Hans-Dieter Sill, 15.06.2021

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Analysen der Wörter Gemeinsamkeit, Gleichheit, Identität und Einheit

Vorbemerkungen

Es werden geeignete Termini gesucht, um eine Relation der Übereinstimmung zwischen mentalen oder nichtmentalen Objekten bzw. innerhalb eines solchen Objektes allgemein zu bezeichnen.

Es werden Bedeutungen folgender Wörter in der Philosophie und der Umgangssprache untersucht: Gemeinsamkeit, Gleichheit, Identität uns Einheit.

Zu Ermittlung der Bedeutungen der Wörter im Alltag wird das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (www.dwds.de/) verwendet (DWDS). Weiterhin werden die Eintragungen in den Internetenzyklopädien Wiktionary (Wiktionary) und Wikipedia (Wiki) herangezogen.

Um die Bedeutungen der Wörter in der Philosophie zu analysieren, werden die folgenden Wörterbücher und Enzyklopädien verwendet. Sie liegen auch in elektronischer Form vor, wodurch eine Suche nach den Wörtern im gesamten Text möglich ist.

  1. Ritter u. a. (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 17.144 Sp. (8.572 S.) (HWPh)
  2. Prechtl und Burkard (2008): Metzler Lexikon Philosophie, 705 S. (MLPh)
  3. Sandkühler (2010): Enzyklopädie Philosophie, 3.209 S. (EPh)

Weitere Informationen zu den Wortanalysen und Auswahlkriterien sind auf der Seite „Zu den Wortanalysen und Auswahlkriterien“ enthalten.

Gemeinsamkeit

Literaturanalysen

DWDS

Frequenz: 7,9

Kollokationen:  Vorrat (7.1, 211), Demokrat (6.0, 200), Unterschied (5.9, 443), erschöpfen (5.9, 96), traut (5.9, 55)

Bedeutungen:

  1. gemeinsames Merkmal, gemeinsame Eigenschaft
  2. Zustand gegenseitiger Verbundenheit

Wiktionary

  1. Eigenschaft, die bei zwei oder mehr Personen oder Gegenständen identisch ist
  2. friedliches, harmonisches Zusammensein von Menschen

Gegenwörter: Unterschied; Oberbegriffe: Eigenschaft

Wiki

Aus: https://wiki.yoga-vidya.de/Gemeinsamkeit 

Gemeinsamkeit ist das, was man mit anderen gemein hat. Gemeinsamkeit ist die Eigenschaft, die bei mehreren Personen gleich oder sehr ähnlich ist.

Gemeinsamkeit ist auch das gemütliche, harmonische Zusammenleben bzw. Miteinandersein von Menschen.

HWPh

224 (2,6) Ergebnisse. Es gibt kein entsprechendes Stichwort.

  • Der Konnex mit allen Kräften der Zeit war nur möglich, weil im Zeitalter der Aufklärung Literatur, Philosophie und Politik, Theorie und Praxis durch die Gemeinsamkeit bestimmter Elemente miteinander verwandt und aufeinander bezogen waren. Bd. 1, S. 629
  • Dialektische Bewegung als Bewegung des Gedankens unterscheidet sich trotz der Gemeinsamkeit der Subjekt-Prädikat-Form von der Satzaussage der Einzelwissenschaften dadurch, daß sie das Absolute zum Inhalt hat. Bd. 1, S. 877
  • In der Kritik am Objektivismus von Psychologie und Erkenntnistheorie sieht daher vor allem der späte Husserl die Gemeinsamkeit seines phänomenologischen Ansatzes mit der transzendentalen Fragestellung Kants und Fichtes. Bd. 4, S. 1055
  • Text als Struktur: Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich mehrere unterschiedliche Ansätze zusammenfassen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß sie einen Text als geordnete Menge sprachlicher Elemente begreifen. Bd. 10, S. 1041
  • Schlick betont die Gemeinsamkeit der Urteilsbildung der «täglichen Lebenserfahrung» und der «Wissenschaften» im Ziel der Wahrheit. Ein Unterschied bestehe lediglich darin, daß Wissenschaft den Erkenntnisprozeß methodisch regle und dies in ihren verschiedenen Zweigen auf verschiedene Weisen tue. Bd. 12, S. 939

MLPh

21 (3,0) Ergebnisse, Es gibt kein entsprechendes Stichwort.

  • Zwischen den Beteiligten muss Übereinstimmung darüber hergestellt werden, dass diese Bedingung ihr beiderseitiges Verhalten regeln soll – die Übereinstimmung stiftet eine Gemeinsamkeit zwischen den Individuen. S. 26
  • Moralprinzip und Vernunftprinzip können ihrerseits nicht nochmals begründet werden. Denn da das Moralprinzip zusammen mit dem Vernunftprinzip erst festlegt, wie allgemeine Sätze für eine Begründung von Handlungen, Zwecken und Normen benutzt werden sollen, stehen nicht schon vor diesen Prinzipien allgemeine Sätze zur Verfügung, auf die wir uns beziehen könnten. Wir können nur dadurch jemanden zur Befolgung dieser beiden Prinzipien bewegen, dass wir sie zusammen mit ihm zu befolgen versuchen. In der Befolgung der Prinzipien zeigen sich Stufen der Gemeinsamkeit: die Gemeinsamkeit des Handelns (als eine Gemeinsamkeit der Mittel) ist der Gemeinsamkeit der Zwecke unterzuordnen. Die Prinzipien werden nur in ihrer Ausübung einsichtig. S. 72
  • Eigenschaften können Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede von Gegenständen etc. aufzeigen. S. 126

EPh

59 (1,8) Ergebnisse, Es gibt kein entsprechendes Stichwort.

  • Das dritte Problem betrifft die These, dass jeder Gegenstand und jeder Begriff Widersprüche ›in sich enthält‹. Diese These Hegels besagt, dass die Gemeinsamkeit des Gebrauchs von Wörtern, die gemeinsamen Kriterien, nichts Selbstverständliches sind. Sie verlangen eine allgemeine Aufhebung von Tendenzen des individuellen Anders- Urteilens und Widersprechens durch Schaffung von mehr oder minder sicher reproduzierbaren Formen gemeinsamen Urteilens. S. 406
  • Die Methode der Übereinstimmung erlaubt den folgenden Schluss: Eine Anzahl von Phänomenen hat das Merkmal G als einzige Gemeinsamkeit, die potenziellen Ursachen von G stimmen genau in dem Merkmal F überein, also ist F die Ursache von G; S. 1597
  • … solidarisches Verhalten zeigt sich »in der Bereitschaft zur Gemeinsamkeit auch mit dem Fremden, sei es im Handeln, sei es in der moralischen Unterstützung durch Akte der Meinungskundgabe. Entscheidend ist, dass der Fremde, in seiner Andersheit angenommen, ja unterstützt wird. S. 2489

Auswertungen

Das Wort „Gemeinsamkeit“ tritt in allen drei gesichteten philosophischen Nachschlagewerken mit der etwa gleichen Häufigkeit recht selten auf. Es wird nicht als Stichwort thematisiert, ist also kein spezieller Fachterminus. Es wird vor allem in der alltagssprachlichen Bedeutung verwendet, dass zwei mentale oder nicht mentale Existierende ein gemeinsames Merkmal bzw. eine gemeinsame Eigenschaft besitzen. Gelegentlich kommt auch die zweite Bedeutung zum Tragen, die sich auf ein friedliches, harmonisches, verbundenes oder auch gemütliches Zusammenleben von Menschen bezieht.

Es wurden keine Textstellen gefunden, in denen das Vorliegen einer Gemeinsamkeit näher thematisiert wird. Während in der Enzyklopädie Wiktionary davon gesprochen wird, dass die betreffenden Eigenschaften identisch sind, heißt es bei Wikipedia dass die Eigenschaft gleich oder sehr ähnlich sein soll, wobei sich Wikipedia auf Eigenschaften von Personen bezieht. Bei Personen, scheint es trivial, dass nicht von identischen Eigenschaften gesprochen werden kann.

Es wird deutlich, dass bei einer Explikation der Bedeutungen von „Gemeinsamkeit“ die Bedeutungen folgender Wörter eine Rolle spielen: Identität, Gleichheit, Ähnlichkeit, Eigenschaft und Merkmal.

