Hans-Dieter Sill, 22.04.2022

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Analyse zu den Termini Existierendes, Entität, Sein und Seiendes

Inhalt

Vorbemerkungen

Existierendes, existieren

Literaturanalysen

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung der Termini

Entität

Literaturanalysen

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung des Terminus

Sein, Seiendes

Literaturanalysen

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung der Termini

Zur Explikation des Begriffs „Existierendes“

Literaturverzeichnis

 

Vorbemerkungen

Es wird ein Terminus gesucht, der geeignet ist, alles zu erfassen, was existiert. Dazu werden die Bedeutungen folgender Wörter und ihrer Wortformen in der Alltagssprache und der Philosophie untersucht: Existierendes, existieren, Entität, Seiendes und Sein.

Zu Ermittlung der Bedeutungen der Wörter im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS). Um einen Eindruck von der Häufigkeit der Verwendung des Wortes im Alltag zu bekommen wird für die Jahre 2015-2019 bzw. 2016-2020 die Häufigkeit pro 1 Million Token (Frequenz) im DWDS- Zeitungskorpus angegeben. Weiterhin werden Kollokationen mit anderen Wörtern angeben. Als Assoziationsmaß wird logDice verwendet. Es werden die Kollokationen mit den 5 höchsten logDice-Werten und ihre Frequenzen (in Klammern) angegeben.

Als weitere Quelle wird Wiktionary (https://de.wiktionary.org/wiki/Wiktionary:Hauptseite) herangezogen (Wiktionary). 

Um einen ersten Überblick zu den Verwendungen der Wörter, ihrer Geschichte und Bezüge zu anderen Inhalten in der Philosophie zu gewinnen, werden die Einträge in der Internetenzyklopädie Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite) verwendet (Wiki).

Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie genauer zu analysieren, werden die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist.

  1. Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 17.144 Sp. (8.572 S.) (HWPh)
  2. Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie, 705 S. (MLPh)
  3. Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie, 3.209 S. (EPh)

Mit den jeweiligen Suchfunktionen wird im Volltext nach den betreffenden Termini gesucht und es wird die Anzahl der jeweiligen Ergebnisse absolut und (in Klammern) pro 100 Seiten angegeben.

Weitere Informationen zum Vorgehen bei den Wortanalysen und zu Auswahlkriterien sind auf der Seite „Zur Bestimmung grundlegender Termini“ enthalten.

Existierendes, existieren

Literaturanalysen

DWDS

Existierendes:

Frequenz: 0,04

Kollokationen: keine Ergebnisse

Bedeutung: kein Eintrag

existieren:

Frequenz: 31

Kollokationen: Programmbeispiel (7.6, 757), nebeneinander (7.3, 680), bereits (6.7, 1589), weiterexistieren (6.6, 397), mehr (6.6, 4051)

Bedeutungen:

  1. da sein, vorhanden sein

Beispiele: darüber existiert ein Gesetz; sie tat, als ob ich gar nicht existiere (= anwesend sei)

  1. auskommen, leben

Beispiel: davon kann man nicht existieren;

Wiktionary

Existierendes: kein Eintrag

existieren:

[1] da sein, vorhanden sein, ein Teil der Realität sein

[2] auskommen, leben

Wiki

Existierendes, existieren: kein Eintrag

HWPh

Existierendes:  126 (1,5) Ergebnisse, darunter

  • Doch die spätere Untersuchung der Möglichkeit dieses Wissens fragt auch nach der identischen Hinsicht des Unterschiedes von Absolutem und Endlichem, veranlaßt die ekstatische Selbstnegation der Vernunft und führt damit zum reinen Daß als dem «bloß Existierenden» im Sinne des «noch begriffslosen Prius» [37]. F. W. J. SCHELLING: Philos. der Offenbarung Werke 2/3, 167. Bd. 2, S. 21
  • Jedes Existierende ist auf seine Weise Einheit von Subjektivität und Objektivität, Bd. 4, S. 151
  • Für A. MARTY [95] ist nicht nur das «Reale» seiend, sondern auch «Nichtreales» wie Inhalte, Sachverhalte oder Werte, die durch «Komperzeption» erfaßt werden und «objektiv» im Verstand sind, während dagegen das «mental Existierende» (oder das «immanente Objekt») – etwa ein «gedachter Mensch» – weder real noch nichtreal ist, sondern eine «Fiktion», in der sich eine «innere Sprachform» ausdrückt. Bd. 9, S. 252-253
  • Der späte Schelling ist der Überzeugung, daß den absoluten Anfang eine aller Bestimmung bare, nackte Existenz bildete, die er auch «das unbedingt Existierende» oder «unvordenkliche Sein» nennt. Von da an, daß dieses war, «also von Ewigkeit», zeigte sich darin die «Möglichkeit eines anderen Seyns» [10]; d.h., das unvordenkliche Sein erhielt nun die Möglichkeit sowohl zu bleiben, was es ist, als auch die, etwas anderes, nämlich die Existenz der Welt zu werden. Bd. 9, S. 257

existieren: 1282 (15,0) Ergebnisse

MLPh

Existierendes:  19 (2,7) Ergebnisse, darunter

Die Sinnstiftungen des Bewusstseins ermöglichen erst das Verstehen der Welt in Bedeutungsdimensionen und hinsichtlich ihres Geltungscharakters als etwas Existierendes. S. 449

existieren: 154 (21,8) Ergebnisse, darunter

  • Daher sind die wahrgenommenen Dinge Vorstellungen, die nur im Bewusstsein existieren. S. 263
  • Die ontologische These (auch Identitätstheorie) besagt, dass nur natürliche, d.h. naturwissenschaftlich akzeptable, Entitäten existieren. S. 403
  • Es lassen sich drei grundlegende Bedeutungen [des Realismus] unterscheiden: (1) Die Auffassung, dass Universalien (z.B. Eigenschaften, Relationen), abstrakte Gegenstände (Zahlen, Propositionen) oder kollektive Einzeldinge (Mengen, Klassen) als irreduzible Bestandteile der Wirklichkeit existieren S. 510
  • Strittig ist indessen die Frage, in welcher Weise Zahlen »existieren«. S. 695

