Hans-Dieter Sill, 09.01.2025

Analysen zu den Begriffen Sein, Seiendes, Nichtsein und Nichtseiendes

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Inhalt

Vorbemerkungen

Alltagssprache

Literaturanalysen

DWDS

DUW

Wiktionary

Auswertungen

Allgemeine Einschätzungen

Bedeutungen von „sein“ und „Sein“

Bedeutungen von „Seiendes/Seiende“

Zusammenfassung

Philosophie und Theologie

Literaturanalysen

HWPh

EPh

MLPh

LThK

RGG4

Aristoteles: Kategorien und Metaphysik

Avicenna (2016): Grundlagen der Metaphysik

Hegel (1970a): Phänomenologie des Geistes

Hegel (1970c): Wissenschaft der Logik I

Auswertungen

Generelle Bemerkungen

Diskussion ausgewählter Probleme

Zusammenfassende Einschätzungen

Literaturverzeichnis

Vorbemerkungen

Es werden die Bedeutungen und die Häufigkeit folgender Wörter und ihrer Wortformen in der Philosophie und Theologie untersucht: Sein, Seiendes, Nichtsein und Nichtseiendes. 

Zu Ermittlung der Bedeutungen der Wörter im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS). Um einen Eindruck von der Häufigkeit der Verwendung des Wortes im Alltag zu bekommen wird für die Jahre 2015-2019 bzw. 2016-2020 die Häufigkeit pro 1 Million Token (normierte Häufigkeit) im DWDS- Zeitungskorpus angegeben. Weiterhin werden Kollokationen mit anderen Wörtern angeführt. Als Assoziationsmaß wird logDice verwendet. Es werden die Kollokationen mit den höchsten logDice-Werten und ihre Frequenzen (in Klammern) genannt.

Als weitere Quellen werden das Deutsche Universalwörterbuch (Kunkel 2023) (DUW) sowie die Internetenzyklopädie Wiktionary (https://de.wiktionary.org/wiki/Wiktionary:Hauptseite) (Wiktionary) herangezogen. 

Ich bedanke mich bei Frau Dr. Petra Ewald, Professorin für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Rostock für die fachliche Beratung.

Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie genauer zu analysieren, werden die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist.

  • Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWPh)
  • Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie (EPh)
  • Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie (MLPh)

Mit den jeweiligen Suchfunktionen wird im Volltext nach den betreffenden Termini gesucht und es wird die Anzahl der jeweiligen Ergebnisse absolut und (in Klammern) pro 100 Seiten angegeben.

Weiterhin werden folgende theologische Nachschlagewerke verwendet, um die Bedeutungen der Wörter in der Theologie zu ermitteln.

  • Kasper (1993-2001): Lexikon für Theologie und Kirche (LThK)
  • Betz u. a. (2007): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft (RGG4)

Weitere Informationen zum Vorgehen bei den Wortanalysen und zu Auswahlkriterien sind auf der Seite „Zur Bestimmung grundlegender Termini“ enthalten.

Neben den philosophischen und theologischen Lexika werden noch folgende Originalquellen und Kommentare verwendet.

  • Aristoteles (1995b): Metaphysik (Met.)
  • Avicenna (2016): Grundlagen der Metaphysik (Meta.)
  • Hegel (1970b): Werke in zwanzig Bänden, insbesondere
    • Phänomenologie des Geistes (PhG)
    • Wissenschaft der Logik I (WL I)

Alltagssprache

Literaturanalysen

DWDS

sein (Verb)

Frequenz: 15.529,0

Bedeutungen:

  1. wirklich existieren

    [umgangssprachlich] ⟨etw. ist⟩ etw. gibt es, etw. ist vorhanden

    [landschaftlich] ⟨Waren sind (nicht)⟩

  1. sich irgendwo befinden, aufhalten

    [übertragen] …

    [umgangssprachlich] sich irgendwohin begeben haben

    ⟨etw. ist irgendwo⟩ etw. befindet sich irgendwo, ist irgendwo gelegen

    etw. befindet sich irgendwo, liegt irgendwo

  1. ⟨in einem bestimmten Zustand sein⟩
  2. a) sich in einem bestimmten Zustand befinden
  3. b) ⟨ ist (es) schlecht⟩ jmd. fühlt sich schlecht
  4. c) bezeichnet einen bestimmten Zustand
  5. gibt eine Klassifizierung an
  6. ⟨etw. ist irgendwann, irgendwo⟩ etw. findet irgendwann, irgendwo statt

    ⟨etw. war irgendwann, irgendwo⟩ etw. hat sich irgendwann, irgendwo ereignet

  1. ⟨sein + Modalverb⟩ geschehen

    in Wunschformeln

  1. [umgangssprachlich] stammen

    [salopp, scherzhaft, übertragen] …

  1. [umgangssprachlich] jmdm. gehören

    [veraltet, gehoben] …

  1. ⟨sein + »zu« + Infinitiv⟩ drückt einen passivischen Sachverhalt aus
  2. a) entspricht einem mit »können« umschriebenen Passiv
  3. b) entspricht einem mit »müssen« umschriebenen Passiv

    [umgangssprachlich] ⟨etw. sein lassen⟩ etw. nicht tun, etw. bleiben lassen, unterlassen

  1. Grammatik: dient bei intransitiven Verben, die eine Zustands- oder Ortsveränderung bezeichnen und bei den Verben »sein«, »bleiben«, »werden« zur Bildung des Perfekt und Plusquamperfekt

Etymologie

sein Verb begegnet im wesentlichen als Verbum substantivum ‘dasein, existieren’, als Verbindungswort (Kopula) mit einem Prädikativ (er ist ein Mann), als Hilfsverb zur Tempusbildung (er ist gegangen).

Sein

Frequenz: 1,3

Kollokationen:  Nichtsein (12.6, 2615), Leichtigkeit (10.3, 1841), Schein (10.3, 935), Haben (10.0, 212), Soll (9.5, 249), Seiend (9.0, 169), Werden (8.9, 249), Nichts (8.5, 437)

Bedeutungen:

das Existieren, die Existenz

Beispiele:

das menschliche Sein (= Dasein, Leben)

Die Bewohnbarkeit eines Himmelskörpers ist eine Episode in seinem kosmischen Sein [ Th. Mann 11,303]

Schlaf ist eine Weise des Seins, wie auch das Wachen und Wirken eine Weise des Seins ist. Schlaf ist Leben [Tageszeitung 1965]

Philosophie Kategorie in zahlreichen philosophischen Strömungen

Beispiel:

eine materialistische, idealistische Auslegung des Begriffs des Seins

selten, Marxismus: das materiell Existierende, die Materie, die objektive Realität   als indifferent zur Grundfrage der Philosophie stehender Begriff ohne den Charakter einer Kategorie

die materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse, Komplex der objektiven, unabhängig vom Bewusstsein existierenden Faktoren und Verhältnisse, in denen die Menschen handeln

Beispiele:

die Gesetze der Veränderung des gesellschaftlichen Seins

die Produktionsverhältnisse als wichtigster Bestandteil des gesellschaftlichen Seins

Seiende, das

Frequenz: keine Angabe

Kollokationen: kein Eintrag

Bedeutungen: Philosophie: etw., wovon ausgesagt wird, dass es ist; etw., was ist

Seiendes

kein Eintrag

Nichtsein

Frequenz: 0,2

Bedeutung: gehoben ⟨Sein oder Nichtsein (= Leben oder Tod)⟩

Beispiele: ein Kampf um Sein oder Nichtsein, Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage

Nichtseiende, Nichtseiendes

kein Eintrag

DUW

sein (Verb)

  1. a) sich in einem bestimmten Zustand, in einer bestimmten Lage befinden; sich bestimmten Umstanden ausgesetzt sehen; eine bestimmte Eigenschaft, Art haben: gesund, müde, lustig sein; sie war sehr freundlich; das kann doch nicht wahr sein!; R dem ist [nicht] so (die Sache verhält sich [nicht] so); sei es, wie es wolle; * es sei denn, [dass] (ausgenommen, außer wenn: ich bin um 8 Uhr da, es sei denn, der Zug hat Verspätung); nicht so s. (ugs.; sich großzügig, nachsichtig zeigen: ach, sei doch nicht so und gib es mir); b) jmds. Besitz, Eigentum darstellen; jmdm. gehören: das ist meins/(landsch. ugs.:) mir; _ ich bin dein (geh. veraltend; bin dir in Liebe verbunden); c) 〈unpers.〉 von jmdm. als bestimmtes eigenes Befinden festgestellt werden: mir ist [es] kalt, schlecht, übel; ist dir etwas? (ugs.; fehlt dir etwas, fühlst du dich nicht wohl?); * jmdm. ist, als [ob] … ( jmd. hat das [unbestimmte] Gefühl, den Eindruck, als [ob] …: mir ist, als hatte ich ihn gesehen/als ob ich ihn gesehen hatte); jmdm. ist [nicht] nach etw. (ugs.; jmd. hat im Augenblick [keine] Lust auf, zu etw.: mir ist heute nicht nach Feiern); d) 〈in Verbindung mit einem Gleichsetzungsnominativ〉 drückt die Identität od. eine Klassifizierung, Zuordnung aus: du bist ein Schuft; R das wars (das ist alles [was ich sagen, haben wollte, was getan werden musste]; auch: das wäre schon, toll); * es sein (es getan haben; der Schuldige, Gesuchte sein: am Ende will es keiner gewesen s.); wer sein (ugs.; es zu etwas gebracht haben, Ansehen genießen: im Fußball sind wir [wieder] wer); e) (in Bezug auf das Ergebnis einer Rechenaufgabe) zum Resultat haben, ergeben: dreißig minus neun ist/(ugs.:) sind einundzwanzig; f) 〈unpers.〉 (aufgrund der Zeit) als Umstand, Zustand o. A. gegeben sein: gestern war der fünfte Mai; bis dahin wird [es] wieder Herbst s.; 2. a) sich irgendwo befinden, aufhalten: in Hamburg, im/in Urlaub s.; wo warst du denn die ganze Zeit?; b) stammen, kommen: das Paket ist von Mutter; der Käse ist aus Frankreich (wurde in Frankreich hergestellt); die Milch ist von heute; das Kind ist von ihm (er ist der Vater des Kindes). 3. a) an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit stattfinden, vonstattengehen: die erste Vorlesung ist morgen; der Vortrag ist in der Stadthalle; * nicht sein (ugs.; nicht erlaubt, möglich o. A. sein, nicht geduldet werden: Rauchen ist [bei mir] nicht); b) an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, unter bestimmten Umstanden geschehen, sich ereignen: die meisten Unfalle sind nachts; 〈auch unpers.:〉 es war im Sommer letzten Jahres; *mit etw. ist es nichts (ugs.; etw. läuft nicht so ab, findet nicht so statt, wie es geplant, beabsichtigt o.A. war: als sie von seiner Vergangenheit hörte, war es nichts mehr mit [der] Heirat); c) 〈meist im Inf. in Verbindung mit Modalverben〉 geschehen, vor sich gehen, passieren: muss das sein?; das kann doch nicht sein! (das ist doch nicht möglich!); war während meiner Abwesenheit irgendwas?; 〈auch unpers.:〉 es sei!, so sei es denn! (es möge, soll, kann so geschehen!); R was sein muss, muss sein (es ist unvermeidbar); seis drum (es ist schon gut, es macht nichts); * sei es … sei es; sei es … oder (entweder … oder; kann, mag sein [dass] … oder [dass]; ob … oder [ob]: eine muss einlenken, sei es die Mutter oder die Tochter; 4. da sein; bestehen; existieren: alles, was einmal war, heute ist oder einmal sein wird; in diesem Bach sind (gibt es) viele Fische; die Königin ist nicht mehr (geh.; ist gestorben); das war einmal (gehört der Vergangenheit an, besteht nicht mehr); ist [irgend]etwas? (ugs.; gibt es etw. Besonderes, einen Grund zur Beunruhigung?); sind (gibt es) noch Fragen? R: was nicht ist, kann noch werden (das kann immer noch in der Zukunft Wirklichkeit werden); 〈subst.:〉 das menschliche Sein (Leben, Dasein); Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage (hier geht es um eine ganz wichtige Entscheidung; hierbei handelt es sich um eine existenzielle Frage; (S. 1629)

Sein (Substantiv)

[Substantiv zu sein (4)] (Philos.): das Existieren des ideell und materiell Vorhandenen; die Wirklichkeit, soweit sie dem Daseienden zukommt: das Sein und das Seiende; die Lehre vom Sein (S. 1629)

Seiendes (Philos.)

das Seiende/ein Seiendes; des/eines Seienden, die Seienden/zwei Seiende (Philos.): etw., wovon ausgesagt wird, dass es ist; etw., was ist

Nichtsein

das Nichtexistieren, Nichtvorhandensein. (S. 1291)

Wiktionary

sein

Bedeutungen:

[1] Kopula, die dem Subjekt ein logisches Prädikat zuordnet; Bsp.: Er ist 30 Jahre alt. Der Präsident ist schwarz. Ihr wart damals noch jung.

[2] zusammen mit einer Ortsangabe: sich am genannten Ort befinden; Bsp.: Wir waren in Paris.

[3] existieren; Bsp.: Solange der Opa noch ist, können wir das Haus nicht verkaufen.

[4] Hilfszeitwort zur Bildung zusammengesetzter Zeiten bestimmter Verben

Sein

Bedeutungen:  Philosophie, Ontologie: das Tatsächlich-vorhanden-Sein, Dasein, teilweise auch: Existenz

Herkunft:  Substantivierung des Verbs „sein“

Gegenwörter:  Nichtsein

Beispiele: Eine zentrale Aussage des Parmenides, der – um ihn von Heraklit abzugrenzen – als der Philosoph des Seins gilt, lautet: Das Sein ist.

Seiendes/Seiende

Bedeutungen:

Philosophie:

  • mit unbestimmtem Artikel (starke Deklination: Seiendes, Seienden, Seiendem, Seiendes): etwas (Einzelnes), das ist;
  • mit bestimmtem Artikel (schwache Deklination: das Seiende, des Seienden, dem Seienden, das Seiende): meist: alles, was ist; die Gesamtheit des Existierenden

Herkunft: Substantivierung des Partizipialadjektivs seiend, dies zu dem Verb sein

Gegenwörter: Nichtseiendes

Beispiele:

Das Sein und das Seiende stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander.

Die Erkenntnistheorie sichert die Wahrheitsbefähigung unseres Geistes, der das Seiende erfassen kann.

Nichtsein, Nichtseiendes

kein Eintrag

Auswertungen

Allgemeine Einschätzungen

Normierte Häufigkeiten im DWDS

Wort

Sein

sein

Seiendes/Seiende

Nichtsein

normierte Häufigkeit

1,3

15.529,0

kein Eintrag

0,2

Die Wörter „Sein“, „Seiende/Seiendes“ und „Nichtsein“ werden sehr selten im Alltag verwendet, dass Verb „sein“ dagegen verständlicherweise sehr häufig.

Bedeutungen von „sein“ und „Sein“

Bedeutungen von „sein“

Es sollen zuerst Bedeutungen des Verbs „sein“ untersucht werden, da einige Grundlage der Bedeutungen des Nomens „Sein“ sind. Da die Angaben in den drei Quellen zum Teil unterschiedlich sind, sollen die wesentlichen Aussagen zunächst getrennt aufgeführt werden. Dabei werden umgangssprachliche Bedeutungen nicht berücksichtigt.

DWDS

  1. wirklich existieren
  2. sich irgendwo befinden, aufhalten
  3. in einem bestimmten Zustand sein
  4. gibt eine Klassifizierung an, Bsp.: er ist Arbeiter
  5. findet irgendwann, irgendwo statt
  6. geschehen, Bsp.: das darf, soll nicht sein
  7. Grammatik: dient bei intransitiven Verben, die eine Zustands- oder Ortsveränderung bezeichnen und bei den Verben »sein«, »bleiben«, »werden« zur Bildung des Perfekt und Plusquamperfekt

Aus etymologischer Sicht tritt „sein“ im Wesentlichen als Verbum substantivum ‘dasein, existieren’, als Verbindungswort (Kopula) mit einem Prädikativ (er ist ein Mann) und als Hilfsverb zur Tempusbildung (er ist gegangen) auf.

DUW

  1. a) sich in einem bestimmten Zustand, in einer bestimmten Lage befinden; sich bestimmten Umstanden ausgesetzt sehen; eine bestimmte Eigenschaft, Art haben
  2. b) Besitz, Eigentum darstellen; jmdm. gehören
  3. c) 〈〉 von jmdm. als bestimmtes eigenes Befinden festgestellt werden: mir ist [es] kalt
  4. d) 〈in Verbindung mit einem Gleichsetzungsnominativ〉 drückt die Identität od. eine Klassifizierung, Zuordnung aus: du bist ein Schuft;
  5. e) (in Bezug auf das Ergebnis einer Rechenaufgabe) zum Resultat haben, ergeben
  6. f) 〈〉 (aufgrund der Zeit) als Umstand, Zustand o. A. gegeben sein: gestern war der fünfte Mai
  7. a) sich irgendwo befinden, aufhalten: in Hamburg, im/in Urlaub sein
  8. b) stammen, kommen: das Paket ist von Mutter
  9. a) an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit stattfinden, vonstattengehen:
  10. b) an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, unter bestimmten Umstanden geschehen, sich ereignen: die meisten Unfalle sind nachts;
  11. c) 〈meist im Inf. in Verbindung mit Modalverben〉 geschehen, vor sich gehen, passieren
  12. da sein; bestehen; existieren

Wiktionary

  1. Kopula, die dem Subjekt ein logisches Prädikat zuordnet; Bsp.: Er ist 30 Jahre alt.
  2. zusammen mit einer Ortsangabe: sich am genannten Ort befinden
  3. existieren; Bsp.: Solange der Opa noch ist, können wir das Haus nicht verkaufen.
  4. Hilfszeitwort zur Bildung zusammengesetzter Zeiten bestimmter Verben

Es gibt nur folgende zwei inhaltlichen Bedeutungen, die in allen drei Quellen genannt werden:

  • existieren, da sein; bestehen
  • sich irgendwo befinden, aufhalten, stammen

Die Bedeutung A hat etymologische Grundlagen, auf die im DWDS hingewiesen wird. Danach tritt „sein“ im Wesentlichen als verbum substantivum auf. Nach Kotin (2016) ist der Terminus verbum substantivum „die historische Bezeichnung für das unregelmäßig konjugierte Verb sein. Er stammt von der ursprünglichen Bedeutung dieses Verbs, das keine Handlung bzw. keinen Vorgang, sondern die Existenz, das Dasein denotiert“.

Im DWDS und DUW werden noch folgende inhaltliche Bedeutungen aufgeführt, die z. T. unterschiedlich untersetzt sind:

  • in einem bestimmten Zustand sein, eine bestimmte Eigenschaft, Art haben
  • an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit stattfinden, sich ereignen, geschehen, vor sich gehen, passieren
  • drückt die Identität od. eine Klassifizierung, Zuordnung aus

Nur im DUW werde weiterhin als Bedeutungen angegeben

  • Besitz, Eigentum darstellen; jmdm. gehören
  • zum Resultat haben, ergeben (in Bezug auf das Ergebnis einer Rechenaufgabe)

Bei Wiktionary wird als eine von nur vier angegebenen Bedeutungen die grammatische Verwendung von „sein“ als Kopula genannt, was auf die Affinität zur analytischen Sprachphilosophie hindeutet. Im DWDS wird auch eine grammatische Funktion aufgeführt.

Bedeutungen von „Sein“

Die Hauptbedeutung des Wortes „Sein“ ist „das Existieren“ (DWDS), „das Tatsächlich-vorhanden-Sein“ (Wiktionary), „das Existieren des ideell und materiell Vorhandenen“ (DUW). Dies entspricht der Bedeutung A des Verbs „sein“, worauf im DUW auch hingewiesen wird.

Auswertung von Kollokationen zu „Sein“

Um die Verwendung des Substantivs Sein in der Alltagssprache noch genauer zu untersuchen und Verbindungen zu möglichen Interpretationen der axiomatisch bestimmten Begriffe Existierendes und Nichtexistierendes herzustellen, werden im Folgenden Kollokationen mit einem hohen LogDice-Wert analysiert. In Klammern sind jeweils der LogDice-Wert und die Anzahl der Kollokationen angegeben.

Nichtsein (12.6, 2615)

Das Wort „Nichtsein“ hat mit 12,6 den mit Abstand höchsten LogDice-Wert der Kollokationen, d. h., es tritt im Sprachgebrauch in sehr enger Verbindung mit dem Wort „Sein“ auf. Eine Analyse der im DWDS angegebenen 20 Beispiele für Kollokationen mit Nichtsein ergab folgende hauptsächliche Verwendungsaspekte.

Sein und Nichtsein als Allegorie für Leben und Tod

Bei dem berühmten Zitat von Shakespeare im Hamlet (To be, or not to be, that is the question, 3. Aufzug, 1. Szene) geht es um die Frage von Leben und Tod eines Menschen, in diesem Fall um den möglichen Selbstmord von Hamlet, Prinz von Dänemark.

Auch im Film Sein oder Nichtsein von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942 geht es um Leben und Tod von polnischen Schauspielern in der Nazizeit, die durch Verhaftung und Ermordung bedroht sind.

Die Autoren Jörg Vögele und Katherina Heinrichs beschäftigen sich in ihrem Buch Sein oder Nichtsein mit dem Thema „Suizid“ sowohl von wissenschaftlicher Seite als auch aus künstlerischer Sicht.

Im Hamlet von Shakespeare nimmt der Protagonist wieder Abstand von seinen Selbstmordabsichten. Er bringt den Tod mit dem Schlaf in Beziehung, bei dem es zu Träumen kommen kann, die aus dem langen Leben des Menschen ein Unglück machen, denn wer ertrüge der Zeiten Hohn und Spott. Diese Gedanken an ein Leben nach dem Tod werden in dem Film Hinter dem Horizont (Originaltitel: What Dreams May Come) aus dem Jahr 1998 thematisiert. Die Protagonisten Chris und Annie finden sich nach dem Tod im Himmel bzw. als Selbstmörderin in der höllenähnlichen Unterwelt wieder, kommen dann doch zueinander und beschließen, erneut geboren zu werden, was ihnen dann auch gelingt.

In dieser Bedeutung von Sein und Nichtsein geht es um die biologische Existenz eines Menschen; nicht um den Menschen als Gesamtheit von Eigenschaften.

Sein und Nichtsein als Allegorie für Weiterbestehen oder Zugrundegehen eines politischen Systems oder der beruflichen Existenz eines Menschen

Mit den Formulierungen „Für die Ampel geht es um Sein oder Nichtsein, …“ (FAZ, 29.11.2023) oder „Für sie geht es bei Landtagswahlen inzwischen routinemäßig um Sein oder Nichtsein.“ (Die Liberalen sind so frei. Süddeutsche Zeitung, 13.10.2023) wird zum Ausdruck gebracht, dass infrage steht, ob die betreffende politische Organisation weiter bestehen bzw. eine bestimmte Hürde für das weitere Wirken in einem politischen Gremium nehmen kann. „Alles was recht ist – Sein oder Nichtsein“ ist der letzte Teil einer Fernsehfilm-Reihe, in dem die berufliche Existenz eines Gerichtspräsidenten zur Disposition steht, wenn das unrechtmäßige Erwerben seines Doktortitels öffentlich wird.

Sein oder Nichtsein bezeichnen hier die Existenz bzw. Nichtexistenz eines bestimmten Zustandes in der Gesellschaft oder im beruflichen Leben eines Menschen in seiner Gesamtheit, ohne die konkrete Struktur des Zustandes in den Blick zu nehmen.

Leichtigkeit (10.3, 1841)

Das Wort „Leichtigkeit“ hat überraschend ebenfalls einen hohen LogDice-Wert.  Bei allen 20 im DWDS angegebenen Beispielen geht es um den Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ des tschechischen Schriftsteller Milan Kundera. Es ist zu vermuten, dass der Name dieses international bedeutsamen Kunstwerkes die entscheidende Quelle für die enge Verbindung der Wörter „Leichtigkeit“ und „Sein“ ist. Gegenstand des Romans ist eine bewegende Liebesgeschichte, die sich in teilweise extremen Spannungsverhältnissen persönlicher Eigenschaften, gesellschaftlicher Bedingungen und Handlungsstränge bewegt. Dazu gehören die extreme Anzahl sexueller Affären des Mannes und die unerschütterliche Zuneigung der Frau, eine extrem tiefe Liebe der beiden zueinander, die Flucht und die Rückkehr in die Tschechoslowakei im Umfeld der 68er Ereignisse und ebenso die Leichtigkeit und Tragik des Lebens, die in einem glücklichen Zusammenleben und gemeinsamen Unfalltod münden. Das Wort „Sein“ im Titel des Romans steht für das Leben der beiden Liebenden miteinander als auch ihr Leben in verschiedenen Gesellschaften.

Schein (10.3, 935)

„Sein und Schein“ (auch „Schein und Sein“) ist ein geflügeltes Wort, das in vielen Zusammenhängen verwendet wird, um den Unterschied zwischen dem, wie es in Wirklichkeit ist und dem, wie dargestellt wird, zum Ausdruck zu bringen. Die Redewendung (Phrasem) wird verwendet

Sein bezeichnet dabei

  • ein noch nicht von einem Designer gestaltetes Objekt,
  • die, teilweise unbekannten Eigenschaften eines Menschen,
  • die realen Leistungen, das tatsächliche Können eines Menschen,
  • Tatsachen, Fakten und wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse,
  • die tatsächliche Bausubstanz oder architektonische Bedeutung eines Baudenkmals.

Mit „Sein“ wird also auch in diesem Fall eine große Palette unterschiedlicher Objekte bezeichnet, angefangen von einem einzelnen gegenständlichen Objekt wie einem Denkmal bis zu einem komplexen System von Objekten wie den Eigenschaften eines Menschen. In jedem Fall wird aber die Bedeutung von „Sein“ durch den Kontext ausreichend deutlich.

Alle diese Verwendungen können als Interpretation das Axiomensystem zum Existierenden aufgefasst werden. Ein noch nicht von einer Designfirma gestaltetes Objekt, wie der Klosterkomplex Würzburg (https://www.seinundschein.de/p/klosterkomplex-wuerzburg/) entsteht und vergeht. So ist der Klosterkomplex in seiner noch nicht designten Form in einem langen historischen Prozess ständiger Veränderung entstanden. Mit der Installation entsprechender Gestaltungselemente ist diese ursprüngliche Form des Klosterkomplexes vergangen und es ist eine neue äußere Form entstanden.

Auch in diesem Fall führt die Anwendung der neuen Betrachtungsweise zu einer Prozesssicht, es wird das Entstehen und Vergehen von Eigenschaften und Fähigkeiten eines Menschen, von wissenschaftlichen Erkenntnissen und von Baudenkmälern in den Blick genommen.

Das Beispiel der künstlerischen Gestaltung eines Klosterkomplexes weist zwei Besonderheiten auf. Das Entstehen eines Existierenden ist in diesem Fall ein langer historischer Prozess. Mit dem Vergehen des Existierenden ist zugleich, und diesmal in historisch kurzer Zeit, ein neues Existierendes, der designte Komplex, entstanden. Das Nicht-mehr-Existierende ist ein Moment des neuen Existierenden und in diesem Fall ein wesentliches Moment.

Das Axiomensystem zum Existierenden lässt sich aber auch auf das anwenden, was in den Beispielen als Schein bezeichnet wird. Das sind

  • das von einer Designfirma gestaltete Objekt,
  • die vorgetäuschten Eigenschaften eines Menschen,
  • vorgetäuschte Leistungen Fähigkeiten eines Menschen,
  • Irrtümer und Lügen,
  • der vorgetäuschte Zustand und architektonische Wert eines Baudenkmals.

Im ersten Beispiel ist das Wort „Schein“ positiv belegt, dass alte Gemäuer erscheint in einem neuen Licht und in neuer Schönheit. In den übrigen Beispielen ist der Schein negativ konnotiert. Aber auch Täuschung und Lügen sind mögliche Interpretationen für Existierendes. Man kann untersuchen, wie diese und zu welchen Zwecken entstanden sind und wie sie überwunden werden können.

Haben (10.0, 212)

Bei allen 20 Beispielen geht es um die Wortkombination „Sein und Haben“. 11 Beispiele beziehen sich auf den Film „Sein und Haben“ des französischen Regisseur Nicolas Philibert. Die Bedeutungen von „Sein“ und „Haben“ im Titel der Dokumentation aus dem Jahr 2002 wird aus den Rezensionen zu diesem Film nicht deutlich. In der Dokumentation geht es um den Alltag in einer Grundschule der Gemeinde Saint-Étienne-sur-Usson mit knapp über 200 Einwohnern. Die Schule hat eine kleine altersgemischte Klasse mit Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren und einen engagierten Lehrer, der Geduld und Respekt für die Kinder zeigt.