Gleichheit

Literaturanalysen

DWDS

Frequenz: 4,2

Kollokationen:  Brüderlichkeit (9.1, 519), Freiheit (7.5, 1618), Gerechtigkeit (7.5, 624), souverän (6.7, 207), Nichteinmischung (6.7, 98)

Bedeutungen:

Zustand eines ausgewogenen Gleichgewichts, der Gerechtigkeit, des Gleichseins; (aufgrund bestimmter Maßnahmen oder Verhältnisse geschaffene) Übereinstimmung in der Lage von Personen oder der Beschaffenheit von etw.

Gegenwort zu Ungleichheit

Wiktionary

Bedeutungen: Zustand der Unterschiedslosigkeit (oder hoher Ähnlichkeit)

Gegenwörter: Ungleichheit; Oberbegriffe: Ideal; Mathematik: Funktion, Relation

Wiki

Gleichheit bedeutet Übereinstimmung einer Mehrzahl von Gegenständen, Personen oder Sachverhalten in einem bestimmten Merkmal bei Verschiedenheit in anderen Merkmalen.

Gleichheit besteht zwischen zwei oder mehr Objekten und einer oder mehr Eigenschaften. Gleichheit bezeichnet das Verhältnis zwischen den verglichenen Gegenständen oder Personen. Gleichheit kann bestehen bezüglich der Qualität, der Quantität oder der Relation. Sie wird durch die Methode des Vergleichs festgestellt.

Bezogen auf den Menschen ist Gleichheit ein allgemeines Gerechtigkeitsideal, das in seiner Entwicklung mehr als zweitausend Jahre zurückreicht.

HWPh

507 (5,9) Ergebnisse

Im Stichwort „Gleichheit“ (Bd. 3, S. 671-672, Autoren: J. Mittelstrass, D. Schlüter) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Unter logischer Gleichheit versteht man seit LEIBNIZ die Ununterscheidbarkeit mit Hilfe von Aussagen aus einem wohlbestimmten Bereich von Aussagen. Bd. 3, S. 671
  • Gleichheit schließt die Verneinung sowohl des Größer- als auch des Kleinerseins ein. Sie bezieht sich zunächst auf die Einheit in der Quantität, einerlei ob diese als kontinuierliche (Ausdehnung) oder als diskrete (Anzahl) gefaßt wird. In einem weiteren Sinne besagt Gleichheit sodann die Übereinstimmung verschiedener Dinge in ihrem Wesen (Wesens-Gleichheit). Der Versuch, die Identität als absolute oder unbedingte Gleichheit zu definieren (E. v. HARTMANN), ist von der Mehrzahl der Logiker mit der Begründung abgelehnt worden, daß der Begriff der Gleichheit als Relationsbegriff den der Andersheit fordere, während Identität eine jede Andersheit ausschließe. Für die Abgrenzung der einander nahestehenden Begriffe ähnlich und gleich war ARISTOTELES maßgebend: «ähnlich» ist, wessen Qualität, und «gleich», wessen Quantität eine oder dieselbe ist. Auf diesem von der Quantität her gewonnenen Gleichheits-Begriff baute er seine Gerechtigkeitslehre auf. Bd. 3, S. 672

Weitere Zitate:

  • DEMOKRIT wollte mit der Ansicht, daß Atome die verschiedensten Formen haben könnten, zugleich ihre qualitative Gleichheit kundtun. Bd. 1, S. 606
  • Autonomie dagegen entsteht als Folge der reduzierten elterlichen Einflußnahme und zugleich – was entscheidender ist – als Konsequenz des Aufbaus erster Sozialbeziehungen (mit Altersgenossen) unter der Voraussetzung von «Gleichheit», «Zusammenarbeit», «Gegenseitigkeit» und wechselseitiger «Achtung» Bd. 1, S. 716
  • Die dialektische Argumentation erfolgt aus den endoxa, indem gewisse tópoi, d.h. allgemeine Gesichtspunkte rationalen Denkens, wie z.B. die Gleichheit und Verschiedenheit, die Verbundenheit, die Getrenntheit und die Begleitumstände, herangezogen werden, um mittels ihrer die über eine bestimmte Frage bestehenden Meinungen zu bejahen oder zu verneinen. Bd. 2, S. 165
  • „«Das Bewußtsein», schreibt HEGEL, «hat als Selbstbewußtsein … einen gedoppelten Gegenstand, den einen, den unmittelbaren, den Gegenstand der sinnlichen Gewißheit und des Wahrnehmens, der aber für es mit dem Charakter des Negativen bezeichnet ist, und den zweiten, nämlich sich selbst, welcher das wahre Wesen und zunächst nur erst im Gegensatze des ersten vorhanden ist. Das Selbstbewußtsein stellt sich hierin als die Bewegung dar, worin dieser Gegensatz aufgehoben und ihm die Gleichheit seiner selbst mit sich wird“ (Hegel: Phänomenologie des Geistes) Bd. 4, S. 3
  • Von einer Gleichheit zwischen Gegenständen zu reden, erfordert im Unterschied zur Identität stets die Angabe eines Bezugs, hinsichtlich dessen die Gleichheit besteht, etwa Typengleichheit bei Industrieprodukten oder Größengleichheit bei physikalischen Gegenständen relativ zu einer Maßgröße … Bd. 4, S. 145
  • BERGSON nimmt dabei eine außerrationale Erkenntnismöglichkeit an, die er Intuition nennt und die im Gegensatz zur diskursiven Erkenntnis ein komplexes Erfassen des Objekts durch einen Akt des Sichhineinversetzens darstellt. Diese Methode hypostasiert jedoch eine prinzipielle Gleichheit von Subjekt und Objekt und führt Bergson zu einem Biologismus, der das Leben als ‚élan vital zum Wesen der Welt macht. Bd. 5, S. 140
  • Eine ideologiekritische Analyse des Begriffs [Rechtsgleichheit] leistet K. MARX, der schließlich die Abstraktheit des Rechts als solche zum hinreichenden Merkmal für seine Ungleichheit erklärt – nämlich gegenüber den jeweils nicht berücksichtigten, insbesondere den ökonomischen, aber auch den natürlichen Differenzen, die sich unter dem Schutz des Rechts zu ökonomischen entwickeln. Selbst das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit sei daher ungleiches Recht, nämlich für ungleiche Arbeit, und daher «ein Recht der Ungleichheit, seinem Inhalte nach, wie alles Recht» Bd. 8, S. 276
  • Nach H. SPENCER sind alle Denkoperationen «in das Erkennen [recognition] von Gleichheit und Ungleichheit» [7] zerlegbar. Bd. 8, S. 570

MLPh

63 (8,9) Ergebnisse

Im Stichwort „Gleichheit“ (S. 220, Autor: Jörg Pannier) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Gleichheit, setzt im Unterschied zur mathematisch-naturwissenschaftlichen Identitätsaussage einen Vergleich von Verschiedenem voraus. Als wertendes Abstrahieren von Ungleichem bestimmt sie das moralische, politische, rechtliche oder religiöse Verhältnis zwischen Individuen oder Gruppen.
  • Normativ bestimmte Gleichheit bezieht sich auf die Gleichwertigkeit aller Menschen und wird auf deren wesenhafte oder natürliche Gleichheit zurückgeführt.
  • Formale Gleichheit besteht hinsichtlich der Verfahrensgerechtigkeit.
  • Materiale Gleichheit berücksichtigt die Verschiedenheit der Menschen und fordert als Chancen-Gleichheit den gleichen Zugang zu Möglichkeiten.
  • Proportionale Gleichheit richtet sich auf die Gerechtigkeit der Verhältnisse. Während sie geometrisch je nach Tugenden oder Fähigkeiten zuteilt, knüpft sie arithmetisch an der normativen Gleichheit an, indem sie durch Ausgleich versucht, das ethische Postulat der wesenhaften Gleichheit zu erfüllen.