EPh

Existierendes:  10 (0,3) Ergebnisse, darunter

  • Die Entstehung von qualitativ Neuem als Charakteristikum von Entwicklung kann durch Umwandlung von etwas Existierendem entstehen, durch Abspaltung und Herauslösen aus etwas Bestehendem oder durch eine Synthese bisher getrennt existierender Gegebenheiten. S. 544b
  • Trotz der Kritik von Leibniz wird es damit möglich, den Raum (und damit das Mathematische) als etwas selbständig neben der Materie Existierendes aufzufassen. S. 1736

existieren: 608 (18,9) Ergebnisse

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung der Termini

Häufigkeiten:

Wort

DWDS

HWPh

MLPh

EPh

Existierendes

0,0

1,5

2,7

0,3

existieren

31,0

15,0

21,8

18,9

Das Wort „Existierendes“ wird im Alltag äußerst und in den philosophischen Wörterbüchern sehr selten verwendet. Als Stichwort ist es in den Internet-Enzyklopädien und den philosophischen Lexika nicht enthalten. Trotz der sehr seltenen Verwendung, ist es aber aufgrund seiner sprachlichen Bestandteile auch im Alltag intuitiv im Sinne von „Vorhandensein“ verständlich. In diesem Sinne wird es auch ausschließlich in der gesichteten philosophischen Literatur verwendet. Es ist keine Einschränkung auf bestimmte Arten des Existierenden erkennbar.

Das Wort „existieren“ im Sinne von „da sein, vorhanden sein“ ist ein üblicher Bestandteil der Alltagssprache und wird auch mit der gleichen Bedeutung in der Philosophie verwendet. Es tritt zusammen mit seinen Verbformen (darunter auch „existierend“) in den philosophischen Wörterbüchern sehr häufig auf.

Im Alltag hat „existieren“ noch die Bedeutung von „auskommen, leben“, die in den philosophischen Wörterbüchern nicht identifiziert werden konnten.

Bezüge der Termini zu transzendenten oder theologischen Termini sind in der Literatur nicht erkennbar. Auch Zusammenhänge zum sprachlichen naheliegenden aber problematischen Terminus „Existenz“ sind in der Literatur nur in Ansätzen sichtbar.

Der Termini „Existierendes“ und „existieren“ erfüllen damit alle Anforderungen an die Auswahl von Termini. „Existierendes“ könnte ohne definitorische Probleme als übergreifender Terminus verwendet werden. Ein Nachteil ist allerdings, dass der Terminus sprachlich etwas sperrig ist.

Mögliche Umschreibungen mit synonymem Charakter wären: alles/etwas, was existiert; alles/etwas Vorhandene(s); alles, was da ist.  Zu den Bedeutungen von „vorhanden“ gehört nach dem DWDS auch die Verfügbarkeit des Vorhandenen. Dieser Aspekt schränkt den Umfang des Terminus Vorhandensein stark ein, da etwa psychische Zustände und Prozesse oder gesellschaftliche Verhältnisse nicht „verfügbar“ sind.

Entität

Literaturanalysen

DWDS

Frequenz: 0,31;

Kollokationen: Gesamtstaat (6.8, 6), metaphysisch (4.8, 5), autonom (3.3, 6), serbisch (3.0, 15), autonom (2.9, 5)

Bedeutung: Philosophie: Dasein im Unterschied zum Wesen eines Dinges

Wiktionary

[1] Philosophie, Ontologie:

[1.1] heute meist: etwas, das ist; irgendein Seiendes; ein konkreter oder abstrakter Gegenstand (Oberbegriff für Dinge, Eigenschaften, Relationen, Sachverhalte und so weiter)

[1.2] Philosophie des Mittelalters (für lateinisch entitas): die Wesenheit, der Seinscharakter; ein für das Dasein eines Gegenstandes und seiner Identität notwendiges Element

[2] Linguistik: eine beliebige Größe, Einheit oder Eigenschaft

[3] Politik: Umschreibung eines Teilstaats oder einer Bevölkerungsgruppe, teilweise in abwertender Absicht

[4] Informatik, Datenmodellierung: ein eindeutig zu bestimmendes Objekt, über das Informationen gespeichert oder verarbeitet werden sollen

Wiki

  • Zum einen bezeichnet er etwas, das existiert, ein Seiendes, einen konkreten oder abstrakten Gegenstand. In diesem Sinn wird der Begriff der Entität in der Regel als Sammelbegriff verwendet, um so unterschiedliche Gegenstände wie Dinge, Eigenschaften, Relationen, Sachverhalte oder Ereignisse auf einmal anzusprechen. Dies ist die im zeitgenössischen Sprachgebrauch gängige Verwendung.
  • Zum anderen kann er auch für das Wesen eines Gegenstandes im Sinne eines für das Dasein und die Identität des Gegenstands notwendigen Elements stehen. In dieser Hinsicht ist Entität dem klassischen Substanz-Begriff sinnverwandt.

