehen soll, wird zudem nicht klar. Unklar bleibt auch die Formulierung, dass man früher „Eigenschaften der Gattung, Art oder dem Individuum“ zugesprochen hat. Auch heute spricht man von Eigenschaften eines Individuums.
Psychologie
Merkmal
BW
181 (30,0) Ergebnisse, kein Stichwort „Merkmal“
- Wortverbindungen:
- Adjektive: dichotom, genetisch, geschlechtsgebunden, extern, menschlich, psychisch, physikalisch, syntaktisch
- Merkmalsausprägung
- Persönlichkeitsmerkmal
- Verhaltensmerkmal
- Elementarmerkmal
- Merkmalsintegrationstheorie
- Merkmalsknoten
- Merkmalsdimension, -ebene
- Beispiele: braune Farbe, Farbe, Augenfarbe, Farbblindheit, Art eines Bestandteils eines Buchstabens, Federn zu haben, Form, Größe, Ängstlichkeit, problem- und nicht selbstorientiertes Interesse,
- Ein psychologischer Test ist ein Datenerhebungsverfahren zur Messung psychologisch bedeutsamer Merkmale oder Eigenschaften mit dem Ziel einer quantitativen Bestimmung der untersuchten Merkmalsausprägung (S. 27).
MR
424 (49,9) Ergebnisse, kein Stichwort „Merkmal“
- Wortverbindungen:
- bestimmtes Merkmal (z. B. „rot“),
- einfaches Merkmal, z. B. Suche nach einem roten Zielreiz;
- „Objekt x besitzt Merkmal i“ bzw. „Objekt x gehört zu Kategorie i“;
- herausragendes Merkmal der willentlichen Handlungssteuerung;
- Merkmal ähnlichkeitsbasierter Theorien;
- B. sind rot, grün und blau Merkmale der Dimension Farbe; andere Dimensionen sind Orientierung, Größe, Tiefe, Bewegung;
- Beispiele: Farbe, Form, Form des Mundes, ungewöhnliche und kreative Perspektive, „fliegt“, „Giftigkeit“, Intentionalität (Objektgerichtetheit), Zeitliche Dynamik und begrenzte zeitliche Dauer, Geschmack und Geruch,
KS
128 (20,8) Ergebnisse, kein Stichwort „Merkmal“
- Wortverbindungen:
- wesentliches Merkmal der inhaltlichen Konzeption
- Auffällige Merkmale wie starke Kontraste oder helle Farben,
- Handlungen selbst aus verschiedenen Merkmalen bestehen (z. B. links, linker Arm, Zeigefinger, nach unten etc.
- Beispiele: Helligkeit, Farbe, Bewegung, Stimmlage oder der Schrifttyp, „atmet“, Passivität, reduzierte soziale Kontakte, Kognitive Fertigkeiten, Physische Voraussetzungen, eigene Leistungsstandards, Erlebensqualität und Objektgerichtetheit,
- Mittelwert aller Merkmale über alle Gegenstände, die unter diesen Begriff fallen (die mittlere Größe eines Vogels …)
- Verhalten ist Lewin (1936) zufolge eine Funktion von Merkmalen der Person und Merkmalen der Situation oder Umwelt. Oftmals wird dies anhand einer Formel veranschaulicht: V = f[P, U]; mit P = Person und U = Umwelt oder Situation).
DLP
Stichwort „Merkmal“
kennzeichnende Eigenschaft von Gegenständen, Vorgängen oder Individuen. In der Logik der bes. Inhalt eines Begriffes, durch den sich dieser von anderen Begriffen unterscheidet. Als allgemeinstes Merkmal psychol. Phänomene (z. B. von Gefühlen, Empfindungen) hat man Qualität, Intensität und Dauer angegeben. Als Persönlichkeitsmerkmal bezeichnet man die relativ dauerhaften Erlebens- und Handlungsdispositionen eines Menschen. Bei einer Messung werden Merkmalsausprägungen in Variablen überführt.