Weitere Zitate:

  • Über das vorliegende Einzelne hinaus wird durch eine definitorische Festlegung bestimmt, worin das gemeinsame Merkmal und damit der Aspekt der Gleichheit mehrerer einzelner Entitäten bestehen soll. S. 6
  • Die in den Grundrechten enthaltenen pragmatischen Entscheidungsnormen, wie Gleichheit,
  • Eigentum oder einige Freiheitsrechte, finden in den Grundnormen ihren absoluten ethischen Rechtsgrund. S. 227
  • B. besteht Symmetrie in der Relation »Geschwister von« oder in der Gleichheit x=y und der Gleichheit y=x, … S. 598
  • Sie fordern daher eine weitgehende Gleichheit von Tier und Mensch. S. 616

EPh

280 (8,7) Ergebnisse,

Im Stichwort „Gleichheit/Ungleichheit“ (S. 919b-924b, Autor: Stefan Gosepath) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • ›Gleichheit‹ kann in zwei Bedeutungen verwendet werden. Erstens im Sinne qualitativer Übereinstimmung, zweitens im Sinn numerischer Identität. In der ersten Bedeutung bezieht man sich mit ›gleich‹ auf mehrere unterschiedliche Gegenstände, die in mindestens einer, aber nicht allen Hinsichten gleiche Eigenschaften haben. Die zweite Bedeutung bezieht sich auf ein und denselben mit sich selbst in allen Merkmalen übereinstimmenden Gegenstand, auf den ggf. mittels verschiedener singulärer Termini bzw. Eigennamen oder Beschreibungen Bezug genommen wird. S. 919 b
  • ›Gleichheit‹ bedeutet Übereinstimmung einer Mehrzahl von Gegenständen, Personen oder Sachverhalten in einem bestimmten Merkmal, bei Verschiedenheit in anderen Merkmalen. ›Gleichheit‹ ist damit sowohl von ›Identität‹ als auch von ›Ähnlichkeit‹, dem Begriff für nur annähernde Übereinstimmung zu unterscheiden. Gleichheit besteht im wesentlichen in einer dreistelligen Relation zwischen zwei (oder mehreren) Gegenständen oder Personen und einer (oder mehreren) Eigenschaften. S. 919b
  • Von zentraler Bedeutung es ist, wie der Maßstab des Vergleichs bei deskriptiver wie präskriptiver Gleichheit bestimmt wird. Bei deskriptiver Gleichheit ist der gemeinsame Maßstab selbst ein deskriptiver: Zwei Menschen wiegen z.B. gleich viel. Präskriptive Gleichheit liegt vor, wenn ein präskriptiver Maßstab, d.h. eine Norm oder Regel verwendet wird, z.B. Gleichheit vor dem Gesetz. S. 920
  • Da in zeitgenössischen Theorien ›Behandlung als Gleiche‹ der moralisch geteilte Standard ist, gehen die heutigen Debatten darum, welche Art von Behandlung normativ gefordert ist, wenn wir uns wechselseitig als Personen mit gleicher Würde achten. Die Debatten drehen sich dabei um zweierlei, erstens ob überhaupt Gleichheit und zweitens, wenn ja, welche Art von Gleichheit gefordert ist. S. 921b

Weitere Zitate

  • Die Gleichheit jedes Menschen (einer der Grundwerte der Moderne) muss mit der Differenz (dem Grundwert der Postmodernität) in Zusammenhang gebracht werden, … S. 93
  • In der Wissenschaft der Logik (1812-1816) gehört das Verhältnis von Ganzes und Teil der ›Wesenslogik‹ an, und drückt daher die dem Wesen eigene relationale Dialektik aus: Ganzes und Teil »bedingen sich gegenseitig«; ihre Ungleichheit erweist sich letztendlich als ihre Gleichheit. S. 762b
  • Die Stoa erweitert den Gemeinschaftsgedanken auf eine alle Menschen einschließende

Weltgemeinschaft und lehrt die in der Vernunft gründende universale Gleichheit aller Menschen. S. 1527

Auswertungen

Das Wort „Gleichheit“ wird in den philosophischen Lexika häufiger als das Wort „Gemeinsamkeit“ verwendet (zweimal, dreimal bzw. fast fünfmal so häufig), tritt aber insgesamt mit maximal neun Ergebnissen pro 100 Seiten selten auf.

In der Alltagssprache wird das Wort Gleichheit, dass selten vorkommt, vor allem in politischen, ethischen und rechtlichen Zusammenhängen verwendet, wie die engen Kollokationen mit Brüderlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit zeigen.

„Gleichheit“ tritt in allen drei Lexika als Stichwort auf und kann so als Terminus in der Philosophie angesehen werden. Im Wesentlichen werden in allen drei Lexika zwei Bedeutungen unterschieden.

  1. Gleichheit als Relation zwischen Menschen
    Bezeichnungen: Wesensgleichheit, qualitative Gleichheit, qualitative Übereinstimmung, präskriptive Gleichheit, normative Gleichheit, formale Gleichheit, materiale Gleichheit, proportionale Gleichheit
  2. Gleichheit als Relation zwischen sonstigen Existierenden, meist als Gegenstände bezeichnet
    Bezeichnungen: logische Gleichheit von Aussagen, Einheit in der Quantität, deskriptive Gleichheit

Die Bedeutung A ist der dominierende Verwendungsaspekt, die Erklärungen zum Stichwort Gleichheit im MLPh beschränken sich sogar auf diesen Aspekt. Auch bei den weiteren Ergebnissen wird das Wort Gleichheit vor allem im politischen, ethischen und rechtlichen Sinne als ein Wertebegriff verwendet.

Als Merkmale des Terminus „Gleichheit“ wird bereits in Wikipedia und in allen drei philosophischen Lexika angegeben, dass es um einen Vergleich von Verschiedenem geht und eine Übereinstimmung in einem bestimmten Merkmal bei Verschiedenheit in anderen Merkmalen vorhanden sein muss. Durch das Merkmal des Vergleichs von Verschiedenem erfolgt eine Abgrenzung vom Terminus der Identität.

Der mathematische Begriff der Gleichheit, der die beiden Merkmale nicht enthält, wird nur sehr selten verwendet (z. B. „Gleichheit x = y“ in MLPh, S. 598).

Über das bisher Gesagte hinaus sind in der Literatur noch folgende Gedanken zu finden:

  • Hegel formuliert, dass das Selbstbewusstsein „die Gleichheit seiner selbst mit sich“ sei. Ebenso formuliert er, dass sich die Ungleichheit von Ganzem und Teil „letztendlich als ihre Gleichheit“ erweist. Diese Feststellungen entsprechen einem Grundgedanken von Hegel, einander bedingende, sich gegenseitig ausschließende Momente als Seiten eines Ganzen und damit als eine Einheit oder Gleichheit zu fassen.
  • Herbert Spencer (1820-1903) war der Auffassung, dass alle Denkoperationen «in das Erkennen von Gleichheit und Ungleichheit» zerlegbar wären (nach HWPh, Bd. 8, S. 570). Dies entspricht der grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnismethode, in den jeweiligen Untersuchungsobjekten nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen und so zu ihrer Strukturierung und dem Aufdecken von Beziehungen beizutragen.

Identität

Literaturanalysen

DWDS

Frequenz: 29,6

Kollokationen:  kulturell (8.4, 2537), national (8.4, 3979), kollektiv (7.0, 541), Suche (6.9, 1057), jüdisch (6.8, 860)

Bedeutungen:

  1. Gleichheit, völlige Übereinstimmung, Wesenseinheit
  2. derjenige, der man ist

Wiktionary

Bedeutungen:

  1. eindeutige Unterscheidbarkeit einer Person oder einer Sache von einer anderen
  2. Mathematik: allgemeine Gleichheit zwischen zwei Termen

Gegenwörter: Anonymität, Ähnlichkeit; Gleichung

Wiki

Identität ist die Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die eine Entität, einen Gegenstand oder ein Objekt kennzeichnen und als Individuum von anderen unterscheiden. In ähnlichem Sinn wird der Begriff auch zur Charakterisierung von Personen verwendet. Dabei steht psychologisch und soziologisch im Vordergrund, welche Merkmale im Selbstverständnis von Individuen oder Gruppen als wesentlich erachtet werden. So folgt die rechtliche Identitätsfeststellung den für Inklusion und Exklusion relevanten Markern moderner bürgerlicher Gesellschaften.

Als Relation zwischen zwei gegebenen Größen bedeutet Identität die völlige Übereinstimmung. Wenn sich zwei Gegenstände des Diskursuniversums in allen Eigenschaften gleichen und daher nicht unterscheidbar sind, spricht man von qualitativer Identität; wenn die in Rede stehenden Gegenstände in Wirklichkeit dasselbe Objekt sind, spricht man von numerischer Identität. Bei Ausdrücken und Begriffen, besonders in der Sprachphilosophie und in der Mathematik, steht Identität analog für die gleiche Intension oder Extension.