HWPh:

304 (3,5) Ergebnisse, darunter

  • Kontrovers ist endlich die Frage, ob Gegenstand der Abstraktion sprachliche Zeichen als physikalische Gegenstände oder aber die nicht mehr empirisch gegebenen Bedeutungen, Urteile oder Aussagen als «psychische Entitäten» sind. 1, S. 245
  • daß die unter 2. genannten Entitäten (die Aussagen und die Begriffe) im Gegensatz zu den unter 1. (Sätze und Worte) und 3. (Tatsachen und Sachen) genannten Entitäten nicht in den Bereich des empirisch Aufweisbaren gehören. 1, S. 253
  • Während in der mehr idiographisch orientierten Persönlichkeitstheorie Eigenschaften als «illata» [4] bzw. als an der Person reale (psychische) Entitäten meinende hypothetische Konstrukte [5] aufgefaßt werden, 2, S. 338
  • GENTILE sucht in seinem «aktualen Idealismus» alle natürlichen und geistigen Entitäten aus der Position und freien Bestimmung eines geistigen Aktes zu begreifen. Bd. 4, S. 130
  • demgegenüber betont, daß die Akzidentien, die eine eigene, von der Substanz real verschiedene Entität haben, 4, S. 365
  • Um den Preis der Relativität auf ein bestimmtes Sprachsystem konnte nun das bisher Widersprüchliche am Begriff ‹Kategorie›, der sich auf alle Entitäten beziehen sollte, während er doch selbst eine dieser Entitäten war, aufgehoben werden, indem man ihn dem Bereich der Metasprache zuwies. 4, S. 767-768
  • Diese Entitäten sind für sich genommen in Raum und Zeit lokalisierte (Hinsichtlich der Berücksichtigung psychischer Entitäten ist Hume unentschlossen. Bd. 4, S. 791
  • dessen sich herausbildendes Klassenbewußtsein als reflektierende Entität der inneren Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung 4, S. 904
  • Begriffe sind nach Frege Funktionen, folglich keine selbständigen Gegenstände, sondern ungesättigte Entitäten, die, wenn sie von Gegenständen prädiziert werden, ihre natürliche Ergänzung erreichen. 5, S. 379
  • An diesem Sprachgebrauch wird deutlich, daß unter Moment unselbständige Entitäten zu verstehen sind, 6, S. 103
  • Eine (unabhängig davon motivierte) Erweiterung des Gegenstandsbereichs, der Ontologie, um fiktive Entitäten (wie z.B. Romanhelden) stellt die Referenten für Namen wie ‘Sherlock Holmesʼ bereit. 6, S. 386-387
  • da ergab sich die Möglichkeit, sinnvoll von einer Entität zu sagen, daß sie oder ihre Eigenschaft Negation von Negation (negatio negationis) sei. 6, S. 690
  • daß er nur Individuen als Werte für Variable akzeptiert, während letzterer auch Entitäten wie Attribute, Begriffsumfänge und insbesondere Mengen zuläßt. 6, S. 886
  • Im Gegensatz zu intervenierenden Variablen, die sich im Prinzip vollständig auf empirische Variablen reduzieren lassen, beziehen sich hypothetische Konstrukte auf Prozesse oder Entitäten, die nicht unmittelbar beobachtet werden, 6, S. 1219
  • Nach dem ersten Buch der ‹Physik› zeichnen sich die Prinzipien durch ihre Funktionalität aus und sind eher operative Begriffe, sogar Reflexionsbegriffe im Kantischen Sinn, als real existierende Entitäten 7, S. 1339
  • Für Fitch sind Propositionen zeitlose, denk- und sprachunabhängige Entitäten, die entweder wahr oder falsch sind. 7, S. 1519
  • Ein Sachverhalt (state of affairs) ist für ihn eine abstrakte Entität, die in allen möglichen Welten existiert und so beschaffen ist, daß er entweder der Fall ist oder nicht der Fall ist und daß es für ihn möglich ist, von jemandem anerkannt zu werden. Sachverhalten, die auch Träger logischer Beziehungen sind, werden Ereignisse und Propositionen als Arten untergeordnet. 7, S. 1520
  • Entitäten wie Wirkungen der Natur [11], Fältelungen [12], Zwischenräumen [13] und Luftwiderständen [14]. 7, S. 1808
  • ontologische Reduktion: die Entität X wird auf die Entität Y reduziert; 8, S. 370
  • mentale Repräsentationen postulieren, wobei darunter im allgemeinen innergeistige Entitäten verstanden werden, welche syntaktische und semantische Eigenschaften besitzen 8, S. 832
  • die Existenz einer unvergänglichen Entität (Kraft, Macht) ist, die den Menschen zu einem individuellen Selbst macht, 9, S. 26
  • LOCKE nennt den Willen «faculty», will aber darunter keine reale Entität verstehen. Bd. 12, S. 778

MLPh

138 (19,6) Ergebnisse, darunter

  • Sprachliche Äußerungen beziehen sich also auf Objekte mittels besonderer Entitäten, nämlich Bedeutung, S. 61
  • Unter der Denotation versteht man das Verhältnis eines Begriffes zu der Entität, worauf dieser Ausdruck referiert. S. 102
  • Ding, in der aristotelischen Tradition meistens eine kategoriale Entität, also eine Substanz oder ein Akzidens. Der in der Neuzeit vorherrschende Begriff des Dings als einer zeitlich kontinuierlichen bzw. beharrenden und räumlich begrenzten Entität wird in dieser Tradition durch den Begriff des Zugrundeliegenden abgedeckt: Ein Ding ist der beharrende Träger von wechselnden Qualitäten, welcher aber dem Wesen nach schon bestimmt, d. h. aus Materie und Form zusammengesetzt sein muss. S. 115/116