Stichwort „Persönlichkeitsmerkmal“
bez. eine individuelle Eigenschaft, in der sich Personen voneinander unterscheiden. Die Gesamtheit der Persönlichkeitsmerkmale bildet die Persönlichkeitsstruktur (Persönlichkeit). … Beispiele für Persönlichkeitsmerkmale allgemeinpsychologischer Natur sind Kontaktorientierung, Besorgtheit; aus klinischer Sicht Psychotizismus, Depressivität; aus personalpsychologischer Sicht Sozialkompetenz (soziale Kompetenzen), Dominanz. charakteristische Adaptationen.
Eigenschaft
BW
82 (13,6) Ergebnisse, kein Stichwort
- Wortverbindungen
- Adjektive: mental, psychisch, körperlich, menschlich, generelle, chemisch
- Persönlichkeitseigenschaft
- Merkmale oder Eigenschaften
- Beispiele: Fähigkeiten, Leistungsvermögen, Interessen, Sensitivität, Reversibilität
- So umfasst unser Konzept „Apfel“ unter anderem die Eigenschaften, dass er an Bäumen wächst, einen Stiel und ein Kernhaus hat, dass er bestimmte Farben hat und dass er essbar ist (S. 453).
- Ein System besitzt emergente Eigenschaften, wenn es Eigenschaften zeigt, die seine Bestandteile nicht besitzen (S. 572).
MR
176 (20,7) Ergebnisse, kein Stichwort
- Wortverbindungen
- Adjektive; physikalisch, funktional, chemisch, phonetisch, strukturell, räumlich
- Reizeigenschaften
- Objekteigenschaften
- Eigenschaft der Umwelt
- Erlebniseigenschaften
- Persönlichkeitseigenschaft
- Texteigenschaft
- Handlungseigenschaften
- Beispiele: Tonlage, Motivation, Vorwissen
- Dieses Beispiel belegt erneut, dass Merkmale nicht objektiv vorfindliche Eigenschaften der Daten sind, sondern eine Konstruktion, die aus der Interaktion von Theorie (top-down) und Daten (bottom- up) resultiert (S. 373).
- „Alle Vögel haben die Eigenschaft X“. Für X werden Eigenschaften gewählt, bei denen die Probanden nicht wissen, ob sie auf die Aussagen zutreffen oder nicht (z. B. „haben eine hohe Konzentration von Kalium im Blut“) (S. 388)
- Die Subkategorisierungseigenschaften eines Verbs beziehen sich auf die Art und Anzahl der Ergänzungen, die es fordert (S. 522).
KS
63 (10,2) Ergebnisse, kein Stichwort
- Wortverbindungen
- Adjektive: nicht zufällige, semantische, phonologische, negative, positive
- Umwelteigenschaften
- Objekteigenschaften
- Und dennoch kann man über alle Einzelsprachen hinweg auf einer übergeordneten Ebene Eigenschaften definieren, die als Merkmale echter Sprachen gelten und diese von Behelfssprachen oder nicht-sprachlichen Kommunikationssystemen unterscheiden (S. 285).
- Zu den zentralen Eigenschaften von Sprache gehören Abstraktheit, Produktivität und Regelhaftigkeit (S. 293).
- Eigenschaften des Modells [Vorbilds] (Geschlecht, Alter, Status, Ähnlichkeit mit der Versuchsperson, Realitätsnähe) (S. 398)
DLP
Eigenschaften sind alle Merkmale des Erlebens und Verhaltens, in denen sich Personen stabil voneinander unterscheiden. Eigenschaften werden anhand der zeitlichen Stabilität individueller Unterschiede definiert, nicht anhand inhaltlicher Kriterien. Zu Eigenschaften gehören Charaktere …, Temperamente …, Persönlichkeitseigenschaften …, Kompetenzen …, Bedürfnisse …, Motive …, Interessen …, Einstellungen …, Werthaltungen …, Überzeugungen …, das Selbstkonzept …, die Selbstwertschätzung … sowie Gefühlstendenzen …. Eigenschaften können nicht direkt beobachtet werden. Es handelt sich um hypothetische Konstrukte, die zur Erklärung der Regelmäßigkeit interindividueller Verhaltensunterschiede formuliert werden.