HWPh

1393 (16,3) Ergebnisse

Im Stichwort „Identität“ (Bd. 4, S. 144-148, Autoren: Otto Muck, Kuno Lorenz) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Der Ausdruck Identität bezeichnet eine gedankliche Beziehung, welche die durch das diskursive Denken ermöglichte Vervielfältigung der Vergegenwärtigung eines Gegenstandes aufhebt. «A ist identisch mit B» besagt dann: Trotz der Verschiedenheit der Bezeichnung durch A und B ist das damit Bezeichnete nicht Verschiedenes, weshalb die Vervielfältigung und die Unterschiedenheit der Glieder der Identitäts-Beziehung allein im Denken gründet. In weiterer philosophischer Analyse wird die Identität in Abhebung von Differenz aufgefaßt und als Möglichkeitsbedingung des Unterschiedenen und Vielfältigen gesehen. Bd. 4, S. 144
  • Identität heißt in Logik und Mathematik eine ausgezeichnete zweistellige Relation, nämlich diejenige, in der jeder Gegenstand allein zu sich selbst steht. Bd. 4, S. 144
  • Als vollständige oder totale Gleichheit ist die Identität ein Spezialfall der Gleichheit, die ihrerseits auch als teilweise oder partielle Identität bezeichnet und oft mit der Identität verwechselt wird. Bd. 4, S. 145
  • Neben der so als ausgezeichnete zweistellige Relation auf beliebigen Gegenstandsbereichen eingeführten Identität ist es seit LEIBNIZ üblich, auch die folgende, mit rein logischen Mitteln definierte und daher als logische Gleichheit bezeichnete Relation Identität zu nennen:
    A(A(n) « A(m)) (In Worten: Die mit n und m benannten Gegenstände heißen logisch gleich, wenn, bei beliebiger Wahl von Aussagen, eine Aussage über n stets mit der entsprechenden Aussage über m gleichwertig ist; diese sorgfältige Unterscheidung von Gegenstand und Namen wird erst seit FREGE und PEIRCE gemacht, … Bd. 4, S. 146

Im Stichwort „Identität, Ich-Identität“ (Bd. 4, S. 148-151, Autor: Helmut Dubiel) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • FREUD hat den Begriff der Ich-Identität nirgends theoretisch relevant verwendet. Gleichwohl bildet die psychoanalytische Theorie der frühkindlichen Entwicklung und das ihr zugrunde liegende Persönlichkeitsmodell den Hintergrundvieler soziologischer und sozialpsychologischer Id.-Theorien.
  • Auch E. H. ERIKSON, der dem Begriff der «Identität» in den Sozialwissenschaften Anerkennung verschafft hat, ist psychoanalytisch orientiert. Die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes und des Jugendlichen deutet er als eine Abfolge phasenspezifischer psychosozialer Krisen. Sozialisation stellt er als eine Kette von übernommenen und abgestoßenen Identifikationen mit primären Bezugspersonen vor, die erst mit der Adoleszenz abschließt. Nach Erikson ist daher eine Person erst nach dem Abschluß der Adoleszenz mit sich identisch; erst dann kann ihr Ich-Identität zugesprochen werden.
  • Analog zum Begriff der personalen Identität auf der Ebene des personalen Systems benutzt Erikson den Begriff Gruppen-Identität auf der Ebene des sozialen Systems.
  • Um die deutsche Rezeption und Systematisierung der nahezu ausschließlich in den USA entwickelten Konzepte von Ich-Identität hat sich J. HABERMAS verdient gemacht. … Die persönliche Identität äußert sich in der Einheit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte, die soziale Identität in der Zugehörigkeit eines Individuums zu verschiedenen Bezugsgruppen. … Ich-Identität ist für Habermas so die Balance von sozialer und persönlicher Identität. Hergestellt und aufrechterhalten wird diese Balance durch eine nur paradox zu beschreibende Interaktionstechnik: Einerseits insistiert die Person auf ihrer sozialen Identität, indem sie mit den Gegenspielern der jeweiligen Interaktionssituation im Rahmen normierter Erwartungen identisch zu sein versucht …; andererseits versucht sie, diese Identität als eine nur scheinhafte zu signalisieren, um nicht den Anspruch auf individuelle Unverwechselbarkeit aufgeben zu müssen.

Weitere Zitate

  • Besonders für Schelling zur Zeit der Identitätsphilosophie ist Kunst dann Organon der Philosophie als Darstellung des Absoluten in der Identität von Objektivem und Subjektivem. Bd. 1, S. 17
  • Das Fortschreiten zum Positiven, das «Prinzip aller natürlichen und geistigen Lebendigkeit überhaupt», kennzeichnet erst die Dialektik als spekulative Dialektik. Dieses resultierende Positive oder die Identität oder das Absolute nennt Hegel in der Differenzschrift und der Logik die «Identität der Identität und der Nichtidentität» oder in der Formulierung des Systemfragments: die «Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung», die das Leben ist. Bd. 2, S. 191
  • In der als Schranke gedachten Tathandlung setzt das Ich die genannten Gegensätze in ihm selbst zueinander in Beziehung, indem es beide Seiten «einschränkt», «teilt», und dennoch in eine Einheit zusammenführt. Dadurch gibt sich das Ich nicht als unbeschränkte, und das heißt konfuse Identität von Setzen und Entgegensetzen, was einer Selbstaufhebung des Ich gleichkäme, sondern als in sich durch die «Schranke» konturierte Identität oder Einheit. Bd. 3, S. 112
  • Müssen doch zu seiner Möglichkeit die wenigstens partiale Identität bzw. partiale grundsätzliche Übereinstimmung von mindestens sechs verschiedenen Kategorien-Gruppen behauptet werden. Bd. 4, S. 763
  • Die Logik beruht insofern auf dem metaphysischen Prinzip der Identität von Denken und Sein. Da sie als grundlegende philosophische Disziplin diese Identität nicht voraussetzen darf, fällt deren Erweis in die Logik selbst, der insofern die Funktion des ontologischen Gottesbeweises zukommt. Bd. 5, S. 391
  • Die berühmte These Durkheims freilich, daß das Phänomen, dessen pathologischer Charakter unbestritten ist, das Verbrechen, ein «regulärer Wirkungsfaktor des sozialen Lebens» und insofern «normal» ist, entspricht dem Paradigma der substanziellen Identität des Normalen und des Pathologischen: Der «Normaltypus» des sozialen Lebens kontinuiert sich durch die beiden entgegengesetzten Erscheinungsformen hindurch. Bd. 6, S. 925
  • Identität von etwas mit sich selbst ist die allgemeinste Relation, da sie für jedes Wesen von einiger Dauer gilt. Bd. 8, S. 598
  • Während die Identität der Person bzw. des Selbst eine vollkommene Identität ist, die keine Gründe zuläßt, ist nach Reid die Identität natürlicher oder künstlicher Körper «not a perfect identity» Bd. 9, S. 297
  • Noch unterschieden von der Logik, konstruiert die Metaphysik «den Geist als Idee» und gelangt zur «absoluten Sichselbstgleichheit, zur absoluten Substanz». Diese absolute Identität der Substanz ist präziser zu fassen als «Einheit der Indifferenz und des Verhältnisses». Die beiden möglichen Formen der in diesem Verhältnis gedachten «relativen Identität» von Einheit und Vielheit führen zu den beiden einzigen Attributen der Substanz, die in der Natur- bzw. Geistphilosophie expliziert werden: der physischen bzw. sittlichen Natur; absolut und unendlich wie die Substanz sind sie es, in denen diese sich selbst ausdrückt. Bd. 10, S. 535
  • Die «allseitige, universelle Elastizität (гибкость) der Begriffe …, die bis zur Identität der Gegensätze geht», vermag allein die Wirklichkeit zu fassen. Bd. 12, S. 538

MLPh

180 (25,5) Ergebnisse

Im Stichwort „Identität“ (S. 257-258, Autor: Peter Prechtl) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • (1) In Aussagen über die Wirklichkeit erscheint eine Form des Identitätsprinzips, die die ontologische These beinhaltet, dass alles Seiende eine gewisse Konstanz des Seins hat.
  • (2) Terminus zur Bezeichnung einer vollständigen oder absoluten Gleichheit. Das Substitutionsprinzip der Identität besagt: Gilt a = b, so kann man a und b überall durcheinander ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert der Sätze ändert.
  • (3) Die anthropologische Bestimmung der Identität nimmt auf verschiedene Theorien Bezug.

Im Stichwort „Identität, personale“ (S.258-259, Autoren: Michael Quante, Peter Prechtl, Christian Tewes) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Die Frage nach der personalen Identität zielt auf eine Analyse der Bedingungen, in denen diachrone (zeitübergreifende) Identität besteht. Es lassen sich zwei grundlegende Ansätze unterscheiden, personale Identität auf andere Relationen zurückzuführen.
  • Nach dem Körperkriterium besteht die Identität einer Person zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in der Kontinuität des Körpers während dieses Zeitraums.
  • Dem psychischen Kriterium zufolge lässt sich personale Identität analysieren als Kontinuität zwischen den psychischen Zuständen zu verschiedenen Zeitpunkten, vor allem von Erinnerungen an vergangene Erlebnisse.