Aus dem Stichwort „Entität“, Autor: Martin F. Meyer

  • Grundbegriff der Ontologie. Als Entität bezeichnet man ein einzelnes, individuell seiendes unteilbares (substantielles) Etwas und zugleich sein Wesen. Das Wort ist durch die Scholastik, insbesondere des Thomas von Aquin, geprägt, wobei Thomas mit dem Begriff den Aspekt des existentiellen und wirklichen Daseins einer Sache akzentuiert. Der dem Terminus E. zugrundeliegende aristotelische Begriff des Wesens ist in der Forschung höchst umstritten, und dieser Streit steht im Zentrum der Kontroverse um die aristotelische Metaphysik. Nach traditionellem Verständnis wird als Entität das aus Stoff und Form zusammengesetzte einzelne Seiende verstanden; diese Deutung hat allerdings den Nachteil, dass das Akzidentelle und Unbestimmte der Materie ebenfalls als Seiendes vorgestellt wird. Die idealistische Deutung sieht demgegenüber in der bloßen Form den Kern der aristotelischen ousia. Entität ist dann die (unvergängliche und ideale) Form. Diese Deutung hat den Nachteil, dass das mit größter Evidenz Seiende, nämlich das Materiell-Sinnliche, aus dem Bereich des Seienden herausfällt. Ebenfalls umstritten ist die Frage, wovon es überhaupt Wesen gibt, ob nur von lebenden Individuen oder auch von Artefakten.
    In der formalen Logik und der logischen Semantik ist »Entität« eine allgemeine Bezeichnung für ein sprachliches bzw. gedankliches Objekt oder für ein außersprachliches Bezugsobjekt. Dabei bleibt der ontologische Charakter (d. h. Wirklichkeit oder nur Vorstellung) ebenso unbestimmt wie die Art des Objekts (d.h. Gegenstände, Ereignisse oder Personen). Entität stellt die gemeinsame Bezeichnung für Eigenschaften, Propositionen, Klassen, Gegenstände dar, ohne Berücksichtigung der Unterscheidung von abstrakten und konkreten Entitäten. S. 138
  • Intentionale Einstellung. In der I.E. werden einer Entität Überzeugungen, Absichten und Wünsche zugeschrieben, die vielfach auch als propositionale Einstellungen bezeichnet werden. S. 274
  • Aktuale Entitäten sind die letzten realen Dinge, aus denen die Wirklichkeit besteht. S. 490
  • Habermas unterscheidet drei Welten entsprechend den Geltungsansprüchen der Wahrheit, der normativen Richtigkeit und der Wahrhaftigkeit, wie sie in den Sprechhandlungen implizit erhoben werden: (a) die objektive Welt als die Gesamtheit aller Entitäten, über die wahre Aussagen möglich sind; (b) die soziale Welt als die Gesamtheit aller legitim geregelten interpersonalen Beziehungen; (c) die subjektive Welt als die Gesamtheit der nur dem sich äußernden Individuum zugänglichen Erlebnisse. S. 674

EPh

373 (11,6) Ergebnisse, darunter

  • … sind Entwicklungsprozesse besondere Bewegungsformen materieller und ideeller Systeme, die sämtliche Entitäten qualitativer und zeitlicher Veränderungen umfassen. S. 544b
  • Vom realistischen Alltagsverstand und common sense wird ›Erkenntnis‹ spontan so verstanden, als würden ›objektive‹ Formen der Realität (Entitäten, Sachverhalte, Ereignisse) in ›subjektive‹ Formen des Bewusstseins transformiert. S. 580
  • In der Handlungstheorie gibt es drei – logisch voneinander unabhängige – ontologische Probleme, welche Arten von Entitäten Handlungen eigentlich sind: … S. 970b
  • Als Ontologie behauptet er [der Idealismus] die Existenz von geistigen Entitäten (Ideen), die nicht auf materielle Entitäten reduzierbar sind; S. 1026
  • … theoretische Entitäten wie Elektronen, Neutrinos, magnetische Wellen etc. S. 1099b
  • …. und diejenigen Entitäten, die wahren Meinungen entsprechen, sind Tatsachen. S. 1302b
  • … um die sozialen Phänomene zu erklären, auf Entitäten wie ›Volk‹, ›Klasse‹, ›Staat‹, ›Institution‹ etc. beziehen, und Kollektiven anthropomorphisierend Bewußtsein, Wünsche und spezifische Absichten zuschreiben. S. 1602b
  • Um Kategorien angemessen charakterisieren zu können, benötigt man ein anspruchsvolles begriffliches Repertoire …. Dabei wird es sich als sehr nützlich erweisen, mit dem in der mittelalterlichen Scholastik geprägten Kunstwort ›Entität‹ einen Ausdruck zur Verfügung zu haben, der es gestattet, ganz allgemein über Seiendes zu sprechen, ganz gleich, ob es für sich bestehen kann oder in einem starken Sinne von anderen Entitäten (existenziell) abhängig ist, ob es wirklich ist oder nur möglich. Der Ausdruck Entität bezeichnet also selbst noch keine Kategorie, da er keinen Einteilungsbegriff darstellt. Alles, was unter eine der im Folgenden diskutierten Kategorien fällt, ist eine Entität. Der ›Entität‹ ist somit der neutralste Ausdruck, den es in der Ontologie gibt. S. 1865b
  • Das Phänomen wird hiermit als irreale Entität bestimmt. S. 1943b
  • Wissensrepräsentations-Systeme verwenden Logik-basierte Sprachen … und sind fähig zur syntaktischen und semantischen Repräsentation von Zeit, Ereignissen, Aktionen, Prozessen und Entitäten. S. 2323b
  • ›Tätigkeit‹ (T.) tritt, ungefähr gleichbedeutend mit Aktion, Aktivität, gelegentlich mit Handlung und Tun, in unterschiedlichen Sprachzusammenhängen auf und bezeichnet im allgemeinsten Sinne eine durch Angabe von Funktion oder Ziel beschreibbare Veränderung von Zuständen in oder an Entitäten wie Personen, Organen, Zellverbänden, Lebewesen oder Systemen (Maschinen, gesellschaftliche Gruppen). S. 2679u
  • Vergleich‹ (V.) ist ein Terminus zur Bezeichnung einer Methode der Erkenntnis, mittels derer Entitäten sehr unterschiedlicher Art und Komplexitätsstufe (z.B. empirische Entitäten: Dinge, Beziehungen, Ganzheiten, Organismen, Systeme; theoretische: Begriffe, Aussagen, Theorien; fiktive: literarische Figuren, Handlungen, epische Muster u.a.) auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht werden. S. 2880u