Möglicherweise lehnt sich der Film von Philibert an das Buch des französischen katholischen Philosophen Gabriel Marcel „Sein und Haben“ (1954) an. Nach Bollnow (1954) geht es Marcel um das Verhältnis des „reinen“ menschlichen Seins zu dem, was der Mensch „in irgendeiner Weise ‚haben‘ kann, ihm letztlich aber äußerlich sei und er sich davon auch wieder trennen könne oder müsse“ (Bollnow 1954, S. 93). Marcel sieht in seinem „Entwurf einer Phänomenologie des Habens“ (Marcel 1954, S. 165–188) Sein und Haben als eine dialektisches Verhältnis an. Je enger und lebhafter der Mensch mit etwas verbunden ist, wie der Hof eines Bauern oder die Violine eines Musikers, umso mehr „strebt das Haben nicht mehr danach, sich zu vernichten, sondern sich zu sublimieren, sich ins Sein zu verwandeln“ (Marcel 1954, 177/178). Das menschliche Sein in diesem Sinne steht so für die Gesamtheit der Eigenschaften eines Menschen, wobei es weniger um Äußerlichkeiten des Menschen wie Haarfarbe und Körpergröße geht, sondern um seine Einstellungen, Fähigkeiten oder Kenntnisse. „Haben“ bezeichnet seinen persönlichen Besitz bzw. sein Eigentum.

Erich Fromm beschreibt in seinem gesellschaftskritischen Buch „Haben oder Sein“ von 1976 die damalige westliche Gesellschaft unter dem Aspekt der beiden „Existenzweisen“ oder „Geisteshaltungen“ Haben und Sein. Aus seiner Sicht wird diese Gesellschaft zunehmend vom Streben nach Besitz, vom fassadenhaften, markt- und konsumorientierten „Haben“ dominiert. Dem stellt er die Geisteshaltung des seelischen „Seins“ gegenüber, eine Haltung, in der Besitztümer keine Rolle spielen. Er illustriert anhand einiger Beispiele die Unterschiede zwischen der Existenzweise des Habens und des Seins, darunter Alltagserfahrungen wie Lernen, Erinnern, Sprechen, Autorität ausüben, Wissen, Glauben oder Lieben. Im Fall von Wissen sagt Fromm etwa, dass bei einer Existenzweise des Habens es nur darum gehe, sich möglichst viel Wissen einzuverleiben, etwa um eine Prüfung zu bestehen, während es bei der Existenzweise des Seins um ein produktives Zuhören und echtes Interesse am Thema gehe. Beim Lieben wiederum kontrastiert Fromm die Haltung, über den Partner als Eigentum zu verfügen, mit einer echten Liebe (nach https://de.wikipedia.org/wiki/Haben_oder_Sein).

„Sein“ ist für Fromm also eine bestimmte Haltung, die mit einer entsprechenden Lebensweise verbunden ist. „Haben“ bezeichnet nicht den Besitz eines Menschen, sondern sein Streben nach Besitz. Bereits im Titel seines Buches ist erkennbar, dass er diese beiden Strebungen als Alternativen ansieht und weniger den Fokus auf ihre wechselseitigen Beziehungen legt. So spielen etwa bei der Aneignung von Wissen in einem Lernprozess sowohl das Erkenntnismotiv als auch das Leistungsmotiv eine sich ergänzende Rolle.

Für Marcel und Fromm haben die Wörter „Haben“ und „Sein“ also jeweils eine unterschiedliche Bedeutung. Alle vier Bedeutungen lassen sich als mögliche Interpretationen des axiomatischen Begriffs des Existierenden auffassen. In drei der vier Fälle geht es um eine einzelne bzw. einen Komplex von Eigenschaften des Menschen. Eigenschaften eines Menschen entstehen im Laufe seiner Ontogenese, insbesondere im Kinder- und Jugendalter. Wesentliche Einflussfaktoren sind dabei die Erbanlagen und die Umweltbedingungen, wie die familiären und gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Eigenschaften vergehen mit dem Tod des Menschen.

Die Interpretation des Existierenden als Besitz bzw. Eigentum eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen weist einige Besonderheiten auf. Bei den Vorgängen des Vergehens und Entstehens von Eigentum müssen jeweils zwei Teilvorgänge unterschieden werden. Zum einen entsteht und vergeht Eigentum eines Menschen durch seine eigenen Tätigkeiten. Dazu zählt seine Erwerbstätigkeit als selbstständige oder unselbstständige Arbeit, seine Ausgaben für den eigenen Bedarf oder für Familienmitglieder, Beiträge für Parteien oder Vereine, Geschenke und anderes. Zu Beginn seines Lebens ist dieser Teil seines Eigentums noch nicht vorhanden und am Ende des Lebens geht er in das Eigentum seiner Erben über. Der zweite Vorgang bezieht sich auf das Erbe des Menschen etwa in Form von Kapital- oder Betriebsvermögen. Dieses Eigentum entsteht zum Zeitpunkt der Überschreibung des entsprechenden Vermögens als Erbfall oder vorgezogenes Erbe von den Erblassern. Bis zum Tod des Menschen kann dieser Teil des Eigentums etwa durch wirtschaftliche Aktivitäten weiter vergrößert oder auch vermindert werden. Nach dem Tod des Menschen oder zu einem früheren Zeitpunkt wird dieser Teil des Vermögens weiter vererbt. Das Vermögen bleibt bei den Vorgängen des Vergehens und gleichzeitigen Entstehens in gleicher Höhe erhalten, es verändert sich lediglich der Besitzer des Vermögens. Damit handelt es sich vor und nach dem Erbfall um zwei unterschiedliche Formen des Existierenden, wenn auch der Wert des Vermögens der gleiche geblieben ist. Dadurch entsteht ein historischer Vorgang der ständigen Wiederkehr von Vergehen und Entstehen von Eigentum. Um die heutigen Eigentumsverhältnisse gerade in der Produktion zu beurteilen, müssen diese zyklischen Wiederholungen in den Besitzverhältnissen einer Familie oder Dynastie von den Anfängen an untersucht werden.

Nichts (8.5, 437)

Von den 20 angegebenen Beispielen für Kollokationen von Sein und Nichts beziehen sich 19 auf ihre Verwendung in der Philosophie, insbesondere in Arbeiten von Hegel, Heidegger und Sartre. Eine Analyse der Verwendung des Wortes „Nichts“ ist in dem Text https://philosophie-neu.de/analysen-zum-wort-nichts/ enthalten.

Bedeutungen von „Seiendes/Seiende“

Im DWDS und DUW wird zwischen „Seiendes“ und „das Seiende“ nicht unterschieden. Es werden im DWDS keine Häufigkeiten und Kollokationen angegeben. Als Bedeutung in der Philosophie wird in den beiden Wörterbüchern in gleichlautende Weise genannt: „Etw., wovon ausgesagt wird, dass es ist; etw., was ist“.

Nur bei Wiktionary findet man eine Unterscheidung der beiden Wörter und Erläuterung ihre Beziehungen, wobei auch ausschließlich ein Bezug zur Philosophie hergestellt wird. Die Bedeutungen hängen mit der Art der Deklination zusammen. Es wird unterschieden zwischen

  • der starken Deklination ohne Artikel (Seiendes, Seienden, Seiendem, Seiendes) mit der Bedeutung: etwas (Einzelnes), das ist,
  • der schwachen Deklination mit bestimmtem Artikel (das Seiende, des Seienden, dem Seienden, das Seiende) mit der Bedeutung alles, was ist; die Gesamtheit des Existierenden
  • der gemischten Deklination mit Possessivpronomen (ein Seiendes, eines Seienden, einem Seienden, ein Seiendes) mit der gleichen Bedeutung wie ohne Artikel.

Hingewiesen wird auch auf die Herkunft des Wortes Seiendes als Substantivierung des Partizipialadjektivs seiend zum Verb sein.

Aufgrund fehlender Kollokationen und Bedeutungen ist eine weitere Analyse der alltagssprachlichen Verwendung der beiden Wörter nicht möglich.

Zusammenfassung

Das Wort „Sein“ steht in enger Beziehung zum Wort „Nichtsein“ als seinem Gegensatz. Dieser Gegensatz wird in der Alltagssprache verwendet in Bezug auf

  • Leben und Tod eines Menschen (Shakespeare)
  • Existenz bzw. Nichtexistenz eines bestimmten Zustandes in der Gesellschaft oder im beruflichen Leben eines Menschen in seiner Gesamtheit, ohne die konkrete Struktur des Zustandes in den Blick zu nehmen.

„Sein“ wird weiterhin verwendet für

  • das individuelle Leben eines Menschen und sein Leben in der Gesellschaft (Milan Kundera),

in der Wortkombination „Sein und Schein“ für

  • ein noch nicht von einem Designer gestaltetes Objekt,
  • die, teilweise unbekannten, Eigenschaften eines Menschen,
  • die realen Leistungen, das tatsächliche Können eines Menschen,
  • Tatsachen, Fakten und wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse,
  • die tatsächliche Bausubstanz oder architektonische Bedeutung eines Baudenkmals,

in der Wortkombination „Sein und Haben“ für

  • die Gesamtheit der Eigenschaften eines Menschen, wobei es weniger um Äußerlichkeiten des Menschen wie Haarfarbe und Körpergröße geht, sondern um seine Einstellungen, Fähigkeiten oder Kenntnisse (Gabriel Marcel),
  • eine Existenzweise und Geisteshaltung (Erich Fromm).

Wie oben an Beispielen nachgewiesen, lassen sich alle Verwendungen von „Sein“ mithilfe der Begriffe Existierendes und Nichtexistierendes ausdrücken, wobei die damit verbundenen dynamischen Betrachtungen noch zu tieferen Einsichten führen.

Die Analyse der alltagssprachlichen Bedeutung des Wortes „Sein“ in den betrachteten Kollokationen bestätigt die Hauptbedeutung des Wortes als Existieren eines mentalen oder nichtmentalen Vorhandenen.

Philosophie und Theologie

Literaturanalysen

Bei allen Quellen werden Zitate zu den fünf analysierten Begriffen angegeben, da diese in Zusammenhang stehen und teilweise in den Quellen auch im Zusammenhang genannt werden.

Aufgrund der oft sehr umfangreichen Darstellungen werden nur solche Zitate ausgewählt, die die Bedeutungen klar artikulieren, neue Gedanken enthalten und mit bedeutenden Philosophen in Verbindung stehen. Dabei werden Zitate zu Aristoteles und Hegel nicht aufgeführt, da deren Ansichten durch Analyse von Originalquellen erschlossen werden.

HWPh

Sein und Seiendes

Sein: 7205 (84,1) Ergebnisse, Seiendes: 3153 (36,8) Ergebnisse

Stichwort „Sein, Seiendes“: Autoren: I. Antike, Michael Frede (2007)

  • Parmenides geht es darum herauszuarbeiten, welche Merkmale das, was wirklich ist, charakterisieren. Dinge (τὰ ἐόντα) scheinen vielfältig zu sein, sich zu verändern, zu entstehen und zu vergehen. Aber die Reflexion zeigt, daß das, was ist, notwendig unentstanden und unvergänglich, bewegungslos und unveränderlich, eines und in sich nicht unterschieden ist ( 9, S. 171).
  • Ähnlich wie Parmenides und sicher in Anlehnung an ihn entwickelt Platon einen Katalog von Kriterien, welche das wirklich Seiende zu erfüllen hat und welche es von den Gegenständen der Erfahrung, den Objekten der Wahrnehmung und der δόξα unterscheiden. Das wirklich Seiende ist nach Platon die Idee, denn während die sinnfälligen Dinge als viele erscheinen, wird durch die Idee das reine «was es ist» einer Sache erfaßbar. Als dieses eine Wesen der Sache wird die Idee auch das «lautere Seiende» (εἰλικρινὲς ὄν) genannt, während die sinnfälligen Dinge, die nur Gegenstand des Meinens sein können, eine ontologische Mittelstellung zwischen dem wahrhaften Seienden und dem Nichtseienden, an beidem partizipierend, haben (Bd. 9. S. 172)
  • Das Sein einer Sache besteht darin, das zu sein, was sie ist. Aber hier gilt es zwischen dem zu unterscheiden, was eine Sache von sich her (per se) ist, und dem, was eine Sache nur mit Hinsicht auf etwas anderes, durch Teilhabe an etwas anderem ist. Diese Unterscheidung von zwei Arten des Sein … erlaubt die platonische Unterscheidung von Einzeldingen, die alles, was sie sind, nur durch Teilhabe sind und insofern kein eigenes Sein haben, und Ideen, die ein eigenes Sein haben (Bd. 9, S. 173).
  • Die Stoiker sind die ersten, die sich über den besonderen Status von Tatsachen im klaren sind und dem in ihrer Ontologie Rechnung zu tragen suchen. Sie tun dies, indem sie die Kategorie des «Etwas» (ti) einführen. Raum, Zeit, das Vakuum und Tatsachen – allgemeiner: Dinge, die sich sagen lassen (lekta), – sind nicht seiend, weil unkörperlich, aber sind deswegen nicht nichts, sondern etwas, was subsistiert (Bd. 9. S. 174-175).
  • Nachdem diese sprachlichen Fragen geklärt sind, berichtet Seneca, daß nach Platon «das Seiende» auf sechs Weisen verstanden werden kann. Es kann sich beziehen 1) auf das Intelligible, 2) auf Gott, insofern er «per excellentiam» ist, 3) auf die Ideen, die wahrhaft oder eigentlich sind, 4) auf die immanenten Formen, 5) auf die Gegenstände der Erfahrung, die im gewöhnlichen Sinne sind, und schließlich 6) auf Dinge, wie das Vakuum oder die Zeit, welche eine Quasiexistenz haben (Bd. 9, S. 175).
  • Das Sein selbst ist nicht etwas Seiendes, sondern vielmehr der Ursprung oder die Quelle alles Seienden, identisch mit der Einheit und der Güte der Perfektion. Es besteht auch nicht darin, dieses oder jenes zu sein, welches bereits eine Beschränkung und eine Vielfalt bedeuten würde. Es ist das uneingeschränkte Sein selbst. Dieser Gedanke findet sich zum Beispiel bei BOETHIUS (Bd. 9, S. 177).
  1. Spätantike; Patristik. Autor: Theo Kobusch (2007)
  • Wenn die menschliche Seele zu erforschen sucht, was das Seiende seinem Wesen nach ist, so wird ihr als das «höchste Gut» die Erkenntnis zuteil, daß der als das Sein verstandene Gott unbegreiflich ist. In seinem Wesen kann das Seiende daher nur von ihm selbst begriffen werden. Die menschliche Erkenntnis dagegen kann nur erfassen, daß es ist (Bd. 9, S. 181).

III. Mittelalter. Autor: Albert Zimmermann (2007)

  • Systematisch erörtert AVICENNA in seiner schon bald ins Lateinische übersetzten Metaphysik die Bedeutungen von Seiendem und Sein. Vier seiner Lehren werden immer wieder aufgegriffen. Erstens: Seiendes (ens) und Wesen (res) bezeichnen das schlechthin Bekannteste, das Grundlage allen Verstehens ist und dessen Horizont bestimmt. Diese Inhalte können, da Bestandteil eines jeden begrifflichen Merkmals, nicht definiert, müssen jedoch bewußt gemacht werden. Zweitens: Das Wort Seiendes rührt von wirklich-sein, das Wort Wesen zielt auf das Was oder die Wesenheit (essentia) eines Seienden. Deshalb ist die Aussage, in der von einem Wesen gesagt wird, es sei ein Seiendes, nicht tautologisch. Da jedes Seiende individuell ist, gehört das Wirklichsein nicht zum Inhalt des Begriffs von diesem Seienden; dieser bezieht sich nämlich auch auf anderes Seiende. Die Allgemeinheit ist ebensowenig Merkmal des Begriffs; kommt sie ihm doch nur zu, insofern er auf etwas außerhalb seiner bezogen wird. Sein, als Akt dieses oder jenes Seiende verstanden, ist somit kein zur Wesenheit gehörendes Drittens: Das Sein eines Seienden verhält sich demnach zu dessen Wesenheit wie ein Akzidens, wenn auch kein kategoriales. Durch die Akzidentalität des Seins unterscheidet sich das geschaffene Seiende von dem, das an und durch sich selbst notwendigerweise existiert und Ursprung alles anderen ist (necesse esse). Verursacht ist ein Seiendes insofern, als seiner Wesenheit, die jeder individuellen Verwirklichung gegenüber indifferent ist, Sein verliehen wird. Zur Wesenheit als Möglichseiendem verhält sich das Sein also wie etwas Äußerliches. Dasselbe gilt für die durch das Sein vermittelte Einheit. Wesenheit und Sein erscheinen somit wie zwei voneinander verschiedene Prinzipien des verursachten Seienden. Viertens: Das Seiende als Seiendes, der bestimmende Gegenstand der Metaphysik, ist nicht ein ausgezeichneter Bereich, etwa das göttliche oder das unstoffliche Seiende, sondern das, worin alles Wirkliche übereinkommt. Die Metaphysik ist also die allgemeinste und umfassendste Wissenschaft, ihr Gegenstand ist die ganze Wirklichkeit bis hin zur Ersten Ursache, «aus der jedes verursachte Seiende, insofern es verursachtes Seiendes ist, hervorgeht» (Bd. 9, S. 187-188).
  • Die Erörterungen über Gegenstand und Grundbegriffe der Metaphysik wurden besonders nachhaltig von JOHANNES DUNS SCOTUS beeinflußt. Seine Lehre über den Sinngehalt von Seiendem (ratio entis) ist mit einer Analyse des menschlichen Erkennens verknüpft. Dieses geht immer von der Begegnung mit einem existierenden Gegenstand aus. In einem einfachen Akt der Schau (cognitio intuitiva) wird er als etwas gegenwärtig Existierendes erfaßt. Das so begegnende Einzelne ist Seiendes in vollem Sinn («verissime ens»). Der intuitiven Erfassung folgt unmittelbar die abstraktive, in welcher das Erfaßte als ein vielfältig bestimmtes Was (quid) erkannt wird. Dabei ist von dessen aktualer Existenz abgesehen. Der rein bestimmbare Inhalt ist das, was mit Seiendem gemeint ist, rein bestimmend sind die letzten begrifflichen Determinationen oder Differenzen. Da der Begriff Seiendes durch die Begegnung mit etwas Existierendem gewonnen wird und auf sie bezogen bleibt, ist er ein Realbegriff, (Bd. 9, S. 193).
  • Wenn es auch gemäß Ockham keine wirkliche Gemeinsamkeit voneinander verschiedener Seiender gibt, entspricht dem Terminus Seiendes doch ein einheitlicher Bewußtseinsinhalt (conceptus mentis), der auf jedes Seiende bezogen ist und mit Etwas = nicht Nichts beschrieben werden kann. Er ist univok im Hinblick auf Gott und die Geschöpfe. Das Nomen Seiende ist insofern mehrdeutig, als ihm, wenn prädiziert, verschiedene Begriffe entsprechen. Die Unterschiede zwischen substantiellem und akzidentellem Seienden rühren von verschiedenen Weisen der Prädikation. Einen realen Unterschied zwischen Sein und Wesen gibt es nicht. Sein als Nomen verwendet, bezeichnet dasselbe wie Wesen und als Verb gebraucht dasselbe wie existieren. In beiden Fällen bezieht es sich auf dasselbe Seiende (Bd. 9, S. 194-195).
  1. Renaissance bis Schulphilosophie des 18. Jh., Autor: Ulrich G. Leinsle (2007)
  • WOLFF erneuert dagegen eine Metaphysik mit einem an der widerspruchsfreien Sein-Möglichkeit definierten Sein-Begriff, der in der Deutschen Metaphysik (1720) vom Selbst- und Fremdbewußtsein und der gemeinsamen Existenz aus gewonnen wird: «Wir sind uns unserer und anderer Dinge bewußt. Also sind wir». In der Ontologia (1730) gewinnt Wolff dagegen seinen Begriff ens nach scholastischem Muster (Timpler, Suárez, Clauberg) über die Begriffe Nichts und Mögliches und deren Negation an der Nonrepugnanz zur Existenz. Existenz wird als das verstanden, was zur bloßen Möglichkeit (d.h. der durch Determinanten bestimmten Essenz) dazukommen muß («complementum possibilitatis»). Dies im einzelnen zu erforschen, ist Aufgabe der speziellen Metaphysik und der Wissenschaften. Dieser Begriff des Seienden als begriffene Möglichkeit (Wesen) des Dinges wird in der Wolffschule tradiert und ausgestaltet: (Bd. 9, S. 206)
  1. Von Kant bis zur Philosophie des 20. Jh., Autor: Rudolf Malter (2007)
  • Bereits in der 1763 erschienenen Schrift ‹Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes› … entwickelt KANT die Grundzüge seines Verständnisses von Sein: ‹Sein› meint zum einen die Kopula in einem Urteil, zum anderen ‹Dasein›. … Der entscheidende Gesichtspunkt bei dieser Aufgliederung von ‹Sein› in eine relative und eine absolute Position ist die Auffassung, daß ‹Sein› im Sinne von ‹Dasein› «kein Prädicat oder Determination von irgend einem Dinge» darstellt – im Unterschied zu allen Prädikaten, die von den Dingen als Merkmale ausgesagt werden. Die Aussage «Gott existiert» bringt zum Begriff ‹Gott› keine neue Eigenschaft hinzu. In diesem Sinne ist der Satz zu verstehen: «Das Dasein kann … selber kein Prädicat sein» (Bd. 9, S. 208-209).
  • Für die Begriffsgeschichte von Sein zeigen sich – im Blick auf Tendenzen und Gegentendenzen bei späteren Denkern – zwei Aspekte: a) Sein wird reduziert auf Dasein, b) Dasein gilt für empirisch Gegebenes (Bd. 9, S. 209).
  • Vielschichtiger als bei Kant tritt Sein bei J. G. FICHTE auf. Wenn auch in den verschiedenen Fassungen der Wissenschaftslehre und der ihr zugeordneten Schriften das Sein als Dasein dominiert, so verläßt Fichte gerade bei der Verwendung von Sein die durch Kant gesetzte Schranke: Sein wird, wie die Wissenschaftslehre von 1801 zeigt, bei der «Real- Erklärung oder Beschreibung des absoluten Wissens» zum Thema. Der Freiheit als dem «absoluten Werden» wird als das andere Moment des absoluten Wissens ein «absolutes Bestehen, ruhendes Seyn» gegenübergestellt. Beide Momente gehören notwendig zur Selbstkonstitution des absoluten Wissens, welches im «sich Durchdringen und Verschmelzen beider» besteht (Bd. 9. S. 209-210).
    Insofern Sein sich aber als «Eins» darstellt, ist es noch ein «verschlossenes» Sein. Offenbart es sich, so entsteht «Daseyn», welches dem «Sein» als «inneres und in sich verborgenes» völlig entgegengesetzt ist. «Daseyn» ist «Seyn ausserhalb» des Sein. Dem Sein kommt gleichwohl selber Dasein zu: Indem es «Bewusstseyn des Seyns» gibt, eignet dem Sein eine Form, die keine andere Form sich gegenüber hat. Auch in der ‹Wissenschaftslehre› von 1804 geht es um die Erfassung des Absoluten mit dem Doppelmoment ‹Sein› und ‹Bewußtsein›, und hier zeigt sich deutlich die Richtung, in die Fichtes Denken des Sein zeigt: Sein wird beim älteren Fichte im Rahmen einer genetisch verfahrenden Reflexion mit Gott und Leben identifiziert (so in den ‹Wissenschaftslehren› von 1810 und 1812). Die religiöse Dimension, in die hinein Fichte das Sein denkt, wird in den Anweisungen zum seligen Leben deutlich sichtbar. (Bd. 9, S. 210).
  • In direktem Anschluß an Fichte, zugleich aber schon eigene Wege gehend, bedenkt auch der frühe F. W. J. SCHELLING ‹Sein› im Umkreis der Ichthematik: «Das Ich enthält alles Seyn, alle Realität» [21]. Das Ich hat aufgrundseiner Unbedingtheit – es ist «das Unbedingte im menschlichen Wissen» [22] – die Form des «reinen, ewigen Seyns» [23]. ‹Sein› ist von ‹Dasein› zu trennen: «Seyn drückt das absolute, Daseyn aber überhaupt ein bedingtes … Gesetztseyn aus» [24]. In direktem Bezug auf Platon will Schelling das Sein von der Erscheinung unterschieden wissen – Sein ist unwandelbar, durch Worte adäquat nicht benennbar (S. 210).
  • Hatte schon F. D. E. SCHLEIERMACHER mit dem Begriffspaar «Thun» und «Sein» als den ersten Teilungsgründen des Absoluten gearbeitet [62], so bezeichnet L. FEUERBACH das als «Grenze des Denkens» gefaßte wirkliche Sein als «das Sein des Sinns, der Anschauung, der Empfindung, der Liebe». Während A. SCHOPENHAUER Sein mit Wirken bzw. Wollen und «das allgemein als positiv Angenommene, welches wir das Seiende nennen», mit der «Welt der Vorstellung» identifiziert, und während sich F. ENGELS ausführlich mit Schellings «positiver Philosophie» auseinandersetzt, läßt K. MARX das Sein (im Sinne des Inbegriffs der sozial- ökonomischen Gegebenheiten) das Bewußtsein bedingen. J. F. HERBART, mit dessen Sein-Begriff sich noch FICHTE auseinandersetzen konnte, und seine Schule sehen im Sein dasjenige, «dessen Setzung nicht aufgehoben wird». Gesetzt werden Einheiten, gesetzte Einheiten sind Dinge; durch das Denken werden sie an sich gesetzt, und Sein erhält darin seine Qualität: Es ist «gänzlich positiv oder affirmativ» (d.h. es enthält keine Negation in sich), es ist schlechthin einfach (d.h. in ihm gibt es keine Vielheit, obwohl es viele Seiende gibt). Die Basis der Ansichsetzung ist die Empfindung, die Rede von Sein und seiend bezieht sich demnach auf das Reale, das uns in der Empfindung gegeben ist (Bd. 9, S. 213-214)
  • Eine für die Philosophiegeschichte des 19. und 20. Jh. folgenreiche Unterscheidung Lotzes ist die zwischen ‹Sein› und ‹Gelten›. Sein wird als Modus von «Wirklichkeit» gefaßt. «Wirklichkeit» meint einen «sehr allgemeinen Begriff von Bejahtheit oder Position» und umgreift a) das Sein, b) das Geschehende, c) das bestehende Verhältnis und d) das Geltende. Keine dieser Gestalten von («Wirklichkeit» genannter) «Bejahung» ist in der anderen enthalten oder läßt sich auf eine andere zurückführen. Wirklich im Sinne des Geschehens sind unsere Vorstellungen, sie sind nie «ruhendes Sein»: Der von der Vorstellungstätigkeit isolierte Vorstellungsinhalt dagegen ist nicht und geschieht auch nicht – «er gilt nur noch». Sein, Geschehen als Verhältnis-Bestehen und Gelten sind ursprüngliche Wirklichkeitsarten, jeweils selbständig für sich stehend (Bd. 9, S. 214).
  • An Lotzes Heraushebung der Sonderstellung der Geltung innerhalb des Wirklichen, insbesondere an die vom Geltungsgedanken bestimmte Platondeutung, schließt sich H. RICKERT an. Rickert verschärft Lotzes Geltungsbegriff insofern, als er das Geltende ausdrücklich nur dem Nicht-Existierenden zuschreibt. Der Terminus Gelten ist daher «nicht allein für nicht-reale, sondern auch für nicht-existierende Gegenstände, und zwar nur für solche» zu verwenden. «Etwas, das nur existiert, gilt nie». Das zog für den Begriff des Sein selbst insoweit terminologische Konsequenzen nach sich, als er nun «nicht mehr für das Wirkliche oder Reale im Gegensatz zum Unwirklichen, Geltenden oder Werthaften, sondern als umfassendster Ausdruck für alles Denkbare überhaupt gebraucht» wird, und daher überall mit einem Zusatz versehen werden muß, «ob reales oder ideales Sein gemeint war» (Bd. 9, S. 214-215)
  • Ähnlich wie Lotze, Rickert und Lask den Wert vom Sein isolieren, um dem Geltungscharakter der Werte gerecht zu werden, trennt H. COHEN um der Selbständigkeit der Ethik willen das Sollen vom Sein ab – allerdings nicht vom Sein generell, sondern nur vom «Sein der Natur». «Die Unterscheidung vom Sein darf nimmermehr dem Sollen den Wert des Seins benehmen, das Sollen vom Sein abschließen». Sollen ist auch ein Sein, aber eben im «Gegensatz zum Sein der Natur», «selbst der Natur in ihrer geistigsten Auffassung». Mit Kant geht es Cohen um die Abwehr einer naturalistischen Ethikkonzeption. Das «neue Sein», welches das Sollen darstellt (der «Seinswert des Sollens»), besteht in der Idee. «Die Idee ist das Sollen.» Ideen bezeichnen für Cohen «Vorschriften des praktischen Vernunftgebrauchs, welche im Sollen zusammengefaßt werden. In diesem Sollen liegt der Seinswert der Ethik.» Dem Sollen kommt zwischen dem Sein und dem Wollen eine Mittlerfunktion zu: «… durch das Sollen vollzieht und erobert das Wollen ein wahrhaftes Sein» (Bd. 9, S. 215)
  • Eine direkte Gegenstellung zum Transzendentalismus des Neukantianismus bezieht – mit der Absicht, die Sein-Philosophie neu zu fundieren, – N. HARTMANN. Ontologie hat es mit dem «Sein des Seienden» zu tun; Sein selber ist unbestimmbar, es ist «das Allgemeine zu allem», daher gegenständlich nicht zu fassen, sondern nur in seinen Besonderungen (Sein-Weisen) (Bd. 9, S. 217).
  • HEIDEGGERS gesamtes Philosophieren … versteht sich als Fragen nach dem Sein …  Sein und Zeit sucht dabei den «Sinn von Sein» durch ein ausgezeichnetes Seiendes, das «Dasein» zu explizieren. Die Auszeichnung des «Daseins» vor allem anderen Seienden besteht darin, «daß es diesem Seienden in seinem Sein um dieses Sein selbst geht». Daß das «Dasein» sich zum Sein in je bestimmter Weise verhält, gibt seinem Sein den Charakter der «Existenz»: Sie ist «das Sein selbst, zu dem das Dasein sich so oder so verhalten kann und immer irgendwie verhält». Die Strukturen der «Existenz» sind die «Existenzialien» («Seinscharaktere des Daseins»). Ihr Zusammenhang macht die «Existenzialität» des Daseins aus. Da «Dasein» Sein-in- der-Welt ist, ist sein Sinn im vorhinein verdeckt. Die «Analytik des Daseins», in der es um die Herausarbeitung der «Existenzialien» geht, zielt daher nur auf einen «vorläufigen» und «vorbereitenden» Aufweis der Daseinsstrukturen in der Freilegung der «Sorge» «als Sein des Daseins» und «der Angst als eine[r] ausgezeichnete[n] Erschlossenheit des Daseins». Als «In-der-Welt-sein» eröffnet sich «Dasein» jedoch nicht in seiner Totalität und Ursprünglichkeit, sondern es versteht sich erst, wenn es sich aus der Zeitlichkeit begreift. Die durch die vorläufige Daseinsanalytik freigelegten Daseinsstrukturen sind daher, wenn der «Sinn von Sein» aufleuchten soll, als Modi der Temporalität des Seins zu erweisen, die im 2. Teil von Sein und Zeit dargestellt werden sollten. Da dieser Teil nie erschienen ist, läßt Heidegger die Frage unbeantwortet, ob sich der «Sinn von Sein» direkt von der Zeit her eröffne. (Bd. 9, S. 218-219).
  • Ausgehend von Hegel, Husserl und Heidegger wendet sich J.-P. SARTRE der Sein-Frage zu. Wenn Sartre gegen Kants Trennung von «Ding an sich» und «Erscheinung» das «Sichselbstanzeigen» der Erscheinung betont, so heißt dies nicht Verzicht auf Transphänomenalität («transphénoménalité»); vielmehr gilt: «Sein der Erscheinung» ist insofern von der Erscheinung unterschieden, als dieses Sein die Bedingung für die «Enthüllung» («dévoilement») des Seiende, selbst aber kein «Enthülltes» («dévoilé») ist. Die «ontologische Differenz» gestaltet sich so als Unterschied zwischen «Seinsphänomen» und «Sein des Phänomens». Die Frage nach dem «Sein des Phänomens» richtet sich ans Bewußtsein. Ihm kommt Sein zu, aber gerade dieses Sein genügt nicht, um «das Sein der Erscheinung als Erscheinung zu begründen» Bewußtsein weist, indem es immer «Bewußtsein von etwas» ist, von sich weg auf das «Sein an sich» («être-en-soi»), durch das es selbst erst «entsteht». Zwischen dem «Sein-an-sich» und dem Bewußtsein, dessen Sein-Art das «Für-sich-sein» («être- pour-soi») ist, besteht eine radikale Kluft: Während das Ansichseiende «undifferenzierte Affirmation seiner selbst» («affirmation de soi indifférenciée») ist, liegt das Sein des «Für-sich» in der «Nichtung des An-sich» («néantisation de l’En-soi») – sein Sein ist nie gegeben, es ist ständig «im Aufschub» («en dispens»), steht ständig in Frage und verlangt nach Sein, es entwirft sich ständig und scheitert. Gleichwohl gehören «En-soi» und «Pour-soi» zusammen («le pour-soi … est en unité a priori avec l’en-soi»). Diese apriorische Einheit bestimmt die konkreten Verhaltensweisen des Menschen in seinem Sein-in- der-Welt. Die Ontologie Sartres expliziert die menschliche Verfassung mit Schwerpunkt auf der Betrachtung der Existenz mit anderen und unter besonderer Berücksichtigung der menschlichen Leiblichkeit und gibt damit ein Forschungsthema vor, das insbesondere im Kontext phänomenologischer Analysen ausgearbeitet werden sollte. (Bd. 9, S. 219-220).
  1. Phänomenologie, Autor: Tobias Trappe (2007)
  • … fragt HUSSERL jedoch vor allem auch nach dem «Ursprung des Begriffes Sein»; im ausdrücklichen Anschluß an Kant, sogar an Herbart, und kritisch gegenüber Locke ist das (attributive, prädikative sowie existenziale) Sein für Husserl schlechthin nichts (sinnlich) Wahrnehmbares, d.h. die Bedeutung des Wortes Sein findet in der Sphäre der realen Gegenstände kein mögliches objektives Korrelat. Der Seins-Begriff entspringt daher ebenso wie alle übrigen kategorialen Formen einer nicht-sinnlichen, kategorialen Anschauung (Bd. 9. S. 224)
  • Während Derrida – sich an Heidegger anschließend – zur Kritik an jener Ontologie fortschreitet, die den Sinn von Sein in der «présence» sucht, stellte sich für HUSSERL das Problem des Seins unter den Bedingungen der alles Sein auf Seins-Geltung und Seins-Anspruch hin thematisierenden transzendentalen Reduktion in ganz neuer Weise. Denn jetzt konnte von Sein nur noch im Sinne eines am noematischen Korrelat haftenden «Charakters» die Rede sein, dem noetisch der sog. «Glaubenscharakter» entspricht. Sich in die mannigfachen «Seins-Modalitäten» des «möglich», «wahrscheinlich» usw. differenzierend, ist dabei der «Seins-Charakter schlechthin (das noematische ‚gewiß oder ‚wirklich seiend)» für Husserl die «Urform» solcher Modalisierungen, auf die alle anderen intentional zurückbezogen sind (Bd. 9, S. 224)
  1. Analytische Philosophie, Autor: Gottfried Gabriel (2007)
  • Die Analytische Philosophie nähert sich – bes. im Zuge ihrer sprachanalytischen Wende, dem sogenannten «linguistic turn» – dem Problem des Seins über eine Analyse des Wortes ‚sein‘. Unterschieden werden seit G. FREGE die folgenden vier Formen:

1) Prädikatives Sein im Sinne der Subsumtion als Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff. Sprachlicher Ausdruck ist die Kopula ist in Sätzen wie ‚Der Himmel ist blau. Die logische Form solcher Aussagen wird dargestellt als P(a).

2) Identität von Gegenständen. Sprachlicher Ausdruck ist ebenfalls ist, aber im Sinne des zweistelligen Relationszeichens ‚=, wie z.B. in der Aussage ‚Der Abendstern ist der Morgenstern. Die logische Form solcher Aussagen ist a = b oder I(a, b).

3) Unterordnung (Subordination) von Begriffen, wie z.B. in der Aussage ‚Das Pferd ist ein pflanzenfressendes Tier im Sinne von ‚Pferde sind pflanzenfressende Tiere. Hier wird der Begriff des Pferdes Tieres (als Oberbegriff) untergeordnet. Solche Aussagen sind Allaussagen der logischen Form ˄ x (P(x) → Q(x)).

4) Existenz, wie z.B. in der Aussage ‚Der Himmel ist im Sinne von ‚Der Himmel existiert. Nach Auffassung Freges ist es nicht zulässig, in dieser Weise das Sein von Gegenständen auszusagen, das heißt, Sein als Prädikat für Gegenstände zu verwenden, weil deren Sein bereits vorausgesetzt werden müsse, um ihnen ein Prädikat zusprechen zu können. Für Frege findet diese Existenzpräsupposition ihre Sicherung darin, daß die entsprechenden Gegenstandsnamen eine Bedeutung (Referenz) haben. Ist diese Präsupposition nicht erfüllt, so bewertet Frege die entsprechenden Aussagen als fiktional («weder wahr noch falsch»). … Für den logischen Formalismus heißt dies, daß Existenz ausschließlich als Quantor dargestellt wird. … Umgangssprachlich entspricht dem Existenzquantor die Ausdrucksweise: ‚Es gibt (mindestens) ein x, für welches gilt, daß es ein P ist, wobei P für einen Begriffsausdruck steht. Singuläre Existenzaussagen als Es-gibt-Aussagen von Gegenständen sind nach Frege nicht falsch, sondern «sinnlos» (Freges Beispiel: «Es gibt Julius Cäsar») (Gabriel, S. 230-231)

  • Am weitesten geht A. MEINONG in seiner Gegenstandstheorie. Der Begriff des Gegenstandes korreliert hier einem allgemeinsten Begriff des Seins. Das Prädikat ‚Sein‘ selbst wird dagegen enger gebraucht. Meinong anerkennt neben wirklichen (existierenden) nicht nur nicht-wirkliche (bestehende) Gegenstände, wie z.B. Zahlen, sondern auch fiktive und sogar unmögliche Gegenstände, wie z.B. den widersprüchlichen Gegenstand «das runde Quadrat». Diesem komme zwar kein Sein (Existenz oder Bestand) zu, aber ein Sosein. Entsprechend besteht die Gegenstandstheorie darauf, daß es Gegenstände gibt, denen kein Sein zukommt (Bd. 9, S. 232).
  • Darüber hinaus spricht Bolzano davon, daß es «Sätze an sich» gebe, obwohl ihnen kein Dasein zukomme. Der hier zum Ausdruck kommende Platonismus findet sich auch bei FREGE, wenn er neben den Bereichen des Subjektiv-Wirklichen und des Objektiv-Wirklichen einen Bereich des Objektiv-Nichtwirklichen als «drittes Reich» anerkennt. Für Frege ist das Sein der Gedanken nicht von ihrer Wahrheit abhängig und fällt daher nicht mit dem veritativen Sein (dem Wahrsein) im Sinne von Lotzes Begriff des Geltens zusammen. Frege billigt auch falschen Gedanken ein Sein zu (Bd. 9, S. 232)
  • TUGENDHAT, der die sachlichen Zusammenhänge beider Positionen freizulegen versucht hat, meint allerdings, daß das Wort ‚Sein‘ als einheitlicher Leitfaden einer umgreifenden Thematik der Philosophie abzulehnen sei: „Wir haben überhaupt kein Wort – weder ‚ist noch ’nicht -, in dem das zum Ausdruck kommt, was unser Verstehen einheitlich bestimmt.“ Die verschiedenen Bedeutungen von Sein erweisen sich danach als zufällige Mehrdeutigkeiten des Wortes, nicht als einheitliche Konstellation analoger Sachverhalte, die dann auf eine tragende Grundbedeutung rückführbar wären, so daß jedenfalls ‚die Seinsfrage‘ ihren Sinn verloren habe. Einig weiß man sich mit Heidegger darin, daß die Orientierung der Philosophie an der Vorhandenheit von Gegenständen aufzugeben ist: «Von der Sprache selbst her gesehen ist die universale Dimension, in der wir verstehend leben, nicht in erster Linie eine Welt von Gegenständen oder von Seiendem oder von Sachverhalten, sondern eine Welt von Sätzen, von Sinneinheiten» (Bd. 9, S. 233)

Nichtsein, Nichtseiendes

Nichtsein:  219 (2,6) Ergebnisse

Nichtseiendes: 226 (2,6) Ergebnisse

Stichwort „Nichts und Nichtseiendes“, Autor: Theo Kobusch, Es werden nur Zitate zum Nichtseienden angeführt, die Zitate zum „Nichts“ sind in dem Text https://philosophie-neu.de/analysen-zum-wort-nichts/ enthalten.

  • Demokrit freilich konkretisiert den Unterschied zwischen dem Seienden und Nichtseiendes, indem er jenes als das Volle, Feste, d.h. als die Atome, dieses aber als das Leere begreift. Weil das Leere, das auch Nichts genannt wird, aber der Ort ist, in dem sich die Atome bewegen, ist es mitkonstitutiv für das, was ist. Das Nichtseiendes ist deswegen wie das Seiende auch als konstitutives Prinzip der Gesamtwirklichkeit zu begreifen. Bd. 6, S. 806
  • Die im weiteren Verlauf des Dialogs [Sophistes von Platon] explizierte Lehre von der Verflechtung der Ideen zeigt, daß das Nichtseiendes nicht im Sinne eines Gegensatzes (ἐναντίον), sondern als das alles Seiende durchdringende Verschiedene (ἕτερον) gedacht werden muß. «Denn bei allen Gattungen bewirkt die Natur des Verschiedenen, daß sie von dem Seienden verschieden sind, und macht jedes dadurch zum Nichtseiendes Wir werden also dementsprechend mit Recht sagen, daß gleichermaßen alles nichtseiend ist und daß es doch wiederum, weil es am Seienden teilhat, ist und zum Seienden gehört». Jedes Seiende ist in dem Maße, als es anderes neben ihm gibt, zugleich ein Nichtseiendes 6, S. 807
  • Der Begriff des Nichtseiendes war jedoch nicht nur in der spätantiken allgemeinen Seinslehre von grundlegender Bedeutung, sondern vor allem auch in der Theologie. Das zeigt sich bei Plotin und schon vorher bei BASILIDES. Dieser Gnostiker (erste Hälfte des 2. Jh.) hat wohl zum ersten Mal dem Gedanken Ausdruck verliehen, der die Grundlage aller negativen Theologie ist: Gott ist das Nichts (oyden) oder oyk on teos; aber auch die geschaffene Welt ist in anderem Sinne ein Nichts Bd. 6, S. 808-809
  • Erst MARIUS VICTORINUS wird dem neuplatonischen Programm einer Versöhnung des platonischen mit dem aristotelischen Denken hinsichtlich des Begriffs des Nichtseiendes gerecht, indem er vier Modi dessen unterscheidet, «was nicht ist»: «im Sinne einer Negation, so daß es eine völlige Beraubung des Seienden ist, im Sinne der Natur des einen im Verhältnis zu einem anderen, im Sinne des Noch-nichtseins, was zukünftig ist und sein kann, und im Sinne dessen, was jenseits alles Seienden, Sein ist» Bd. 6, S. 809
  • Wegweisend auch für die kritische Philosophie sind die auf dem Boden der scotistischen Ontologie gewachsenen Unterscheidungen zwischen dem «schlechthin Nichtseiendes» (non-ens aplos et simpliciter) und dem in bestimmter Hinsicht Nichtseiendes (non-ens kata ti et secundum quid). Jenes ist das aus der Scholastik bekannte «nihil negativum», das nach der Erklärung B. KECKERMANNS und J.-H. ALSTEDS «überhaupt keine Seinsweise und keinen Seinsbezug hat», dieses ist das «nihil privativum», das immer schon ein Subjekt voraussetzt, welches für eine bestimmte Form aufnahmebereit ist. In der Sprache strenger scotistischer Ontologie wird so das «unmögliche» und das «mögliche Nichtseiendes» unterschieden. Bd. 6, S. 821-822

EPh

Sein und Seiendes

Sein: 1475 (47,0) Ergebnisse, Seiendes: 578 (18,4) Ergebnisse

Stichwort „Sein, Seiendes“, Autor: Detlev Pätzold (2010)

  • Die Begriffe ›Sein‹ und ›Seiendes‹ … haben eine lange Tradition in der europäischen Philosophie und sind in hohem Maße charakteristisch für die Eigenart und Problematik dieses Denkens. Sie repräsentieren die extreme Spannung zwischen dem philosophischen Abstraktionsniveau einerseits und seinem Ausgangspunkt, der Erfahrung von und dem Umgang mit den konkreten Dingen in der Natur und Lebenswelt, andererseits. Nach der sprachlichen Differenzierung zwischen Sein und Seiendes steht entsprechend Sein für ein i) logisch (begriffliches) und/ oder real allgemeines, ii) für ein übernatürliches (göttliches) Niveau; wohingegen der Ausdruck Seiendes zumeist auf Konkreta, die natürlichen Dinge oder Individuen verweist (2388bu).
  • Die mit dieser Bedeutungsbreite des Seinsbegriffs verbundenen Schwierigkeiten haben dazu geführt, daß schon frühzeitig versucht wurde, ihn durch andere philosophische Grundbegriffe – das Eine‹ oder auch ›Substanz‹ – zu ersetzen. (2388bu).
  • Teilweise verwandt mit dem Begriff des Seins ist der der ›Existenz‹, der lange eine Nebenrolle spielt, bis er im 20. Jh. dann bewusst gegen den Seinsbegriff ausgespielt wird (Kierkegaard, Heidegger, Jaspers, Sartre). Ebenso gehört der Begriff ›Wirklichkeit‹ vor allem als modale Bestimmung neben ›Möglichkeit‹ zum Umfeld des Seinsbegriffs. (2388bu)
  • Die neuere sprachanalytische Philosophie (Sprachanalyse, Sprachphilosophie) hat sich v.a. um die Klärung der Verwendungsweisen des Ausdrucks ›sein‹ bemüht; so wird z.B. die Existenzprädikation von der Prädikation von Eigenschaften eines Subjekts unterschieden, die Bedeutung von ›ist‹ für ›Gleichheit‹ von der für ›Identität‹, etc. (2388bu)
  • Platon knüpft mit seiner Ideenlehre (­Idee) in gewisser Hinsicht an der durch Parmenides’ Seinsbegriff entstandenen Dichotomie zwischen Philosophie und Naturtheorie an, indem ihm das Sein der Sinnendinge als Werdende und Vergehende im Unterschied zum ewigen und allgemeinen Sein der Ideen wenig gilt. Diese sind das erste und eigentlich Seiende. (2389)
  • In den Spätdialogen, insbes. im Sophistes, versucht Platon, die für Parmenides’ Seinskonzeption entscheidende Disjunktion zwischen Sein und Nichtsein zu unterlaufen: »Weil wir den Satz des Vaters Parmenides notwendig, wenn wir uns verständigen wollen, prüfen und erzwingen müssen, dass sowohl das Nichtseiende in gewisser Hinsicht ist als auch das Seiendes wiederum irgendwie nicht ist«. Dies gelingt ihm, indem er das Nichtseiende nicht mehr als Gegensatz zum Seiendes auffasst, sondern als das »Verschiedene«, das »Anderssein« (heteron) interpretiert, welches nun zur Bestimmung des Seiendes selbst dient: »Also sage uns niemand nach, wir hätten das Nichtseiende als das Gegenteil des Seiendes dargestellt und dann zu behaupten gewagt, es sei«; »Und da das Sein und das Verschiedene durch alles und auch durch einander hindurch gehen: so wird nun das Verschiedene als an dem Seiendes Anteil habend freilich sein vermöge dieses Anteils, nicht aber jenes, woran es Anteil hat, sondern verschieden; als verschieden aber von dem Seienden seiend, ist es ja offenbar ganz notwendig nichtseiendes Sein (2389b).
  • Die Kirchenväter waren stark durch den Neuplatonismus beeinflusst. So finden wir etwa bei Marius Victorinus die Verbindung von christlicher Trinitätslehre mit der porphyrischen Triade Sein- Leben- Denken (esse- vivere- intellegere). Hierdurch wird es möglich, Gott mit dem Seinsbegriff, der nicht mehr mit dem des Seienden zusammenfällt, in Verbindung zu bringen, so dass Gott sowohl als das Sein selbst, als auch als überseiend im Sinne absoluter Transzendenz gegenüber dem Seienden verstanden werden kann. Die Seinsweise des kreatürlich Seienden wird daher rein privativ gedeutet, während im eigentlichen Sinne nur Gott das Sein selbst (esse ipsum) repräsentiert. (S. 2391b)
  • Im Grunde genommen ist daher sowohl die platonische Ideenlehre als auch die aristotelische Substanzkonzeption inkompatibel mit der christlichen Schöpfungslehre als creatio ex nihilo. (S. 2392b)
  • Im 13. Jh. wurden die seinsmetaphysischen Positionen nicht nur durch die zunehmende Bekanntschaft mit dem gesamten Werk des Aristoteles (zunächst über Übersetzungen aus dem Arabischen, später direkt aus dem Griech.) beeinflusst, sondern sie wurden zugleich auch durch die arabischen Kommentatoren des Aristoteles geprägt, wobei angemerkt werden muss, dass gerade die frühen Übersetzungen aus der 2. Hälfte des 12. Jh. zeigen, wie wenig Möglichkeiten die lat. Sprache im Unterschied zur arabischen hat, die ca. 34 Bedeutungsvarianten des Begriffs Sein kennt. [65] Den größten Einfluss auf die Philosophen und Theologen des 13. und 14. Jh. hatte Avicennas sehr eigenwillige Auslegung der aristotelischen Metaphysik in seinem Liber de philosophia prima sive scientia divina. Für ihn sind die Ausdrücke: ›Seiendes‹, ›Ding‹, ›notwendig‹ (ens, res, necesse) ursprünglich der Seele eingeprägte Vorstellungen, die ein gleichsam vorprädikatives Bewusstsein von jedem wirklichen, konkreten Ding (aliquid) liefern. Wird, wie in der Metaphysik, nach dem Seienden als Seiendes gefragt (ens inquantum est ens), so zeigen sich zwei grundlegende Seinmodi: Notwendigsein (necesse esse) und Möglichsein (possibile esse). Das necesse esse ist absolut und ein Einfaches, wohingegen das possibile esse eine Seinsursache (causa essendi) verlangt und damit in sich den Unterschied von Wesenheit (quidditatis, essentia) und Existenz (esse) trägt. (S. 2394b)
  • In seinem frühen Werk De ente et essentia baut Thomas von Aquin auf dieser Realdistinktion von Wesen und Sein in jedem Seiendes auf und kommt mit der zusätzlichen Annahme der Unmöglichkeit von Selbstverursachung sowie der Abweisung eines infinitiven Regresses zu folgendem Ergebnis: »Das Sein selbst einer Sache aber kann nicht von der Form oder der Washeit dieser verursacht sein. Verursacht wird hier gemeint als einer Wirkursache entstammend; dann nämlich wäre eine Sache Ursache ihrer selbst und verliehe sich selbst das Sein, was unmöglich ist. Daher muss jedes Ding, dessen Sein etwas anderes ist als seine Natur, sein Sein von wo anders her erhalten haben. Weil nun alles, was von einem anderen her ist, letztlich auf das, was von sich aus ist, als auf die erste Ursache zurückgeht, so muss es etwas geben, was für alle Dinge dadurch die Ursache des Sein ist, dass es selbst nur das Sein ist; wäre dem nicht so, so ginge die Reihe der Ursachen ins Endlose, weil, wie gesagt, jedes Ding, das nicht nur Sein wäre, eine Ursache für sein Sein haben müsste«. Die ›Begründung‹ für die Realdistinktion in jedem Seiendes basiert allerdings schon auf der Setzung eines einfachen, reinen Sein (»esse tantum«, »ipsum esse subsistens«), d.h. sie setzt den grundlegenden Unterschied von einem reinen göttlichen Sein und den kreatürlichen Seiendes immer schon voraus. »Wird aber irgendein Ding gesetzt, das nur Sein wäre, so dass dieses Sein für sich bestünde, so vertrüge dieses Sein keinerlei Beifügung eines unterscheidenden Merkmals, weil es dann sofort nicht mehr reines Sein, sondern ein Sein und überdies irgendeine Form wäre; noch viel weniger vertrüge es die Beifügung eines Stoffes, denn dann wäre es nicht mehr selbst ständig, sondern stofflich. Sohin kann dieses Etwas, das sein eigenes Sein wäre, schlechthin nur eines sein. Daher muss in jedem anderen, von jenem verschiedenen, Ding dessen Sein (einerseits) und dessen Washeit oder Natur oder Form (andererseits) notwendig zweierlei sein«. Auch die einfachen (stofflosen) Washeiten oder Formen haben für Thomas daher nur den Status der Möglichkeit, denen das Sein vom Schöpfer im »actus essendi« verliehen werden muss. Sie sind zwar Seinsprinzipien für die einzelnen Seiendes hinsichtlich deren spezifischen Wasseins, geben ihnen aber nicht selbst das Sein bzw. sind nicht die causa essendi, denn nur Gott ist die Seinsursache für alles andere Seiende (2394b-2395).
  • Als Gegner der Analogiekonzeption tritt Duns Scotus gegen Ende des 13. Jh. mit einer eigenen großen Systemkonzeption auf, eine Gegenposition, aus der dann ein über Jh. fortdauernder Schulstreit zwischen Thomisten und Scotisten entsteht. Er betont anders als Thomas und Heinrich von Gent die Univozität des Seins, indem er sich zunächst ebenso an Avicenna anschließt in der Feststellung, dass der Ausdruck ›ens‹ der allgemeinste und zugleich evidenteste Begriff sei. Aber Duns Scotus zieht aus der Eigenschaft der einfachste (»simpliter simplex«) zu sein die Konsequenz, er sei damit »der erste distinkt begreifbare Begriff (primus conceptus distincte conceptibilis)«. Dieser einfachste Begriff ist in allen komplexen Begriffen enthalten (»in omni conceptu est ens«), und sie können nicht ohne ihn begriffen werden, und daher muss der Begriff ›ens‹ auch univok ausgesagt werden. Die Univozität des Seinsbegriffs ist, will man sich nicht auf die theologia negativa zurückziehen, für Duns Scotus die Voraussetzung dafür, dass über den Bereich der Physik hinaus auch in Metaphysik und Theologie wissenschaftliche Aussagen überhaupt möglich werden, … (S. 2395-2395b).
  • Vom Abstraktionsgrad aus gesehen steht der univoke Seinbegriff an oberster Stelle, dann folgt die Einteilung infinitum/ finitum und dann erst die kategorialen Unterscheidungen im Sinne oberster Gattungen, die also nur den Bereich des Endlichen betreffen. (S. 2395b).
  • Aber obwohl ›ens‹ von jedem Einzelding ausgesagt werden kann, zieht Ockham daraus weder wie Duns Scotus die Konsequenz, dass Seiendes univok, noch zumindest wie Thomas die Konsequenz, dass Seiendes analog ausgesagt werden könne. Denn: »obschon es in diesem Sinne einem allem Seienden gemeinsamen Begriff gibt, ist dennoch der Name ›Seiend‹ äquivok, weil er nicht von allen Dingen, von denen er ausgesagt werden kann, bei signifikativem Gebrauch gemäß einem Begriff ausgesagt wird«. (S. 2396)
  • Descartes nimmt dementsprechend zwei Bereiche substanziellen Seins an: den der substantia cogitans und den der substantia extensa. »Nun wird allerdings aus jedem Attribut die Substanz erkannt, aber es gibt doch für jede Substanz eine vorzügliche Eigenschaft, welche ihre Natur und ihr Wesen ausmacht, und auf die sich alle anderen beziehen. So bildet die Ausdehnung in die Länge, Breite und Tiefe die Natur der körperlichen Substanz, und das Denken macht die Natur der denkenden Substanz aus«. Als Seinsbereiche sind substantia cogitans und substantia extensa entsprechend der Definition von ›Substanz‹ voneinander unabhängig und getrennt. D.h. die Inhalte des reinen Denkens, die cogitationes im Bereich der denkenden Substanz, stammen nicht von den extramentalen Seienden, den res extensae. Vielmehr basieren sie auf einer Anzahl von durch Gott gegebenen, sozusagen angeborenen, klaren und distinkten Ideen, d.h. solchen, die sich in logischer und mathematischer Form manifestieren. (S. 2397b).
  • Leibniz hingegen reduziert die cartesianische Einteilung von drei Bereichen substanziellen Sein dadurch, dass er den Bereich der körperlich ausgedehnten Seienden für ein, wenn auch gut fundiertes, Phänomen (phaenomenon bene fundatum) erklärt. Neben der göttlichen Substanz sind daher für ihn nur einfache Substanzen oder ­Monaden »die wahrhaften Atome der Natur und, mit einem Wort, die Elemente der Dinge«. Die Einteilung des Seins folgt dem Kriterium: ›unausgedehnt‹ (einfach, unteilbar), versus: ›ausgedehnt‹ (zusammengesetzt, teilbar). … Für diese erforderliche Repräsentation einer Vielheit in der Einheit entwickelt Leibniz seinen typischen Begriff der Perzeption, der eher einem modernen Informationsbegriff ähnelt als einem klassischen Bewusstseinsbegriff. Dabei ist der Begriff der Kraft oder des Vermögens zur Zustandsänderung hierin inbegriffen: Man kann »nur dies in der einfachen Substanz finden, das heißt Perzeptionen und ihre Veränderungen. So können alle die inneren Handlungen der einfachen Substanzen nur darin bestehen«. (S. 2398).
  • Mit Chr. Wolffs Philosophia prima sive ontologia kommt es zeitweilig zu einer gewissen Renaissance der traditionellen Seinsterminologie. Die Ontologie hat hier das Seiende im allgemeinen (ens in genere) zu thematisieren und zu zeigen, welche Eigenschaften dem Seiendes als solchem zukommen. Die ganze Konzeption beruht, wie teils auch bei Descartes, auf der Annahme von substanziellen Eigenschaften der Dinge (z.B. ›Größe‹ als den natürlichen Seiendes inhärente allgemeine Eigenschaft). Von Leibniz übernimmt Wolff das sog. Prinzip des zureichenden Grundes, interpretiert es aber anders als Leibniz rein essenzialistisch: die Existenz eines Seiendes ist nur die Folge seiner Essenz (»complementum essentiae«), und so fallen letztlich sogar Möglichsein und Wirklichsein zusammen: »quod possibile est, ens est«.
  • Im Deutschen Idealismus erfolgt dann aber, wie zumeist schon seit der Philosophie des 17. Jh., kein Rückgriff mehr auf Formen der traditionellen Seinsmetaphysik. Entsprechend marginal ist die Rolle des Seinsbegriffs, der z. T. ausdrücklich disqualifiziert wird. In Kants Tafel der Kategorien kommt neben dem Substanzbegriff nur noch der Begriff ­›Dasein‹ als eine Modalbestimmung neben ›Möglichkeit‹/›Notwendigkeit‹ vor. Der Begriff ›Sein‹ hat für ihn keine ein Zugrundeliegendes weiter bestimmende Funktion; er repräsentiert kein »reales Prädikat« und kann auf die Rolle der Kopula als Relation des Enthaltenseins/ Identischseins reduziert werden. »Wenn ich also ein Ding, durch welche und wie viel Prädikate ich will, (selbst in der durchgängigen Bestimmung) denke, so kommt dadurch, dass ich noch hinzusetze: Dieses Ding ist, nicht das mindeste zu dem Dinge hinzu. Denn sonst würde nicht eben dasselbe, sondern mehr existieren, als ich im Begriffe gedacht hatte, und ich könnte nicht sagen, dass gerade der Gegenstand meines Begriffs existiere«; so gilt generell: »Sein ist offenbar kein reales Prädikat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. Es ist bloß die Position eines Dinges oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. Im logischen Gebrauche ist es lediglich die Kopula eines Urteils« (KrV B 626 628) (S. 2399-2399b).
  • Schelling hatte in seiner frühen Natur- und Transzendentalphilosophie ausdrücklich den Begriff des Sein als untauglich zurückgewiesen: »der Begriff des Sein als eines Ursprünglichen soll aus der Naturphilosophie (eben sowie aus der Transzendentalphilosophie) schlechthin eliminiert werden«. (S. 2399b).
  • Die analytische Philosophie des 20. Jh. untersucht v.a. die logischen Bedeutungen, die der Ausdruck ›ist‹ in natürlichen Sprachen annehmen kann. Der Seinsbegriff selbst wird nicht nur im metaphysischen Sinne, sondern auch im Sinne der Existenzprädikation für überflüssig erklärt. ›Sein‹ ist nicht nur, wie bei Kant, kein »reales Prädikat«, vielmehr ist es überhaupt kein Prädikat. So betont z.B. Russell 1924 im Sinne des logischen Atomismus, dass der Begriff »Existence, in the sense in which it is ascribed to single entities, is thus removed altogether from the list of fundamentals«. Whitehead hingegen versucht in Process and Reality (1929) die seit der platonischen Ideenlehre bestehende Spannung zwischen Sein und Seiendes in seiner Theorie von ›eternal objects‹ und ›actual entities‹ zu überbrücken. (S. 2400-2400b).
  • Beim frühen Heidegger kommt es zu einer grundlegenden Kritik an der abendländischen Tradition des Seinsdenkens. Er will stattdessen eine neue ›Fundamentalontologie‹ aus genuin anthropozentrischer Perspektive entwerfen und zugleich die Frage nach dem Sinn von Sein neu stellen. Anstelle der traditionellen Ontologie, die seit Aristoteles das Sein vorwiegend nur »kategorial« als »Vorhandensein« bestimme, fragt Heidegger nach einem »exemplarischen Seienden« in der Mannigfaltigkeit der uns begegnenden Seienden und findet es im je »eigensten Seinkönnen« der menschlichen Existenz, das »Dasein« genannt wird. (S. 2400b).
  • Insgesamt kann man konstatieren, dass mit Ausnahme von Heideggers anthropozentrischem Neuansatz und einigen neoscholastisch orientierten Autoren, wie z.B. Gilson in L’Etre et l’essence, dem Seinsbegriff in der Philosophie des 20. Jh. (mit Ausnahme der historisch- systematischen Studien) keine große Bedeutung mehr zugemessen wird. Dies hat seine Berechtigung in der inneren Problematik dieses Begriffs selbst. Will man sie auf eine kurze Formel bringen, dann läuft es darauf hinaus, dass, wenn der Begriff ›Sein‹ auf die Bedeutung von ›Existenz‹ eingeschränkt wird, die desaströse Kritik der analytischen Philosophie unvermeidlich wird; hält man ihn dagegen für den allgemeinsten Begriff, der von jeglichem aussagbar ist, dann ist er auch der ›leerste‹ Begriff und kann weder zur Kennzeichnung von Seinsbereichen, Seinsweisen oder gar konkreten Seiendem dienlich sein. Alle anderen Varianten der Seinsmetaphysik, ob sie nun die Analogie oder Univozität des Seins favorisieren, müssen stattdessen ein wie auch immer benanntes göttliches Prinzip als ausschließliche causa essendi von Seiendem ansetzen. (S. 2401)
  • Die Zurückdrängung des Seinsbegriffs schließt indessen nicht aus, dass eine philosophische Disziplin wie die Ontologie keine Berechtigung mehr hätte. Die klassische Frage nach dem Seienden als Seiendes und damit nach der Konzeptualisierung der verschiedenen Formen dessen, was ist, und sei es auch vollkommen theorieabhängig (wie in Quines Konzept von ›reification‹[149]), verlangt nur eine weiter differenzierte Begrifflichkeit, die der Seinsbegriff und seine Derivate kaum liefern kann. Aber die Einsicht, dass der Ausdruck ›Seiend‹ in vielfachen Bedeutungen gebraucht wird, verdanken wir schon Aristoteles und so ist es nicht verwunderlich, dass Transformationen in ganz unterschiedliche Begrifflichkeiten (wie Substanzsein, Möglichsein, Wahrsein etc.) in der Geschichte des Seinsdenkens ständig vollzogen wurden. (S. 2401).