Auswertungen Psychologie
Häufigkeiten in psychologischen Fachbüchern
Wort | BW | MR | KS |
Merkmal | 30,0 | 49,9 | 20,8 |
Eigenschaft | 13,6 | 20,7 | 10,2 |
Im Unterschied zu den Häufigkeitsverteilungen in der Alltagssprache und in der Philosophie wird in der Psychologie das Wort „Merkmal“ mindestens doppelt so häufig verwendet wie das Wort „Eigenschaft“. Eine Ursache könnte der Anteil empirischer Studien sein, bei denen häufig von einem Merkmal der Untersuchung gesprochen wird.
Trotz der sehr häufigen Verwendung des Wortes „Merkmal“ und auch „Eigenschaft“ findet man in keinem der ausgewerteten Fachbücher auch nur ansatzweise eine Erklärung der beiden Begriffe. Man kann der Einschätzung von Graumann im HWPh zustimmen, dass der „allgemeine Eigenschaft-Begriff … in der Psychologie außerhalb der Persönlichkeitstheorie fast durchweg unreflektiert verwendet“ wird (HWPh, Bd. 2, S. 337), was auch für „Merkmal“ zutrifft. Lediglich im Dorsch – Lexikon der Psychologie werden beide Wörter beschrieben: Der Begriff „Merkmal“ wird erklärt als „kennzeichnende Eigenschaft von Gegenständen, Vorgängen oder Individuen“ (https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/merkmal#search=5dead74c5065797c4185db943bc55960&offset=0) und unter dem Stichwort „Eigenschaften heißt“ es: „Eigenschaften sind alle Merkmale des Erlebens und Verhaltens, in denen sich Personen stabil voneinander unterscheiden“ (https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/eigenschaften#search=dfdb5de272ecb2092d500a61ba75f0b3&offset=0). Es wird also jeweils der eine Begriff mit dem anderen erklärt, eine Zirkeldefinition.
Die fast synonyme Verwendung der beiden Wörter zeigt sich auch in den Texten der analysierten Fachbücher. Es wird oft ohne Unterscheidung von Merkmalen und Eigenschaften gesprochen.
- „Ein psychologischer Test ist ein Datenerhebungsverfahren zur Messung psychologisch bedeutsamer Merkmale oder Eigenschaften mit dem Ziel einer quantitativen Bestimmung der untersuchten Merkmalsausprägung“ (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 27).
- „Und dennoch kann man über alle Einzelsprachen hinweg auf einer übergeordneten Ebene Eigenschaften definieren, die als Merkmale echter Sprachen gelten und diese von Behelfssprachen oder nicht-sprachlichen Kommunikationssystemen unterscheiden“ (Kiesel und Spada 2018, S. 285).
- Häufig findet man die Wortverbindung „Merkmale oder Eigenschaften“.
Es gibt gleiche Wortverbindungen:
- Persönlichkeitsmerkmale – Persönlichkeitseigenschaft
- Reizeigenschaft – Reizmerkmal
- Objektmerkmal – Objekteigenschaft
- Texteigenschaft – Textmerkmal (selten)
- Handlungseigenschaft – Handlungsmerkmal (selten)
- Umwelteigenschaft – Umweltmerkmal (selten)
- Merkmal besitzen – Eigenschaft besitzen (selten)
- wesentliches Merkmal – wesentliche Eigenschaft
Es werden bei beiden Wörtern die gleichen Adjektive verwendet wie physikalisch, chemisch, menschlich, psychisch.
Ein gewisser Unterschied zwischen beiden Wörtern ist im folgenden Zitat erkennbar: „Dieses Beispiel belegt erneut, dass Merkmale nicht objektiv vorfindliche Eigenschaften der Daten sind, sondern eine Konstruktion, die aus der Interaktion von Theorie (top-down) und Daten (bottom- up) resultiert (Müsseler und Rieger 2017, S. 373). Obwohl es nur um einen Bezug auf Daten geht, werden Eigenschaften als Attribute von Objekten aufgefasst.
Es gibt Wortverbindungen, die nur mit dem Wort „Merkmal“ auftreten. Dazu gehören: Merkmalsausprägung, Verhaltensmerkmal, Elementarmerkmal, Merkmalsknoten, Merkmalsintegrationstheorie, Merkmalsdimension, auffällige Merkmale. Dabei ist insbesondere das Wort „Merkmalsausprägung“ von Interesse, bei Eigenschaften wird nicht von Ausprägungen gesprochen.