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung des Terminus

Häufigkeiten:

Wort

DWDS

HWPh

MLPh

EPh

Entität

0,3

3,5

19,6

11,6

Im Alltag wird der Terminus „Entität“ sehr selten und wie die Kollokationen zeigen, die ebenfalls mit sehr geringer Frequenz auftreten, vor allem im politischen Sinne verwendet. Er ist aus sprachlicher Sicht intuitiv nicht verständlich.

Obwohl er in der philosophischen Literatur teilweise recht häufig verwendet wird, findet man nur in einem der drei Lexika eine explizite Erklärung des Terminus: „Als Entität bezeichnet man ein einzelnes, individuell seiendes unteilbares (substantielles) Etwas und zugleich sein Wesen“ (Prechtl und Burkard 2008, S. 138). In der Scholastik wurde dieser Begriff als Kunstwort geprägt und damit der „Aspekt des existentiellen und wirklichen Daseins einer Sache akzentuiert.“ (Prechtl und Burkard 2008, S. 138) In der analytischen Philosophie, insbesondere in der formalen Logik und der logischen Semantik ist der Terminus eine „allgemeine Bezeichnung für ein sprachliches bzw. gedankliches Objekt oder für ein außersprachliches Bezugsobjekt … die gemeinsame Bezeichnung für Eigenschaften, Propositionen, Klassen, Gegenstände …, ohne Berücksichtigung der Unterscheidung von abstrakten und konkreten Entitäten.“ (Prechtl und Burkard 2008, S. 138)

Während im DWDS nur der erste Aspekt als Bedeutung angegeben wird, entsprechen die genannten Bedeutungen in den Internet Enzyklopädien Wiktionary und Wikipedia den beiden Aspekten aus Prechtl und Burkhard, wobei der Bezug zu Logik und Sprache auf alles was existiert ausgedehnt wird. In diesem Sinne würde der Terminus „Entität“ dem Terminus „Existierendes“ entsprechen. Dem widerspricht allerdings der bei diesem Aspekt in den Erklärungen der Internet Enzyklopädien und dem Lexikon der Philosophie gleichzeitig genannte Bezug zu Gegenständen bzw. Objekten. Dies bedeutet zum einen, dass die Termini „Gegenstand“ bzw. „Objekt“ Oberbegriff zu „Entität“ sind und zum anderen, dass Prozesse nicht in der Bedeutung von Entität enthalten sind. Auch die bei Wiktionary genannten weiteren Bedeutungen 2-4 beziehen sich jeweils nur auf bestimmte Zustände. Ebenso deuten einige Formulierungen in den Lexika auf diese Exklusion hin, wie etwa „… beziehen sich hypothetische Konstrukte auf Prozesse oder Entitäten, …“ (Ritter et al. 2007, Bd. 6, S. 1219) Nach dieser Formulierung wäre ein Prozess keine Entität.

Dieser Eindruck wird auch durch die folgende Zusammenstellung der in den Enzyklopädien genannten Beispiele für Entitäten bestärkt.

HWPh: Akzidens, Attribut, Aussage, Bedeutung, Begriff, Begriffsumfang, Ereignis, Klassenbewusstsein, Kraft, Luftwiderstand, Macht, Menge, Sachverhalt, Selbsterhaltungsreflex, Urteil, Wirkungen der Natur, Zwischenraum

MLPH: Absicht, Akzidens, Bedeutung, Substanz, Überzeugung, Wunsch,

EPh: Aussage, Begriff, Beziehung, Ding, Elektron, epische Muster, Ganzheit, gedankliche Repräsentation, Gene, gesellschaftliche Gruppen, Handlung, Institution, Klasse, Lebewesen, literarische Figur, Luft, magnetische Welle, Maschine, Neutrinos, Organ, Organismen, Person, Proposition, Sachverhalt, Staat, System, Tatsache, Theorie, Volk, Wasser, Zelle

Bei den Textanalysen fällt auf, dass es eine sehr große Anzahl von Adjektivattributen gibt, die mit dem Terminus „Entität“ verbunden sind. Eine Zusammenstellung aller vorkommenden Adjektive in den drei Lexika ergab folgende Ergebnisse:

HWPh: 75 Kollokationen mit folgenden Attributen

abstrakte, aktuale, allgemeine, äußere, außersprachliche, außerweltliche, autonome, beobachtbare, biologische, denk- und sprachunabhängige, denotierte, die Entität X wird auf die Entität Y reduziert, distinkte, einfache, endliche, extramentale, fiktive, formale, geistige, geordnete, gliederte, hybride, idealistische, immaterielle, individuelle, inhärente, innere, innergeistige, intelligible, intensionale, jenseits von Raum und Zeit liegende, komplexartige, körperliche, körperlose, linguistische, materielle, mathematische, mechanische, mentale, metaphysische, modale, natürliche, nichtbeobachtbare, nichtempirische, nichtpsychische, objektive, ontologische, partikuläre, persistierende, physikalische, physische, positive, psychische, real existierende, reale, reflektierende, repräsentationale, seinsneutrale, selbstbewegte, separate, singuläre, sprachliche, strukturierte, theoretische, transzendente, unabhängige, unbeobachtbare, unendliche, ungesättigte, unkörperliche, unselbstständige, unvergängliche, unzusammenhängende, verfügbare, zeitlose,

MLPh: 31 Kollokationen mit folgenden Attributen

abstrakte, aktuale, allgemeine, außergeistige, basale, biologische, ewige, existierende, grundlegende, individuelle, kategoriale, linguistische, mathematische, mengentheoretische, mentale, neurologische, physikalische, psychische, räumlich begrenzte, reale, rezipierte, selbstständige, soziale, sprachliche, tätige, theoretische, transzendente, ungesättigte, universale, vorsprachliche, zeitlich kontinuierliche,

EPh: 88 Kollokationen mit folgenden Attributen

abhängige, abstrahierte, abstrakte, allgemeine, arithmetische, auffindbare, außersprachliche, begrenzte, begriffliche, benötigte, beobachtbare, bewusstseinsabhängige, dingliche, dingunabhängige, distinkte, eigenständige, einheitliche, empirische, entgegengesetzte, erkennbare, erzeugte, existierende, extramentale, fiktionale, fiktive, fundamentale, geistige, gemeinschaftliche, grobe, grundlegende, handlungskoordinierende, historische, ideelle, individuelle, innerpsychische, intelligible, intensionale, interagierende, intersystemische, irreale, kollektive, konkrete, konstruierte, körperliche, kulturelle, logische, materielle, mathematische, mengentheoretische, mentale, mikrophysikalische, modale, natürliche, nicht beobachtbare, nicht existierende, nichtintendierte, nichtmaterielle, nichtmenschliche, nichtsprachliche, nichtwahrnehmbare, notwendige, numerische, okkulte, partikulärer, phänomenologische, physikalische, positive, postulierte, privilegierte, psychische, raumzeitliche, reale, selbstständige, soziale, sprachliche, strukturierte, substantielle, systembestimmte, theoretische, transzendente, überindividuelle, unabhängige, universale, vermeintliche, wechselwirkende, wirksame, zahlreiche, zeitunabhängige

Bei einigen dieser Attribute ergibt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, dem Terminus „Entität“ als einer Bezeichnung für alles was existiert, eine solche Eigenschaft zuzusprechen. Dies betrifft etwa die Eigenschaften idealistisch oder reflektierend. Etwas Existierendes kann ein Element einer idealistischen Philosophie oder ein Ergebnis einer Reflexion, aber selbst nicht idealistisch oder reflektierend sein. Eine Entität kann auch nicht selbstständig, sozial, positiv, privat oder vernünftig sein. Viele Formulierungen mit dem Terminus „Entität“ lassen sich auch auf andere Art und Weise und auch klarer ausdrücken. So wäre es etwa sinnvoller, anstelle von mathematischen Entitäten in den auftretenden Fällen von mathematischen Begriffen zu sprechen.

Insgesamt spricht folgendes gegen eine Verwendung des Terminus Entität als Oberbegriff für alles Vorhandene. In der Alltagssprache wird dieser Terminus sehr selten verwendet und ist nicht intuitiv verständlich. In der Philosophie hat er mindestens zwei unterschiedliche Bedeutungen. Aus dem Umfang des Terminus werden mehr oder weniger offensichtlich Prozesse ausgeschlossen, die ein notwendiger Bestandteil des Existierenden sind.

Sein, Seiendes

Literaturanalysen

DWDS

Sein:

Frequenz: 16942,0

Kollokationen: Nichtsein (10.4, 1063), Leichtigkeit (9.4, 938), Schein (9.0, 1066), Nichts (6.8, 228), Dasein (6.6, 181)

Bedeutungen:

das Existieren, die Existenz

  1. [Philosophie] Kategorie in zahlreichen philosophischen Strömungen
  2. [selten] [Marxismus] das materiell Existierende, die Materie
  3. die materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse, Komplex der objektiven, unabhängig vom Bewusstsein existierenden Faktoren und Verhältnisse, in denen die Menschen handeln

Seiendes:

Frequenz: 0,14

Kollokationen, Bedeutung: kein Wortprofil, kein Eintrag

Wiktionary

Sein:

Philosophie, Ontologie: das Tatsächlich-vorhanden-Sein, Dasein, teilweise auch: Existenz

Seiendes:

Philosophie: mit unbestimmtem Artikel: etwas (Einzelnes), das ist; mit bestimmtem Artikel meist: alles, was ist; die Gesamtheit des Existierenden

Wiki

Sein, Seiendes:

In der Tradition gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze:

  1. Das univoke (eindeutige) Seinsverständnis: Sein ist das Merkmal, was allen Seienden nach Abzug der jeweils individuellen Eigenschaften immer noch gemeinsam ist (Entität).
  2. Das analoge Seinsverständnis: Sein ist das, was „allem“ zukommt, der Gegenbegriff zum Sein ist das Nichts, da nichts außerhalb des Seins stehen kann

Sein ist … das unveränderliche, zeitlose, umfassende Wesen (griechisch ousia, lateinisch essentia) sowohl einzelner Gegenstände als auch der Welt als Ganzes.