Weitere Zitate:

  • Für Hegel besteht die Freiheit des Selbst nicht im ausschließenden Negieren des Anderen, sondern in der Einsicht, eine gemeinsame Identität mit ihm zu haben, nämlich ein freies Subjekt zu sein. S. 26
  • Unserer alltäglichen Auffassung nach setzt gelingende Kommunikation nämlich die strikte Identität des Verstandenen voraus. Wir gehen davon aus, dass ein Sprecher und ein Hörer identische Bedeutungen verstehen, wenn sie miteinander kommunizieren. S. 63
  • Hegel geht in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Identität und dem Unterschied einen Schritt weiter, indem er den Charakter dieses Verhältnisses als Grund dialektisch denkt. Der Grund ist einerseits die Einheit der Identität und des Unterschiedes. Als Grund ist die Einheit jedoch keine bloße Identität mit sich, sondern sie ist immer Grund von einem Anderen. Deshalb ist der Grund auch der Unterschied der Identität und des Unterschiedes (Encyclopädie). Als Reflexionsbestimmung des Wesens hat der Unterschied bei Hegel drei Formen: Als bloße Verschiedenheit verhalten sich Identität und Unterschied gleichgültig nebeneinander und sind reflexiv nur jeweils auf sich selbst bezogen. Als Gegensatz gewinnen Identität und Unterschied überhaupt erst ihre je eigene Bestimmung durch ihre gegenseitige Beziehung aufeinander als ihr Anderes. Diese beiden Momente des Unterschiedes zusammen sind der gesetzte Widerspruch sowohl an sich als auch für sich, der sich in der Einheit des Grundes auflöst (Wissenschaft der Logik). S. 114
  • Ereignisse werden abgegrenzt von materiellen Gegenständen und Personen. Als spezifische Identitätsbedingungen für Ereignisse werden genannt: kausale Ereignisindividuation, d. h. Identität von Ereignissen mit identischen Ursachen und Wirkungen (Davidson); … S. 146
  • Aus dem Gegensatz von Identität und Unterschied wird die Einheit von Identität und Verschiedenheit, d. h. die Identität beider, die darin gegeben ist, dass jeder sich selbst bestimmt, indem er auf das Andere seiner selbst bezogen ist. S. 198
  • In der zeitgenössischen Philosophie des Geistes wird die metaphysische Frage nach der Identität von mentalen und physischen Eigenschaften besonders intensiv von epistemischen Erwägungen mitbestimmt. S. 259
  • Im Rahmen seines Prinzips der Identität legt Leibniz fest, dass zwei Individuen der tatsächlich existierenden Welt dann und nur dann identisch sind, wenn ihre vollständigen Begriffe identisch sind. Das Prinzip der Identität besagt, dass Dinge dieselben sind, wenn es möglich ist, überall das eine durch das andere zu ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert verändert. S. 591

EPh

519 (16,2) Ergebnisse

Im Stichwort „Identität/Diversität“ (S. 1062u-1067b, Autor: Geo Siegwart) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Ein Gegenstand ist von einem Gegenstand schlechthin ununterscheidbar bzw. stimmt mit ihm schlechthin überein genau dann, wenn der Erstgenannte von dem Letztgenannten nicht unterscheidbar ist, also genau dann, wenn es kein Attribut gibt, das den Erstgenannten von dem Letztgenannten unterscheidet, mithin genau dann, wenn alle Attribute dem Erstgenannten dann und nur dann zukommen, wenn sie auch dem Zweitgenannten zukommen. Ein Gegenstand soll nun genau dann mit einem Gegenstand identisch sein, wenn zwischen dem Erst- und dem Zweitgenannten Ununterscheidbarkeit schlechthin vorliegt. S. 1063
  • Jede der skizzierten Einführungsstrategien erlaubt den Nachweis, dass (in materialer Redeweise) die Identität eine totale Gleichheit darstellt: Eine Gegebenheit ist mit einer Gegebenheit genau dann identisch, wenn die Erstgenannte mit beliebigen Gebilden dann und nur dann zusammenfällt, wenn dies auch für die Letztgenannte gilt: … 1065

Das Stichwort „Identität, personale“ verweist auf das Stichwort „Person/Persönlichkeit“ (S. 1922u-1925b, Autor: Dieter Sturma), in dem u. a. folgende Aussagen enthalten sind:

  • Der systematische Kern der Philosophie der Person ist nach wie vor die Theorie personaler Identität. Sie hat sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, ob und wie Personen vor dem Hintergrund ihrer offenkundigen physischen und psychischen Veränderungsprozesse eine durchgängige Identität zugeschrieben werden kann. Die verschiedenen Positionen lassen sich grob in einen simple view (Chisholm, Swinburne, Wiggins, Baker) und einen complex view bzw. relationalen Ansatz (Lewis, Parfit, Shoemaker, Williams) unterteilen. S. 1923b
  • Der simple view ist im systematischen Kern substanzphilosophisch verfasst und behandelt personale Identität als basalen Sachverhalt, der sich nicht aus den Eigenschaften erklären lässt, die Personen im Laufe ihres Lebens erwerben bzw. verlieren können. Der Identitätssinn wird als ein Faktum behandelt, das dem beobachtbaren Phänomen des Lebens von Personen zugrunde liegt, selbst aber kein mögliches Korrelat von empirischen Identifizierungen ist. S. 1924
  • Demgegenüber unterstellt der complex view, dass der Sachverhalt personaler Identität prinzipiell durch die physischen Kontinuitäten des menschlichen Körpers bzw. des Gehirns sowie durch die psychische Kontinuität des menschlichen Bewusstseins erklärbar sei. Die Theorie personaler Identität könne denn auch ohne substanzphilosophische Präsuppositionen, allein mit Hilfe von relationalen Bestimmungen, die sich auf extrinsische oder intrinsische Eigenschaften des Lebens von Personen beziehen, bestritten werden. S. 1924

Weitere Zitate:

  • Eine kritische Debatte um den Bedeutungsbegriff wurde von W. V. O. Quine initiiert. Quine möchte auf diesen Begriff verzichten. Es gibt ihm zufolge kein Kriterium der Identität für die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. S. 215
  • Die Frage danach, ob zwischen einer synchronen und diachronen Identität unterschieden werden solle, behandelt u.a. Peter Geach. … Die These, Identität könne nur in Bezug auf Aspekte vorliegen, ist aber zu unterscheiden von der Einsicht, dass die Rede von Identität und Ungleichheit immer nur in einem Gegenstandsbereich Sinn und Bedeutung hat, auf dem erstens prädikative Unterscheidungen definiert sind, zweitens eine dazu passende Identifizierung bzw. Gleichung x = y. S. 1059
  • Damit ist Kompetenz nicht als feste Identität konzipierbar, sondern nur prozessorientiert denkbar; Kompetenzentwicklung kann nur als Herstellung einer entsprechenden Ermöglichungssituation zur Selbstorganisation betrieben werden. S. 1270b
  • In diversen ontologischen Überlegungen spielt die Unterscheidung von qualitativer und numerischer Identität eine zentrale Rolle. … Wenn zwei Kinder das gleiche Fahrrad haben, mit denen man sie um die Wette fahren sieht, so hat man es mit Identität im weiteren Sinne, mit qualitativer Identität zu tun. Noch eindeutiger kann man in diesem Fall von exakter Ähnlichkeit sprechen. Erfährt man nun, dass die beiden Kinder dieselbe Mutter haben, so ist diesmal strikte Identität gemeint. Man nennt dies auch numerische Identität, da es sich um ein und dieselbe Person handelt, welche die Mutter dieser Kinder ist. Numerische Identität unterliegt dem Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen, d.h. sind x und y numerisch identisch, so haben sie exakt dieselben Eigenschaften. S. 1867, Autor: Meinard Kuhlmann
  • In der Phänomenologie des Geistes (1807) wird dann als ›Prinzip des Prozesses‹ die Negativität bestimmt, genauer als »Fürsichsein im Anderssein«.[19] Damit werden |Dialektik und Prozessbegrifflichkeit zu verschwisterten Konzepten. Etwas philosophisch darzustellen, und es als Prozess darzustellen werden zu identischen Konzepten. Prozess als Dialektik ist sowohl ein Darstellungsverfahren als auch der Prozess des Sichselbstdarstellens des Geistes. So sind auch bei Hegel die Begriffskomponenten des durchgeführten Prozesses und des sich durchführenden Prozesses zu einer Identität integriert. S. 2167

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung des Wortes

Das Wort „Identität“ wird in der Alltagssprache häufig verwendet, die Frequenz hat sich nach der Wortverlaufskurve im DWDS seit den sechziger Jahren verzehnfacht. Wie bereits die Kollokationen mit den fünf höchsten logDice-Werten zeigen, wird das Wort vor allem im Zusammenhang mit Personen und Personengruppen verwendet. Dies betrifft auch alle übrigen Kollokationen im DWDS-Wortprofil.