Nur mit dem Wort „Eigenschaft“ trat nur die Wortverbindung „Erlebniseigenschaft“ auf.
Die Analyse der für das Wort „Merkmal“ angegebenen Beispiele ergab folgende Ergebnisse.
- „Merkmal“ wird als ein Zeichen verwendet, Bsp.: herausragendes Merkmal der willentlichen Handlungssteuerung, Merkmal ähnlichkeitsbasierter Theorien (Becker-Carus und Wendt 2017)
- Als Beispiele werden konkrete Merkmalsausprägungen angegeben: braune Farbe, problem- und nicht selbstorientiertes Interesse, rot, Suche nach einem roten Zielreiz, rot, grün und blau als Merkmale der Dimension Farbe, reduzierte soziale Kontakte.
Teilweise werden sogar Daten als Merkmale bezeichnet:
- Mittelwert aller Merkmale über alle Gegenstände, die unter diesen Begriff fallen (die mittlere Größe eines Vogels …) (Kiesel und Spada 2018)
- Verhalten ist Lewin (1936) zufolge eine Funktion von Merkmalen der Person und Merkmalen der Situation oder Umwelt. (Kiesel und Spada 2018)
In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich aber um Begriffe, für die konkrete Ausprägungen (mindestens zwei) existieren. Dazu gehören: Farbe, Form, Größe, Ängstlichkeit, Orientierung, Tiefe, Bewegung, Helligkeit, Stimmungslage, Schrifttyp, kognitive Fertigkeiten, physische Voraussetzungen, Erlebnisqualität, Objektgerichtetheit, Farbenblindheit, „Federn zu haben“.
Die Analyse der für das Wort „Eigenschaft“ angegebenen Beispiele ergab folgende Ergebnisse.
Es handelt sich um konkrete Werte von Objekten.
- So umfasst unser Konzept „Apfel“ unter anderem die Eigenschaften, dass er an Bäumen wächst, einen Stiel und ein Kernhaus hat, dass er bestimmte Farben hat und dass er essbar ist (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 453).
- Ein System besitzt emergente Eigenschaften, wenn es Eigenschaften zeigt, die seine Bestandteile nicht besitzen (Becker-Carus und Wendt 2017, S. 572).
- „Alle Vögel haben die Eigenschaft X“. Für X werden Eigenschaften gewählt, bei denen die Probanden nicht wissen, ob sie auf die Aussagen zutreffen oder nicht (z. B. „haben eine hohe Konzentration von Kalium im Blut“) (Müsseler und Rieger 2017, S. 388).
- Die Subkategorisierungseigenschaften eines Verbs beziehen sich auf die Art und Anzahl der Ergänzungen, die es fordert (Müsseler und Rieger 2017, S. 522).
- Zu den zentralen Eigenschaften von Sprache gehören Abstraktheit, Produktivität und Regelhaftigkeit (Kiesel und Spada 2018, S. 293).
In vielen Fällen werden aber auch Beispiele für Eigenschaften genannt, die Ausprägungen besitzen. Dazu gehören: Fähigkeiten, Leistungsvermögen, Interessen, Sensitivität, Tonlage, Motivation, Vorwissen, Geschlecht, Alter, Status, Ähnlichkeit mit der Versuchsperson, Realitätsnähe.
Man kann also insgesamt keine deutlichen Unterschiede in den Verwendungen, aber gewisse Schwerpunktsetzungen erkennen.
Mathematik
Merkmal
Merkmale sind bestimmte Charakteristika des Untersuchungsobjekts. Merkmale fassen wir als Zufallsgrößen auf (Lohse 1983, S. 16).
Ein Merkmal Ω kann durch eine Umschreibung (z.B. Haarfarbe) festgelegt werden. Eindeutiger ist allerdings die Festlegung eines Merkmals über die sogenannten Merkmalsausprägungen ω, … Das Merkmal Ω lässt sich mathematisch als Menge, festgelegt durch ihre Elemente, die Merkmalsausprägungen, fassen… (Eichler und Vogel 2011, S. 4)
Wir haben bisher oft davon gesprochen, dass man bestimmte Dinge oder Größen messen will. Wenn man etwas misst, dann haben diese „Dinge“ oder „Größen“ einen Namen; sie heißen Variablen. … ‘Variable‘ ist die Bezeichnung für eine Menge von Merkmalsausprägungen. … Variablen … sind beispielsweise das Alter von Personen, ihr Geschlecht, ihr Bildungsstand, ihre Sozialisationsbedingungen usw. – alles Größen, die bei verschiedenen Menschen verschieden (variabel) sein können. Das Besondere an einer Variablen ist also, dass sie verschiedene Ausprägungen annehmen kann. (Schäfer 2010, S. 27).