Dagegen beschreibt der Begriff des Seienden einzelne Gegenstände oder Tatsachen. Seiendes kann auch die Gesamtheit des Existierenden, also „die ganze Welt“, bezeichnen, solange dies räumlich und zeitlich bestimmbar ist.

Im Folgenden werden dann die Auffassungen zu den Begriffen „Sein“ und „Seiendes“ in der Antike, im Neuplatonismus, im Mittelalter sowie bei Hume, Fichte, Kant, Hegel und Heidegger erläutert, die sich zum Teil wesentlich unterscheiden.

HWPh

Sein: 4815 (56,2) Ergebnisse, darunter

Es wird auf 64 Seiten die Geschichte der Bedeutung und Verwendungen des Termini „Sein“ und „Seiendes“ dargelegt in der Antike, der Spätantike, im Mittelalter, der Renaissance, der katholischen Scholastik, der protestantischen Schulphilosophie, des Rationalismus und der Aufklärung, der Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts sowie von Kant bis zur Philosophie des 20. Jahrhunderts mit den Unterpunkten Kant, Fichte, Schelling, Hegel, realistische Tendenzen in der Philosophie des 19. und 20. Jh., Existenzphilosophie, Phänomenologie und Analytische Philosophie. Zu den Diskussionen in der Analytischen Philosophie wird abschließend auf die Auffassungen von Tugendhat eingegangen. Er „meint …, daß das Wort Sein als einheitlicher Leitfaden einer umgreifenden Thematik der Philosophie abzulehnen sei: ‚Wir haben überhaupt kein Wort – weder ‚ist noch ’nicht -, in dem das zum Ausdruck kommt, was unser Verstehen einheitlich bestimmt.‘ Die verschiedenen Bedeutungen von Sein erweisen sich danach als zufällige Mehrdeutigkeiten des Wortes, nicht als einheitliche Konstellation analoger Sachverhalte, die dann auf eine tragende Grundbedeutung rückführbar wären, so daß jedenfalls ‚die Seinsfrage‘ ihren Sinn verloren habe. Bd. 9, S. 233

Seiendes: 2862 (33,4) Ergebnisse

MLPh

Sein: 583 (82,7) Ergebnisse, darunter

Sein. Einer der grundlegenden, aber auch vieldeutigsten und bis in die Gegenwart umstrittenen Begriffe in der abendländischen Philosophie, dessen Bedeutung je nach Verwendung in einer bestimmten philosophischen Disziplin oder einem bestimmten Kontext erheblich variiert. … Innerhalb der modernen analytischen Philosophie fällt der Seinsbegriff einer z.T. vernichtenden Kritik anheim: Jeglicher Gebrauch von Sein im Sinne der Transzendentalien ist sinnlos bzw. zeigt einen Kategorienfehler an, der zu Scheinproblemen führt. S. 544 ff

Seiendes: 270 (38,3) Ergebnisse, darunter

Was ist das eigentlich Wirkliche? Worin liegt der Grund der Wirklichkeit? Worin ist der umfassende Sinnzusammenhang der Wirklichkeit zu sehen? Die metaphysische Fragestellung kann auch in theologischer Wendung nach einem höchsten Wesen als unbedingtem Sein, von dem her das Seiende erst sich als bedingtes und endliches bestimmen lässt, … S. 4

Da die gesamte abendländische Ontologie nach Heidegger das Seiende immer nur als Vorhandenes aufgefasst hat, trifft sie der Vorwurf der »Seinsvergessenheit«. S. 545

EPh

Sein: 1240 (38,6) Ergebnisse, Seiendes: 428 (13,3) Ergebnisse, darunter

Die Begriffe ›Sein‹ und ›Seiendes‹ … haben eine lange Tradition in der europäischen Philosophie und sind in hohem Maße charakteristisch für die Eigenart und Problematik dieses Denkens. Sie repräsentieren die extreme Spannung zwischen dem philosophischen Abstraktionsniveau einerseits und seinem Ausgangspunkt, der Erfahrung von und dem Umgang mit den konkreten Dingen in der Natur und Lebenswelt, andererseits. Nach der sprachlichen Differenzierung zwischen Sein und Seiendes steht entsprechend Sein für ein i) logisch (begriffliches) und/ oder real allgemeines, ii) für ein übernatürliches (göttliches) Niveau; wohingegen der Ausdruck Seiendes zumeist auf Konkreta, die natürlichen Dinge oder Individuen verweist.

Die mit dieser Bedeutungsbreite des Seinsbegriffs verbundenen Schwierigkeiten haben dazu geführt, daß schon frühzeitig versucht wurde, ihn durch andere philosophische Grundbegriffe – das Eine‹ oder auch ›Substanz‹ – zu ersetzen. …

Teilweise verwandt mit dem Begriff des Seins ist der der ›Existenz‹, der lange eine Nebenrolle spielt, bis er im 20. Jh. dann bewusst gegen den Seinsbegriff ausgespielt wird (Kierkegaard, Heidegger, Jaspers, Sartre). Ebenso gehört der Begriff ›Wirklichkeit‹ vor allem als modale Bestimmung neben ›Möglichkeit‹ zum Umfeld des Seinsbegriffs. S. 2388bu

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung der Termini

Häufigkeiten:

Wort

DWDS

HWPh

MLPh

EPh

Sein

16942,0

56,2

82,7

38,6

Seiendes

0,1

33,4

38,3

13,3

Während das Wort „Sein“ in der Alltagssprache mit einer sehr hohen Frequenz vorkommt, wird das Wort „Seiendes“ sehr selten verwendet. In den philosophischen Lexika sind die beiden Termini häufig und insbesondere „Sein“ sehr häufig anzutreffen. Die Kollokation des Wortes „Sein“ in der Alltagssprache mit „Nichtsein“, „nichts“ und „Dasein“ lassen auf eine Verwendung des Wortes in philosophischen Zusammenhängen schließen.