In den philosophischen Lexika ist die Häufigkeit des Wortes „Identität“ zwei bis dreimal so groß wie die des Wortes „Gleichheit“.

„Identität“ ist in allen drei Lexika ein Stichwort, in der EPh zusammen mit Diversität. In allen drei Lexika gibt es weiterhin das Stichwort „personale Identität“ bzw. „Ich-Identität“ (HWPh), das den personenbezogenen Aspekt das Wortes „Identität“ behandelt.

Zunächst ist festzustellen, dass es weder in den drei Internet-Enzyklopädie noch in den drei untersuchten philosophischen Lexika innerhalb der betreffenden Stichworte eine vollständige Explikation des Wortes „Identität“ gibt. Es werden immer jeweils nur einzelne Momente angesprochen.

Das Wort „Identität“ wird zum einen bezogen auf ein einzelnes Existierendes und zum anderen als Relation zwischen zwei Existierenden verwendet.

Identität als Merkmal eines einzelnen Existierenden

Identität als ein Merkmal eines einzelnen Existierenden wird vor allem für Personen oder Personengruppen verwendet. Diese Bedeutung wird in den philosophischen Lexika nicht innerhalb des Stichwortes „Identität“ diskutiert, sondern in dem gesonderten Stichwort „Identität, personale“ (in EPh weitergeleitet auf „Person/Persönlichkeit“) bzw. „Ich-Identität“. Dabei geht es um das psychologische bzw. soziologische Problem, inwieweit von einer Identität einer Person bzw. einer Gruppenidentität gesprochen werden kann. In den betreffenden Stichworten sind unter anderem folgende Aussagen enthalten:

  • „Der systematische Kern der Philosophie der Person ist nach wie vor die Theorie personaler Identität. Sie hat sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, ob und wie Personen vor dem Hintergrund ihrer offenkundigen physischen und psychischen Veränderungsprozesse eine durchgängige Identität zugeschrieben werden kann.“ (EPh, S. 1923b)
  • Zum Problem der diachronen Identität einer Person gibt es verschiedene Theorien. So wird die Identität einmal als ein gegebenes, nicht empirisch bestimmbares Faktum angesehen oder die Identität in Bezug auf die Kontinuität der körperlichen bzw. psychischen Entwicklung verstanden.
  • In Auswertung der nahezu ausschließlich in den USA entwickelten Konzepte von Ich-Identität hat J. HABERMAS zusammenfassend festgestellt, das sich persönliche Identität in der Einheit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte und die soziale Identität in der Zugehörigkeit eines Individuums zu verschiedenen Bezugsgruppen äußert. Ich-Identität ist für Habermas ein Verhältnis von sozialer und persönlicher Identität. Einerseits insistiert die Person auf ihrer sozialen Identität, indem sie mit den Gegenspielern der jeweiligen Interaktionssituation im Rahmen normierter Erwartungen identisch zu sein versucht, andererseits versucht sie, diese Identität als eine nur scheinhafte zu signalisieren, um nicht den Anspruch auf individuelle Unverwechselbarkeit aufgeben zu müssen. (nach HWPh Bd. 4, S. 150)

Eine Übersicht über verschiedene Theorien zur personalen Identität ist in Wikipedia enthalten (https://de.wikipedia.org/wiki/Identität, Version vom 19.02.2021).

Bei Wikipedia und in MLPh wird der Gedanke der Identität einer Person auf sämtliche existierende Objekte ausgeweitet. Identität ist danach die „Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die eine Identität einen Gegenstand oder ein Objekt kennzeichnen und als Individuum von anderen unterscheiden.“ (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Identität, Version vom 19.02.2021). In MLPh wird dies bezeichnet als „eine Form des Identitätsprinzips, die die ontologische These beinhaltet, dass alles Seiende eine gewisse Konstanz des Seins hat, … die Voraussetzung für jegliches Wissen [ist], das bei einer völlig regellosen, chaotischen und dauernden Veränderung nicht möglich wäre.“ (MLPh, S. 257).

Bei der Identität als Merkmal eines Existierenden lassen sich in folgende Momente unterscheiden.

  1. Ein einzelnes Objekt soll eindeutig identifiziert werden. Ein Beispiel dafür ist die Seriennummer eines Gerätes. Als Seriennummer wird eine Identifikationsnummer bezeichnet, mit der Serienprodukte vom Hersteller markiert werden. Jede Seriennummer innerhalb einer Gerätegattung ist einmalig, so dass ich damit jedes Gerät durch den Hersteller eindeutig identifizieren lässt. Zur eindeutigen Identifizierung von Personen ab dem 16. Lebensjahr wird die Nummer des Personalausweises und für Steuerzahler die persönliche steuerliche Identifikationsnummer verwendet.
  2. Aus prozessualer Sicht geht es um das Problem der zeitlichen Veränderungen eines Objektes. Jedes elektronische Gerät, jeder Mensch, auch jeder Stein und erst recht jede Gesellschaft verändern sich im Laufe der Zeit. Mit dem Begriff der Identität soll erfasst werden, inwieweit sich bestimmte Merkmale des Objektes im Laufe der Zeit nur unwesentlich ändern. Wesentliche Veränderungen wären etwa der Ausfall des Gerätes, eine schwere Erkrankung des Menschen, dass Erodieren des Steins oder eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft.
  3. Ein weiteres Moment der Identität ist das Verhältnis von wesentlichen Merkmalen und Besonderheiten eines Objektes. Das wesentliche Merkmal eines Gerätes ist die Gattung und die Besonderheiten ergeben sich aus den konkreten Bedingungen der Herstellung des Gerätes. Bei Menschen geht es um das Verhältnis wesentliche Eigenschaften und individueller Besonderheiten.

Aus den Beschreibungen der Momente ist ersichtlich, dass sich die betreffenden Sachverhalte auch ohne Verwendung des Wortes Identität beschreiben lassen. Bis auf das Moment A ist zudem eine genaue Erklärung dessen, was Identität bedeutet, kaum möglich.

Die bisherigen Betrachtungen und Beispiele beziehen sich auf nichtmentale Objekte. Sie lassen sich aber auch auf mentale Objekte wie Gedanken und Theorien übertragen. Auch Auffassungen oder Theorien eines oder mehrerer Menschen verändern sich im Laufe der Zeit und das kann die Frage untersucht werden, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Veränderungen handelt. Die Verwendung des Wortes „Identität“ ist aber auch in diesem Fall verzichtbar bzw. wenig sinnvoll.

Identität als Relation zwischen zwei Existierenden

Die Mehrzahl der Aussagen in den analysierten Texten betrifft die Verwendung des Wortes „Identität“ als Beziehung zwischen zwei Existierenden. Dabei lassen sich zwei grundlegend verschiedene Verwendungen unterscheiden.

Identität als Grad der Übereinstimmung

Das Wort Identität steht in engem Zusammenhang mit „Gleichheit“ und „Nichtunterscheidbarkeit“. So wird „Identität“ als Spezialfall der Gleichheit im Sinne einer vollständigen, absoluter totalen Gleichheit erklärt (HWPh, Bd. 4, S. 145).

Wenn zwei Objekte nicht unterscheidbar sind, spricht man von qualitativer Identität oder Identität im weiteren Sinne. Handelt es sich um dasselbe Objekt spricht man von numerischer oder strikter Identität (EPh, S. 1867).

Die Identität oder logische Gleichheit zweier Gegenstände wird dadurch erklärt, dass eine beliebige Aussage über einen der Gegenstände mit der gleichen Aussage über den anderen Gegenstand gleichwertig ist (HWPh, Bd. 4, S. 146).

Bei Wikipedia und im HWPh wird Identität als Phänomen des Diskurses (Denken) bezeichnet. Trotz der Verschiedenheit zweier Bezeichnungen ist das damit bezeichnete nicht Verschiedenes, sodass die Unterschiedenheit der Glieder der Identitäts-Beziehung allein im Denken begründet ist. (HWPh, Bd. 4, S. 144).