Nichtsein, Nichtseiendes

Nichtsein: 53 (1,7) Ergebnisse, kein Stichwort

Nichtseiendes: 25 (0,8) Ergebnisse, kein Stichwort

MLPh

Sein und Seiendes

Sein: 583 (82,7) Ergebnisse, Stichwort „Sein“, Autor: Dietmar Köhler (2008)

  • Einer der grundlegenden, aber auch vieldeutigsten und bis in die Gegenwart umstrittenen Begriffe in der abendländischen Philosophie, dessen Bedeutung je nach Verwendung in einer bestimmten philosophischen Disziplin oder einem bestimmten Kontext erheblich variiert (S. 544).
  • Seit den Vorsokratikern, insbesondere bei Parmenides fungiert Sein als metaphysischer Zentralbegriff, insofern das Sein die innere Einheit und Notwendigkeit alles Seienden begründet: Nur Seiendes kann als Wahres gedacht werden, Nichtseiendes ist unmöglich.
  • Platon relativiert gerade in seinen Spätdialogen diese strenge Disjunktion von Sein und Nichtsein durch das Prinzip der Teilhabe eines Verschiedenen bzw. Andersseienden am Sein, da die Möglichkeit des Sprechens über Nichtseiendes zeigt, dass dieses in irgendeiner Weise ist. Nach dem Prinzip der Teilhabe ist auch das höchste, unveränderliche, ewige Sein der Ideen vom zeitlich-kontingenten Sein der sinnlich wahrnehmbaren Einzelgegenstände zu unterscheiden.
  • Aristoteles zeigt, dass Sein kein einheitlicher Gattungsbegriff ist, sondern die verschiedenen

kategorialen Verwendungen des Begriffs in einem Analogie-Verhältnis zueinander stehen, wobei jedoch dem Begriff der Substanz, der »Seiendheit« bzw. dem »Wesen« (griech. ousia, lat. essentia) eine herausgehobene Stellung zukommt, denn diese allein macht es möglich, ein Einzelding als ein solches zu identifizieren. Alle anderen Bedeutungen von Sein: Existenz, Wirklichsein/Möglichsein, Wahrsein/ Falschsein, sowie das Sein im Sinne der Ursachen und Kategorien sind auf das eine Substanzsein hin ausgerichtet, d. h. sie dienen allein dazu, die immanenten Voraussetzungen von Einzeldingen, sofern diese sind, zu klären.

  • Die Differenz zwischen Seiendem und Sein tritt im Laufe der Metaphysikgeschichte, z.B. bei Anselm von Canterbury zunehmend zurück; dagegen behaupten sich im Mittelalter als grundlegende Unterscheidungen u. a. die von Sein im Sinne von Existenz und Wesen sowie von Notwendigsein und Möglichsein, (S. 545)
  • Sein ist kein »reales Prädikat« (KrV A 598/B 626), d. h. keine positive sachhaltige Bestimmung irgendeines Erkenntnisgegenstandes, sondern bezeichnet entweder die bloße »Position«, d.h. Setzung eines Dinges oder dient innerhalb der Logik als Kopula nur der Verknüpfung von Begriffen. Sofern der »Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt« angegeben werden soll (KrV A 74 f./B 99f.), geschieht dies nach den Kategorien der Modalität: Möglichkeit – Unmöglichkeit, Dasein – Nichtsein, Notwendigkeit – Zufälligkeit (KrV A 80/B 106).
  • Diese Beschränkung des Seins auf die Funktionen der Position und der Kopula wird im Deutschen Idealismus, v. a. von Hegel in der Wissenschaft der Logik, wieder zurückgenommen: Zwar ist das »reine Sein« (Gesammelte Werke Bd. 11, Hamburg 1978, S. 43 f.) im Sinne des »unbestimmten Unmittelbaren« der abstrakteste und leerste Begriff und insofern gleichbedeutend mit dem »Nichts«, doch entspringt aus der Dialektik beider Begriffe das »Werden« und damit die gesamte weitere dialektische Begriffsentwicklung bis hin zur »absoluten Idee«.
  • Der dialektische Materialismus des 19. Jh. thematisiert besonders den Gegensatz zwischen ideellem Sein und materiell-gesellschaftlichem Sein, ohne dass ein grundsätzlich neuartiger Allgemeinbegriff von Sein geprägt würde.
  • Zu Beginn des 20. Jh. entwirft N. Hartmann eine ontologische Schichtenlehre, welche das »Reale« in verschiedene »Seinsschichten« zu untergliedern sucht; in anderer Weise strebt M. Schelers »Metaphysik des Weltgrundes« eine Typisierung des Seins nach »Realsein «, »Sosein«, »Wertsein« etc. an.
  • Eine grundlegende Neubestimmung des Sein-begriffs unternimmt die Fundamentalontologie Heideggers, nach der die Seinsweise des geschichtlich, umwillen seiner selbst existierenden Daseins, die Existenz, von derjenigen des alltäglichen Umgangs mit Gebrauchsdingen, der Zuhandenheit, sowie der Seinsweise von Gegenständen, sofern sie der theoretischen Betrachtung unterliegen, der Vorhandenheit, abzuheben ist.
  • Innerhalb der modernen analytischen Philosophie fällt der Seinsbegriff einer z.T. vernichtenden Kritik anheim: Jeglicher Gebrauch von Sein im Sinne der Transzendentalien ist sinnlos bzw. zeigt einen Kategorienfehler an, der zu Scheinproblemen führt. Nur hinsichtlich der normalsprachlichen Verwendung von »ist« können logisch sinnvolle Bedeutungsvarianten unterschieden werden. S. 545

Seiendes: kein Stichwort, 270 (38,3) Ergebnisse, darunter

Was ist das eigentlich Wirkliche? Worin liegt der Grund der Wirklichkeit? Worin ist der umfassende Sinnzusammenhang der Wirklichkeit zu sehen? Die metaphysische Fragestellung kann auch in theologischer Wendung nach einem höchsten Wesen als unbedingtem Sein, von dem her das Seiende erst sich als bedingtes und endliches bestimmen lässt, … S. 4

Da die gesamte abendländische Ontologie das Seiende immer nur als Vorhandenes aufgefasst hat, trifft sie nach Heidegger der Vorwurf der »Seinsvergessenheit«. (MLPh, S. 545) ich

Nichtsein, Nichtseiendes

Nichtsein:  17 (2,4) Ergebnisse, kein Stichwort

Nichtseiendes: 10 (1,4) Ergebnisse, kein Stichwort

LThK

Sein und Seiendes

Sein, Seiendes: Stichwort „Sein, Seiendes“, Autoren: Jens Halfwassen (1. Antike, 2. Spätantike u. Frühmittelalter), Jan A. Aertsen (3. Mittelalter), Otto Muck (4. Neuzeit u. Moderne)

  • Die Vielheit der Kategorien ist darum durch die Bezogenheit der Akzidentien auf die Substanz geeint, die als selbständig Existierendes u. vollbestimmtes Etwas das eigentlich Seiendes ist. Darunter versteht Aristoteles einerseits das konkrete Individuum, anderseits das dieses bestimmende u. aus der Potentialität der Materie zu aktualem Sein erhebendes letzte Eidos, das nicht transzendent, sondern immanentes Konstitutionsprinzip des Einzelnen ist; die allgemeineren Ideen besitzen demgegenüber nur ein abgeleitetes Sein als sekundäre Substanzen oder als Qualitäten. Das Seiende, insofern es seiend ist, ist darum die Substanz, und zwar letztlich die ewige und unveränderliche höchste Substanz, in der Eidos und Individuum identisch sind: der göttliche Geist (Halfwassen 1993-2001, Sp. 405).
  • Der Neuplatonismus Plotins erneuerte den Seins-Begriff Platons: vollkommen oder absolut seiend ist nur das durch sich selbst Seiende, das zugleich Grund alles erscheinenden Seins ist; dies ist der Geist als die sich selbst denkende Einheit aller Ideen. Diese All-Einheit des geistigen Seins gründet in seinem Transzendenzbezug zum überseienden, absolut jenseitigen Einen; in diesem Transzendenzbezug konstituiert sich das Sein als absolute Selbstbeziehung u. Selbstvermittlung. (Halfwassen 1993-2001, Sp. 405).
  • Anknüpfend an den Gedanken des Aristoteles, daß Seiendes keine Gattung ist, untersucht sie [die mittelalterliche Philosophie] systematisch die Zusammenhänge zw. den gattungsübersteigenden Begriffen. Die Lehre beabsichtigt eine Erhellung des Sinns des Seienden, insofern die mit Seiendem konvertiblen Eigenschaften etwas zum Ausdruck bringen, das nicht durch den Terminus Seiendes selbst ausgedrückt wird. Das „Eine“ bezeichnet die Ungeteiltheit jedes Seienden, das „Wahre“ seine Erkennbarkeit, das „Gute“ seine Erstrebbarkeit. Die Lehre wurde von Thomas von Aquin herausgearbeitet u. erfährt bei Johannes Duns Scotus eine Ausweitung zu den sog. disjunktiven Transzendentalien, wie „endlich“ (Endlichkeit) und ,,unendlich“. … Die mittelalterliche Analogielehre ist eine originale Weiterführung der aristotelischen Ansätze, die auf die Bezugseinheit in der kategorialen Verschiedenheit von Substanz und Akzidens gerichtet waren. Im 13. Jh. wurde die Analogie auf das göttliche und das geschöpfliche Sein bezogen. Seiendes wird von ihnen analog ausgesagt, weil das endliche Seiende wesentlich auf das göttliche Seiende hingeordnet ist. … Nach Duns Scotus jedoch erfordert die Wissenschaftlichkeit der Metaphysik gerade den univoken Begriffsinhalt des Seienden. … Die univoke Gemeinsamkeit des Seienden ergibt sich aus der Tatsache, daß der Mensch mit Gewißheit weiß, daß etwas „Seiendes“ ist, aber zweifeln kann, ob es Substanz oder Akzidens sei. Im Gegensatz zu Thomas, der Seiendes von seiner Wirklichkeit her versteht, begreift Duns Scotus Seiendes von seiner Möglichkeit her. Das aktuell existierende Einzelding kann als solches nicht begrifflich erfaßt werden. Der Begriff Seiendes enthält jenes Minimalmoment, durch das „Seiendes“ vom Nicht-Sein abgehoben ist; es bezeichnet das, was aus sich „dem Sein nicht widerstreitet“ (Ordinatio IV, d.8,q. 1,n. 2). Duns Scotus’ These von der Univozität des Seienden wurde für das Sein-Verständnis der Neuzeit bestimmend (Aertsen 1993-2001).
  • Mit dem neuen Wissensideal bei F. Bacon bahnte sich eine Einschränkung des Bereichs des Seienden auf die Wirklichkeit an, soweit sie naturwissenschaftlich erkennbar ist. Dies führte zur Entleerung der klassischen Transzendentalienlehre, … So wird seit Kant der Zugang zu weltanschaulichen Fragen deutlich von Kosmologie u. Natur-Wiss. abgehoben u. in der Besinnung auf Bedingungen menschlichen Handelns gesucht. Bis in die Gegenwart wird, z.B. von E. Levinas, im Namen einer Phänomenologie des Personalen u. des Bedenkens menschlicher Verantwortung gegen das „Sein-Denken“ polemisiert (Muck 1993-2001, Sp. 407).
  • Sein wird zunächst gefaßt als der Horizont, der menschliche Fragen, Urteilen u. Entscheiden ermöglicht. Der Hinweis auf Sein relativiert jede Einengung auf einen besonderen Bereich u. hält den Bezug zum umfassenden Ganzen offen, der dem Menschen eigen ist. Dieser ist es auch, der die Offenheit des Menschen Gott gegenüber u. damit Religion begründet. Deshalb ist zwar nicht dem Namen, wohl aber der Sache nach die Berücksichtigung des mit Sein Angezielten für theologisches Denken notwendig. … . Dabei ist aber die Analogie des Seienden ernst zu nehmen, um so einer falschen Vergegenständlichung des Grundes vorzubauen. Von da aus kann ein Verständnis von Sein entfaltet werden, das nicht nur Existenz, sondern auch Fülle der Seins-Gehalte einschließt, an denen Seiende teilhaben, u. die Beziehung des Seienden auf Sein als auf den es setzenden Grund (Muck 1993-2001, Sp. 408).

Nichtsein, Nichtseiendes

Nichtsein, Nichtseiendes, kein Stichwort

RGG4

Sein und Seiendes

Seiendes: kein Stichwort

Sein: Stichwort „Sein“, Autor: Günter Figal (2007)

  • Die platonische Antwort auf Parmenides geht von der Beobachtung aus, dass die Bestimmung von etwas in dem, was es ist, nur in einer Vielzahl von Bestimmungen gegeben werden kann. Indem sich diese miteinander verbunden werden, ergibt sich ein mehr oder weniger differenziertes Bild der zu bestimmenden Sache. Die Verbindung selbst wird dabei jeweils durch den Ausdruck „ist“ bewerkstelligt, sodass man das Verbinden selbst als Bedeutung des „ist“ verstehen kann (Sp. 1140).
  • Das Sein selbst ist eine Bestimmung neben den anderen. Es ist allein dadurch ausgezeichnet, dass es zu jenen größten Gattungen gehört, die für die Bestimmtheit der Dinge eine den Vokalen in der Sprache vergleichbare Funktion haben: Sie gehen wie ein Band durch die anderen hindurch (soph. 253a) (Sp. 1141).
  • Mit seiner Modifikation des platonischen Entwurfs hat Aristoteles das Verständnis des Seins an die Einzeldinge gebunden. … Sein ist Wirklichsein in einer bestimmten Form, die als solche die Wirklichkeit von etwas ausmacht. Indem Aristoteles den selbst unbewegten, aber das Ganze der Welt bewegenden Gott als reine Wirklichkeit bestimmt, lässt er seine Erörterung des Seins in philosophische Theologie kulminierten (Sp. 1141).
  • Während für Plato die Frage nach dem Sein in den Zusammenhang der Ideenphilosophie eingeordnet bleibt, hat Aristoteles seine theoretische Philosophie ganz der Frage nach dem Sein unterstellt. Nicht zuletzt das hat sein Konzept des Seins zu dominierender Wirksamkeit verholfen; ihre Lösungen und Probleme geben den Spielraum für spätere Klärungen, Diskussionen und Kontroversen vor. Entsprechend verliert die Frage nach dem Sein ihre Bedeutung, sobald die Aristotelische Philosophie ihre Überzeugungskraft verliert oder einfach marginalisiert wird (Sp. 1141).
  • Die Frage danach, was etwas ist, hat für Kant mit der Frage nach seinem Sein nichts mehr zu tun. Zum „Begriff“ einer Sache komme dadurch, dass diese als „schlechthin gegeben“ gedacht werde, nichts hinzu. So hat das „ist“, wenn es nicht „im logischen Gebrauche“ allein die Verbindung von Subjekt und Prädikat ist, nur die Bedeutung der Position (KrV A598-599, B626-627), d. h. mit ihm wird die begriffne Sache in die Gegebenheit ersetzt. Nicht nur die Bestimmtheit einer Sache, auch deren Sein geht auf die Tätigkeit der Subjektivität zurück, ohne dass diese in ihrem Sein bestimmt werden könnte (Sp 1142).
  • W. F. Hegel als der bedeutendste Aristoteles Liga des 19. Jahrhunderts nimmt die Aristotelische Bestimmung des Seins als Wirklichkeit mit einer Emphase wie kein anderer auf, lässt aber zugleich den Gedanken des Seins in dieser Bestimmung verschwinden: Sein ist für ihn die reine Unmittelbarkeit des ganz und gar inhaltslosen, des leeren Anschauens … (Sp. 1142).
  • Demgegenüber stellt M. Heidegger als der bedeutendste – wenngleich antiaristotelische – Aristoteliker des 20. Jahrhunderts den Gedanken des Seins ist Zentrum nicht nur seiner eigenen Philosophie; der Philosophie überhaupt ist es nach Heideggers Überzeugung um nichts anderes als um das sein gegangen (Sp. 1142).
  • Heideggers Verständnis des Seins als Möglichkeit führt zur Platonischen Bestimmung des Seins als des Vermögens der Verbindung zurück, und Heidegger hat das in seiner Auslegung des Sophisten auch selbst gesehen (Sp. 1143).

Nichtsein, Nichtseiendes

Nichtsein, Nichtseiendes: kein Stichwort

Aristoteles: Kategorien und Metaphysik

Bei meinen Analysen den Wörtern „idion“ und „symbebêkos“ bei Aristoteles habe ich einen teilweise erheblichen Einfluss der Übersetzer auf die Wortwahl festgestellt, die insbesondere die recht freien Übersetzungen von Hans Günter Zekl betrafen (https://philosophie-neu.de/momente-des-begriffs-eigenschaft-bei-aristoteles/). Ursachen dieser Probleme hat Heinemann (2021, S. CLIII–CLXXXIV) systematisch und ausführlich dargestellt. So hat er an vielen Beispielen nachgewiesen, dass eine wörtliche Übersetzung, insbesondere aus dem Altgriechischen und insbesondere der Texte von Aristoteles, schwierig oder gar unmöglich ist. Auch Friedrich Bassenge hat sich im Nachwort seiner Übersetzung der Metaphysik ausführlich zu Problemen einer historisch gerechten, den Ideen Aristoteles entsprechenden Übersetzung geäußert (Bassenge 1990b). Bei Aristoteles sind „wie wohl bei keinem anderen Denker, fast alle wichtigen Aristotelischen Termini — und zwar zumeist in lateinischer Übersetzung — in die philosophische Fachsprache eingegangen und haben

dort einen vielfachen Bedeutungswandel erfahren“ (Bassenge 1990b, S. 381). Bassenge hält die Verwendung dieser Termini für nicht geeignet, um den Leser den „lebendigen“ Aristoteles näherzubringen. Als ein Beispiel gibt er die übliche Übersetzung von „hyle“ (ὕλη hylē) mit „Materie“ an. Das Wort „hyle“, das von den Lateinern mit „materia“ übersetzt wurde und auf diesem Wege Wurzel unseres Terminus „Materie“ ist, bezeichnet etwas völlig anderes als dieser Terminus (Bassenge 1990b, S. 384). Er lehnt auch das von Lasson empfohlene Vorgehen ab, die Übersetzung in dem heute gebräuchlichen philosophischen Sprachgebrauch und damit quasi als Kommentar zu verfassen. Dies birgt die Gefahr, dass die Übersetzung durch die eigenen Auffassungen des Übersetzers verfremdet werden. Als Ausweg aus dem Dilemma sieht er die so weit wie mögliche Verwendung der Umgangssprache in der dem heutigen Leser vertrauten Weise an. Viele der Fachausdrücke sieht er in dieser Beziehung als unbedenklich an, andere ersetzt er durch Wörter der Umgangssprache, so „Stoff“ anstelle von „Materie“. Die Übersetzung von Bassenge ist damit eine ungewöhnliche, aber interessante Variante.

Auch Zitate aus der Metaphysik bei Buchheim (2015) unterscheiden sich in der Verwendung von Wörtern von denen in der von mir verwendeten Übersetzung von Bonitz/Seidel. Erhebliche Unterschiede in der Übersetzung gibt zwischen den Übersetzungen der Physikvorlesung von Hans Günter Zekl (Aristoteles 2019) und von Gottfried Heinemann (Aristoteles und Heinemann 2021).

Angesichts dieser Unterschiede von Übersetzungen kann man generell feststellen, dass bei der Angabe eines Zitates von Aristoteles oft auch der Übersetzer mitgenannt werden müsste.

Obwohl Heinemann die Ermittlung der Häufigkeit von Wörtern in Übersetzungen aufgrund der genannten Probleme für recht sinnlos hält, habe ich für die verwendeten Übersetzungen doch eine Bestimmung der Anzahl bestimmter Wörter vorgenommen, um einen ungefähren Eindruck von ihrer Häufigkeit und Verteilung zu erhalten.

Ich habe mich aufgrund der Verbreitung für die Übersetzung der Metaphysik von Herrmann Bonitz in der Bearbeitung von Horst Seidel (Aristoteles 1995b) entschieden. Alle angegebenen Zitate basieren darauf. Um einen Eindruck von Unterschieden verschiedener Übersetzungen zu gewinnen, habe ich Häufigkeiten der Wörter für die Übersetzung von Bonitz/Seidel und Bassenge ermittelt.

Da für Aristoteles Seiendes und Eines im Wesentlichen das Gleiche sind, habe ich auch die Häufigkeit der Wörter „das Eine“ und „Eines“ untersucht.

Übersetzung von Bonitz/Seidel (Aristoteles 1995b)

Sein: 74 (22,3) Ergebnisse; Seiendes: 382 (115,1) Ergebnisse

Das Eine/Eines: 384 (115,7) Ergebnisse

Nichtsein: 18 (5,4) Ergebnisse, Nichtseiendes: 65 (19,6) Ergebnisse, Nichts: 3 (0,9) Ergebnisse

Übersetzung von Bassenge (1990a)

Sein: 250 (68,3) Ergebnisse; Seiendes: 277 (75,7) Ergebnisse

Das Eine/Eines: 416 (113,7) Ergebnisse

Nichtsein: 21 (5,7) Ergebnisse, Nichtseiendes: 60 (16,4) Ergebnisse, Nichts: 5 (1,4) Ergebnisse

Zitate aus Kategorien (Aristoteles 1995a), übersetzt von Eugen Rolfes

  • Ich nenne aber Prinzipien in einer jeden Gattung diejenigen, von denen sich nicht beweisen lässt, dass sie sind (gelten). Was demnach sowohl das Erste als das aus ihm Abgeleitete bedeutet nimmt man an. Dass es aber ist (gilt), muss man von den Prinzipien annehmen, von dem anderen aber beweisen. … Es sind aber von den Prinzipien, die man in der beweisenden Wissenschaft verwendet, die einen der jeweiligen Wissenschaft eigentümlich, die anderen allgemein, aber allgemein im Sinne der Analogie oder des gleichen Verhältnisses, in dem jedes in der Gattung nützlich ist, mit der es die betreffende einzelne Wissenschaft zu tun hat (An.Post. I, 10 76a32-39).
  • Eigentümliche Prinzipien aber und solche, deren Sein angenommen wird, sind die Objekte, bei denen die Wissenschaft das ihnen an sich zukommende betrachtet. Solche Prinzipien sind zum Beispiel für die Arithmetik die Einheiten, für die Geometrie die Zeichen oder Punkte und die Linien. Denn hiervon nimmt man ohne Beweis an, dass es ist und dass es dieses ist (An.Post. I, 10 76b3-6).
  • Denn jede beweisende Wissenschaft hat es mit drei Dingen zu tun, deren Sein sie voraussetzt. Dies sind die Gattung, deren an sich ihre zukommende Eigenschaften sie betrachtet, die sog. allgemeinen Axiome, aus denen als ersten sie beweist, und drittens die Eigenschaften, deren jeweilige Bedeutung sie voraussetzt (An.Post. I, 10 76b12-16).
  • Die Begriffe sind mithin keine Voraussetzung – denn sie sagen ja über Sein und Nichtsein nichts aus … (An.Post. I, 10 76b35-36).