An den statistischen Einheiten, die in eine Stichprobe gelangt sind, werden interessierende Größen beobachtet, die sogenannten Merkmale oder auch Variablen (Fahrmeir et al. 2007, S. 15).
Die Eigenschaft des Merkmalträgers, die bei der statistischen Untersuchung von Interesse ist, wird als Merkmal bezeichnet (Bourier 2011, S. 8).
Die Eigenschaft einer statistischen Einheit (Merkmalsträger), für die man sich im Rahmen der statistischen Untersuchung interessiert, heißt Merkmal (Degen und Lorscheid 2002, S. 12).
Unter einem Merkmal versteht man eine Klasseneinteilung (Zerlegung) der Grundgesamtheit. Die Zerlegung muss disjunkt und vollständig sein. Unter einer Merkmalsausprägung versteht man eine Eigenschaft. Durch eine Merkmalsausprägung werden die Elemente einer bestimmten Klasse charakterisiert, welche bei der Zerlegung durch ein Merkmal entstanden sind. Als ein Beispiel gibt er an: Grundgesamtheit: Kinder einer Vorschulklasse; Merkmal: Körpergröße; Merkmalsausprägungen: 129,4 cm; 122,1 cm; … (Ferschl 1978, S. 17).
Skala, Messen
Messen besteht im Zuordnen von Zahlen zu Objekten, Phänomenen oder Ereignissen, und zwar so, dass die Beziehungen zwischen den Zahlen die analogen Beziehungen der Objekte, Phänomene oder Ereignisse repräsentieren. … Beim Messen werden häufig die Begriffe empirisches und numerisches Relativ verwendet. Das empirische Relativ bezieht sich dabei auf die tatsächlichen (empirischen) Verhältnisse oder Tatsachen in der Welt (Schäfer 2010, S. 25).
Messen heißt, dass den Eigenschaften von statistischen Einheiten nach bestimmten Regeln Zahlen zugeordnet werden. Die Messlatte, die diesem Messvorgang zugrunde liegt, nennt man Skala (Degen und Lorscheid 2002, S. 14).
Der Begriff „Skala“ beschreibt die Beschaffenheit des empirischen und des numerischen Relativs sowie eine Abbildungsfunktion, die die beiden verbindet (Schäfer 2010, S. 33).
Je nach Beschaffenheit des empirischen Relativs sind verschiedene Abbildungsfunktionen in Zahlenwerte möglich. Insgesamt kann man vier Arten von Skalen unterscheiden; man spricht auch von Skalenniveaus: Nominal-, Ordinal-, Intervall- und Verhältnisskala (Schäfer 2010, S. 34)
Wir behandeln die Skala als grundlegende Eigenschaft eines Merkmals, obwohl Merkmale, wie etwa die Wassertemperatur, auch mit unterschiedlichen Messinstrumenten „gemessen“ werden können, etwa mit einem Thermometer oder der Hand (Eichler und Vogel 2011, S. 5)
Merkmalsarten
Kann ein Merkmal hingegen alle Werte eines Intervalls annehmen, wie etwa die Körpergröße, heißt es stetig. Bei der Einteilung in diskrete und stetige Merkmale gibt es gewisse Zwischenformen. So spricht man auf der einen Seite von quasi-stetigen Merkmalen, wenn diese an sich nur diskret gemessen werden können, aber sich aufgrund einer sehr feinen Abstufung wie stetige Merkmale behandeln lassen (Fahrmeir et al. 2007, S. 16–17).
Ein qualitatives Merkmal liegt vor, wenn den möglichen Merkmalswelten lediglich Namen oder Klassenbezeichnungen zugeordnet werden können.
Ein Merkmal, das eine meßbare Dimension besitzt oder in Mengeneinheiten ausgedrückt werden kann, wird als quantitativ bezeichnet.