Unter partialer Identität wird die partiale grundsätzliche Übereinstimmung verstanden (HWPh, Bd. 4, S. 763).

Gelegentlich wird auch auf dem Begriff der Identität in der Mathematik unter Logik eingegangen. In der Mathematik heißen zwei Terme, die Variablen enthalten, identisch, wenn sich bei allen Belegungen von Variablen jeweils der gleiche Wert der Terme ergibt.

In allen drei philosophischen Nachschlagewerken wird im Stichwort „Identität“ ausschließlich diese Verwendung des Wortes diskutiert, wobei teilweise sehr ausführliche logische und sprachanalytische Betrachtungen angestellt werden.

Diese Bedeutungen des Wortes „Identität“ entsprechen in der Alltagssprache den Formulierungen „der gleiche“ bzw. „derselbe“. In der Enzyklopädie Philosophie wird auf den Zusammenhang zwischen qualitativer und numerischer Identität und Formulierung in der Alltagssprache am Beispiel des gleichen Fahrrades, das zwei Kinder haben und derselben Mutter dieser Kinder eingegangen (S. 1867, Autor: Meinhard Kuhlmann). Die Wortkombinationen qualitative und numerische Identität sind also für eine Verständigung im Alltag über das betreffende Problem verzichtbar.

Der von Leibniz eingeführte Begriff der logischen Gleichheit zweier Gegenstände ist wenig handhabbar, da er eine Aussage über alle möglichen Aussagen beinhaltet, die im konkreten Fall nicht alle überprüft werden können.

Dass es zwei verschiedene Bezeichnungen für dasselbe Objekt gibt wird mit dem linguistischen Begriff der Synonymie erfasst. Synonyme Wörter beziehen sich auf denselben Gegenstand.

Die Wortkombination „partiale Identität“ ist verzichtbar, da mit der Formulierung „partiale grundsätzliche Übereinstimmung“ die gleiche Bedeutung zum Ausdruck gebracht wird.

In der Mathematik wird oft nicht streng zwischen den Termini „Gleichheit“ und „Identität“ unterschieden, identische Terme werden auch als gleiche Terme bezeichnet.

Insgesamt ergibt sich das das Wort „Identität“ in der betrachteten Bedeutung bei philosophischen Erörterungen verzichtbar ist.

Identität als Einheit von Gegensätzen

Ohne dass über die Verwendung des Wortes „Identität“ in der Bedeutung als Einheit von Gegensätzen explizit reflektiert wird, findet sich in allen drei philosophischen Lexika diese Art der Verwendung, insbesondere bei Ausführungen zu den Ansichten von Hegel. Beispiele dafür sind die Identität von

  • Identität und Nichtidentität/Verschiedenheit,
  • Denken und Sein,
  • Objektivem und Subjektivem,
  • Normalem und Pathologischem,
  • natürlichen und künstlichen Körpern,
  • dem Selbst und dem Anderen,
  • mentalen und physischen Eigenschaften.

Anstelle von „Identität“ wird teilweise auch das Wort „Einheit“ verwendet, zum Beispiel in dem folgenden Zitat: „Aus dem Gegensatz von Identität und Unterschied wird die Einheit von Identität und Verschiedenheit, d. h. die Identität beider, die darin gegeben ist, dass jeder sich selbst bestimmt, indem er auf das Andere seiner selbst bezogen ist“ (MLPh, S. 198).

Diese insbesondere von Hegel im Anschluss an Schelling verwendete Bedeutung des Wortes „Identität“ soll die wechselseitige Bedingtheit der betreffenden Gegensätze und damit ihre Untrennbarkeit zum Ausdruck bringen. Aus terminologischer Sicht entstehen aber durch diese Art von Verwendung eine Reihe von Problemen und Verständnisschwierigkeiten. So trifft die Bedeutung von Identität zweier Objekte als totale Übereinstimmung, wie sie auch in der Alltagssprache verwendet wird, für die Identität von Gegensätzen nicht zu. Der Terminus „Identitätsprinzip“ erhält zwei verschiedene Bedeutungen. Es muss zwischen der Identitätsphilosophie von Schelling und von Hegel unterschieden werden. Und schließlich tragen solche Formulierungen wie „die Identität von Identität und Nichtidentität“ eher zur Verwirrung und nicht zum Verständnis der Grundideen von Hegel bei.

Aus diesen Gründen sollte das Wort „Identität“ nicht in dieser Bedeutung verwendet werden. Mit dem auch jetzt schon in den Texten an seiner Stelle verwendeten Wort „Einheit“ lässt sich der Sachverhalt in gleicher Weise und weitaus verständlicher beschreiben.

Einheit

Literaturanalysen

DWDS

Frequenz: 38,7

Kollokationen:  kulturell (8.4, 2537), national (8.4, 3979), kollektiv (7.0, 541), Suche (6.9, 1057), jüdisch (6.8, 860)

Bedeutungen:

  1. die ein Ganzes bildende Verbundenheit, Unteilbarkeit, Ganzheit; das zu einem Ganzen Verbundene, Unteilbare
  2. Größe zur Maßbestimmung
  3. zahlenmäßig nicht festgelegter, einheitlicher militärischer Verband

Wiktionary

Bedeutungen:

  1. selten im Plural: das oder ein Ganzes, das Zusammengehörige, Zusammengefügte, Vereinigte, Untrennbare
  2. Physik: messtechnische Vergleichsgröße
  3. Militär: Gliederungsform von Truppenteilen unterhalb der Verbandebene
  4. aus verschiedenen Komponenten bestehendes Zusammengehöriges, das einer spezifischen Funktion dient und Teil eines übergeordneten Ganzen ist

Wiki

Einheit steht für:

  • Maßeinheit, physikalische Größe
  • Einheit (Mathematik), Element der Algebra
  • Einheit von Zeit, Ort und Handlung in der Dramentheorie, siehe Drei Aristotelische Einheiten

organisatorisch:

  • Organisationseinheit, kleinste Einheit in der Organisationslehre
  • Einheit (Militär), kleinster Truppenteil der Bundeswehr
  • Taktische Einheit bei Feuerwehren und Hilfsorganisationen

philosophisch:

  • das Eine, höchstes Prinzip
  • Alleinheit, Einheit des Alles

HWPh

4350 (50,7) Ergebnisse

Im Stichwort „Einheit und Vielheit der Wesensform“ (Bd. 2, S. 400-405, Autor: A. HUNING sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Bei der Erörterung des Hylemorphismus spielt in der Scholastik die Frage nach Einheit oder Vielheit der die Materie bestimmenden Wesensform eine besondere Rolle, die am platonisch-aristotelischen Ursprung dieser Theorie noch nicht ausdrücklich gestellt wurde.
  • Beide Erklärungsversuche, die Lehre von der Einzigkeit der substantiellen Wesensform wie die Annahme einer Vielheit von Wesensformen, halten sich im Rahmen des Hylemorphismus, nach welchem die Naturkörper, belebte wie unbelebte, zusammengesetzt sind aus Materie und Form.

Weitere Zitate

  • Der Begriff Allheit wird aber erst durch KANT mit der transzendentalen Deduktion in der ‹Kritik der reinen Vernunft› philosophisch relevant. Allheit ist innerhalb der Tafel der Kategorien die dritte der Qualität und wird bestimmt als die Verbindung der beiden ersten. Einheit und Vielheit stellen einen logischen Gegensatz dar, der in der reinen Synthesis der transzendentalen Kategorie der Allheit nicht als sich ausschließender Gegensatz bleibt: «So ist die Allheit (Totalität) nichts anders als die Vielheit, als Einheit betrachtet» 1, S. 192
  • So sehr das Verfahren der Dialektik also durch ihre Negativität bestimmt ist, so wenig schließt es sich, wie bei Kant, von der Einheit der einander Entgegengesetzten und von dem Positiven im Negativen aus. Bd. 2, S. 191
  • «Im Gegensatz ist die bestimmte Reflexion, der Unterschied vollendet. Er ist die Einheit der Identität und der Verschiedenheit» (Hegel, Wissenschaft der Logik), Bd. 3, S. 114

MLPh

330 (46,8) Ergebnisse

Im Stichwort „Einheit“ (S. 129, Autorin: Peter Eisenhardt) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Die numerische Einheit ist nach Frege bedeutungsgleich einer Anzahl oder Vielzahl von Gegenständen, die gegen andere Gegenstände bestimmt abgegrenzt sind …
  • Die ontologische Einheit bezeichnet die globale Einheit des Seienden als seine Tiefenstruktur, aus der die Vielheit der Seienden als Erscheinung oder gar Schein hervorgeht, …
  • Die erkenntnistheoretische Einheit bezieht sich auf die Gegenstandskonstitution, die in der Transzendentalphilosophie Funktion der Einheit des Bewusstseins ist; auf der Ebene der Wissenschaftstheorie gibt es das Ziel, die Einheit des Wissens durch Einheit der Wissenschaften in einer einheitlichen Sprache oder Theorie zu realisieren.
  • Die physische Einheit eines Gegenstandes besteht in seiner räumlichen Abgrenzung und zeitlichen Identität, die funktionale Einheit eines Systems in seiner einheitlichen Wirkungsweise.