Zitate aus Bonitz/Seidel (Aristoteles 1995b)

  • Darum müssen die Prinzipien des ewig Seienden (immer) am wahrsten sein; denn sie sind nicht bald wahr, bald falsch, noch haben sie die Ursache des Seins in einem andern, sondern sie selbst sind Ursache für das übrige. Wie sich daher jedes zum Sein verhält, so auch zur Wahrheit (II 1, 993b27-31).
  • Denn unter mehreren, welche auf verschiedene Weise dasselbe wissen, schreiben wir dem in höherem Sinne Wissen zu, der die Sache nach ihrem Sein, als dem, der sie nach ihrem Nichtsein erkennt, und im höchsten Sinne dem, der erkennt, was sie ist, nicht bloß, wie groß oder wie beschaffen sie ist, oder was sie ihrer Natur nach zu tun oder zu leiden fähig ist (III 4, 996b)
  • Aber es ist nicht möglich, daß das Eine und das Seiende Gattungen der seienden Dinge seien. Denn die Artunterschiede jeder Gattung müssen notwendig sein, und jeder muß einer sein; unmöglich aber können die Arten einer Gattung von den zugehörigen Artunterschieden, noch die Gattung, abgesehen von ihren Arten, von den Artunterschieden ausgesagt werden, woraus sich ergibt, daß, sofern das Eine und das Seiende Gattungen sind, kein Artunterschied ein Seiendes oder ein Eines sein kann (III 3, 998b22-28).
  • Eine der schwierigsten Fragen wurde von den gegenwärtigen Philosophen ebenso wie von den früheren übergangen, nämlich ob für das Vergängliche und für das Unvergängliche die Prinzipien dieselben sind oder verschiedene. … Dichter nun wie Hesiodos und alle übrigen Theologen haben nur daran gedacht, was ihnen selbst glaublich erschien, aber auf uns keine Rücksicht genommen. Denn indem sie Götter zu Prinzipien machen und aus Göttern alles entstehen lassen, erklären sie dann, was nicht Nektar und Ambrosia gekostet habe, das sei sterblich geworden. Offenbar also waren diese Worte ihnen selbst verständlich, und doch geht schon, was sie von der Anwendung selbst dieser Ursachen gesagt haben, über unser Fassungsvermögen. Denn wenn sie um der Lust willen Nektar und Ambrosia berühren, so sind dieselben für sie nicht Ursachen des Seins; berühren sie aber dieselben um des Seins willen, wie können sie dann ewig sein, da sie doch der Speise bedürfen? Doch es gehört sich wohl nicht, mythische Weisheit in ernstliche Betrachtung zu ziehen (III 4, 1000a5-19)
  • Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese Wissenschaft ist mit keiner der einzelnen Wissenschaften identisch; denn keine der übrigen Wissenschaften handelt allgemein vom Seienden als Seiendem, sondern sie grenzen sich einen Teil des Seienden ab und untersuchen die für diesen sich ergebenden Bestimmungen, wie z. B. die mathematischen Wissenschaften (IV, 1, 1003a21-23).
  • Das Seiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, aber immer in Beziehung auf Eines und auf eine einzige Natur und nicht nach bloßer Namensgleichheit (homonym); (IV, 1, 1003a33-34).
  • Denn einiges wird als seiend bezeichnet, weil es Wesen (Substanzen), anderes, weil es Eigenschaften eines Wesens sind, anderes, weil es der Weg zu einem Wesen oder Untergang oder Beraubung oder Qualität oder das Schaffende und Erzeugende ist für ein Wesen oder für etwas in Beziehung zu ihm Stehendes, oder Negation von etwas unter diesen oder von einem Wesen (deshalb sagen wir ja auch, das Nichtseiende sei nicht-seiend) (IV 3, 1003b6-10).
  • Nun sind das Eine und das Seiende identisch und eine Natur, indem sie einander folgen, wie Prinzip und Ursache, nicht insofern als sie durch einen Begriff bestimmt würden. (Doch macht es nichts aus, wenn wir das letztere annehmen, vielmehr ist es für die Untersuchung noch mehr förderlich.) (IV 2, 1003b22-26).
  • Zuerst nun also ist eben dies selbst wahr, daß das Wort „sein“ und das Wort „nicht-sein“ etwas Bestimmtes bezeichnet, so daß unmöglich sich alles zugleich so und auch nicht so verhalten kann (IV 4, 1006a29-31)
  • Und auch Sein und Nicht-sein wird nicht in anderem Sinne dasselbe sein als in dem der Gleichnamigkeit, etwa so, wie wenn, was wir Mensch nennen, andere Nicht- Mensch nennten (IV 4, 1006b20-22)
  • Etwas als Wesen eines Dinges bezeichnen heißt aussagen, daß es sein eigentümliches Sein in nichts anderem habe (IV 4, 1007a25-26).
  • Wäre das letztere der Fall, so gäbe es doch etwas bleibend und fest Nicht-seiendes, und diese Behauptung wäre sicher; und wenn das Nicht-sein sicher und erkennbar ist, so würde die entgegengesetzte Bejahung noch erkennbarer sein (IV 4, 1008a18-20)
  • Wenn es nun nicht möglich ist, daß etwas war, ohne zu sein, so war schon vorher die Sache beides, wie ja Anaxagoras sagt, alles finde sich in allem gemischt, und so auch Demokritos, der das Leere und das Volle in jedem Teile gleich sehr existieren läßt, wiewohl er dabei das eine als Seien – des, das andere als Nicht-Seiendes bezeichnet (IV 5, 1009a25-28).
  • Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr. Wer also ein Sein oder ein Nicht-Sein prädiziert, muß Wahres oder Falsches aussprechen. Man sagt aber von dem Seienden nicht, es sei nicht oder es sei, und ebensowenig von dem Nicht-Seienden (IV 7, 1011b26-29).
  • Ferner, wenn jemand auf die Frage, ob etwas weiß ist, mit Nein antwortet, so hat er nichts weiter abgesprochen als das Sein; denn das Nicht-sein ist Verneinung (IV 7, 1012a15-16)).
  • Das Seiende wird teils in akzidentellem Sinne ausgesagt, teils an sich. In akzidentellem Sinne sagen wir z. B. „der Gerechte ist gebildet“, und „der Mensch ist gebildet“, und „ein Gebildeter ist ein Mensch“ in ähnlicher Weise, wie wenn wir sagen „der Gebildete baut“, weil es für den Baumeister ein Akzidens ist, gebildet, oder für den Gebildeten, Baumeister zu sein; denn „dies ist dies“ bedeutet „dies ist ein Akzidens von diesem“ (V 7, 1017a7-13).
  • Wem also in akzidentellem Sinne Sein zugeschrieben wird, bei dem geschieht es entweder, weil beides demselben Seienden zukommt, oder weil jenes einem Seienden zukommt, oder weil ihm selbst das Substrat zukommt, wovon es ausgesagt wird. (b) (1.) An sich zu sein aber wird von all dem gesagt, was die Formen der Kategorien bezeichnen; denn so vielfach diese ausgesagt werden, so viele Bedeutungen des Seins bezeichnen sie. Da nun das kategorial Ausgesagte teils ein Was bezeichnet, teils etwas Qualitatives, teils etwas Quantitatives, teils etwas Relatives, teils ein Tun oder Leiden, teils ein Wo, teils ein Wann, so hat mit jedem von diesem das Sein gleiche Bedeutung; denn es ist kein Unterschied, ob man sagt „der Mensch ist gesund lebend“ oder „der Mensch lebt gesund“, „der Mensch ist gehend oder schneidend“ oder „der Mensch geht oder schneidet“, und in ähnlicher Weise auch bei den übrigen (V 7, 1017a17-30).
  • Ferner bezeichnet das Sein und das Ist, daß etwas wahr ist, das Nichtsein aber, daß etwas nicht wahr sei, sondern falsch, gleicherweise bei der Bejahung wie bei der Verneinung; z. B. „Sokrates ist gebildet“ bedeutet, daß dies wahr ist, oder „Sokrates ist nicht-weiß ebenfalls, daß dies wahr ist; dagegen „es ist nicht die Diagonale nicht kommensurabel“ bezeichnet, daß dies falsch ist. (3.) Ferner bezeichnet das Sein und das Seiende in diesen angeführten Fällen teils das Vermögen (Mögliche), teils die Vollendung. Denn „es ist sehend“ sagen wir sowohl von dem Vermögen, als von dem der Vollendung nach Sehenden (V 7, 1017a30-b3).
  • Dinge also heißen falsch in diesen beiden Bedeutungen, entweder weil sie nicht sind, oder weil die von ihnen hervorgerufene Vorstellung die Vorstellung eines Nicht-seienden ist. (2.) Eine Aussage aber ist falsch, wenn sie, insofern sie falsch, auf Nicht-seiendes geht (V 28, 1024b).
  • Denn das Akzidentelle zeigt sich als dem Nichtseienden nahe verwandt. Das ergibt sich auch aus Erörterungen folgender Art: Bei dem nämlich, was in anderem Sinne ist, findet Entstehen und Vergehen statt, bei dem akzidentellen Sein aber nicht (VI 2, 1026b22).
  • Für manches wird das Sein in der Mischung bestehen, und das Nichtsein im Gegenteil (VIII 2, 1043a1-2).
  • Als Eigentümlichkeit des Wesens muß man unter diesen herausheben, daß notwendig ein anderes in Wirklichkeit existierendes Wesen vorher vorhanden sein muß, welches es hervorbringt; z. B. ein Lebewesen, wenn ein Lebewesen entsteht. Beim Qualitativen und Quantitativen ist nicht nötig, daß etwas in Wirklichkeit, sondern nur, daß es dem Vermögen nach vorher vorhanden sei (VII 9, 1034b16-18).
  • Indem das Seiende und das Nichtseiende teils nach den Formen der Kategorien ausgesagt wird, teils nach Vermögen (Möglichkeit) und Wirklichkeit derselben oder deren Gegenteil, teils als das im eigentlichsten Sinne seiende Wahre oder Falsche … (IX 10, 1051a34-b1).
  • … denn das Sein bedeutet Verbunden-sein und Eines-sein, das Nichtsein aber Nicht-verbunden- und Mehrheit-sein – … (IX 10, 1051b14-15).
  • Das Sein aber in der Bedeutung des Wahren und das Nichtsein in der Bedeutung des Falschen findet in der einen Weise so statt, daß bei der Verbindung Wahres, bei der Nichtverbindung Falsches vorliegt, und in dieser einen Weise dann, wenn auch das Seiende sich so verhält (IX 10, 1051b33-35).
  • Unter den mancherlei Gründen, welche auf diesen Abweg führten, ist der hauptsächlichste eine veraltete Fragestellung. Man glaubte nämlich, daß alles Seiende Eines sein müsse, das Seiende selbst, sofern man nicht den Ausspruch des Parmenides löste und widerlegte „nimmer wirst du erkennen, daß sei Nichtseiendes“, vielmehr müsse man zeigen, daß das Nichtseiende ist; denn so würden dann aus dem Seienden und einem anderen Prinzip die seienden Dinge hervorgehen, sofern deren eine Mehrheit sein soll (XIV 2, 1089a1-7).

Avicenna (2016): Grundlagen der Metaphysik

  • Die Existenz Gottes, erhaben sei seine Majestät, kann nicht als Subjekt in dieser Wissenschaft zugestanden werden, sondern ist in ihr gesucht. Dies ist deshalb so, da sie anderenfalls notwendigerweise entweder in dieser Wissenschaft zugestanden wird und in einer anderen gesucht ist, oder sie wird in dieser Wissenschaft zugestanden und ist nicht in einer anderen gesucht. Beide Weisen sind falsch (S. 43)
  • Wenn die Betrachtung der Ursachen in dieser Hinsicht erfolgt, dass sie existieren und auf das, was ihnen in dieser Hinsicht folgt, so muss also das erste Subjekt das Existierende sein, sofern es ein Existierendes ist (S. 51).
  • Es ist deutlich, dass die Existenz der Substanz insofern sie nur Substanz ist, nicht von Materie abhängt, andernfalls gäbe es nur sinnlich wahrnehmbare Substanz (S. 55).
  • Es ist daher deutlich, dass alle diese Dinge in diejenige Wissenschaft fallen, die sich mit dem beschäftigt, dessen Bestehen nicht von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen abhängt. Für sie kann als ein gemeinsames Subjekt, deren Zustände und Akzidentien sie alle wären, nur das Existierende postuliert werden. Denn einige von ihnen sind Substanzen, andere Qualitäten, andere sind andere Kategorien. Sie kann nur das wahre Wesen der Bedeutung der Existenz umfassen (S. 59).
  • Daher ist das erste Subjekt für diese Wissenschaft das Existierende, insofern es ein Existierendes ist. Ihre gesuchten Dinge sind die Dinge, die es begleiten, insofern es ein Existierendes ist ohne weitere Bedingung. Einige dieser Dinge kommen ihm zu wie Spezies, nämlich wie die Substanz, die Quantität und die Qualität. Doch bedarf das Existierende, um in sie geteilt zu werden, keiner Teilung vor ihnen, wie die Substanz der Teilungen bedarf, so dass ihr die Teilung in Mensch und Nichtmensch folgt. Einige von diesen sind für es die eigentümlichen Akzidentien, zum Beispiel das Eine und das Viele, die Potentialität und die Aktualität, das Universale und das Partikuläre sowie das Möglich und das Notwendige. Es ist nämlich für das Existierende für das Empfangen diese Akzidentien und der Bereitschaft für sie nicht notwendig, dass es eigentlich bestimmt wird als naturbezogen, mathematisch, ethisch oder etwas anderes (S. 61).
  • Die in ihr untersuchten Dinge sind vielmehr von vier Unterteilungen: Einige sind vollkommen frei von Materie und den mit Materie verbundenen Dingen. Andere sind mit Materie vermischt, jedoch ist es die Mischung mit der vorangehenden einrichtenden Ursache. Die Materie richtet sie nicht ein. Andere können in Materie existieren oder nicht wie zum Beispiel die Kausalität und die Einheit. Andere sind materiebezogene Dinge wie die Bewegung oder die Ruhe, jedoch ist das in dieser Wissenschaft Untersuchte nicht ihr Zustand in Materie, sondern die Weise ihrer Existenz (S. 68-69).
  • Wir müssen in dieser Lehre den Zustand der Relation des Dinges und des Existierenden zu den Kategorien erkennen, den Zustand der Nichtexistenz, den Zustand der Notwendigkeit in der notwendigen Existenz und ihrer Bedingungen und den Zustand der Möglichkeit und ihr wahres Wesen. Dies selbst ist die Betrachtung von Potenzialität und Aktualität (S. 91).
  • Wir werden die Diskussion über das Prinzip und den Beginn deutlich machen, dann die Diskussion über das Früher, Später und Entstehen, dessen Arten und Spezies, die Eigentümlichkeit einer jeden Spezies davon, was früher in der Natur und früher im Verstand ist, die Bestimmung der im Verstand früheren Dinge und wie mit dem, der sie negiert, zu reden ist. Daher werden wir eine bekannte Ansicht zu diesen Dingen, die im Widerspruch zur Wahrheit ist, widerlegen (S. 95).
  • Wir sagen, dass die Begriffe des Existierenden, des Dinges und des Notwendigen in der Seele primär eingeprägt sind. Diese Einprägung braucht keine anderen Dinge, die bekannter sind als sie, um erlangt zu werden (S. 101).
  • Wenn mit dem Nichtexistierenden das in den aktuellen Einzeldinge Nichtexistierende gemeint ist, so kann es so sein. Das Ding kann also beständig im Geist, aber nichtexistierende in den Dingen der Außenwelt sein. Wenn aber etwas anderes als dieses gemeint ist, so ist es falsch (S. 109).
  • Wenn du zum Beispiel sagst: „Die Auferstehung wird sein“, so verstehst du „die Auferstehung“, und du verstehst „wird sein“. Du sagst „wird sein“, das in der Seele ist, von „der Auferstehung“ aus, die in der Seele ist, dadurch, dass diese Bedeutung richtigerweise in einer weiteren, ebenfalls verstandesmäßigen Bedeutung, nämlich verstandesmäßig zu einem zukünftigen Zeitpunkt, durch eine dritte verstandesmäßige Bedeutung beschrieben wird, nämlich der verstandesmäßigen Existenz. Analog hierzu ist die Sache in der Vergangenheit. Es ist daher klar, dass das, über das informiert wird, notwendigerweise in einer gewissen Weise in der Seele existiert. Das informieren ist tatsächlich über ein Existierendes in der Seele und akzidentell über ein Existierendes in der Außenwelt (S. 115).
  • Daher sagen wir nun, dass das Existierende, auch wenn es, wie du weißt, kein Genus ist und nicht in gleicher Weise ausgesagt wird von dem, was unter ihm ist, dennoch eine von ihm akzeptierte Bedeutung gemäß dem Früher und Später ist. Es kommt zuerst der Quiddität zu, die Substanz ist, dann dem, was nach ihr ist (S. 117).
  • Das Notwendige jedoch ist unter diesen Dreien das Berechtigste, zuerst vorgestellt zu werden, dies ist deshalb so, da das Notwendige auf die Bekräftigung der Existenz deutet und die Existenz bekannter als die Nichtexistenz ist. Die Existenz wird nämlich durch sich selbst erkannt, während die Nichtexistenz in einer gewissen Weise durch die Existenz erkannt wird (S. 119).
  • Ob aber ein Akzidens in einem Akzidens ist, ist nicht abzulehnen, denn die Geschwindigkeit ist in der Bewegung, die Geradlinigkeit in der Linie und die planare Form in der Ebene. Die Akzidentien ziehen sind nämlich auch bezogen auf das Eine und das Viele, und diese alle sind, wie wir dir beweisen werden, Akzidentien. Auch wenn ein Akzidens in einem Akzidens ist, dann sind sie beide zugleich in einem Subjekt und das Subjekt tatsächlich das, was sie beide eingerichtet, wodurch es durch sich selbst bestehend ist (S. 173).

Hegel (1970a): Phänomenologie des Geistes

Sein: 570 (98,3) Ergebnisse; Seiendes: 51 (8,8) Ergebnisse

Nichtsein: 5 (0,9) Ergebnisse, Nichtseiendes: 2 (0,3) Ergebnisse

  • Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des Sichselbstsetzens oder die Vermittlung des Sichanderswerdens mit sich selbst ist (S. 23).
  • Im gemeinen Leben hat das Bewußtsein Kenntnisse, Erfahrungen, sinnliche Konkretionen, auch Gedanken, Grundsätze, überhaupt solches zu seinem Inhalte, das als ein Vorhandenes oder als ein festes, ruhendes Sein oder Wesen gilt. Es läuft teils daran fort, teils unterbricht es den Zusammenhang durch die freie Willkür über solchen Inhalt und verhält sich als ein äußerliches Bestimmen und Handhaben desselben (S. 48).
  • Aber dadurch ist es wesentlich der Gedanke. – Hierin ist es begriffen, daß das Sein Denken ist; hierein fällt die Einsicht, die dem gewöhnlichen begrifflosen Sprechen von der Identität des Denkens und Seins abzugehen pflegt (S. 53).
  • Diese Gewißheit aber gibt in der Tat sich selbst für die abstrakteste und ärmste Wahrheit Sie sagt von dem, was sie weiß, nur dies aus: es ist; und ihre Wahrheit enthält allein das Sein der Sache; (S. 82).
  • Als ein Allgemeines sprechen wir auch das Sinnliche aus; was wir sagen, ist: Dieses, d. h. das allgemeine Diese, oder: es ist; d. h. das Sein überhaupt. Wir stellen uns dabei freilich nicht das allgemeine Diese oder das Sein überhaupt vor, aber wir sprechen das Allgemeine so ist es gar nicht möglich, daß wir ein sinnliches Sein, das wir meinen, je sagen können (S. 85).
  • Sie geht daher als beobachtendes Bewußtsein an die Dinge, in der Meinung, daß sie diese als sinnliche, dem Ich entgegengesetzte Dinge in Wahrheit nehme; allein ihr wirkliches Tun widerspricht dieser Meinung, denn sie erkennt die Dinge, sie verwandelt ihre Sinnlichkeit in Begriffe, d. h. eben in ein Sein, welches zugleich Ich ist, das Denken somit in ein seiendes Denken oder das Sein in ein gedachtes Sein, und behauptet in der Tat, daß die Dinge nur als Begriffe Wahrheit haben (S. 187).

Hegel (1970c): Wissenschaft der Logik I

Sein: 555 (125,3) Ergebnisse; Seiendes: 31 (7,0) Ergebnisse

Nichtsein: 76 (17,2) Ergebnisse, Nichtseiendes: 2 (0,5) Ergebnisse

  • So muß der Anfang absoluter oder, was hier gleichbedeutend ist, abstrakter Anfang sein; er darf so nichts voraussetzen, muß durch nichts vermittelt sein noch einen Grund haben; er soll vielmehr selbst Grund der ganzen Wissenschaft sein. Er muß daher schlechthin ein Unmittelbares sein oder vielmehr nur das Unmittelbare Wie er nicht gegen Anderes eine Bestimmung haben kann, so kann er auch keine in sich, keinen Inhalt enthalten, denn dergleichen wäre Unterscheidung und Beziehung von Verschiedenem aufeinander, somit eine Vermittlung. Der Anfang ist also das reine Sein (S. 68-69).
  • Es liegt also in der Natur des Anfangs selbst, daß er das Sein sei und sonst nichts. Es bedarf daher keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte (S. 72).
  • Es ist noch Nichts, und es soll Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll; das Sein ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also beides, Sein und Nichts; ist die Einheit von Sein und Nichts, – oder ist Nichtsein, das zugleich Sein, und Sein, das zugleich Nichtsein ist (S. 73).
  • Sein, reines Sein, – ohne alle weitere Bestimmung. In seiner unbestimmten Unmittelbarkeit ist es nur sich selbst gleich und auch nicht ungleich gegen Anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb seiner noch nach außen (S. 82).

Auswertungen

Generelle Bemerkungen

Nach Aristoteles ist die Philosophie die Wissenschaft, welche das „Seiende als Seiendes untersucht“, denn die übrigen Wissenschaften „grenzen sich einen Teil des Seienden ab und untersuchen die für diesen sich ergebenden Bestimmungen“ (Met. IV 1 1003a21-23.). Dieser Gedanke von Aristoteles spiegelt sich auch in den heutigen philosophischen Lexika wider: die Begriffe Sein und Seiendes werden ausführlich diskutiert.

Zur Analyse der Begriffsgeschichte und der Begriffsverwendungen der Wörter werden folgende Artikel aus philosophischen und theologischen Lexika herangezogen, in Klammern die Anzahl der A4-Seiten (S.) bzw. Anzahl der Spalten (Sp.) sowie die Anzahl der insgesamt angegebenen Literaturquellen (Lit.).

HWPh: Stichwort „Sein, Seiendes“, Autoren: Michael Frede, Theo Kobusch, Albert Zimmermann, Ulrich G. Leinsle, Rudolf Malter, Tobias Trappe, Gottfried Gabriel (58 S., 503 Lit.[1])

EPh:       Stichwort „Sein, Seiendes“, Autor: Detlev Pätzold (21 S., 105 Lit.)

MLPh:   Stichwort „Sein“, Autor: Dietmar Köhler (2 S., 15 Lit.)

LThK:     Stichwort „Sein, Seiendes“, Autoren: Jens Halfwassen, Jan A. Aertsen, Otto Muck (3,5 S., 32 Lit.)

RGG4:    Stichwort „Sein“, Autor: Günter Figal (3 Sp., 8 Lit.)

Aus den statistischen Angaben zu den Stichwörtern sind bereits einige Besonderheiten zu erkennen.

  • In drei der fünf Quellen (HWPh, EPh, LThK) werden Sein und Seiendes in einem Stichwort behandelt. Diese Beiträge haben im Vergleich mit den zwei anderen Beiträgen zum Stichwort Sein (MLPh, RGG4) einen vergleichsweisen größeren Umfang.
  • Der Umfang der Beiträge und die Anzahl der verwendeten Literaturquellen im HWPh und auch in der EPh erlauben den Schluss, dass eine große Anzahl von Problemen diskutiert und von Literaturquellen ausgewertet wurden.

Diskussionen zu den Begriffen „Sein/Seiendes“ durchziehen die gesamte Geschichte der Philosophie. Nach Pätzold haben die Begriffe „Sein“ und „Seiendes“ eine „lange Tradition in der europäischen Philosophie und sind in hohem Maße charakteristisch für die Eigenart und Problematik“ philosophischen Denkens (Pätzold 2010, S. 2388u). So werden im HWPh in den acht Einzelbeiträgen zur Begriffsgeschichte von „Sein“ und „Seiendem“ insgesamt 203 Philosophen genannt wobei Schwerpunkte die Antike, das Mittelalter und der Deutsche Idealismus sind. In allen fünf Lexika wird auf Parmenides, Platon, Aristoteles, Kant, Hegel und Heidegger eingegangen.

Nichtsein bzw. Nichtseiendes bezeichnen einen Gegensatz zum Sein bzw. Seienden. Im HWPh und auch anderen Lexika werden Stichwörter, die Gegensätze bezeichnen, in der Regel in einem Artikel erfasst. So gibt es im HWPh etwa die Stichwörter abstrakt/konkret, Akt/Potenz, Allgemeines/Besonderes oder apollinisch/dionysisch. In keinem der untersuchten fünf Lexika werden Sein und Nichtsein zusammen in einem Stichwort behandelt. Es gibt sogar nur ein Lexikon (HWPh), in dem Nichtsein überhaupt in einem Stichwort auftritt und in diesem Fall zusammen mit dem Stichwort „Nichts“. In dem betreffenden Beitrag von Theo Kobusch im Umfang von 34 Seiten und mit 179 Literaturangaben bezieht sich allerdings der weitaus größere Teil auf die Geschichte des Wortes „Nichts“.

Die Häufigkeiten der Wörter und ihrer Wortarten pro 100 Seiten enthält die folgende Tabelle.

Wort

HWPh

EPh

MLPh

Met.[2]

Met.[3]

KrV

PHG

WL I

Sein

84,1

47,0

82,7

22,3

68,3

1,8

98,3

125,3

Seiendes

36,8

18,4

38,3

115,1

75,7

0

8,8

7,0

Dasein

20,3

10,9

26,7

0

0

41,3

73,6

54,8

Summe:

141,2

76,3

147,7

137,4

144,0

43,1

180,7

187,1

Nichtsein, Nicht-Sein

2,6

1,7

2,4

5,4

5,7

3,5

1,0

17,2

Nichtseiendes, Nicht-Seiendes

2,6

0,8

1,4

19,6

16,4

0,1

0,3

0,5

Nichts

12,4

6,8

9,1

0,6

1,4

2,7

5,3

58,2

Summe:

17,6

9,3

12,9

25,6

23,5

6,3

6,6

75,9

Die Häufigkeiten der Wörter „Dasein“ und „Nichts“ wurden aufgrund der Spezifik einiger Publikationen zum besseren Vergleich aufgenommen. Analysen zum Wort „Dasein“ sind im Text https://philosophie-neu.de/analysen-zu-den-begriffen-dasein-und-sosein/ und zum „Nichts“ im Text https://philosophie-neu.de/analysen-zum-wort-nichts/ enthalten.