Ein quantitatives Merkmal, das abzählbar viele Werte annehmen kann, wird als diskret bezeichnet (Bourier 2011, S. 11)
Qualitative Merkmale besitzen die Eigenschaft, dass ihre Ausprägungen verbal und nicht durch Zahlen beschrieben sind. Werden diesen Merkmalsausprägungen Zahlen zugeordnet, so kann (ohne Veränderung des Informationsgehaltes) ein qualitatives Merkmal in ein quantitatives überführt werden (Degen und Lorscheid 2002, S. 13–14).
Bei Merkmalen einer Stichprobe wird zunächst zwischen quantitativen, d.h. zahlenmäßig erfaßbaren und qualitativen, d.h. artmäßig erfaßbaren Merkmalen unterschieden. Beispiele für qualitative Merkmale sind Geschlecht, Farbe, Schadens- oder Handelsklasse, Sorte, Beruf usw. Eine genauere Einteilung der qualitativen Merkmale unterscheidet ordinal und nominal erfaßbare Merkmale.
Quantitative oder metrische Merkmale können durch einen Meß- oder Zählvorgang erfaßt werden. Beispiele dafür sind Körpergröße, Gewicht, Ferkel- oder Kinderzahl, Einkommen.
Quantitative Merkmale unterteilt man darüber hinaus in diskrete und stetige Merkmale. Stetige Merkmale können jeden beliebigen Wert innerhalb eines gewissen Intervalls annehmen, z.B. die Körpergröße oder das Körpergewicht. Diskrete Merkmale haben nur ganz bestimmte Ausprägungen, die man abzählen kann … (Precht 2005, S. 8)
Auswertungen Fachbücher zur Beschreibende Statistik
Zum Begriff „Merkmal“ gibt es unterschiedliche Auffassungen, die insgesamt Unklarheiten zu diesem Grundbegriff der beschreibenden Statistik offenbaren. Dazu gehören u. a.:
- Merkmale werden als Charakteristika eines einzelnen Objektes bezeichnet (Lohse 1983, S. 16). Ein Merkmal im statistischen Sinne bezieht sich aber immer auf eine Menge von Objekten.
- Merkmale kann man nicht als Zufallsgrößen auffassen (Lohse 1983, S. 16). Eine Zufallsgröße ist ein Begriff auf der Ebene der mathematischen Modellierung.
- Ein Merkmal bzw. das synonym verwendete Wort „Variable“ kann nicht als Menge der Merkmalsausprägungen angesehen werden (Eichler und Vogel 2011, S. 4; Schäfer 2010, S. 27). Durch ein Merkmal wird jedem Element der Trägermenge einer Merkmalsausprägung zugeordnet.
- Die Verwendung des Wortes „Variable“ für ein Merkmal ist in statistischen Programmen zur Auswertung von Daten auch aus programmtechnischen Gründen üblich. Variable sind aber keine Funktionen und Merkmale können als Funktionen über der Trägermenge aufgefasst werden, sodass aus dieser Sicht Merkmale nicht als Variable bezeichnet werden sollten, wie es auch Fahrmeir et al. 2007 vornimmt. Größen können durchaus Merkmale sein, denn sie sind auch Funktionen über Trägermengen (Griesel 1997).
- Es werden die Begriffe „Eigenschaft“ und „Merkmal“ gleichgesetzt, in dem Merkmale als Eigenschaften des Merkmalträgers bezeichnet werden (Bourier 2011, S. 11; Degen und Lorscheid 2002, S. 12).
- Ferschl (1985) versteht unter Merkmal eine Klasseneinteilung der Grundgesamtheit. Die Klassen sind durch die Merkmalsausprägungen gegeben. Unter einer Merkmalsausprägung versteht er eine Eigenschaft eines Objektes (Ferschl 1978, S. 17). Aus dem Beispiel ist erkennbar, dass er unter Merkmalsausprägungen Werte bei einer Messung versteht. Diese Werte sind aber von der verwendeten Skala abhängig, d. h., durch ein Merkmal ist nicht automatisch auch eine Merkmalsausprägung in dem Sinne von Ferschl gegeben.
Zu den zentralen Begriffen „Messen“ und „Messskala“ gibt es folgende problematischen Formulierungen.