Weitere Zitate

  • Ein Aktvollzug kann mithin als eine Einheit bezeichnet werden aus dem Akt selbst und der ihm (als Bestandteil) inhärierenden Potenz zu dessen Aktualisierung. S. 14
  • Hegel zufolge, der hier Fichte und Schelling zustimmt, muss man den »reinen Begriff« – ausgehend von Kants Begriff der produktiven Einbildungskraft – als Einheit von formaler und inhaltlicher Bestimmung denken. S. 18
  • Hegels Begriff der Allgemeinheit ist daher nicht der einer abstrakten Allgemeinheit, die das Gemeinsame einer Menge von Mannigfaltigem bezeichnet, sondern die Einheitsstruktur des »reinen Begriffs« selbst als Subjekt in der Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungsinhalte. Als diese Einheit in einem Mannigfaltigen ist der »reine Begriff« Totalität, oder wie Hegel auch sagt, »konkrete Allgemeinheit«. S. 18

EPh

999 (31,1) Ergebnisse

Im Stichwort „Einheit/Vielheit“ (S. 466bu-471, Autorin: Vesa Oittinen) sind u. a. folgende Aussagen enthalten:

  • Einheit und Vielheit sind korrelative Begriffe, die verwandt werden zur Bezeichnung numerischer Entitäten, dem Verhältnis vom Ganzen und Elementen, Gruppe und Individuum usw.
  • Das Eins wird zuerst als abstraktes Fürsichsein bestimmt. Damit kann Hegel nachweisen, dass es im Eins eine Relation- zu- sich gebe. Aus dieser Beziehung- zu- sich beginnen dann die Bestimmungen herzufließen, denn als Beziehung auf sich ist das Eins »unendliches Selbstbestimmen«. Eins, als Bezogenes, enthält das Negative als Beziehung, verhält sich zu sich negativ (d.h. repulsiv) und kommt damit zum Setzen der vielen Eins, die »das eigene Außersichkommen des Eins« seien.
  • Die Vielheit, die schon im Einen anwesend war als die negative Seite seiner Selbstbeziehung, negiert sich fortan wieder: die Repulsion, in die das Eins sich zersplitterte, geht in die Attraktion über, weil die vielen einander repellierenden Eins sich jedoch einander als seiende voraussetzen müssen. Die Entwicklung ist damit – laut Hegel – vollendet: das Eins hat dadurch, dass es sich auf sich selbst bezog, sein Anderssein (die Vielen) von sich abgestoßen und sich dann wieder konstituiert, indem die Vielen auch ihr Anderssein (das Eins) gesetzt haben. Das Eins ist im Grunde »nur dieses Werden«, d.h. diese Bewegung nach dem Prinzip der Negation der Negation.
  • Hegels Selbstbezüglichkeits- Ontologie stellt auch bis heute die am weitesten entwickelte dialektische Theorie der Einheit und Vielheit dar. In der marxistischen Philosophie ist es nicht gelungen, eine kohärente Auffassung der Einheit/Vielheit-Problematik auszuarbeiten, obgleich u.a. über die Kategorie der Totalität viel diskutiert worden ist.

Weitere Zitate

  • Somit ist die transzendentale Einheit der Apperzeption im Sinne Kants nichts anderes als das Prinzip der Vereinigung des Mannigfaltigen unserer Vorstellungen in unserem Bewusstsein zu synthetischen Einheiten, die Kant die Kategorien nennt. S. 137b
  • Die phänomenale Welt wie auch das phänomenale Selbst bilden dabei eine unhintergehbare Einheit. Der klassischen Frage nach der Unteilbarkeit und Einheit des Bewusstseins bei Descartes, Kant oder Brentano entspricht eine höchststufige phänomenale Eigenschaft, die Eigenschaft der Ganzheit S. 184b
  • Sinnlichkeit und rationale Verarbeitung bilden in jedem Moment des Prozesses der Erkenntnis eine Einheit. S. 580

Auswertungen und Schlussfolgerungen zur Verwendung des Wortes

Das Wort „Einheit“ wird in der Alltagssprache häufig verwendet, weitaus häufiger als die Wörter „Gemeinsamkeit“ und „Gleichheit“ und etwas häufiger als das Wort „Identität“.

Die Hauptbedeutung im Alltag, die auch in den angegebenen Konnotationen erkennbar ist, ist die Bezeichnung eines Ganzen, Zusammengehörigen, Unteilbaren, zu einem Ganzen vereinigten. Daneben ist das Wort ein Terminus in der Physik, Mathematik sowie im Militärwesen und anderen Organisationsverbänden.

In den philosophischen Lexika gibt es mit 3 bis 5 Ergebnissen pro 10 Seiten eine hohe Frequenz des Wortes „Einheit“, es tritt zwei- bis dreimal so häufig wie das Wort „Identität“ auf.

In zwei der drei philosophischen Lexika ( HWPh und EPh) wird das Wort „Einheit“ in einem Stichwort zusammen mit „Vielheit“ diskutiert. Dabei werden unter anderem folgende Gedanken geäußert.

  • Einheit und Vielheit sind korrelative Begriffe, die verwandt werden zur Bezeichnung numerischer Entitäten, dem Verhältnis vom Ganzen und Elementen, Gruppe und Individuum usw. (EPh, S. 466bu)
  • Die Frage nach der Einheit oder Vielheit von Wesensformen der Materie spielte in der antiken Philosophie und insbesondere in der Scholastik im Zusammenhang mit der Theorie des Hylemorphismus eine besondere Rolle.
  • Hegel hat eine dialektische Theorie der Einheit und Vielheit entwickelt, die bis heute als die am weitesten entwickelte Form gilt.

In MLPh werden vier Bedeutungen des Wortes „Einheit“ unterschieden (S. 129):

  • die numerische Einheit als eine Anzahl von Gegenständen,
  • die ontologische Einheit als die Einheit des Seienden, aus der die Vielheit der Seienden hervorgeht,
  • die erkenntnistheoretische Einheit, die auf der Ebene der Wissenschaftstheorie das Ziel hat die Einheit des Wissens durch Einheit der Wissenschaften in einer einheitlichen Sprache oder Theorie zu realisieren,
  • die physische Einheit eines Gegenstandes, die in seiner räumlichen Abgrenzung, zeitlichen Identität und Funktion in einem System besteht.

In den übrigen Texten wird das Wort Einheit vor allem in seiner alltagssprachlichen Bedeutung als Ganzes, Zusammengehöriges, Unteilbares verwendet. Dazu gehören auch Formulierungen zur Einheit von Gegensätzen, wie zum Beispiel die Formulierung von Hegel, dass der Gegensatz die Einheit von Identität und Verschiedenheit ist. Diese hauptsächliche Verwendungsart wurde jeweils durch drei Zitate aus jedem Lexikon illustriert.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Wort Einheit in seiner dominierenden umgangssprachlichen Bedeutung als Fachterminus in der Philosophie verwendet wird, ohne dass dies immer explizit zum Ausdruck gebracht wird. Die Einheit als Korrelat zu Vielheit ist ein weiteres Moment dieses Terminus, das aber in der gesichteten Literatur selten zum Tragen kommt.

Literaturverzeichnis

Prechtl, Peter; Burkard, Franz-Peter (Hg.) (2008): Metzler Lexikon Philosophie. Begriffe und Definitionen. 3., erw. und aktualisierte Aufl. Stuttgart: Metzler. Online verfügbar unter https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/.

Ritter, Joachim; Gründer, Karlfried; Gabriel, Gottfried (Hg.) (2007): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 13 Bände ; 1971 – 2007. Basel: Schwabe.

Sandkühler, Hans Jörg; Borchers, Dagmar; Regenbogen, Arnim; Schürmann, Volker; Stekeler-Weithofer, Pirmin (Hg.) (2010): Enzyklopädie Philosophie. In drei Bänden mit einer CD-ROM. Hamburg: Meiner.

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