Zu den normierten Häufigkeiten der Wörter Sein, Seiendes und Dasein können folgende Feststellungen getroffen werden:

  • Die Häufigkeiten der Wörter Sein und Seiendes in den Übersetzungen von Bonitz/Seidel und Bassenge unterscheiden sich erheblich, was erneut die Problematik die Analyse von Wörtern in Übersetzungen von Aristoteles beweist. Man kann aber feststellen, dass die Häufigkeiten in der Summe in etwa übereinstimmen.
  • In den drei philosophischen Lexika gehört das Wort „Sein“ zu den wenigen sehr häufig verwendeten Wörtern. Hegel verwendet das Wort in der PHG und WL I ebenfalls außerordentlich häufig. Bei Aristoteles (Met.) kommt „Sein“ häufig (Bonitz/Seidel) bzw. sehr häufig (Bassenge) vor, während es Kant (KrV.) sehr selten verwendet.
  • Das Wort „Seiendes“ tritt vor allem bei Aristoteles in beiden Übersetzungen sehr häufig auf, während es Kant gar nicht und Hegel selten verwendet. In den Lexika hat sich eine mittlere Häufigkeit (EPh) bzw. eine häufige Verwendung (HWPh, MLPh) herausgestellt.
  • „Dasein“ wird sehr häufig von Kant und Hegel verwendet, in den Lexika tritt es häufig und bei Aristoteles gar nicht auf.
  • In der Summe sind die drei Wörter Sein, Seiendes und Dasein, die viele gemeinsame Momente besitzen, in allen Quellen mit Ausnahme der Kritik der reinen Vernunft von Kant mit großer und bei Hegel sogar mit außerordentlich großer Häufigkeit anzutreffen. Dies verdeutlicht ihre Rolle nicht nur in den Lexika, sondern auch in Originalarbeiten. Kant hat sich kritisch zum Wort „Sein“ geäußert, worauf noch eingegangen wird. Zudem ist die KrV ein Werk zur Erkenntnistheorie und enthält somit weniger ontologische Betrachtungen. Allerdings geht es bei Hegel in der PHG ebenfalls um Grundprobleme der Gewinnung von Erkenntnissen.

Zu Häufigkeit der Wörter Nichtsein, Nichtseiendes und Nichts kann zunächst festgestellt werden, dass sie in der Summe mit Ausnahme der Werke von Aristoteles und Wissenschaft der Logik I von Hegel wesentlich seltener auftreten. Dazu ist zu sagen, dass Hegel das Wort „Nichts“ als Gegenbegriff zum Sein verwendet und Aristoteles dafür von Nichtseiendem spricht.

Das Wort „Nichts“ hat in den Bedeutungen bei Kant und in den Lexika sehr wenige gemeinsame Momente mit „Nichtsein“ bzw. „Nichtseiendem“, sodass man es nur bedingt zu den Gegenbegriffen von Sein, Seiendem und Dasein zählen kann. Reduziert man die Gegenbegriffe damit auf Nichtsein Nichtseiendes, so fällt der Unterschied noch bedeutend gravierender aus. Ich werte dies als ein Zeichen für die geringe Rolle, die die Betrachtung von Gegensätzen bei Grundsatzfragen in der Philosophie mit Ausnahme einige Philosophen wie Hegel, Heidegger, Sartre und Bloch in der heutigen Zeit spielt. 

Es soll im Folgenden keine verkürzte Darstellung der Begriffsgeschichte und der unterschiedlichen Auffassungen von Philosophen erfolgen, sondern es sollen ausgewählte Probleme diskutiert werden, die in den philosophischen und theologischen Lexika sowie in Werken von Aristoteles, Avicenna, Kant, Hegel, Sartre und Bloch im Zusammenhang mit den fünf analysierten Begriffen auftreten. Ein Ziel der Diskussionen ist die Anwendung der axiomatisch festgelegten Begriffe „Existierendes“, und „Nichtexistierendes“ auf die jeweiligen Problemsituationen.

Diskussion ausgewählter Probleme

Analysen zu den Begriffen Werden, Entstehen und Vergehen, die ebenfalls in der betrachteten Literatur auftreten und wesentliche Momente von Sein und Nichtsein sind, werden aus Umfangsgründen in einem gesonderten Text behandelt.

Zu Sein und Seiendem

Beziehungen der Wörter Sein, Seiendes, das Seiende, Wesen und das Eine

In der gesichteten Literatur wird der Unterschied zwischen den Wörtern „Seiendes“ und „das Seiende“ nicht diskutiert. Die Unterscheidung wird zum Teil auch dadurch erschwert, dass in Lexika für beides die Abkürzung Sd. verwendet wird. So heißt es etwa im HWPh Bd. 9, S. 188: „Das Sd. als Sd., der bestimmende Gegenstand der Metaphysik, … bis hin zur Ersten Ursache, «aus der jedes verursachte Seiende, insofern es verursachtes Seiendes ist, hervorgeht»“. Im angegebenen Zitat, das von Avicenna stammt, erfolgt keine Abkürzung der beiden Wörter, aber im Text wird „das Seiende als Seiendes“ offensichtlich mit „das Sd. als Sd.“ abgekürzt wird. Im Text im HWPH, Bd. 9 auf Seite 193 „Da der Begriff Sd. …“ könnte Sd. sowohl Seiende als Seiendes bedeuten.

Ein weiteres Problem sind Unterschiede bei Übersetzungen von Avicenna. So tritt in der Übersetzung seiner Metaphysik von Schmitt (2016) im Unterschied zu der im HWPh verwendeten Übersetzung das Wort „Seiendes“ nicht auf. Dafür wird von Schmitt das Wort „Existierendes“ verwendet.

Das Seiende und Seiendes bzw. das Existierende und Existierendes werden nur von Aristoteles und Avicenna mit ähnlichen Formulierungen in Zusammenhang gebracht. So heißt es bei Aristoteles: „Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese Wissenschaft ist mit keiner der einzelnen Wissenschaften identisch; denn keine der übrigen Wissenschaften handelt allgemein vom Seienden als Seiendem …“ (Met. IV, 1, 1003a21-22). Avicenna formuliert ähnlich: „Daher ist das erste Subjekt für diese Wissenschaft das Existierende, insofern es ein Existierendes ist. Ihre gesuchten Dinge sind die Dinge, die es begleiten, insofern es ein Existierendes ist ohne weitere Bedingung“ (Meta., S. 61). Nach Schmitt (2016) bedeutet die Formulierung von Avicenna, dass „das Existierende nur als Existierendes betrachtet wird, ohne Berücksichtigung anderer Eigenschaften“ (Schmitt 2016, S. 15), was sich auch auf das Seiende und Seiendes übertragen lässt. Sowohl Aristoteles als auch Avicenna wollen mit dieser Formulierung eine Abgrenzung der Philosophie als der ersten Wissenschaft von den Einzelwissenschaften zum Ausdruck bringen. Die Philosophie beschäftigt sich mit dem Existierenden an sich und damit mit der Gesamtheit aller Gegenstände der Einzelwissenschaften.

In meinem Begriffssystem ist auch eine andere Interpretation möglich. Der Begriff Existierendes ist mit einem Axiomensystem axiomatisch festgelegt. Bestandteile der Realität sind Interpretationen dieses Begriffs, soweit sie die Bedingungen des Axiomensystems erfüllen. Dies trifft nicht für alle zu. So ist etwa die physikalische Größe Masse immer an einen realen Träger gebunden und existiert nicht für sich. Sie ist also für sich genommen kein Existierendes in der Realität im definierten Sinne. Lediglich ihre mentale Reflexion in dem physikalischen Begriff Masse ist etwas Existierendes. Man kann also davon sprechen, dass das Existierende mehr umfasst als Existierendes und damit eine Einschränkung des Gegenstandes der Philosophie zum Ausdruck bringen. Mit diesen Deutungen der Formulierungen von Aristoteles und Avicenna ist die Verwendung der beiden Wörter mit der Erklärung in Wiktionary kompatibel, nach der (ein) Seiendes etwas Einzelnes und das Seiende eine Gesamtheit von Einzelnen ist.

Eine weitere Interpretation der Beziehungen von einem Seienden und dem Seienden ist in der Ansicht von Ockham enthalten, der zum Ausdruck bringt, dass dem „Terminus Seiendes ein einheitlicher Bewußtseinsinhalt entspricht, der auf jedes Seiende bezogen ist (HWPh Bd. 9, S. 194). Damit wäre Seiendes ein mentales Objekt als Reflexion eines realen Objektes aus der Menge der Seienden. Diese Begriffsbeziehung findet man bei keinem anderen Philosophen und ich halte sie auch für wenig sinnvoll.

Betrachtungen zum Sein und Seienden ist ein zentrales Anliegen des frühen Heidegger und Inhalt seiner Schrift Sein und Zeit (Heidegger 1976). Er unterscheidet deutlich zwischen den beiden Begriffen und hat für den Unterschied sogar eine eigene Bezeichnung eingeführt, die „ontologische Differenz“, wobei er diese Bezeichnung erst in seiner Vorlesung „Die Grundbegriffe der Metaphysik“ (Heidegger 2004, S. 521) explizit verwendet. In dieser Schrift erläutert er die ontologische Differenz am Beispiel der Aussage „Die Tafel steht ungünstig.“ Dabei geht es um den Standort einer Tafel in einem Hörsaal. Seine Ausführungen werden bei Wikipedia wie folgt zusammengefasst: „Er macht deutlich, dass dieses Urteil nicht durch den Bezug auf ein Subjekt zu verstehen ist, sondern offensichtlich jeder im Hörsaal den objektiv ungünstigen Stand der Tafel erkennen kann, auch wenn es ihn selber nicht betrifft. Der ungünstige Stand der Tafel ist dabei keine Eigenschaft, die der Tafel in irgendeiner Form anhängt, sondern ergibt sich daraus, dass wir im Vorhinein schon immer den Hörsaal als Ganzes in Blick genommen haben. Dieses Ganze umfasst aber auch uns selbst und die anderen Dinge und Menschen im Hörsaal. Nur in Bezug auf dieses Ganze steht die Tafel ungünstig. Dabei geht dieses Ganze als Bedeutungszusammenhang schon jedem einzelnen voraus, welches erst innerhalb dieses Ganzen im sinnhaften Bezug zu anderen Dingen steht. Das heißt, das Ganze wird nicht erst durch die Summe seiner Teile konstituiert“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ontologische_Differenz#cite_note-5).

Als Seiendes bezeichnet Heidegger wie in allen anderen Fällen das tatsächlich Vorhandene, in diesem Fall also die Tafel. Zu seinem Begriff des Seins stellt er fest: „Sein als das Gefragte fordert … eine eigene Aufweisungsart, die sich von der Entdeckung des Seienden wesenhaft unterscheidet. „Das Sein des Seienden ‚ist‘ nicht selbst ein Seiendes.“ (Heidegger 1976, S. 6). Das Sein des ungünstigen Standes der Tafel ergibt sich nach Heidegger aus der Gesamtheit der Bezüge der Tafel im Hörsaal und ist keine singuläre Eigenschaft der Tafel. Die teilweise sehr umständlichen Ausführungen Heideggers zu der konkreten Situation lassen sich einfacher in folgender Weise zum Ausdruck bringen: Das nichtmentale Objekt „Tafel“ hat mehrere Merkmale. Dazu gehören die Größe, das Aussehen, die Beschaffenheit der Oberfläche u. a. mit jeweils bestimmten Merkmalsausprägungen. Wenn sich die Tafel in einem Raum, wie etwa einem Hörsaal befindet, besitzt sie ein weiteres Merkmal, die Sichtbarkeit der Tafel für die im Raum anwesenden Personen. Die Ausprägung dieses Merkmals kann für einzelne Personen in dem Raum entsprechend ihres Sitzplatzes durchaus unterschiedlich sein, so dass die Aussage „Die Tafel steht ungünstig“ einen subjektiven Charakter hat.

An diesem Beispiel und der Feststellung Heideggers von der besonderen Art der Ausweisung des Seins ergeben sich für mich folgende weiteren Überlegungen: Die Grundlage, der Hintergrund für die Ausprägung der Merkmale ist der Zweck bzw. die Funktion der Tafel. Dabei handelt es sich im Unterschied zu den Ausprägungen der Merkmale, die dem Seienden entsprechen, um mentale Objekte im Kopf der Projekttanten und Ingenieure, die natürlich auch in Texten oder Zeichnungen entäußert werden können. Die Funktion, der Zweck eines Seienden entspricht durchaus der Intention des Begriffs Sein, hinter oder über dem Seienden zu stehen, ohne selbst zu ihm zu gehören. Unter Funktion eines Objektes verstehe ich dabei seine Rolle, d. h. seine Bezüge in einem System.

Aus allen Zitaten ist erkennbar, dass zwischen Sein und Seiendes/Seiende unterschieden wird. In der Mehrzahl der Fälle wird unter Seiendes etwas Konkretes, in der Realität Vorhandenes verstanden. In Abgrenzung zu Seiendem wird Sein u. a. in folgender Weise erklärt:

  • Sein ist der den Ursprung oder die Quelle alles Seienden (Boethius).
  • Sein wird als Akt dieses oder jenes Seienden verstanden (Avicenna).
  • Das Sein eines Seienden verhält sich zu dessen Wesenheit wie ein Akzidens, wenn auch kein kategoriales (Avicenna).
  • Der rein bestimmbare Inhalt [des Seins, d. Verf.] ist das, was mit Seiendem gemeint ist, rein bestimmend sind die letzten begrifflichen Determinationen oder Differenzen (Duns Scotus).

Zum eigentümlichen Seinsbegriff bei Heidegger wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Die Zusammenstellung von Aussagen zu Sein und Seienden zeigen bereits, dass der Begriff Sein sehr unterschiedlich gefasst wird.

Zu den Beziehungen von Sein und Wesen gibt es unterschiedliche Aussagen. Bei einigen Philosophen ist Sein und Wesen nicht unterscheidbar. So ist für Aristoteles das Wesen eines Dinges sein eigentümliches Sein. Nach Avicenna zielt das Wort „Wesen“ auf das Was oder die Wesenheit eines Seienden. Bei Ockham gibt es keinen realen Unterschied zwischen Sein und Wesen. In der Wolffschule wird der Begriff des Seienden als begriffene Möglichkeit (Wesen) des Dinges tradiert und ausgestaltet (HWPh Bd. 9, S. 206). Eine genauere Analyse zum Begriff Wesen ist in dem Text https://philosophie-neu.de/analysen-zu-wesen-und-erscheinung-2/ enthalten.

In der Begriffsgeschichte des Seins werden von einigen Philosophen auch Beziehungen zu dem Begriff „das Eine“ hergestellt. Es beginnt bei Platon, mit seinen Differenzierungen des Seinsbegriffs geht „gleichzeitig eine Zurückdrängung dieses Begriffs als philosophischem Grundbegriff einher. Entscheidender wird der Begriff des Einen (to hen), denn er ist mit dem Begriff des Verschiedenen (heteron) korreliert. Dies führt dann dazu, das hen als höchstes Prinzip noch über das Sein zu erheben (Pätzold 2010, S. 2389b).

Für Aristoteles ist Seiendes und Eines im Wesentlichen das Gleiche, wenn es auch begriffliche Unterschiede gibt: „Das Seiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, aber immer in Beziehung auf Eines und auf eine einzige Natur und nicht nach bloßer Namensgleichheit (homonym);“ (Met. IV, 1, 1003a33-34). Er hält es auch nicht für nötig, zwischen den Begriffen das Eine und das Seiende zu unterscheiden. „Nun sind das Eine und das Seiende identisch und eine Natur, indem sie einander folgen, wie Prinzip und Ursache, nicht insofern als sie durch einen Begriff bestimmt würden. (Doch macht es nichts aus, wenn wir das letztere annehmen, vielmehr ist es für die Untersuchung noch mehr förderlich.)“ (Met. IV 2, 1003b22-26).

Ausgewählte Bedeutungen und Verwendungen von Sein, Seiendem und Seiendes

Das Ringen um die Worte Sein, Seiendes und das Seiende sind oft von dem Bemühen geprägt, mit dem Wort alles zu erfassen, was in irgendeiner Weise vorhanden ist. In der Begriffsgeschichte sind unter anderem zwei gegensätzliche Ideen erkennbar: die Univozität und die Äquivozität des Begriffs. Äquivoke Auffassungen vertreten zum Beispiel Platon und Aristoteles. Seneca berichtet, „daß nach Platon ‚das Seiende‘ auf sechs Weisen verstanden werden kann. Es kann sich beziehen 1) auf das Intelligible, 2) auf Gott, insofern er ‚per excellentiam‘ ist, 3) auf die Ideen, die wahrhaft oder eigentlich sind, 4) auf die immanenten Formen, 5) auf die Gegenstände der Erfahrung, die im gewöhnlichen Sinne sind, und schließlich 6) auf Dinge, wie das Vakuum oder die Zeit, welche eine Quasiexistenz haben (HWPh Bd. 9, S. 175). Damit fast Platon eine große Anzahl von Momenten in dem Begriff zusammen, allerdings stellt Figal (2007) fest, dass das Sein bei Platon „eine Bestimmung neben den anderen [ist]. Es ist allein dadurch ausgezeichnet, dass es zu jenen größten Gattungen gehört, die für die Bestimmtheit der Dinge eine den Vokalen in der Sprache vergleichbare Funktion haben: Sie gehen wie ein Band durch die anderen hindurch (soph. 253a)“ (Figal 2007, Sp. 1141). Die Hauptidee von Platon zur Erklärung der Welt ist seine Ideenlehre, ob die noch gesondert eingegangen wird.

Aristoteles verbindet das Wort sein ebenfalls mit einer Vielzahl von Vorstellungen, womit er „Ontologiegeschichte geschrieben hat bis in die Gegenwart hinein“ (Buchheim 2015, S. 74). Im Unterschied zu Platon hat Aristoteles „das Verständnis des Seins an die Einzeldinge gebunden. … Sein ist Wirklichsein in einer bestimmten Form, die als solche die Wirklichkeit von etwas ausmacht“ (Figal 2007, Sp. 1141). Dies offenbart eine weitere Differenz in den Auffassungen zum Sein: Sein als transzendenter Begriff oder gebunden an tatsächlich Vorhandenes.

Nach Aristoteles wird das Wort Seiende in zwei Bedeutungen verwendet: „Das Seiende wird teils in akzidentellem Sinne ausgesagt, teils an sich“ (Met. V 7, 1017a7-8). Im akzidentellen Sinne ist es eine mögliche Eigenschaft eines Objektes, Aristoteles nennt als Beispiel „der Gebildete baut“, weil es für einen Gebildeten eine mögliche Eigenschaft ist, ein Baumeister zu sein. Für das Seiende an sich gibt Aristoteles als eine von drei Bedeutungen an: „(1.) An sich zu sein aber wird von all dem gesagt, was die Formen der Kategorien bezeichnen; denn so vielfach diese ausgesagt werden, so viele Bedeutungen des Seins bezeichnen sie“ (Met. V 7 1017a22-24). Aristoteles unterscheidet zehn Kategorien, die er an zwei Stellen vollständig auflistet (Cat. 4, 1b26f. und Top I 9, 103b22f.). Diese sind: (1) Substanz, (2) Quantität, (3) Qualität, (4) Relation, (5) Ort, (6) Zeit, (7) Lage, (8) Haben, (9) Tun und (10) Leiden. Von den zehn Kategorien hat die erste bei Aristoteles eine besondere Stellung. Substanz (ousia) meint dasjenige, was selbstständig ist: „somit wird alles andere entweder von den ersten Substanz als dem Zugrundeliegenden ausgesagt oder ist in ihnen als dem Zugrundeliegenden“ (Cat. 2, b2-5). Die anderen neun Kategorien sind bei Aristoteles akzidentelle, also mögliche Eigenschaften. Mit dieser weiten Fassung des Seinsbegriffs hat Aristoteles zwei unterschiedliche Arten des Vorhandenen zusammengefasst: Objekte und ihre möglichen Eigenschaften. Begriffsbildungen haben einen arbiträren Charakter, aber es kann die Sinnhaftigkeit diskutiert werden, was an dieser Stelle nicht erfolgen soll.

Duns Scotus tritt gegen Ende des 13. Jh. mit einer eigenen großen Systemkonzeption auf. Er betont die Univozität des Seins, indem er sich zunächst an Avicenna anschließt in der Feststellung, dass der Ausdruck ›ens‹ der allgemeinste und zugleich evidenteste Begriff sei. Aber er zieht daraus die Konsequenz, er sei damit „der erste distinkt begreifbare Begriff“. Dieser einfachste Begriff ist in allen komplexen Begriffen enthalten, und sie können nicht ohne ihn begriffen werden, und daher muss der Begriff ›ens‹ auch univok ausgesagt werden. Die Univozität des Seinsbegriffs ist für Duns Scotus die Voraussetzung dafür, dass über den Bereich der Physik hinaus auch in Metaphysik und Theologie wissenschaftliche Aussagen überhaupt möglich werden. (Pätzold 2010, S. 2395-2395b).

Die Argumente von Duns Scotus zur Univozität des Seinsbegriffs sind durchaus nachvollziehbar. Wenn er der allgemeinste ist, dann muss er auch der einfachste sein, was heißt, er hat den geringsten Inhalt. Eine so verstandene Univozität entspricht auch meinem Anliegen mit der Bildung des Begriffs Existierendes.

Für Fichte ist Sein ein zentraler Begriff, den er in unterschiedlichen Gegensätzen diskutiert und oft mit religiösen Betrachtungen verbindet. Sein wird bei Fichte, wie die Wissenschaftslehre von 1801 zeigt, bei der «Real- Erklärung oder Beschreibung des absoluten Wissens» zum Thema.  Der Freiheit als dem „absoluten Werden“ wird als das andere Moment des absoluten Wissens ein „absolutes Bestehen, ruhendes Seyn“ gegenübergestellt. Beide Momente gehören notwendig zur Selbstkonstitution des absoluten Wissens, welches im „sich Durchdringen und Verschmelzen beider“ besteht. Auch in der ‹Wissenschaftslehre› von 1804 geht es um die Erfassung des Absoluten mit dem Doppelmoment ‹Sein› und ‹Bewußtsein›, und hier zeigt sich deutlich die Richtung, in die Fichtes Denken des Seins zeigt: Sein wird beim älteren Fichte im Rahmen einer genetisch verfahrenden Reflexion mit Gott und Leben identifiziert (so in den ‹Wissenschaftslehren› von 1810 und 1812). Die religiöse Dimension, in die hinein Fichte das Sein denkt, wird in den Anweisungen zum seligen Leben deutlich sichtbar. (Malter 2007, S. 209-210). Das Verhältnis von Werden und Sein wird von Hegel in der Wissenschaft der Logik und das Verhältnis von Sein und Bewusstsein bei Marx und Engels weiter thematisiert.

Hegel verwendet das Wort „Sein“ in der Phänomenologie des Geistes sehr häufig, auf 100 Seiten im Schnitt 98,3-mal, das Wort „Seiendes“ dagegen selten. Für Hegel hat das Wort „Sein“ in diesem Werk die Bedeutung von etwas Vorhandenem. So sagt er: „Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des Sichselbstsetzens oder die Vermittlung des Sichanderswerdens mit sich selbst ist“ (PHG, S. 23). Er unterscheidet dabei zwischen dem sinnlichen Sein und dem „gedachten“ Sein, also zwischen Sein im nichtmentalen und im mentalen Sinne, wie die folgenden Zitate belegen: „Als ein Allgemeines sprechen wir auch das Sinnliche aus; was wir sagen, ist: Dieses, d. h. das allgemeine Diese, oder: es ist; d. h. das Sein überhaupt“ (PHG, S. 85). „… denn sie [die Vernunft, d. Verf.] erkennt die Dinge, sie verwandelt ihre Sinnlichkeit in Begriffe, d. h. eben in ein Sein, welches zugleich Ich ist, das Denken somit in ein seiendes Denken oder das Sein in ein gedachtes Sein, und behauptet in der Tat, daß die Dinge nur als Begriffe Wahrheit haben“ (PHG, S. 187). An keiner Stelle geht Hegel in der PHG auf das Sein als ein Grundbegriff der Philosophie ein. Dies ist Gegenstand seiner Überlegungen in der Wissenschaft der Logik, worauf in einem weiteren Punkt noch eingegangen wird. In der WL I tritt das Wort Sein mit einer Häufigkeit von 125,3 pro 100 Seiten noch weit häufiger auf.

Im Deutschen Idealismus hat sich trotz einiger Überschneidungen keine einheitliche Auffassung zum Seinsbegriff herausgebildet. Für Schelling ist Sein vom Dasein zu trennen: „Seyn drückt das absolute, Daseyn aber überhaupt ein bedingtes … Gesetztseyn aus. In direktem Bezug auf Platon will Schelling das Sein von der Erscheinung unterschieden wissen – Sein ist unwandelbar, durch Worte adäquat nicht benennbar“ (Malter 2007, S. 210). Feuerbach bezeichnet das als „Grenze des Denkens“ gefaßte wirkliche Sein als „das Sein des Sinns, der Anschauung, der Empfindung, der Liebe“ (Malter 2007, 213). Herbart und seine Schule sehen im Sein dasjenige, „dessen Setzung nicht aufgehoben wird“. Gesetzt werden Einheiten, gesetzte Einheiten sind Dinge; durch das Denken werden sie an sich gesetzt, und Sein erhält darin seine Qualität: Es ist „gänzlich positiv oder affirmativ“ (d.h. es enthält keine Negation in sich), es ist schlechthin einfach (d.h. in ihm gibt es keine Vielheit, obwohl es viele Seiende gibt) (Malter 2007, 214).

Sein wird bei diesen Philosophen vor allem mit Mentalem in Verbindung gebracht, mit dem Ich, den Grenzen des Denkens, der Welt der Vorstellungen, den Empfindungen und anderen.

Bei Marx und Engels wird das Sein dagegen auf das Nichtmentale, insbesondere die sozial-ökonomischen Verhältnisse einer Gesellschaft bezogen und dem Denken bzw. Bewusstsein gegenübergestellt. Dies drückt sich in der von Engels formulierten Grundfrage der Philosophie aus: „Die große Grundfrage aller, speziell neueren Philosophie ist die nach dem Verhältnis von Denken und Sein“ (Engels 1956, S. 274–275). Marx kommt zu dem Ergebnis: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“ (Marx und Engels 1956, Bd. 13, S. 9). Damit gehört das Denken bzw. Bewusstsein nicht zum Umfang des Begriffs Sein.

Eine weitere Einschränkung nimmt Lotze vor. Er fasst Sein als einen von vier Modi von „Wirklichkeit“: a) das Sein, b) das Geschehende, c) das bestehende Verhältnis und d) das Geltende. Keine dieser Gestalten von («Wirklichkeit» genannter) «Bejahung» ist in der anderen enthalten oder läßt sich auf eine andere zurückführen (Malter 2007, S. 210). Rickert verschärft Lotzes Geltungsbegriff insofern, als er das Geltende ausdrücklich nur dem Nicht-Existierenden zuschreibt. Der Terminus Gelten ist daher «nicht allein für nicht-reale, sondern auch für nicht-existierende Gegenstände, und zwar nur für solche» zu verwenden (Malter 2007, S. 214-215).

Auch H. Cohen schränkt den Begriff Sein weiter ein. Er trennt um der Selbständigkeit der Ethik willen das Sollen vom Sein ab – allerdings nicht vom Sein generell, sondern nur vom „Sein der Natur“. Sollen ist auch ein Sein, aber eben im „Gegensatz zum Sein der Natur“. Das „neue Sein“, welches das Sollen darstellt (der „Seinswert des Sollens“), besteht in der Idee. „Die Idee ist das Sollen.“ Ideen bezeichnen für Cohen „Vorschriften des praktischen Vernunftgebrauchs, welche im Sollen zusammengefaßt werden. In diesem Sollen liegt der Seinswert der Ethik“ (Malte 2007, S. 215). In Bezug auf die Natur ist es sicher nicht sinnvoll, vom Sollen zu sprechen, dieser Begriff ist immer ein menschliches Denken und Handeln gebunden. Dies rechtfertigt aus meiner Sicht aber nicht, einen speziellen Begriff des Seins zu bilden.

Eine radikale Trennung von der wahrnehmbaren Realität nimmt E. Husserl in seinem Begriff vom Sein vor. Sein ist für Husserl schlechthin nichts (sinnlich) Wahrnehmbares, d.h. die Bedeutung des Wortes „Sein“ findet in der Sphäre der realen Gegenstände kein mögliches objektives Korrelat. Der Seins-Begriff entspringt daher ebenso wie alle übrigen kategorialen Formen einer nicht-sinnlichen, kategorialen Anschauung (Trappe 2007, S. 224).