- Beim Messen werden nicht nur Zahlen zugeordnet (Schäfer 2010, S. 25; Degen und Lorscheid 2002, S. 14), sondern auch Größenangaben, Länge oder Kategorien.
- Die Zuordnung erfolgt nicht zu „Eigenschaften von statistischen Einheiten“ (Degen und Lorscheid 2002, S. 14), sondern den Ausprägungen des Merkmals an den Objekten der statistischen Einheit die auch als Grundgesamtheit bezeichnet wird.
- Eine Skala beschreibt nicht die Eigenschaften des empirischen Relativs und der Abbildfunktion (Schäfer 2010, S. 25).
- Eine Skala ist nicht eine „grundlegende Eigenschaft eines Merkmals“ (Eichler und Vogel 2011, S. 5).
Ein generelles Problem, das in den gesichteten Publikationen nicht explizit diskutiert wird, ist der Charakter von Merkmalsausprägungen. Merkmalsausprägungen sind keine Messwerte. Die Ausprägung des Merkmals Sprungweite ist nicht eine Längenangabe und die Ausprägung des Merkmals mathematische Leistung eines Schülers ist nicht seine Note in der Klassenarbeit. Merkmalsausprägungen sind Eigenschaften der Objekte und damit als Nichtreflektiertes Bestandteil der Realität. Die Ausprägung des Merkmals Sprungweite sind die nach dem Sprung vorhandenen Abdrücke im Sand und die Merkmalsausprägungen der mathematischen Leistung eines Schülers sind zum Beispiel seine schriftlichen Darlegungen in einem Test. Die Ausprägungen des Merkmals Beruf sind nicht Berufsbezeichnungen, sondern die tatsächlichen beruflichen Tätigkeiten.
Bevor eine Messung dieser Merkmalsausprägungen erfolgen kann, ist in den meisten Fällen die Bildung eines Realmodells erforderlich (vgl. (Krüger et al. 2015, S. 12 ff.; Sill 2014). So müssen bei den Ausprägungen des Merkmals Sprungweite die Stellen im Sand bestimmt werden, die Grundlage der Messung sind, für die Bewertung einer Testarbeit müssten genaue Kriterien festgelegt werden und für die Messung des Merkmals „Beruf“ ist eine Taxonomie der Berufe erforderlich. Mit diesem Modellvoraussetzungen kann dann erst eine Messung erfolgen. Für jeden Messvorgang wird eine Messskala benötigt. Eine Skala, wie eine Längenskala, eine Ratingskala für die mathematische Leistung eines Schülers in einer Arbeit oder eine Liste von Berufen ist aber unabhängig von ihrer Verwendung in einer statistischen Untersuchung. Sie kann durchaus als „Messlatte“ bezeichnet werden (Degen und Lorscheid 2002, S. 14). Es muss in jedem Fall entschieden werden, welche Skala geeignet ist, um das Ziel der Untersuchung zu erreichen. Wenn etwa die Weite eines Sprunges bei einem Weitsprung gemessen werden soll, so kann dafür ein elektronisches Messgerät, ein Bandmaß oder die nominale Skalierung „Norm erfüllt“ und „Norm nicht erfüllt“ verwendet werden. Darauf wird nur in einer der gesichteten Publikationen (Eichler und Vogel 2011) hingewiesen.
Das Messen eines Merkmals ist also ein mehrstufiger Vorgang. Die vereinfachte Vorstellung einer direkten Messung eines Merkmals ist nicht haltbar.
Die begrifflichen und inhaltlichen Unklarheiten zum Begriff Merkmal und zum Messen spiegeln sich dann auch in den Ausführungen zu Merkmalsarten in den Fachbüchern wider. Ein grundlegendes Problem, dass in allen gesichteten Fachbüchern auftritt, ist die schon bei der Definition des Begriffs „Skala“ sichtbare Bindung einer Skala an das zu messende Merkmal. Die grundlegenden Fehlvorstellungen zum Begriff „Merkmal“ zeigen sich unter anderem in folgenden Formulierungen.
- Ein Merkmal kann alle Werte eines Intervalls annehmen (Fahrmeir et al. 2007, S. 16). Nicht ein Merkmal kann Werte annehmen, sondern den Merkmalsausprägungen können Werte zugeordnet werden.