Nach den Internet-Enzyklopädien Wiktionary und Wikipedia kann mit „Seiendes“ auch die Gesamtheit des Existierenden bezeichnet werden, „solange dies räumlich und zeitlich bestimmbar ist“. Mit dieser Bedingung würde allerdings eine wesentliche Einschränkung vorgenommen werden, denn nicht alles, was existiert, ist räumlich und zeitlich bestimmbar.  Das betrifft etwa Licht, Energie Elektronen oder auch Gedanken.

In allen drei philosophischen Quellen werden zahlreiche Probleme benannt, die mit dem Terminus „Sein“ verbunden sind. Er sei „einer der grundlegenden, aber auch vieldeutigsten und bis in die Gegenwart umstrittenen Begriffe in der abendländischen Philosophie, dessen Bedeutung je nach Verwendung in einer bestimmten philosophischen Disziplin oder einem bestimmten Kontext erheblich variiert. … Innerhalb der modernen analytischen Philosophie fällt der Seinsbegriff einer z.T. vernichtenden Kritik anheim.“ (Prechtl und Burkard 2008, S. 544)

Aufgrund der sehr unterschiedlichen und umstrittenen Bedeutungen des Terminus „Sein“ erfüllt er nicht die aufgestellten Anforderungen an die Auswahl von Termini. Damit ist auch der mit dem Terminus „Sein“ eng verbundene Terminus „Seiendes“ nicht geeignet. Die Bedeutung, dass Seiendes alles Existierende bezeichnet, findet man nicht in der philosophischen Literatur.

Zur Explikation des Begriffs „Existierendes“

Insgesamt ergibt sich, dass von den untersuchten Wörtern nur das Wort „Existierendes“ geeignet ist, die Gesamtheit dessen, was vorhanden ist, zu beschreiben.

Um den Terminus Existierendes zum Begriff zu entwickeln, müssen der Inhalt und der Umfang des Begriffs sowie alle Beziehungen zu allen benachbarten Begriffen betrachtet werden.

Eine vollständige Explikation des Begriffs ist Aufgabe der Ontologie, es können hier nur einige Gedanken geäußert werden. Zudem sind noch weitere Wortanalysen erforderlich.

Es gehören etwa alle Produkte des Denkens wie Wörter, Begriffe oder Theorien zum Existierenden. Dies ist unabhängig davon, ob und welche Art von realen Objekten mit diesen Produkten des Denkens bezeichnet oder erfasst werden.

Ein Merkmal des Existierenden ist der ständige Werden und Vergehen. Die Dauer der Existenz kann sehr kurz, wie etwa bei einem Blitz, oder sehr lang, wie etwa bei einem Stein, sein. Es gibt also auch nicht mehr Existierendes.

Wichtig ist auch die Beziehung zum Entgegengesetzten, dem Nichtexistierenden. Beim Nichtexistierenden können nichtexistierendes Objekt im Denken und nichtexistierende Objekte außerhalb des Denkens unterschieden werden. Zu den nichtexistierenden Objekten außerhalb des Denkens gehören alle die Objekte, die in Zukunft neu geschaffen werden. Nichtexistierende Objekte im Denken umfasst alle Gedanken, Theorien und andere Objekte, die noch nicht vorhanden sind. Diese nichtexistierenden Objekte im Denken dürfen nicht mit dem Fiktiven verwechselt werden. Zum Fiktiven gehören Utopien und andere Zukunftsvorstellungen. Das Fiktive existiert.

Existierendes und Nichtexistierendes bedingen einander. Je höher entwickelt die Produktivkräfte sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass neue Theorien entstehen. Je mehr Gedanken und Theorien vor hoher Qualität vorhanden sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass neue hochqualitative Produkte entstehen.

Die Einheit des Existierenden und Nichtexistierenden ist die Welt als Ganzes, als Einheit von Zustand und Prozess. Dies entspricht dem Verhältnis von Sein und Nichts bei Hegel. „Die Wahrheit des Seins sowie des Nichts ist daher die Einheit beider; diese Einheit ist das Werden“ (Hegel 1970, S. 188).

Literaturverzeichnis

Hegel, Georg W. (1970): Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I. In: Georg W. Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Theorie Werkausgabe, Bd. 8. Hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Prechtl, Peter; Burkard, Franz-Peter (Hg.) (2008): Metzler Lexikon Philosophie. Begriffe und Definitionen. 3., erw. und aktualisierte Aufl. Stuttgart: Metzler. Online verfügbar unter https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/.

Ritter, Joachim; Gründer, Karlfried; Gabriel, Gottfried (Hg.) (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 13 Bände ; 1971 – 2007. 13 Bände. Basel: Schwabe.

Sandkühler, Hans Jörg; Borchers, Dagmar; Regenbogen, Arnim; Schürmann, Volker; Stekeler-Weithofer, Pirmin (Hg.) (2010): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. Hamburg: Meiner.