Beim frühen Heidegger kommt es zu einer grundlegenden Kritik an der abendländischen Tradition des Seinsdenkens. Er will stattdessen eine neue „Fundamentalontologie“ aus anthropozentrischer Perspektive entwerfen und zugleich die Frage nach dem Sinn von Sein neu stellen (Pätzold 2010, S. 2400b). Das Wort „Sinn“ ist für Heidegger ein Zentrum seiner Überlegungen, wobei er in seinem Fundamentalwerk Sein und Zeit ein keiner Stelle auf die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes eingeht. Bezugnehmend auf ein Zitat von Platon stellt er zu Beginn seines Werkes die Frage, was mit „seiend“ eigentlich gemeint ist. Daraus leitete ab, “die Frage nach dem Sinn von Sein erneut zu stellen“ und gibt als Absicht seiner Abhandlung die „konkrete Ausarbeitung der Frage nach dem Sinn von ‚Sein‘“ an (Heidegger 1976, S. 1). Das Wort „Sinn“ im Kontext des Zitats von Platon, der fragt was mit „seiend“ gemeint ist, hat die Bedeutung von „gedanklicher Inhalt, Bedeutung“ einer sprachlichen Äußerung (DWDS) in dem Fall allerdings von „seiend“ und nicht von „Sein“. Im DWDS werden noch fünf weitere Bedeutungen angegeben, darunter „Zweck oder Ziel“ (z. B. Sinn des Lebens, Sinn der Natur), was der Bedeutung bei Heidegger am ehesten entspricht. So wird Das Wort „Sinn“ auch in der EPh und in MLPh erklärt, im HWPh wird nur auf die spezielle Bedeutung bei Frege eingegangen, der von Heidegger in Sinn und Zeit nicht erwähnt wird.

Auf der Suche nach dem Sinn von Sein beschränkt Heidegger in Sein und Zeit den Sinn von Sein auf  ein ausgezeichnetes Seiende, das „Dasein“. Die Auszeichnung des „Daseins“ vor allem anderen Seienden besteht darin, „daß es diesem Seienden in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“. Daß das „Dasein“ sich zum Sein in je bestimmter Weise verhält, gibt seinem Sein den Charakter der „Existenz“: Sie ist „das Sein selbst, zu dem das Dasein sich so oder so verhalten kann und immer irgendwie verhält“ (Heidegger 1976, S. 12). Unter Dasein versteht Heidegger die menschliche Existenz und damit steht in allen weiteren Ausführungen der 577 Seiten umfassenden Schrift das Leben eines Menschen im Zentrum.

Auf der Suche nach dem Sinn des Daseins geht Heidegger auf die Rolle der Zeit ein. „Die fundamentale ontologische Aufgabe der Interpretation von Sein als solchem begreift daher in sich die Herausarbeitung der Temporalität des Seins. In der Exposition der Problematik der Temporalität ist allererst die konkrete Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Seins gegeben“ (Heidegger 1976, S. 19). Mit dem Moment der Zeitlichkeit erfasst er im Prinzip das Entstehen und Vergehen eines Existierenden, ohne auf dynamischen Überlegungen etwa bei Aristoteles einzugehen. Da er sein Forschungsthema auf die Existenz eines Menschen eingeschränkt hat, betreffen seine Überlegungen zur Zeitlichkeit die Ontogenese eines Menschen. Ein Schwerpunkt sind dabei seine Aussagen zum Tod. „Der Tod ist eigenste Möglichkeit des Daseins. Das Sein zu ihr erschließt dem Dasein sein eigenstes Seinkönnen, darin es um das Sein des Daseins schlechthin geht“ (Heidegger 1976, S. 263). Ein wesentliches Ergebnis ist für ihn die Charakteristik des „Seins zum Tode“. „Das Vorlaufen enthüllt dem Dasein die Verlorenheit in das Man-selbst und bringt es vor die Möglichkeit, auf die besorgende Fürsorge primär ungestützt, es selbst zu sein, selbst aber in der leidenschaftlichen, von den Illusionen des Man gelösten, faktischen, ihrer selbst gewissen und sich ängstenden F r e i h e i t  z u m  T o d e“ (Heidegger 1976, S. 266).

Im Denken Martin Heideggers vollzog sich zwischen 1930 und 1938 ein Umdenken, das er selbst als Kehre bezeichnete, was sich unter anderem auch in neuen Schreibweisen und zahlreichen Neologismen äußert. So schreibt er jetzt „Sein“ mit „y“. Das „Seyn“ des späten Heidegger ist nicht mehr aus der ontologischen Differenz von Seyn und Seiendem zu verstehen, es ist geschichtlich und «west als … Ereignis. Der Sein-Begriff hat sich damit aus den Koordinaten jeder Ontologie herausgelöst. In auffälliger Entsprechung zu theologischen Gedankenfiguren wird das Sein als eine mit den Attributen der Personalität versehene wirkende Macht gedacht; das Sein „spricht an“, „versagt sich“, „entzieht sich“. Die Mythisierung des «Seyns» gipfelt darin, dass es zur Chiffre einer Erlösungsphilosophie für die wenigen „Zukünftigen“ wird, „auf die als die rückwegig Erwartenden in opfernder Verhaltenheit der Wink und Anfall der Fernung und Nahung des letzten Gottes kommt“ (Malter 2007, S. 219). Mir ist aufgefallen das in zahlreichen Stichwörtern in theologischen Lexika ausführlich auf Auffassungen von Heidegger eingegangen wird, was offensichtlich mit dem beschriebenen Wirken des späten Heidegger zusammenhängt.

An Heideggers Neubestimmung des Existenzbegriffs, der zusätzlich nach den Modi der Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit näher ausdifferenziert wird, knüpfen, unter z.T. gravierenden Umdeutungen, die Existenzphilosophie bzw. der Existentialismus des 20. Jahrhunderts an (Köhler 2008, S. 545).

  1. Meinong erweitert in seiner Gegenstandstheorie den Begriff des Gegenstandes, der in der Alltagssprache an konkrete, erfahrbare Gegenstände gebunden ist, um beliebige Objekte der menschlichen Erkenntnis. Der Begriff des Gegenstandes ist bei ihm weit umfassender als der Begriff Sein. „Metaphysik hat ohne Zweifel mit der Gesamtheit dessen zu tun, was existiert. Aber die Gesamtheit dessen, was existiert, mit Einschluß dessen, was existiert hat und existieren wird, ist unendlich klein im Vergleiche mit der Gesamtheit der Erkenntnisgegenstände; und dass man dies so leicht unbeachtet lässt, hat wohl darin seinen Grund, dass das besonders lebhafte Interesse am Wirklichen, dass in unserer Natur liegt, die Übertreibung begünstigt, dass Nichtwirkliche als ein bloßes Nichts, genauer als etwas zu behandeln, an dem das Erkennen entweder gar nicht oder doch keine würdigen Angriffspunkte fände“ (Meinong 1988, S. 4). Neben wirklichen (existierenden) Gegenständen erkennt er auch nichtwirkliche Gegenstände, wie z.B. Zahlen, aber auch unmöglich zu realisierende mentale Objekte wie ein „rundes Quadrat“ an, die er nicht zum Sein zählt. Für Meinong ist Gegenstand der allgemeinste Begriff und damit nicht definierbar. „Was zunächst Gegenstand ist, formgerecht zu definieren, dazu fehlt es an genus sowie an differentia; denn alles ist Gegenstand.“ (Meinong 1988, S. 68).

Ich halte es nicht für sinnvoll, für den allgemeinsten Begriff das Wort „Gegenstand“ zu verwenden. Es bezeichnet in der Alltagssprache vor allem etwas Kleineres aus Metall, Holz, Glas oder Stein. Daneben hat es in der Alltagssprache aber auch die Bedeutung als eine abstrakte Sache, ein Ziel des Denkens oder Handelns. In der Philosophie wird „Gegenstand“ anknüpfend an die zweite alltagssprachliche Bedeutung in umfassendem Sinne verwendet. „… die Ausdrücke Gegenstand, Gegenständlichkeit, gegenständlich … können … alles meinen, wovon überhaupt die Rede ist“ (Ritter et al. 2007, Bd. 3, S. 129).

Die Wortverbindung „rundes Quadrat“, die wie ähnlich gelagerte Formulierungen Gegenstand zahlreicher Kritiken an Alexis Meinong ist, sehe ich als ein mögliches mentales Objekt an, dass wie andere, so zum Beispiel anthropomorphe Figuren, keine Entsprechungen in der Realität besitzen. Im Unterschied zu anthropomorphen Figuren, die man zum Beispiel in Trickfilmen zeichnerisch darstellen kann, lässt sich die Gedankenkonstruktion „rundes Quadrat“ schwerlich visualisieren. Möglich wäre vielleicht, die Seiten eines Quadrates als Kreisbögen darzustellen.

Die Analyse von Bedeutungen, die das Wort Sein in der Geschichte der Philosophie hat, zeigt erneut die große Vielfalt der Interpretationen, wobei nur die Auffassungen einer ausgewählten Anzahl der über 200 im HWPh genannten Philosophen untersucht wurde. Von gewissen einheitlichen Standpunkten kann man bis in die heutige Zeit hinein nicht reden, abgesehen von der Auffassung in der Analytischen Philosophie, dieses Wort generell als sinnlos zu erklären.

Die Ideenlehre von Platon

Das wirklich Seiende ist nach Platon die Idee, denn während die sinnfälligen Dinge als viele erscheinen, wird durch die Idee das reine «was es ist» einer Sache erfaßbar (Frede 2007, S. 172). Nach Pätzold knüpft Platon mit seiner Ideenlehre in gewisser Hinsicht an der durch Parmenides’ Seinsbegriff entstandenen Dichotomie zwischen Philosophie und Naturtheorie an, indem ihm das Sein der Sinnendinge als Werdende und Vergehende im Unterschied zum ewigen und allgemeinen Sein der Ideen wenig gilt. Diese sind das erste und eigentlich Seiende (Pätzold 2010, S. 2389).

Die Ideenlehre von Platon enthält als rationalen Kern den Gedanken, dass es im Existierenden etwas Allgemeines gibt, das Gegenstand der Erkenntnis ist. So ist etwa das Fallgesetz ein allgemeiner Zusammenhang, der bei bestimmten physikalischen Bewegungen modellhaft den Zusammenhang von Weg und Zeit bei diesen Bewegungen beschreibt. Für Platon sind die Ideen aber substantiell, d. h. sie sollen selbstständig existieren. Dies ist eine zentrale Grundlage der transzendenten Theorie des Platonismus bzw. Neuplatonismus und vieler weitere Theorien. „Systematisch versteht man unter Platonismus vor allem die Behauptung der ontologisch eigenständigen Realität von idealen oder abstrakten Entitäten, Begriffen oder mathematischen Größen. Weiterhin auch die Abhängigkeit der empirischen von der intelligiblen Welt und eines transzendenten Ursprungs der Welt aus dem Guten oder Einen“ (Burkard 2008, S. 465).

Eine der größten philosophischen Leistungen von Aristoteles ist für mich seine Widerlegung der Ideenlehre von Platon und damit der Grundlage viele transzendenter Theorien. Er hat in der Metaphysik 30 Argumente gegen die Ideenlehre angegeben (Met., 990b – 993a). Seidel (1988) hat diese folgendermaßen zusammengefasst (Auszug): „Erstens: Platons Beweis, dass wissenschaftliche Erkenntnis nur möglich ist, weil allgemeine Ideen als selbstständig existierende vorausgesetzt sind, ist nicht zwingend. Aus den charakterisierten Prämissen folgt wohl die Realität des Allgemeinen, nicht aber seine selbstständige Existenz. Zweitens: Würde das platonische Beweisverfahren konsequent zu Ende gedacht, dann müssen die Platoniker auch Ideen von Kunstwerken, von Nichtsubstantiellem, von Attributen und von Relativem annehmen, wovor sie sich aber hüten. Drittens: Die Ideenlehre ist für das wissenschaftliche Erkennen nutzlos, da die Ideen keinerlei anderen Inhalt haben als die sinnlichen Dinge. … Viertens: So wie die Ideen keinen Nutzen für die Erkenntnis der Dinge haben, so sind sie auch belanglos für die Existenz der Dinge. … Die von Platon aufgerissene Kluft zwischen dem Allgemeinen und Ewigen einerseits und dem Einzelnen und Zeitlichen andererseits ist nicht zu überbrücken. Platons These von der ‚Teilhabe der Ideen an den Dingen‘ ist deshalb eine ‚bloße Metapher‘, weil sie weder erklären kann warum die Ideen an den Dingen teilhaben, noch wie sie teilhaben. Teilhaben könnten die Ideen an den Dingen nur dann, wenn sie das innere Wesen der Dinge wären. … Fünftens: Die nähere Analyse des Verhältnisses zwischen Idee und Sinnesding weist weitere Ungereimtheiten auf. Wenn Idee und Ding, Ideenwelt und wirkliche Welt getrennt voneinander existieren, dann sind beide für sich wiederum Einzelnes gegenüber einem Allgemeinen. Dieses Dritte müsste dann eine weitere allgemeine Ideenwelt sein, die das Gemeinsame von Ideenwelt und sinnlicher Welt ausdrückt. In Bezug auf den Menschen müsst also ein ‚dritter‘ Mensch angenommen werden, der als das Allgemeine der Idee des Menschen und des realen Menschen auftritt. Da nun aber diese Vervielfachung der Welten weder für die Erkenntnis noch für die Existenz der wirklichen Welt von Bedeutung ist, erweist sie sich als sinnlos. Sechstens: Die von Aristoteles vorgenommene Analyse der logischen Verhältnisse, die die platonischen Ideen zueinander eingehen, weist auf einen fundamentalen Widerspruch innerhalb der Ideenlehre. Platons Konzeption zufolge sind die Ideen substantielle Wesenheiten. Andererseits ist aber die platonische Ideenwelt hierarchisch geordnet. Die Hierarchie aber basiert auf dem Verhältnis von Allgemeinem und Einzelnen. Die allgemeinere Idee steht über der weniger allgemeinen. … Die Ideen wurden aber von Platon als das schlechthin Allgemeine gesetzt. Jetzt erweist sich aber, dass sie gegenüber allgemeineren Ideen Einzelnes sind. Mehr noch: Platon hatte vorausgesetzt, dass das Einzelne sein Wesen vom Allgemeinen empfängt. Also muss auch die Idee des Pferdes ihr Wesen von einer allgemeinen Idee empfangen, von der Idee des Lebewesens. Wenn sie ihr Wesen empfängt, ist sie nicht substantiell. Die als substantiell gesetzten Ideen erweisen sich also in Bezug auf die allgemeinere Idee als nicht substantiell. … Achtens: Schließlich kritisiert Aristoteles Platons Ideenlehre deshalb, weil sie nichts zur Lösung des Bewegungsproblems beiträgt, das seit Heraklit und der Eleatik die Geister bewegte. Platons Ideen besitzen keine bewegende Kraft, die sie zu den Ursachen der Dinge werden lassen könnten“ (Seidel 1988, S. 31-34).

Trotz dieser überzeugenden Argumente von Aristoteles ist die Ideenlehre von Platon weiterhin präsent bis hin zur Formulierung von Alfred North Whitehead, dass die europäische Philosophie nichts anderes sei als eine Reihe von Fußnoten zu Platon (Whitehead 2015, S. 91). Dies ist ein Beispiel für den geringen kumulativen Charakter der Geschichte der Philosophie, aber auch Beleg für die Rolle der transzendenten Philosophie Platons in der bisherigen Geschichte der Philosophie, die in wesentlichen Phasen von religiösen Gedanken geprägt war. Mit meinem neuen Konzept soll an die Tradition der realistischen Philosophie von Aristoteles angeknüpft werden.

Sein, Seiendes und Existierendes als Grundbegriffe der Philosophie

In jeder wissenschaftlichen Theorie gibt es nicht definierbare Grundbegriffe, auf denen alle anderen Begriffe aufbauen. Nicht definierbar heißt u. a., dass es für den Begriff keinen Oberbegriff und artspezifische Merkmale gibt. Kandidaten für solche Grundbegriffe in der Ontologie sind Sein bzw. Seiendes, Existierendes, das Eine, das Ganze, Substanz und andere. Eine andere Möglichkeit der Definition ist die Angabe aller Objekte, die unter den Begriff fallen. Dieser Gedanke wurde unter anderem von W. O. v. Quine auf den Begriff Sein angewendet: „To be is to be the value of a variable” (van Quine 1948, S. 22). Damit ist es aber nicht getan. Für eine Variable muss stets ein Grundbereich angegeben werden, durch dessen Werte die Variable belegt werden kann. Man kann aber unmöglich alle Objekte aufzählen, die zu dem Existierenden gehören, da es unendlich viele gibt. Es müsste also eine Klassenbildung vorgenommen werden. Quine hat dies auch mehrfach versucht, sich aber letztlich davon abgewandt.

Im Folgenden sollen die Auffassungen von drei Philosophen zitiert werden, die eine wesentliche Grundlage meines eigenen Ansatzes sind.

Aristoteles erkannte, dass der Begriff Seiendes kein Gattungsbegriff ist, also nicht durch einen Oberbegriff und artspezifische Merkmale festgelegt werden kann. Dies begründet er ausführlich. „Aber es ist nicht möglich, daß das Eine und das Seiende Gattungen der seienden Dinge seien. Denn die Artunterschiede jeder Gattung müssen notwendig sein, und jeder muß einer sein; unmöglich aber können die Arten einer Gattung von den zugehörigen Artunterschieden, noch die Gattung, abgesehen von ihren Arten, von den Artunterschieden ausgesagt werden, woraus sich ergibt, daß, sofern das Eine und das Seiende Gattungen sind, kein Artunterschied ein Seiendes oder ein Eines sein kann“ (Met. III 3, 998b22-28). An anderer Stelle weist er auf die Notwendigkeit hin, Prinzipien und Objekte anzunehmen, die ohne Beweis als gültig vorauszusetzen sind. „Eigentümliche Prinzipien aber und solche, deren Sein angenommen wird, sind die Objekte, bei denen die Wissenschaft das ihnen an sich zukommende betrachtet. Solche Prinzipien sind zum Beispiel für die Arithmetik die Einheiten, für die Geometrie die Zeichen oder Punkte und die Linien. Denn hiervon nimmt man ohne Beweis an, dass es ist und dass es dieses ist“ (An.Post. I, 10 76b3-6). Damit hat er einen Grundgedanken der axiomatischen Methode erfasst, die dann später in der Mathematik im 19. Jahrhundert durch Hilbert vollständig entwickelt wurde. Die von Aristoteles genannten Beispiele, Einheiten in der Arithmetik (natürliche Zahlen) und Punkte in der Geometrie werden heute in der Mathematik axiomatisch festgelegt.

Im 13. Jahrhundert hatten die sehr eigenwilligen Auslegungen der aristotelischen Metaphysik von Avicenna einen großen Einfluss auf die Philosophen und Theologen. Bei den Übersetzungen aus dem Arabischen zeiget sich u. a. wie wenig Möglichkeiten die lateinische Sprache im Unterschied zur arabischen hat, die ca. 34 Bedeutungsvarianten des Begriffs Sein kennt (Pätzold 2010, S. 2394a-2394b). Avicenna verwendet in seiner Metaphysik anstelle von Seiendem das Wort „Existierendes“ als Grundbegriff. Für Avicenna ist das Existierende das „erste Subjekt“, als der Grundbegriff der Philosophie. „Daher ist das erste Subjekt für diese Wissenschaft das Existierende, insofern es ein Existierendes ist. Ihre gesuchten Dinge sind die Dinge, die es begleiten, insofern es ein Existierendes ist ohne weitere Bedingung“ (Meta., S. 61). Avicenna stellt im Anschluss an Aristoteles fest, dass das Existierende kein Genus ist, aber ein zeitliches Moment hat: „Daher sagen wir nun, dass das Existierende, auch wenn es, wie du weißt, kein Genus ist und nicht in gleicher Weise ausgesagt wird von dem, was unter ihm ist, dennoch eine von ihm akzeptierte Bedeutung gemäß dem Früher und Später ist“ (Meta., S. 117). Seine erstaunliche Idee ist, den Begriff Existierendes sowie weitere (Ding, Notwendigkeit) nicht zu explizieren oder anderweitig festzulegen, sondern in „bemerkenswerter Weise für selbstevident“ zu halten (Schmitt 2016, S. 17–18). Sie sind „ursprünglich der Seele eingeprägte Vorstellungen“ (Pätzold 2010, S. 2394b). Avicenna formuliert dies in folgender Weise: „Wir sagen, dass die Begriffe des Existierenden, des Dinges und des Notwendigen in der Seele primär eingeprägt sind. Diese Einprägung braucht keine anderen Dinge, die bekannter sind als sie, um erlangt zu werden“ (Meta., S. 101). Man kann nach diesem Zitat allerdings nicht wie Petzold von Vorstellungen sprechen, die „in der Seele eingeprägt“ sind, denn Vorstellungen können durchaus sprachlich beschrieben werden. Dies schließt aber Avicenna aus und kommt damit dem Gedanken einer axiomatischen Festlegung von Grundbegriffen nahe, indem man Wörter verwendet, die keinen erklärten Inhalt haben.

Hegel hat sich zu Beginn seiner Wissenschaft der Logik ausführlich mit der Frage beschäftigt, womit der „Anfang der Wissenschaft“ gemacht werden muss (WL I, S. 65-79). Er kommt zu folgendem Ergebnis: „So muß der Anfang absoluter oder, was hier gleichbedeutend ist, abstrakter Anfang sein; er darf so nichts voraussetzen, muß durch nichts vermittelt sein noch einen Grund haben; er soll vielmehr selbst Grund der ganzen Wissenschaft sein. […] Wie er nicht gegen Anderes eine Bestimmung haben kann, so kann er auch keine in sich, keinen Inhalt enthalten […]. Der Anfang ist also das reine Sein“ (WL I, S. 68-69). Dabei soll „reines Sein nichts heißen als das Sein überhaupt; Sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung“ (WL I, S. 68). „Es liegt also in der Natur des Anfangs selbst, daß er das Sein sei und sonst nichts. Es bedarf daher keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte“ (WL I, S. 72). Zum Anfang zählt er aber auch das Nichts. „Der Anfang erhält also beides, Sein und Nichts; ist die Einheit von Sein und Nichts, […]“ (WL I, S. 73). Als drittes fügt er dann das Werden hinzu als die „Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen“ (WL I, S. 83). Die Gedanken von Hegel sind wesentliche Grundlage meines Ansatzes, wie ich im dem Text https://philosophie-neu.de/zum-anfang-der-philosophie-2/ dargelegt habe.

Sein und Transzendentes

In theologischen Lexika wird ein Bezug zwischen der Lehre von Aristoteles und Gott hergestellt. So schreibt Figal: „Indem Aristoteles den selbst unbewegten, aber das Ganze der Welt bewegenden Gott als reine Wirklichkeit bestimmt, lässt er seine Erörterung des Seins in philosophische Theologie kulminierten“ (Figal 2007, Sp. 1141). Und Halfwassen stellt fest: „Das Seiende, insofern es seiend ist, ist darum die Substanz, und zwar letztlich die ewige und unveränderliche höchste Substanz, in der Eidos und Individuum identisch sind: der göttliche Geist“ (Halfwassen 1993-2001, Sp. 405). Die Bezüge zum Wort Gott in den Schriften von Aristoteles sind allerdings minimal. Von „dem Gott“ kann man in der Antike ohnehin nicht sprechen. Die Gottheit ist bei Aristoteles nach Otfried Höffe „keine allmächtige, allwissende und allgütige Person, sondern ein erster unbewegter Beweger, der nicht wie ein Motor bewegt, sondern wie etwas, das geliebt wird. Diese Gottheit ist ein reiner, unpersönlicher Geist, der sich weder mit den Angelegenheiten der Menschen befasst noch um andere Dinge in der Welt sich Sorgen macht“ (Höffe 2016, S. 52). Aristoteles hat sich sogar spöttisch zu „mythischen Weisheiten“ geäußert: „Dichter nun wie Hesiodos und alle übrigen Theologen haben nur daran gedacht, was ihnen selbst glaublich erschien, aber auf uns keine Rücksicht genommen. Denn indem sie Götter zu Prinzipien machen und aus Göttern alles entstehen lassen, erklären sie dann, was nicht Nektar und Ambrosia gekostet habe, das sei sterblich geworden. Offenbar also waren diese Worte ihnen selbst verständlich, und doch geht schon, was sie von der Anwendung selbst dieser Ursachen gesagt haben, über unser Fassungsvermögen. Denn wenn sie um der Lust willen Nektar und Ambrosia berühren, so sind dieselben für sie nicht Ursachen des Seins; berühren sie aber dieselben um des Seins willen, wie können sie dann ewig sein, da sie doch der Speise bedürfen? Doch es gehört sich wohl nicht, mythische Weisheit in ernstliche Betrachtung zu ziehen“ (Met. III 4, 1000a5-19).

In den Überlegungen der Philosophen des Abendlandes spielt nach der Entstehung des Christentums dagegen die Einordnung von Gott bzw. dem Göttlichen in ihr philosophisches System eine zentrale Rolle, insbesondere in Bezug auf solche grundlegenden Begriffe wie Sein, Substanz, Existenz und andere. Möglicherweise war dies im Morgenland anders. Zumindest Avicenna hat Gott nicht als Subjekt der Philosophie angesehen. „Die Existenz Gottes, erhaben sei seine Majestät, kann nicht als Subjekt in dieser Wissenschaft zugestanden werden, sondern ist in ihr gesucht. Dies ist deshalb so, da sie anderenfalls notwendigerweise entweder in dieser Wissenschaft zugestanden wird und in einer anderen gesucht ist, oder sie wird in dieser Wissenschaft zugestanden und ist nicht in einer anderen gesucht. Beide Weisen sind falsch“ (Meta., S. 43). Theo Kobusch ist anderer Meinung: „Wenn die menschliche Seele zu erforschen sucht, was das Seiende seinem Wesen nach ist, so wird ihr als das «höchste Gut» die Erkenntnis zuteil, daß der als das Sein verstandene Gott unbegreiflich ist. In seinem Wesen kann das Seiende daher nur von ihm selbst begriffen werden. Die menschliche Erkenntnis dagegen kann nur erfassen, daß es ist (Kobusch 2007, S. 181). Die enge Verbindung von Philosophie und Theologie stellt Pätzold heraus: „Die Kirchenväter waren stark durch den Neuplatonismus beeinflusst. So finden wir etwa bei Marius Victorinus die Verbindung von christlicher Trinitätslehre mit der porphyrischen Triade Sein-Leben-Denken (esse-vivere-intellegere). Hierdurch wird es möglich, Gott mit dem Seinsbegriff, der nicht mehr mit dem des Seienden zusammenfällt, in Verbindung zu bringen, so dass Gott sowohl als das Sein selbst, als auch als überseiend im Sinne absoluter Transzendenz gegenüber dem Seienden verstanden werden kann“ (Pätzold 2020, S. 2391b).

Nikolaus von Kues entwickelte im 15. Jahrhundert anknüpfend an den Neuplatonismus eine Theorie von drei grundlegenden Ideen. Die erste Idee verweist auf die kreatorische Potenz Gottes, die zweite auf die Welt als Ganzes in ihrer potentiellen Unendlichkeit und die dritte auf die jeweils existierenden Seienden in der Welt. Weiterhin bildet er zur Erfassung des Göttlichen den Begriff „Können-Ist (possest)“, in dem alles eingefaltet ist und als Name Gottes nach menschlichem Begreifen in Bezug auf ihn enthalten sein soll. Diese Terminologie wird dann sogar von Giordano Bruno auf seine Lehre vom unendlichen und unvergänglichen Universum übertragen (Pätzold 2010, S. 2396b).

Auch die Ideenlehre Platons wird von der Theologie als eine ihrer philosophischen Grundlagen angesehen. „Die metaphysische Interpretation der Ideenlehre hält Platons Gott für identisch mit der jeweils obersten Idee, die Platon in seinen Dialogen annimmt“ (Schöpsdau 2007). Von Bordt (2006) lassen sich noch zwei weitere, grundlegend verschiedene Interpretationen darüber, was als Platons Theologie gelten soll, voneinander unterscheiden. Der Neuplatonismus Plotins erneuerte nach Halfwassen den Seins-Begriff Platons: „vollkommen oder absolut seiend ist nur das durch sich selbst Seiende, das zugleich Grund alles erscheinenden Seins ist; dies ist der Geist als die sich selbst denkende Einheit aller Ideen. Diese All-Einheit des geistigen Seins gründet in seinem Transzendenzbezug zum überseienden, absolut jenseitigen Einen. (Halfwassen 1993-2001, Sp. 405).

Im Anschluss an die Auffassungen von Heidegger wird „Sein“ nach Muck „gefaßt als der Horizont, der menschliche Fragen, Urteilen u. Entscheiden ermöglicht. Der Hinweis auf Sein relativiert jede Einengung auf einen besonderen Bereich u. hält den Bezug zum umfassenden Ganzen offen, der dem Menschen eigen ist. Dieser ist es auch, der die Offenheit des Menschen Gott gegenüber u. damit Religion begründet. Deshalb ist zwar nicht dem Namen, wohl aber der Sache nach die Berücksichtigung des mit Sein Angezielten für theologisches Denken notwendig“ (Muck 1993-2001, Sp. 408).

Die Zitate belegen die Auffassung von Pätzold, dass „Sein“ auch für „ein übernatürliches (göttliches) Niveau“, als einer von zwei Momenten des Begriffs steht (Pätzold 2010, S. 2388bu).