- „Qualitative Merkmale besitzen die Eigenschaft, dass ihre Ausprägungen verbal und nicht durch Zahlen beschrieben sind“ (Degen und Lorscheid 2002, S. 13). Man kann auch die Ausprägungen von Merkmalen, die mit einer Ordinal- oder metrischen Skala gemessen werden, verbal beschreiben, wie etwa die geschriebene Testarbeit als Ausprägung der mathematischen Fähigkeit eine Schülerin.
- „Beispiele für qualitative Merkmale sind Geschlecht, Farbe, Schadens- oder Handelsklasse, Sorte, Beruf usw.“ (Precht 2005, S. 8). Die Ausprägungen des Merkmals Farbe, also die Farben, lassen sich auch mit einer metrischen Skala für die Wellenlänge messen.
Es ist also sowohl aus wissenschaftstheoretischer als auch aus praktischer Sicht unsinnig, eine Klassifizierung von Merkmalen nach der möglichen Art der Messung ihre Ausprägungen vorzunehmen. Leider ist diese Klassifizierung sogar durch eine DIN-Vorschrift festgelegt. In der DIN 55350 Teil 12 vom März 1989 wird eine Unterteilung von Merkmalen festgelegt in quantitative, diese wiederum kontinuierliche und diskrete sowie in qualitative Merkmale, die in die Arten Ordinalmerkmal und Nominalmerkmal unterteilt sind. Dazu ist zu bemerken, dass diese DIN-Vorschriften von Wissenschaftlern mit verfasst wurde, die auch die Fachbücher zur Statistik schreiben.
Eine Klassifizierung ist lediglich für Skalenarten sinnvoll. Man kann Nominal-, Ordinal-, Intervall- und Verhältnisskalen unterscheiden. Sie sind die Werte einer Funktion über den Merkmalsausprägungen als realen Objekten. Diese Funktionen lassen sich analog zur Definition einer Größe von Griesel (1997) definieren (vgl. Sill 2014).
Gesamteinschätzungen
Insgesamt kann man feststellen, dass es in keiner der Disziplinen Philosophie, Theologie, Psychologie, Mathematik und Beschreibender Statistik eine zufriedenstellende Erklärung der Begriffe Merkmal und Eigenschaft oder zu mindestens Aspekte ihre Abgrenzung voneinander gibt. Dies gilt auch für die hier nicht dargestellten Auffassungen von Frege und Aristoteles. Es kann, wie das Beispiel der Verwendung von Begriffen in der Beschreibenden Statistik zeigt, zu begrifflichen Inkonsistenzen führen.
Es ist Aufgabe der Philosophie aus ihrer Sicht auf alle Anwendungsgebiete Explikationen der Begriffe auf einer übergreifenden Ebene vorzunehmen, die dann zu Konsequenzen für die Fachdisziplinen führen. Aus den philosophischen Lexika ist nicht zu entnehmen, ob eine solche Aufbereitung der Verwendung in Fachwissenschaften bisher erfolgt ist. In dem umfassenden historischen Wörterbuch der Philosophie wird beim Stichwort „Merkmal“ nicht auf seine Verwendung in den Sozialwissenschaften, der Psychologie und der Statistik eingegangen. Aus ontologischer Sicht ist „Merkmal“ ein Grundbegriff der Philosophie, der eng mit den Begriffen Sein, Ding und anderen zusammenhängt.
Eine Ursache für dieses gravierende Defizit der Philosophie könnte die enge sprachliche Verwandtschaft der beiden Wörter in der Alltagssprache und auch in Wissenschaften sein. Dies betrifft nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch andere. Die geringen Unterschiede bzw. sogar die Übereinstimmung in den Bedeutungen der Wörter „Merkmal“ und „Eigenschaft“ zeigen sich auch in der englischen Sprache. Analysen im Deutsch-Englischen Internetwörterbuch LEO ergaben u. a. folgende Ergebnisse:
Englisch | Deutsch |
trait |
|
| |
characteristic |
|
chracteristics |
|
characteristic value |
|
attribute |
|
property |
|
Deutsch | Englisch |
Merkmal |
|
typisches Merkmal |
|
Eigenschaft |
|
Literaturverzeichnis
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