Kritik an den Begriffen Sein und Seiendes

Kant hatte eine Schrift von 1763 und dann noch einmal deutlich in der Kritik der reinen Vernunft den Begriff des Sein grundlegend kritisiert. In allen fünf gesichteten Lexika wird sie etwa in gleicher Weise wiederholt. Dies ist verbunden mit der Einschätzung, dass die Formen der traditionellen Seinsmetaphysik im deutschen Idealismus kaum noch eine Rolle spielen und zum Teil sogar ausdrücklich disqualifiziert werden, so etwa von Schelling, der forderte, dass „der Begriff des Sein als eines Ursprünglichen soll aus der Naturphilosophie (eben sowie aus der Transzendentalphilosophie) schlechthin eliminiert werden“ (Pätzold 2010, S. 2399-2399b). Die Kritik von Kant am Seinsbegriff wird bis heute als gültig angesehen. „So wird seit Kant der Zugang zu weltanschaulichen Fragen deutlich von Kosmologie u. Natur-Wiss. abgehoben u. in der Besinnung auf Bedingungen menschlichen Handelns gesucht. Bis in die Gegenwart wird, z.B. von E. Levinas, im Namen einer Phänomenologie des Personalen u. des Bedenkens menschlicher Verantwortung gegen das „Sein-Denken“ polemisiert“ (Muck 1993-2001, Sp. 407).

Die Auffassungen von Kant werden in Lexika etwa in folgender Form dargestellt: „Die Frage danach, was etwas ist, hat für Kant mit der Frage nach seinem Sein nichts mehr zu tun. Zum ‚Begriff‘ einer Sache komme dadurch, dass diese als ‚schlechthin gegeben‘ gedacht werde, nichts hinzu. So hat das ‚ist‘, wenn es nicht ‚im logischen Gebrauche‘ allein die Verbindung von Subjekt und Prädikat ist, nur die Bedeutung der Position (KrV A598-599, B626-627), d. h. mit ihm wird die begriffne Sache in die Gegebenheit ersetzt. Nicht nur die Bestimmtheit einer Sache, auch deren Sein geht auf die Tätigkeit der Subjektivität zurück, ohne dass diese in ihrem Sein bestimmt werden könnte“ (Figal 2007, Sp 1142).

Aufgrund der bisher unangefochtenen Kritik von Kant und ihrer Wirkung in der Philosophie soll genauer ob sie eingegangen werden. Zunächst ist festzustellen, dass seine Kritik vor dem Hintergrund seiner ausdrücklichen Ersetzung der traditionellen Ontologie durch die transzendentale Analytik zu sehen ist (Malter 2007, Sp. 208), Kant sich also primär epistemologischen Fragen zuwandte. Seine Kritik erfolgt in der KrV in einem speziellen Zusammenhang, nämlich in der Auseinandersetzung mit dem ontologischen Gottesbeweis. „Zum l o g i s c h e n  P r ä d i k a t e kann alles dienen, was man will, sogar das Subjekt kann von sich selbst prädiziert werden; denn die Logik abstrahiert von allem Inhalte. Aber die B e s t i m m u n g ist ein Prädikat, welches über den Begriff des Subjekts hinzukommt und ihn vergrößert. Sie muß also nicht in ihm schon enthalten sein. S e i n ist offenbar kein reales Prädikat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. Es ist bloß die Position eines Dinges, oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. Im logischen Gebrauche ist es lediglich die Copula eines Urteils. Der Satz: G o t t  i s t  a l l m ä c h t i g, enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: i s t , ist nicht noch ein Prädikat oben ein, sondern nur das, was das Prädikat b e z i e hu n g s w e i s e aufs Subjekt setzt. Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehöret) zusammen, und sage: G o t t  i s t, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Ge g e n s t a n d in Beziehung auf meinen B e g r i f f“ (KrV B626-627).

Die Ausführungen von Kant enthalten mehrere Probleme.

  • Es bleibt unklar, worin der Unterschied zwischen Ding und Gegenstand besteht.
  • Kant beachtet weiterhin nicht, dass das Existieren bzw. das Existierende ein Grundbegriff der Philosophie ist und damit auch das Sein in dieser Bedeutung. Er fällt damit hinter Avicenna zurück, der erkannt hatte, dass der Begriff „das Existierende“ ein undefinierbarer Grundbegriff der Philosophie ist, der keine inhaltlichen Momente, also zum Beispiel Eigenschaften, besitzt.
  • Weiterhin beachtet er nicht den Unterschied zwischen dem Nomen „Sein“ und dem Verb „sein“. Das Nomen „Sein“ hat, zu mindestens aus heutiger Sicht, nur die Bedeutung von „das Existieren des ideell und materiell Vorhandenen“ (DUW, 1629). Das Verb „sein“ hat darüber hinaus noch viele weitere Bedeutungen.
  • Die Wortformen, wie z. B. „ist“ (3. Person Präsens), treten bei allen Verwendungen des Verbs „sein“ auf. Das Wort „ist“ generell als eine Kopula zwischen einem Subjekt und einem Prädikat anzusehen, ist eine formale, syntaktische Betrachtungsweise. Die Kopula „ist“ ist ein Autosemantikum (Inhaltswort), dass keine inhaltliche Bedeutung hat.

Die Probleme lassen sich an dem Satz „Gott ist allmächtig.“ verdeutlichen. Das Wort „ist“ in dem Satz ist formal eine Kopula. Aus nichtformaler, inhaltlicher Sicht wird das Verb „sein“ in diesem Falle in der Bedeutung verwendet, „sich in einem bestimmten Zustand, in einer bestimmten Lage befinden; sich bestimmten Umstanden ausgesetzt sehen; eine bestimmte Eigenschaft, Art haben“ (DUW, S. 1629). „Allmächtig zu sein“ ist in diesem Fall eine Eigenschaft, die dem Objekt „Gott“ zugeordnet wird. Die Wortkombination „Gott ist“ hat durchaus einen Sinn, wenn „ist“ hier nicht als Bindewort, sondern in der Bedeutung von „da sein; bestehen; existieren“ (DUW) verstanden wird. Dies entspricht der Bedeutung von „sein“ in dem berühmten Satz von Descartes „Ich denke, also bin ich“ oder in dem Satz „Cäsar ist nicht mehr“.

Insgesamt zeigt sich also, dass die Kritik von Kant durchaus kritikwürdig ist und letztlich keinen Bestand hat.

In der Analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts wird die Kritik von Kant aufgegriffen und vertieft. „Der Seinsbegriff selbst wird nicht nur im metaphysischen Sinne, sondern auch im Sinne der Existenzprädikation für überflüssig erklärt. ›Sein‹ ist nicht nur, wie bei Kant, kein »reales Prädikat«, vielmehr ist es überhaupt kein Prädikat. So betont z.B. Russell 1924 im Sinne des logischen Atomismus, dass der Begriff ‚Existence, in the sense in which it is ascribed to single entities, is thus removed altogether from the list of fundamentals‘ (Pätzold 2010, S. 2400-2400b). „Jeglicher Gebrauch von Sein im Sinne der Transzendentalien ist sinnlos bzw. zeigt einen Kategorienfehler an, der zu Scheinproblemen führt. Nur hinsichtlich der normalsprachlichen Verwendung von »ist« können logisch sinnvolle Bedeutungsvarianten unterschieden werden“ (Köhler 2008, S. 545).

Eine Grundidee der Analytischen Philosophie ist die sprachanalytische Wende, der sogenannte „linguistic turn“, nach der die Orientierung der Philosophie an der Vorhandenheit von Gegenständen aufzugeben ist (Gabriel 2010, S. 233). Nach E. Tugendhat weiß man sich mit Heidegger einig darin, daß: „Von der Sprache selbst her gesehen … die universale Dimension, in der wir verstehend leben, nicht in erster Linie eine Welt von Gegenständen oder von Seiendem oder von Sachverhalten [ist], sondern eine Welt von Sätzen, von Sinneinheiten“ (Tugendhat 2017, S. 35). In dieser Welt der Sprache sollen Mehrdeutigkeiten ausgeschlossen werden. So erweisen sich etwa die verschiedenen Bedeutungen von Sein als zufällige Mehrdeutigkeiten des Wortes und nicht als einheitliche Konstellation analoger Sachverhalte, die dann auf eine tragende Grundbedeutung rückführbar wären, so dass die Seinsfrage ihren Sinn verloren hat (Gabriel 2010, S. 233).

Es steht außer Frage, dass das Wort „Sein“ in der Philosophie in unterschiedlicher Weise verwendet wird. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die „Seinsfrage“ ihren Sinn verloren hat. Man kann nur feststellen, dass das Wort „Sein“ nicht geeignet ist, als Terminus in dieser Frage verwendet zu werden. Mein Vorschlag besteht ja darin, dafür das Wort Existierendes in definierter Weise als Terminus einzuführen.

Eine der Initiatoren der Analytischen Sprachphilosophie, Gottlob Frege, hat sich mit Bezug auf Kant mit des Verb „sein“ beschäftigt und dabei auch seine Verwendung im Sinne von „existieren“ betrachtet (Frege 2021). Er hält aus seiner formallogischen Sicht Aussagen wie „Der Himmel ist“ im Sinne von „Der Himmel existiert“ für nicht zulässig. Hintergrund ist seine seltsame eigentümliche Unterscheidung zwischen Gegenstand und Begriff, die auf mengentheoretischen Überlegungen basiert (vgl. https://philosophie-neu.de/zitate-und-gedanken-zu-schriften-von-gottlob-frege-2/). So kann nach seiner Sprechweise ein Begriff (z. B. Himmel) nicht als Subjekt eines Satzes, sondern nur als Prädikat auftreten. Für den logischen Formalismus heißt dies, dass Existenz ausschließlich als Quantor dargestellt wird, z. B. in der Form „Es gibt (mindestens) ein x, für welches gilt, dass es ein P (z. B. Himmel) ist“ (Gabriel, S. 230-231).

Am Beispiel der Aussagen zum Begriff Sein erweist sich erneut, dass die Analytische Philosophie nicht in der Lage ist, grundlegende ontologische Probleme, die eine Basis einer jeden Philosophie sind, in zutreffender Weise zu diskutieren. Mit der formallogischen, durch das analytische Denken von den Mathematikern geprägte Herangehensweise bewegt sich diese Richtung der Philosophie in das Niemandsland der Bedeutungslosigkeit und macht sich damit selbst überflüssig.

Zu Nichtsein und Nichtseiendem

Zu den Wörtern „Nichtsein“ bzw. „Nichtseiendes“ gibt es in keinem der fünf Lexika ein eigenes Stichwort. Lediglich im HWPh wird Nichtseiendes im Stichwort „Nichts, Nichtseiendes“ vom Autor Theo Kobusch (Kobusch 2007) thematisiert, wobei der Schwerpunkt des Beitrages auf der Diskussion zum Wort „Nichts“ liegt. In den fünf Beiträgen zum Sein/Seiendes wird auch an wenigen Stellen auf Nichtsein und Nichtseiendes eingegangen. Die folgende Tabelle enthält die Häufigkeit des Auftretens dieser Wörter. Zum Vergleich wird die Häufigkeit der Wörter Sein/Seiendes angegeben.

Tab. Häufigkeit der Wörter Nichtsein/Nichtseiendes in Beiträgen zum Seienden und Nichts

 

HWPh, Sein

HWPh, Nichts

EPh

MLPh

LTK

RRG4

Umfang des Beitrages

58 S.

34 S.

21 S.

2 S.

3,5 S.

3 Sp.

Nichtsein/Nichtseiendes

28

133

16

4

0

1

Sein/Seiendes

795

136

305

52

133

42

Es wird erneut deutlich, dass in der bisherigen und der aktuellen Philosophie und Theologie mit wenigen Ausnahmen das Prinzip der Untrennbarkeit von Gegensätzen wenig geschätzt wird. Zu den Ausnahmen gehört Hegel, dessen Begrifflichkeit in der Tabelle nicht enthalten ist, da er anstelle von „Nichtsein“ das Wort „Nichts“ verwendet.

Im Folgenden sollen einige Probleme betrachtet werden, die in den Lexika sowie weiterer Literatur thematisiert werden.

Bezüge zu Erkenntnisvorgängen

In allen Lexika wird auf das Lehrgedicht des Parmenides eingegangen, das eine der ersten Quellen von Betrachtungen zum Begriff des Seins in der Geschichte der Philosophie ist. Bei Parmenides werden Sein und Nichtsein in Beziehung gesetzt und im Zusammenhang diskutiert. In der Hälfte der Fälle, in denen das Wort „Sein“ auftritt, geht Parmenides auch auf das Nichtsein ein. Die Beziehung zwischen beiden, sieht er allerdings nur aus Sicht der Logik und damit in Bezug auf die Wahrheit von Aussagen. Für Parmenides ist das Nichtsein das logische Gegenteil von Sein (Pätzold 2010, S. 2389). Das Sein ist der „Weg der Überzeugung der zur Wahrheit gehört“. Das Nichtsein „ist nicht und kann nicht sein“, man kann es „nicht erkennen noch etwas darüber sagen, es nicht zu begreifen“ (nach Hille: http://www.helmut-hille.de/parmen1.html). Parmenides bezeichnet Sein und Nichtsein als zwei Wege des Denkens, also der Gewinnung von Erkenntnissen. Nur der Weg des Seins führt zur Wahrheit. Auffassungen zum Entstehen und Vergehen neben dem Sein lehnt Parmenides ab. Das Sein ist für ihn ungeworden, unvergänglich, ganz, einheitlich, unerschütterlich und vollendet (Pätzold 2010, S. 2389).

Bei Aristoteles treten Betrachtungen zum Nichtsein bzw. Nichtseienden an zahlreichen Stellen auf. Er schließt sich in der Regel der Auffassung von Parmenides zum Begriff „Nichtsein“ an. „Ferner bezeichnet das Sein und das Ist, daß etwas wahr ist, das Nichtsein aber, daß etwas nicht wahr sei, sondern falsch, …“ (Met. V 7, 1017a30-33). Als Beispiel für Nichtsein führt er die Aussage an, dass die Diagonale kommensurabel ist. Gemeint ist, dass in einem Fünfeck Seite und Diagonale inkommensurabel sind, also kein gemeinsames Maß besitzen. Dies wurde von dem griechischen Mathematiker Hippasos von Metapont bewiesen und brachte das spirituelle Gebäude der Pythagoreer zum Einsturz, die davon ausgingen, dass alle Größenverhältnisse rational sind.

Die Verbindung des Seins mit dem Wahren und des Nichtseins mit dem Falschen aus logischer Sicht ist in folgendem Zitat erkennbar: „Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr. Wer also ein Sein oder ein Nicht-Sein prädiziert, muß Wahres oder Falsches aussprechen. Man sagt aber von dem Seienden nicht, es sei nicht oder es sei, und ebensowenig von dem Nicht-Seienden“ (Met. IV 7, 1011b26-29)

Ich halte es nicht für sinnvoll, ontologische Begriffe wie Sein und Nichtsein mit Erkenntnisvorgängen zu verbinden und dann Sein als das Wahre und Nichtsein als das Nichtwahre zu bezeichnen. Die Erkenntnistätigkeit eines Menschen bezieht sich auf alles Existierende und Nichtexistierende. Auch zu Nichtexistierendem sind wahre Aussagen möglich.

Aussagen zur Existenz von Nichtseiendem

Die Stoiker sind mit die ersten, die äußerten, das Nichtseiendes durchaus ein Etwas sein könne, indem sie das Seiende mit dem Körperlichen verbanden. „Raum, Zeit, das Vakuum und Tatsachen … sind nicht seiend, weil unkörperlich, aber sind deswegen nicht nichts, sondern etwas, was subsistiert (Frede 2007, S. 174-175). Weiterhin interpretierten sie das Nichtseiende als Gedachtes: „Das Nichtseiende ist das nur Gedachte oder das nur Vorgestellte. Zentauren, Riesen oder Pygmäen z.B. sind in diesem Sinne Nichtseiendes und unterscheiden sich nur durch die Weise des Gedachtseins“ (Kobusch 2007, S. 807). Dieser Ansatz ist durchaus bemerkenswert, wenn auch nicht in meinem Sinne akzeptabel ist. Der Raum, einschließlich dem Vakuum, und die Zeit sind Merkmale von Existierenden, die selber kein Existierendes sind. Gedachtes oder Vorgestelltes sind mentale Objekte und damit Existierendes, ohne dass ihnen etwas Reales entspricht.

Demokrit hat ebenfalls die Auffassung vom Raum als etwas nicht Seiendes vertreten. Für ihn ist das Seiende das Volle, Feste, d.h. die Atome und das Nichtseiendes das Leere. „Weil das Leere aber der Ort ist, in dem sich die Atome bewegen, ist es mitkonstitutiv für das, was ist. Das Nichtseiendes ist deswegen wie das Seiende auch als konstitutives Prinzip der Gesamtwirklichkeit zu begreifen“ (Kobusch 2007, S. 806). Aristoteles stellt dazu fest: „Denen nun, die von hier aus zu jener Ansicht gelangt sind, werden wir erwidern, daß sie in gewissem Sinne recht haben, in gewissem Sinne aber unwissend sind (Met. IV 5, 1009a37-38), wobei sich nicht dazu äußert, was er mit in gewissem Sinne meint.

Am Ende seiner Metaphysik hat sich Aristoteles von den Auffassungen des Parmenides gelöst und erklärt, „vielmehr müsse man zeigen, dass das Nichtseiende ist (Met. XIV 2, 1089a5). An dieser Stelle untersucht Aristoteles auch die Frage des Werdens. „aus welcherlei Nicht-seiendem und Seiendem soll das Seiende hervorgehen?“ und stellt fest: „Denn auch das Nichtseiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, weil ja das Seiende mannigfache Bedeutung hat, …“. Man kann das Nichtseiende „insofern vielfach im Sinne aussagen wie es Kategorien gibt, und außerdem noch das Falsche und das dem Vermögen nach Seiende als nicht seiend bezeichnen: so geht aus dem letzteren das Werden hervor; nämlich aus dem, was nicht wirklich Mensch ist, aber doch dem Vermögen nach Mensch, wird der Mensch… (Met. XIV 2, 1089a14-33). 

Auch Avicenna sprach dem Nichtexistierenden, seine Bezeichnung für das Nichtseiende, eine Daseinsweise zu, die im mentalen Dasein besteht unser auch erkannt werden kann. „Wenn mit dem Nichtexistierenden das in den aktuellen Einzeldinge Nichtexistierende gemeint ist, so kann es so sein. Das Ding kann also beständig im Geist, aber nichtexistierend in den Dingen der Außenwelt sein“ (Meta., S. 109). „Die Existenz wird nämlich durch sich selbst erkannt, während die Nichtexistenz in einer gewissen Weise durch die Existenz erkannt wird“ (Meta., S. 119).

Zeitliche Momente des Nichtseienden

Aristoteles hat sich in der Physikvorlesung im Buch IV, Kap. 10 mit der Frage auseinandergesetzt, ob „die Zeit zum Seienden oder zum Nicht-Seienden zählt;“ (IV 10, 217b31), ohne zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen. Er hat insbesondere die Frage der Teilbarkeit der Zeit problematisiert. Mesch (2001) hat sich mit den Ausführungen im Aristoteles Handbuch auseinandergesetzt und eine Reihe von Gedanken entwickelt. So wirft sie unter anderem folgende Frage auf: „Nicht-mehr-sein und Noch–nicht-sein, so könnte man sagen, müssen von absolutem Nichtsein unterschieden werden. Denn die Vergangenheit war doch einmal Gegenwart und die Zukunft wird einmal Gegenwart sein. Ist also nicht die Gegenwart das Seiende an der Zeit?“ (Mesch 2021, S. 464). Man kann von der Zeit nicht als einem selbstständig Existierenden sprechen. Die Zeit ist wie jede andere physikalische Größe ein Merkmal von Existierenden. Nicht alle Objekte besitzen das Merkmal Zeit, wie etwa die gesetzmäßigen Zusammenhänge in der Realität. Deshalb ist es sinnlos, vom Sein oder Nichtsein der Zeit zu sprechen.

In der Spätantike äußert M. Victorinus den Gedanken des Noch-nicht-Seins als einen von vier Modi des Nichtseienden: „im Sinne einer Negation, so daß es eine völlige Beraubung des Seienden ist, im Sinne der Natur des einen im Verhältnis zu einem anderen, im Sinne des Noch-nichtseins, was zukünftig ist und sein kann, und im Sinne dessen, was jenseits alles Seienden, Sein ist“ (Kobusch 2007, S. 809).

Das Noch-nicht-Existierenden spielt im utopischen Denken von E. Bloch eine wichtige Rolle. Eine Utopie beinhaltet sowohl Formen von Seiendem als auch Vorstellungen zu Noch-nicht-Seiendem. „Die rechte Welt also steht nach diesen Worten sowohl vor der Tür, auf die wissenden Menschen als Rufer und Bahnbrecher angewiesen, wie noch unentschieden-latent hinter der Tür; Philosophie, mit Noch-Nicht im Begriff, artikuliert beides“ (Bloch 1970, S. 218). Auch das Nicht-mehr-Existierende kann das Noch-nicht-Existierenden enthalten. Das Existierende bezeichnet Bloch in Bezug auf die Utopie als Nicht-Erscheinung. „Die Nicht-Erscheinung als vergangene kann erinnert werden, sie geht nicht klanglos, also nicht völlig zum Orkus hinab. Und sie ist erinnerbar, weil auch im Nicht-Mehr ein Noch-Nicht stecken kann, ein Brütendes, Unabgestorbenes, das abgebrochen, doch nicht erledigt ist. Nicht erledigt im drohenden wie im gut fortwirkenden Sinn; beides wäre unmöglich, wenn Vergangenes bereits völliges Nichts wäre. Nur das Nicht in der Nicht-Erscheinung kann überhaupt einen Zeitmodus haben, den des Nicht-Mehr oder den des Noch-Nicht“ (Bloch 1970, S. 249).

Weitere Auffassungen zum Nichtsein

In allen Lexika wird auf die Idee Platons eingegangen, „die für Parmenides’ Seinskonzeption entscheidende Disjunktion zwischen Sein und Nichtsein zu unterlaufen. … Dies gelingt ihm, indem er das Nichtseiende nicht mehr als Gegensatz zum Seienden auffasst, sondern als das »Verschiedene«, das »Anderssein« (heteron) interpretiert, welches nun zur Bestimmung des Seiendes selbst dient (Pätzold 2010, S. 389b). Da das Verschiedensein ein Merkmal eine Menge von Seienden ist, kann man die Interpretation des Nichtseienden als Verschiedenes nur als Kategorienfehler bezeichnen.

Der Begriff des Nichtseiendes ist nur in der Philosophie, „sondern vor allem auch in der Theologie von grundlegender Bedeutung. Das zeigt sich bei Plotin und schon vorher bei BASILIDES. Dieser Gnostiker (erste Hälfte des 2. Jh.) hat wohl zum ersten Mal dem Gedanken Ausdruck verliehen, der die Grundlage aller negativen Theologie ist: Gott ist das Nichts; aber auch die geschaffene Welt ist in anderem Sinne ein Nichts“ (Kobusch 2007, S. 808-809).

Zusammenfassende Einschätzungen

Die Analysen zu Sein und Nichtsein haben ein weit größeres Ausmaß angenommen, als ich ursprünglich gedacht hatte. Im Laufe der Arbeit erschien es mir sinnvoll, zwei damit verbundene Themen gesondert zu behandeln, Analysen zum Wort Nichts und zum Entstehen und Vergehen.

In den analysierten Lexika gibt es nur zwei Wertungen zu den Wörtern Sein und Seiendes. Köhler stellt im MLPh fest, dass Sein einer „der grundlegenden, aber auch vieldeutigsten und bis in die Gegenwart umstrittenen Begriffe in der abendländischen Philosophie [ist], dessen Bedeutung je nach Verwendung in einer bestimmten philosophischen Disziplin oder einem bestimmten Kontext erheblich variiert“ (Köhler 2008, S. 544). Die von Köhler genannte Bedeutung des Begriffs „Sein“ als grundlegender philosophischer Begriff, ungeachtet der ungelösten Probleme seiner begrifflichen Fassung, wird von Pätzold in der EPh nicht geteilt. Er stellt zusammenfassend fest: „Insgesamt kann man konstatieren, dass mit Ausnahme von Heideggers anthropozentrischem Neuansatz und einigen neoscholastisch orientierten Autoren … dem Seinsbegriff in der Philosophie des 20. Jh. … keine große Bedeutung mehr zugemessen wird. Dies hat seine Berechtigung in der inneren Problematik dieses Begriffs selbst. Will man sie auf eine kurze Formel bringen, dann läuft es darauf hinaus, dass, wenn der Begriff ›Sein‹ auf die Bedeutung von ›Existenz‹ eingeschränkt wird, die desaströse Kritik der analytischen Philosophie unvermeidlich wird; hält man ihn dagegen für den allgemeinsten Begriff, der von jeglichem aussagbar ist, dann ist er auch der ›leerste‹ Begriff und kann weder zur Kennzeichnung von Seinsbereichen, Seinsweisen oder gar konkreten Seiendem dienlich sein. Alle anderen Varianten der Seinsmetaphysik, ob sie nun die Analogie oder Univozität des Seins favorisieren, müssen stattdessen ein wie auch immer benanntes göttliches Prinzip als ausschließliche causa essendi von Seiendem ansetzen“ (Pätzold 2010, S. 2401). Pätzold betont an der Stelle aber auch, dass die Ontologie weiterhin Berechtigung hat. „Die klassische Frage nach dem Seienden als Seiendes und damit nach der Konzeptualisierung der verschiedenen Formen dessen, was ist …, verlangt nur eine weiter differenzierte Begrifflichkeit, die der Seinsbegriff und seine Derivate kaum liefern kann.“ Dem schließe ich mich an und habe dazu entsprechende Vorschläge unterbreitet.

Ich teile die Ansicht, dass das Wort „Sein“ als philosophischer Begriff wenig geeignet ist. Dafür gibt es folgende Gründe:

  • Das Verb „sein“ hat im Alltag eine große Anzahl unterschiedlicher Bedeutungen und grammatische Funktionen. Dies ist ein Grund für die ebenfalls große Anzahl unterschiedlicher Bedeutungen des durch Konversion entstandenen Nomens „Sein“.
  • Es gibt in der Philosophie sehr unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Auffassungen zu einem philosophischen Begriff „Sein“.
  • Das Wort „Sein“ hat der Theologie transzendente Bedeutungen.

Die Kritik am Seinsbegriff von Kant, die auch von der analytischen Philosophie aufgenommen und weitergeführt wird, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Das Verb „sein“ hat neben der Bedeutung als Bindewort, worauf die Kant’sche Kritik fokussiert, auch die Bedeutung von Vorhandensein.

Mit der Ablehnung des Begriffs „Sein“ in der Analytischen Philosophie entledigt man sich einer der ureigensten Aufgaben der Philosophie, alles Vorhandene in geeigneter Weise begrifflich zu erfassen. Über Jahrhunderte hinweg wurde versucht, einen allgemeinen Begriff „Sein“ in einer geeigneten Weise zu definieren oder mindestens zu explorieren. Ein wesentliches Ergebnis dieser Bemühungen ist, dass angefangen von Aristoteles über Avicenna bis zu Hegel und weiteren bedeutenden Philosophen festgestellt wurde, dass „Sein“ ein undefinierbarer Grundbegriff ist. Vorgeschlagen wurde, den Begriff „Sein“ durch Angabe seine verschiedenen Bedeutungen zu erfassen (Aristoteles), ihn ohne Erklärung einfach als etwas Vertrautes hinzunehmen (Avicenna, der vom Existierenden spricht) oder zusammen mit dem Gegenbegriff „Nichts“ als etwas völlig Unbestimmtes aufzufassen (Hegel). Mein Vorschlag einer axiomatischen Festlegung der Begriffe Existierendes und Nichtexistierendes ist eine Fortsetzung dieser Ansätze, insbesondere von Hegel.

Die Analysen haben aber auch gezeigt, dass bei der Mehrzahl der Philosophen das Spannungsverhältnis von Sein und Nichtsein aus inhaltlicher Sicht nicht thematisiert und z. T. nur als rein logischer Gegensatz angesehen wird. Der Einzige, der aufgrund seiner philosophischen Grundhaltung Sein und Nichtsein als einen untrennbaren Gegensatz behandelt, ist Hegel. Leider hat er anstelle von „Nichtsein“ das ungeeignete Wort „Nichts“ verwendet, was dann zu zahlreichen Missverständnissen geführt hat (vgl. https://philosophie-neu.de/analysen-zum-wort-nichts/).

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[1] Es wurden von allen acht Autoren die Literaturangaben und Literaturhinweise addiert. Einige Doppelungen in den Angaben können nicht ausgeschlossen werden.

[2] Übersetzung von Hermann Bonitz, bearb. von Horst Seidl

[3] Übersetzung von Friedrich Bassenge (1990a)